T 0302/16 17-10-2019
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Verfahren und Vorrichtung zur Online-Kesselreinigung von Abfallverbrennungsanlagen
Zulassung eines neuen Einspruchsgrunds - (nein)
Zulassung spät vorgebrachter Einwände - (nein)
Zulassung einer spät vorgebrachten offenkundigen Vorbenutzung - (nein)
Zulassung spät eingereichter Beweismittel - (nein)
Änderungen der Anmeldung
Änderungen - zulässig (ja)
Neuheit - (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
I. Das europäische Patent Nr. 1 256 761 (im Folgenden: Patent) betrifft ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Reinigung von Bereichen vertikaler Leerzüge einer Verbrennungsanlage.
II. Gegen das Patent im gesamten Umfang wurde Einspruch eingelegt. Als Einspruchsgründe wurden unzulässige Erweiterung des Gegenstands der Anmeldung (Artikel 100 c) EPÜ 1973) sowie mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit (Artikel 100 a) EPÜ 1973) geltend gemacht.
III. Am Ende der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung hat diese entschieden, den Einspruch zurückzuweisen.
IV. Die Einsprechende (im Folgenden: Beschwerdeführerin) hat gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt.
V. In der Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) vom 27. November 2018 hat die Kammer ihre vorläufige Einschätzung der Beschwerde mitgeteilt.
VI. Eine mündliche Verhandlung hat am 17. Oktober 2019 stattgefunden.
VII. Schlussanträge
Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
Die Patentinhaberin (im Folgenden: Beschwerdegegnerin) beantragte, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen oder als unbegründet zurückzuweisen, hilfsweise, das Patent in eingeschränkter Fassung auf der Grundlage der Ansprüche der Hilfsanträge 1 oder 2, beide eingereicht mit dem Schreiben vom 9. September 2019, oder des Hilfsantrags 3, eingereicht mit dem Schreiben vom 26. September 2019, aufrechtzuerhalten.
VIII. Anspruchssatz gemäß Hauptantrag
Der unabhängige Verfahrensanspruch 1 in der erteilten Fassung lautet folgendermaßen (die Nummerierung der Merkmale wurde durch die Kammer hinzugefügt und lehnt sich an die von den Beteiligten verwendeten Gliederungen an; Einfügungen gegenüber Anspruch 1 in der ursprünglich eingereichten Fassung sind fett gedruckt, Auslassungen durchgestrichen):
I) Verfahren zum online-Reinigen von Bereichen
vertikaler Lehrzüge [sic] (2, 3, 4) einer
Verbrennungsanlage
IIa) [deleted: gekennzeichnet dadurch, dass] wobei Wassertropfen
mit Geschwindigkeiten, die unterhalb einer
Abrasionswirkung liegen, vorzugsweise kleiner
50 m/s,
IIb) zur gleichzeitigen allseitigen rundum
Abreinigung der Verschmutzungen auf einer Ebene
der zu reinigenden Bereiche der Leerzüge (2, 3, 4)
genutzt werden,
III) diese Reinigungsebene während der Reinigung
vertikal verschoben wird,
IV) die Reinigung während des Betriebes der
Verbrennungsanlage durchgeführt wird und
V) die Menge des Reinigungswassers so klein gewählt
wird, dass im Wesentlichen kein Reinigungswasser
in einen Trichter (13) der Leerzüge (2, 3, 4)
gelangt.
Der unabhängige Sachanspruch 7 in der erteilten Fassung lautet folgendermaßen (die Nummerierung der Merkmale wurde durch die Kammer hinzufügt und lehnt sich an die von den Beteiligten verwendeten Gliederungen an; Einfügungen gegenüber Anspruch 7 in der ursprünglich eingereichten Fassung sind fett gedruckt, Auslassungen durchgestrichen):
O.1) Vorrichtung, insbesondere zur Durchführung des
Verfahrens nach einem der Ansprüche 1 bis 6,
O.2) zur [deleted: Reinigung von Heizflächen] gleichzeitigen
allseitigen rundum Abreinigung der Verschmutzungen
auf einer Ebene von zu reinigenden Bereichen eines
Leerzuges (2,3,4) einer Verbrennungsanlage,
[deleted: insbesondere einer abfallbefeuerten]
[deleted: Verbrennungsanlage mit vertikalen Leerzügen]
[deleted: (2, 3, 4), die während des Betriebes verschmutzen,]
O.3) wobei die Reinigungsebene während der Reinigung
vertikal verschoben wird,
dadurch gekennzeichnet,
I) dass die Wasserzuführung über einen vertikal von
oben hängenden hitzebeständigen flexiblen
Schlauch (22) erfolgt,
II) dieser Schlauch (22) über ein Zuführrohr (15) am
oberen Ende des Leerzuges der Verbrennungsanlage
eingeführt wird und
III) dass am unteren Ende des Schlauches (22)
mindestens eine Düse (24) zur Verteilung des
Wassers angeschlossen ist,
IVa) wobei eine Steuereinheit zur Einstellung der
Höhenlage der Düse (24) und
IVb) zur Einstellung der Wassermenge oder des
Wasserdruckes vorgesehen ist,
Va) mit der zusammen mit einer Schlauchlängenmessung
die Höhenlage der Düse überwachbar und
Vb) ein geeigneter Sollwert von Wassermenge oder
Wasserdruck vor der Düse einstellbar ist.
IX. Beweismittel
a) In der Beschwerdebegründung und in der Beschwerdeerwiderung haben die Beteiligten unter anderem auf folgende bereits in der angefochtenen Entscheidung genannte bzw. mit dem Einspruchsschriftsatz eingereichte Druckschriften Bezug genommen:
E1: DE 85 26 791 U1;
E2: DD 112 512;
E3: US 5,579,726.
b) Mit ihrer Beschwerdebegründung hat die Beschwerdeführerin erstmals eine offenkundige Vorbenutzung geltend gemacht. Zur Stützung dieser Vorbenutzung hat sie Zeugenbeweis durch Herrn J. Krüger und Herrn P. Merl angeboten, sowie folgendes Beweismittel eingereicht:
E8: Krüger, S. und Krüger J., "Praxiserfahrungen
bei der Optimierung von Verbrennungsanlagen",
in Thomé-Kozmiensky, K.J. und Beckmann, M.
(Hrsg.), "Energie aus Abfall", Band 12, TK
Verlag, 2015, Seiten 42 bis 52.
c) Mit Schriftsatz vom 2. Oktober 2018 hat die Beschwerdeführerin auf die Beschwerdeerwiderung geantwortet und folgendes Dokument eingereicht:
E9: Krüger, J. und Krüger S., "Grundlagen zur
Online-Kesselreinigung nach dem Schwandorfer
Prinzip", VGB PowerTech, 2013, Zusammenfassung.
d) Mit Schriftsatz vom 16. September 2019 hat die Beschwerdeführerin erstmals im Beschwerdeverfahren auf die nach Ablauf der Einspruchsfrist und damit im Einspruchsverfahren verspätet eingereichte und von der Einspruchsabteilung mangels Relevanz nicht in das Verfahren zugelassene folgende Druckschrift Bezug genommen:
E7: DE 1 811 223 A.
X. Das schriftsätzliche und mündliche Vorbringen der Beteiligten lässt sich, soweit es für diese Entscheidung relevant ist, wie folgt zusammenfassen:
a) Zulässigkeit der Beschwerde
Die Beschwerdegegnerin rügt die Zulässigkeit der Beschwerde mit der Begründung, dass die Beschwerdebegründung nur das schriftliche Vorbringen der Beschwerdeführerin im Einspruchsverfahren wiederhole, ohne auf die Beurteilung der Einspruchsgründe in der angefochtenen Entscheidung einzugehen.
b) Artikel 100 c) EPÜ 1973 - Anspruch 1
Merkmal V) von Anspruch 1 wie erteilt verlangt, dass "die Menge des Reinigungswassers so klein gewählt wird, dass im Wesentlichen kein Reinigungswasser in einen Trichter der Leerzüge gelangt", während Anspruch 1 in der ursprünglich eingereichten Fassung hingegen vorschreibt, dass "im Wesentlichen Reinigungswasser in einen Trichter gelangt".
Die Beschwerdeführerin macht in dieser Hinsicht geltend, dass - entgegen der angefochtenen Entscheidung - diese Änderung gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstoße. Nach Artikel 69 EPÜ habe der ursprüngliche Wortlaut von Anspruch 1 Vorrang bei der Feststellung des Schutzbereichs des Patents oder der Patentanmeldung. Es sei deshalb nicht erlaubt, die Beschreibung und Zeichnungen heranzuziehen, um eine solche Kehrtwendung im Wortlaut des Merkmals V) von Anspruch 1 vorzunehmen.
Die Beschwerdegegnerin argumentiert, dass die streitige Änderung durch die Offenbarung auf Seite 7, Zeilen 17 bis 19 der ursprünglich eingereichten Beschreibung gestützt sei.
c) Artikel 100 c) EPÜ 1973 - Anspruch 7
Die Beschwerdeführerin macht erstmals nach Zugang der Ladung zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer geltend, dass die im Prüfungsverfahren hinzugefügten Merkmale IVa) und IVb) von Anspruch 7 eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung des ursprünglich auf Seite 14, Zeilen 8 ff. der Beschreibung offenbarten, in Figur 2 dargestellten Ausführungsbeispiels der Erfindung darstellten. Dieser zwar spät erhobene Einwand sei aber hochrelevant und aus Gründen der Rechtssicherheit zu berücksichtigen.
Die Beschwerdegegnerin hält dem entgegen, dass dieser verspätet erhobene Einwand nicht zugelassen werden dürfe, weil er bereits innerhalb der Einspruchsfrist oder spätestens in der Beschwerdebegründung hätte erhoben werden können und prima facie nicht relevant sei (Artikel 13 (1) VOBK).
d) Artikel 100 b) EPÜ 1973 - Offenbarung der Erfindung
Die Beschwerdeführerin machte in ihrem nach der Beschwerdeerwiderung eingegangenen Schreiben vom 2. Oktober 2018 erstmals einen Einwand nach Art. 100 b) EPÜ 1973 geltend und trägt dazu vor, dass die in Anspruch 1 definierte technische Lehre aufgrund von Merkmal IIa) nicht ausführbar sei. Das Patent enthalte keine Angaben darüber, wie die Geschwindigkeit der Wassertropfen definiert sei, geschweige denn, wie sie gemessen werde. Ferner gehe aus E8 (Seite 42, Absatz 3) hervor, dass Wassertropfen mit Geschwindigkeiten von auch nur 30 bis 50 m/s sehr wohl eine Abrasionswirkung hätten, entgegen der Angabe in Merkmal IIa). In E9 habe einer der Erfinder des Patents sogar ausgeführt, dass die Geschwindigkeit der Wassertropfen kleiner als
10 m/s sein müsse, um eine Beschädigung der Heizflächen durch Abrasion zu verhindern und mithin den für die Erfindung des Patents beanspruchten Zweck zu erzielen. Der Einspruchsgrund nach Artikel 100 b) EPÜ 1973 sei bereits im Einspruchsschriftsatz ausreichend substantiiert worden, wenngleich auch nur im Zusammenhang mit Anspruch 4. Der neu erhobene Einwand der unzureichenden Offenbarung gegen Anspruch 1 sei aber hochrelevant und aus Gründen der Rechtssicherheit auch im jetzigen Stadium des Verfahrens noch zu berücksichtigen.
Die Beschwerdegegnerin stimmte der Berücksichtigung dieses Einwands nicht zu, weil er einen neuen Einspruchsgrund nach Artikel 100 b) EPÜ 1973 darstellte. Abgesehen davon sei der spät erhobene Einwand prima facie nicht relevant und mithin nicht in das Verfahren zuzulassen (Artikel 13 (1) VOBK).
e) Artikel 100 a) EPÜ 1973 - Gewerbliche Anwendbarkeit
Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass das in Anspruch 1 definierte Verfahren nicht gewerblich anwendbar wäre, sollte die Geschwindigkeit der Wassertropfen tatsächlich 30 bis 50 m/s betragen.
Die Beschwerdegegnerin stimmte der Berücksichtigung auch dieses Einwands nicht zu, weil er einen völlig neuen Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) i.V.m. 57 EPÜ 1973 darstellte.
f) Offenkundige Vorbenutzung
Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass in dem am 26. Januar 2015 erschienenen Artikel E8 ausdrücklich erwähnt werde, dass das im Patent definierte Reinigungsverfahren "seit etwa 14 Jahren" im Müllkraftwerk (MKW) Schwandorf angewandt werde (Seite 42, Absatz 3 i.V.m. Nr. 11 der auf Seite 52 angeführten Quellen, und Seite 45, Absatz 1), wobei auf Seite 45 von E8 ein am 1. März 2001 aufgenommenes Foto des Reinigungsverfahrens wiedergegeben sei (Bild 21). Daraus ergebe sich, dass das patentgemäße Reinigungsverfahrens bereits ca. 2 Monate vor dem Prioritätstag des Patents (26. April 2001) benutzt worden sei. Diese Vorbenutzung dürfte nach Auffassung der Beschwerdeführerin auch offenkundig sein, denn derartige Neuerungen würden bekanntlich in Fachkreisen mit regem Interesse diskutiert werden. Auch könne nicht ausgeschlossen werden, dass zum fraglichen Zeitpunkt das MKW Schwandorf öffentlich zugänglich gewesen sei. Um die Frage der Offenkundigkeit der Vorbenutzung zu beweisen, werde beantragt, die Verhandlung zu vertagen und die beiden Erfinder des Patents, Herrn J. Krüger und Herrn P. Merl, als Zeugen zu vernehmen. Hilfsweise werde beantragt, die Angelegenheit an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen, damit sie die Zeugen vernehme. Der Gegenstand der Vorbenutzung sei für die Beurteilung der Patentfähigkeit hochrelevant und aus Gründen der Rechtssicherheit zu berücksichtigen. Nachdem die Beweismittel der offenkundigen Vorbenutzung ganz in der Sphäre der Beschwerdegegnerin lägen, gehe die Beweislast auf die Beschwerdegegnerin über, die beweisen müsse, dass keine offenkundige Vorbenutzung stattgefunden habe.
Die Beschwerdegegnerin beantragt, Dokument E8 sowie den darauf basierenden Vortrag einer offenkundigen Vorbenutzung als verspätetes Vorbringen zurückzuweisen (Artikel 12 (4) VOBK). Die Vorbenutzung sei weder substantiiert noch prima facie relevant. Es sei lediglich angedeutet worden, wann die geltend gemachte Benutzung stattgefunden habe ("wann") und was benutzt worden sei ("was"). Die übrigen Umstände der Vorbenutzung ("wo, wie, durch wen") seien jedoch nicht substantiiert worden. Die Vernehmung der angebotenen Zeugen könne diesen mangelhaften Tatsachenvortrag nicht ersetzen. Im Übrigen seien die Erfinder ohne Rücksprache als Zeugen genannt worden und es sei unrealistisch, dass sie gegen das eigene Patent aussagen würden. Bezüglich der Frage nach dem "wann" werde bestritten, dass das in Bild 21 von E8 wiedergegebene Foto am 1. März 2001 aufgenommen worden sei. Abgesehen davon könne das Foto einen Test eines Wassersprühverfahrens betreffen, der unter Geheimhaltung durchgeführt worden sei. Bezüglich der Umstände der Vorbenutzung ("wo, wie, durch wen") sei es nicht plausibel, dass eine öffentliche Vorbenutzung im MKW Schwandorf stattgefunden habe, denn es handele sich dort um ein nicht öffentliches Gelände, das nicht jedermann, sondern nur geschultem Personal unter Einhaltung von Sicherheitsvorschriften beschränkt zugänglich sei.
g) Anspruch 7 - Neuheit
Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass - entgegen der angefochtenen Entscheidung - der Gegenstand von Anspruch 7 im Hinblick auf E1 nicht neu sei.
Die Beschwerdegegnerin argumentiert, dass der Gegenstand von Anspruch 7 durch E1 nicht neuheitsschädlich vorweggenommen sei, denn dort seien Merkmale O.2), O.3), II), IVa), IVb), Va) und Vb) nicht offenbart.
h) Anspruch 1 - Erfinderische Tätigkeit
Vorbringen der Beschwerdeführerin:
Entgegen der angefochtenen Entscheidung beruhe der Gegenstand von Anspruch 1 ausgehend von E1 als nächstliegendem Stand der Technik auf keiner erfinderischen Tätigkeit.
Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheide sich davon durch Merkmale IIa) und IIb). Insbesondere sei das in E1 offenbarte Verfahren ohne weiteres "zum online-Reinigen von Bereichen vertikaler Lehrzüge einer Verbrennungsanlage" geeignet, wie Merkmal I) vorschreibe.
Bezüglich Merkmal IIa) liege die damit objektiv gelöste Teilaufgabe darin, eine Abreinigung der Verschmutzungen ohne Beschädigung der Heizfläche durch Abrasion zu ermöglichen.
Bezüglich Merkmal IIb) liege die damit objektiv gelöste Teilaufgabe darin, eine allseitige Rundum-Reinigung der Heizflächen auf einer Ebene zu ermöglichen.
Die beanspruchten Lösungen der zwei Teilaufgaben seien für den Fachmann aufgrund der Lehre von E3 bzw. E2 naheliegend (zu Merkmal IIa) siehe E3, Spalte 1, Zeilen 56 bis 61; zu Merkmal IIb) siehe E2, Seite 4, Zeilen 12 bis 16).
Vorbringen der Beschwerdegegnerin:
Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheide sich von E1 durch Merkmale I), IIa), IIb), III) und V).
Die von der Beschwerdeführerin formulierten Teilaufgaben würden bereits Lösungsansätze enthalten und daher zu einer rückschauenden Betrachtungsweise der erfinderischen Tätigkeit führen. Ausgehend von E1 bestehe die objektiv zu lösende technische Aufgabe darin, ein alternatives Reinigungsverfahren für eine andere Anwendung zu entwickeln.
Der Fachmann könne dem entgegengehalten Stand der Technik keinen Hinweis zur beanspruchten Lösung dieser Aufgabe entnehmen. Das Dokument E3 lege diese Lösung nicht nahe. Es betreffe lediglich einen Rußbläser zur Reinigung von Heizflächenrohren in einem Dampfkessel, wobei eine horizontale Lanze mit Hochdruckdüsen in den Kessel gefahren werde. E3 könne den Fachmann allenfalls dazu anregen (Spalte 4, Zeilen 26 bis 28), Hochdruckdüsen und mithin Wassertropfen mit sehr hohen Geschwindigkeiten zu verwenden, die aber zwangsläufig abrasiv wirken würden, entgegen Merkmal IIa). Abgesehen davon sei in E3 keines der Merkmale I), IIb), III) und V) offenbart. Der Fachmann habe keine Veranlassung, zusätzlich zu E3 auch noch die Lehre von E2 heranzuziehen, zumal der dort offenbarte feststehende Düsenkopf mit dem in E3 offenbarten, horizontal verschiebbaren und drehbaren Düsenkopf nicht kompatibel sei.
i) Anspruch 7 - Erfinderische Tätigkeit
Vorbringen der Beschwerdeführerin:
Sollte die Kammer zum Ergebnis gelangen, dass der Gegenstand von Anspruch 7 sich von der in E1 offenbarten Reinigungsvorrichtung durch Merkmale O.2), O.3), IVa), IVb), Va) und Vb) unterscheidet, könnten diese Unterschiede das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit dennoch nicht begründen. In Bezug auf Merkmale O.2) und O.3) liege die damit objektiv gelöste Teilaufgabe darin, eine allseitige Rundum-Reinigung der Heizflächen auf einer Ebene zu ermöglichen. In Bezug auf Merkmale IVa), IVb), Va) und Vb) bestehe die damit objektiv gelöste Teilaufgabe darin, eine Steuerung der Höhenlage der Düse und der Wassermenge oder des Wasserdrucks bereitzustellen. Die beanspruchten Lösungen dieser Teilaufgaben seien für den Fachmann aufgrund der Lehre von E2 bzw. E3 naheliegend (zu Merkmalen O.2) und O.3) siehe E2, Seite 4, Zeilen 12 bis 16; zu Merkmale IVa), IVb), Va) und Vb) siehe E3, Spalte 5, Zeilen 36 bis 59).
Sollte der Fachmann alternativ von E3 als nächstliegendem Stand der Technik ausgehen, wäre der Gegenstand von Anspruch 7 ebenfalls naheliegend. Er unterscheide sich von E3 nur durch Merkmal I). Die objektiv zu lösende technische Aufgabe bestehe darin, eine neue Zweckbestimmung für die in E3 offenbarte Vorrichtung zu finden. Die beanspruchte Lösung dieser Aufgabe sei für den Fachmann aufgrund der Lehre von E1 naheliegend.
Vorbringen der Beschwerdegegnerin:
Die genannten Unterscheidungsmerkmale O.2), O.3), IVa), IVb), Va) und Vb) zwischen dem Gegenstand von Anspruch 7 und E1 würden das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit begründen. Die von der Beschwerdeführerin formulierten Teilaufgaben würden bereits Lösungsansätze enthalten und daher zu einer rückschauenden Betrachtungsweise der erfinderischen Tätigkeit führen. Im Gegensatz zu E1, die einen vertikal verschiebbaren Düsenkopf mit einer stirnseitigen Düse sowie seitlichen Düsen zur Reinigung der Außenwände von Rohrschlangen und des ringförmigen Spalts zwischen den Rohrschlangen betreffe, beziehe sich E2 auf einen feststehenden Blaskopf für Rußbläser zur Reinigung von Dampferzeugerrohren. Sollte der Fachmann die Lehre von E2 in Betracht ziehen, würde er erkennen, dass der darin offenbarte Blaskopf nicht dazu geeignet wäre, die Außenwände und den Spalt der Rohrschlangen von Ablagerungen zu befreien. Der Fachmann würde also den in E1 offenbarten Düsenkopf nicht durch den in E2 offenbarten Blaskopf ersetzen, da dies der Funktion der in E1 offenbarten Reinigungsvorrichtung beeinträchtigen würde. Merkmale O.2) und O.3) seien also nicht durch E2 nahegelegt. Davon abgesehen würde E3 den Fachmann nicht dazu anleiten, in der Reinigungsvorrichtung gemäß E1 eine gemeinsame Steuereinheit zur Einstellung der Höhenlage der Düse und zur Einstellung der Wassermenge bzw. des Wasserdrucks vorzusehen (Merkmal IVa), IVb), Va) und Vb)).
Die alternative Angriffslinie ausgehend von E3 müsse unberücksichtigt bleiben, da sie erstmals in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer und zudem prima facie nicht relevant sei. Insbesondere sei E3 als Ausgangspunkt weniger erfolgversprechend als E1, weil in E3 die Wasserzuführung nicht über einen vertikal nach unten hängenden flexiblen Schlauch erfolge. Bei der in E3 offenbarten Vorrichtung werde der Düsenkopf mittels einer starren horizontalen Lanze zwischen vertikal verlaufenden Wärmetauscherrohren gedreht und verschoben. Ausgehend von E3 würde der Fachmann keine Vorrichtung entwickeln, die nicht mehr für diesen Zweck geeignet wäre.
1. Anwendbares Recht
1.1 Die Anmeldung, auf deren Grundlage das Patent erteilt wurde, ist am 26. April 2002 eingereicht worden, d. h. vor dem Inkrafttreten des revidierten Übereinkommens (EPÜ 2000) am 13. Dezember 2007.
1.2 Deshalb sind im vorliegenden Fall in Anwendung des Artikels 1 (1) des Beschlusses des Verwaltungsrats vom 28. Juni 2001 über die Übergangsbestimmungen nach Artikel 7 der Akte zur Revision des Europäischen Patentübereinkommens vom 29. November 2000 (ABl. EPA 2007, Sonderausgabe Nr. 4, 139) unter anderem Artikel 56, 57, 84, 100, 104 und 114 (2) EPÜ 1973 sowie Artikel 52, 54 (2), 69, 108 und 123 EPÜ (2000) anzuwenden.
2. Zulässigkeit der Beschwerde
2.1 Die Beschwerdeführerin hat sich in der Beschwerdebegründung mit den Feststellungen der Einspruchsabteilung zu Artikel 100 c) EPÜ 1973 und zur Neuheit betreffend Anspruch 1 im Hinblick auf E1 inhaltlich auseinandergesetzt (s. Verweis auf Artikel 69 EPÜ auf Seite 4 der Beschwerdebegründung, und Verweis auf Merkmale I) und IIa) im Hinblick auf E1 auf Seiten 5 und 6). Davon abgesehen hat die Beschwerdeführerin ihr Beschwerdebegehren auch damit begründet, dass der Gegenstand von Anspruch 1 im Hinblick auf die neu geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung nicht neu sei (s. Seiten 9 und 10).
2.2 Aufgrund dieser Ausführungen ist die Kammer - und offenbar auch die Beschwerdegegnerin - in der Lage, nicht nur zu verstehen, warum die Entscheidung falsch sein soll, sondern auch auf die dazu angeführten Argumente der Beschwerdeführerin einzugehen. Allein deshalb sind die Mindestanforderungen des Artikels 108 Satz 3 i.V.m. Regel 99 (2) EPÜ an eine ausreichende Beschwerdebegründung erfüllt.
2.3 Ob die offenkundige Vorbenutzung verspätet geltend gemacht worden und gegebenenfalls zuzulassen ist, ist für die Frage der Zulässigkeit der Beschwerde nicht relevant.
3. Artikel 100 c) EPÜ 1973 - Anspruch 1
3.1 Die Beschwerdeführerin widerspricht der Auffassung der Einspruchsabteilung, dass sich das geänderte Merkmal V) von Anspruch 1 aus den ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen ableiten lasse.
3.2 Die Kammer teilt jedoch die Auffassung der Einspruchsabteilung und der Beschwerdegegnerin, dass die Änderung von Merkmal V) durch die Offenbarung auf Beschreibungsseite 7, Zeilen 17 bis 19 in der ursprünglich eingereichten Fassung gestützt ist. Im Übrigen ist diese Offenbarung durch die Angaben auf Beschreibungsseite 8, Zeilen 4 bis 7 und Beschreibungsseite 11, Zeilen 23 bis 25 bestätigt. Der maßgebliche Fachmann im Bereich der Verbrennungsanlagen erkennt beim Lesen dieser Offenbarungsstellen im Gesamtzusammenhang der Anmeldung auf Anhieb, dass Merkmal V) wie geändert erfindungswesentlich ist, damit verhindert wird, dass Reinigungswasser mit den abgelösten Belägen in das dem Trichter der Leerzüge nachgeschalteten Staubfördersystem gelangt und diesen blockiert (Seite 5, Zeilen 23 bis 27).
3.3 Entgegen der - auch nicht näher begründeten - Auffassung der Beschwerdeführerin bietet Artikel 69 EPÜ nach Auffassung der Kammer keine Grundlage für die Annahme, dass bei der Änderung einer Anmeldung der ursprüngliche Anspruchswortlaut Vorrang gegenüber dem Inhalt der Beschreibung hat.
4. Artikel 100 c) EPÜ 1973 - Anspruch 7
4.1 Mit Schriftsatz vom 22. Juli 2019 - d. h. mehr als 3 Jahre nach Einreichung der Beschwerdebegründung und nach der Anberaumung der mündlichen Verhandlung - hat die Beschwerdeführerin zum ersten Mal einen Einwand unter Artikel 100 c) EPÜ 1973 gegen Anspruch 7 erhoben. Sie hat im Wesentlichen argumentiert, die Aufnahme der Merkmale IVa) und IVb) in Anspruch 7, wonach "eine Steuereinheit zur Einstellung der Höhenlage der Düse und zur Einstellung der Wassermenge oder des Wasserdruckes vorgesehen ist", stelle eine unzulässige Zwischenverallgemeinerung des ursprünglich auf Seite 14, Zeilen 8 ff. der Beschreibung offenbarten, in Figur 2 dargestellten Ausführungsbeispiels der Erfindung dar.
4.2 Es handelt sich hierbei um ein neues Vorbringen, dass sich auf Tatsachen stützt (Seite 9, Zeilen 24 ff., Seite 14, Zeile 8 ff. und Seite 14, Zeile 20 ff. der ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen), die im Hinblick auf Artikel 100 c) EPÜ 1973 bislang nicht genannt wurden und sich mithin nicht im Verfahren befanden. Im Rahmen des Einspruchsgrunds nach Artikel 100 c) EPÜ 1973 hatte die Beschwerdeführerin sowohl im bisherigen Beschwerdeverfahren als auch im vorangegangenen Einspruchsverfahren lediglich geltend gemacht, dass sich das geänderte Merkmal V) von Anspruch 1 aus den ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen nicht ableiten lasse.
4.3 Die Kammer hat daher ein Ermessen, den neu erhobenen Einwand gegen Anspruch 7 nicht in das Verfahren zuzulassen (Artikel 114 (2) EPÜ 1973 und Artikel 13 (1) VOBK).
4.4 Das neue Vorbringen erfolgte zu einem sehr späten Zeitpunkt im Beschwerdeverfahren, ohne dass sich der zugrundeliegende Sachverhalt im Verfahren geändert hätte.
4.5 Der neu erhobene Einwand ist prima facie nicht relevant, denn die Aufnahme der Merkmale IVa), IVb), Va) und Vb) in Anspruch 7 ist offensichtlich durch die Offenbarung auf Seite 9, Zeilen 20 bis 26 und Seite 14, Zeilen 8 und 9 der Beschreibung in der ursprünglich eingereichten Fassung gestützt. Beim Lesen dieser Offenbarungsstellen erkennt der Fachmann auf Anhieb, dass das weitere auf Seite 14, Zeilen 8 und 9 genannte Merkmal, wonach die Steuereinheit wahlweise die Wassermenge oder den Wasserdruck "vor der Haspel" auf den geeigneten Sollwert einstellt, nicht in engem Zusammenhang mit den übrigen, auf Seite 9, Zeilen 20 bis 26 und Seite 14, Zeilen 8 und 9 genannten Merkmalen steht. Insbesondere ist das weitere Merkmal der Haspel für den automatischen Betrieb der Wasserdüse nicht wesentlich.
4.6 Aus diesen Gründen und unter Berücksichtigung des Stands des Verfahrens und der gebotenen Verfahrensökonomie kam die Kammer in Ausübung des ihr zustehenden Ermessens zu dem Schluss, den neu erhobenen Einwand gegen Anspruch 7 in das Verfahren nicht zuzulassen.
5. Artikel 100 b) EPÜ 1973 - Offenbarung der Erfindung
5.1 Mit Schriftsatz vom 2. Oktober 2018 hat die Beschwerdeführerin zum ersten Mal einen Einwand der unzureichenden Offenbarung gegen das Patent in der erteilten Fassung erhoben.
5.2 Entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin stellt dieser Einwand zwar keinen neuen Einspruchsgrund nach Artikel 100 b) EPÜ 1973 im Sinne der Entscheidung G 10/91 (ABl. 1993, 420, Gründe Nr. 18) dar. So hatte die Beschwerdeführerin bereits im Einspruchsschriftsatz geltend gemacht, dass die in Anspruch 4 vermittelte Lehre unausführbar sei. Es trifft einerseits zu, dass der Einspruchsgrund der unzureichenden Offenbarung im Einspruchsverfahren nicht weiter erörtert wurde und in der angefochtenen Entscheidung nicht erwähnt ist. Dem Akteninhalt kann aber andererseits auch nicht entnommen werden, dass die Beschwerdeführerin diesen Einspruchsgrund aufgegeben hat. Nach Auffassung der Kammer setzt der Verzicht auf einen Einspruchsgrund eine ausdrückliche eindeutige Verzichtserklärung voraus, die aber nicht vorliegt.
5.3 Nichtsdestotrotz stellt der neu erhobene Einwand der unzureichenden Offenbarung gegen Anspruch 1 eine späte wesentliche Änderung des Vorbringens der Beschwerdeführerin dar, deren Zulassung in das Verfahren im Ermessen der Kammer steht (Artikel 114 (2) EPÜ 1973 und Artikel 13 (1) VOBK).
5.4 Die Beschwerdeführerin argumentiert, dass Merkmal IIa) von Anspruch 1 keine nacharbeitbare technische Lehre vermittle, weil aufgrund fehlender Angaben im Patent zur Definition und zur Messung der Geschwindigkeit der Wassertropfen der Fachmann nicht zuverlässig feststellen könne, ob er innerhalb oder außerhalb des Schutzbereichs arbeite. Mit Bezug auf E8 und E9 macht die Beschwerdeführerin ferner geltend, dass der mit Merkmal IIa) vorgeschriebene Geschwindigkeitsbereich von < 50 m/s einen breiten Bereich möglicher Geschwindigkeiten für die Wassertropfen definiere, die abrasiv wirken könnten, entgegen der Angabe in Merkmal IIa). Der Anspruchswortlaut umfasse mithin nicht ausführbare Varianten der Erfindung.
5.5 Aus folgenden Gründen sind diese Einwände prima facie unbegründet:
5.5.1 Merkmal IIa) ist im Gesamtzusammenhang des Patents technisch sinnvoll dahingehend zu verstehen, dass Wassertropfen auf die zu reinigenden Heizflächen der Leerzüge mit geringer Geschwindigkeit gesprüht werden, so dass die auf die Heizflächen anhaftenden Beläge über Thermoschock und ohne abrasive Einwirkung abgelöst werden (siehe Absätze 24, 33, 40 und 42 der Patentschrift).
5.5.2 Durch die zusätzliche Angabe "vorzugsweise kleiner 50 m/s" in Merkmal IIa) erhält der Fachmann eine Anleitung, um das im Patent mit konkreten Angaben offenbarte Ausführungsbeispiel der Erfindung (siehe insbesondere Absätze 56 bis 60 der Patentschrift) mithilfe weniger Routineversuche zur Bestimmung der geeigneten Geschwindigkeit der Wassertropfen nachzuarbeiten.
5.5.3 Die bloße Behauptung, dies stelle für den Fachmann einen unzumutbaren Aufwand dar, kann nur als unbewiesene Vermutung angesehen werden, insbesondere da die Beschwerdeführerin keine ernsthaften, durch nachprüfbare Tatsachen untermauerten Zweifel an der Nacharbeitbarkeit der Erfindungslehre geweckt hat.
5.5.4 Wenn im Hinblick auf ein Merkmal eines Patentanspruchs verschiedene Messmethoden existieren, die zu unterschiedlichen Ergebnissen und mithin zu Zweifeln bezüglich der Abgrenzung des Schutzbereichs führen können, so betrifft es in der Regel eher die Klarheit bzw. Deutlichkeit des Patentanspruchs (Artikel 84 EPÜ 1973) als die Ausführbarkeit der beanspruchten Erfindung. Im vorliegenden Fall würde der Fachmann unter den ihm aufgrund seines allgemeinen Fachwissens bekannten Messverfahren ein solches auswählen, das als geeignet für die Ermittlung der Geschwindigkeit der Wassertropfen gilt.
5.6 Aus diesen Gründen und unter Berücksichtigung des Stands des Verfahrens und der gebotenen Verfahrensökonomie kam die Kammer zu dem Schluss, den neu erhobenen Einwand der unzureichenden Offenbarung nicht in das Verfahren zuzulassen.
5.7 In diesem Zusammenhang ist noch zu erwähnen, dass die Beschwerdeführerin zur Stützung dieses Einwands das Dokument E9 eingereicht hat, das 2013 veröffentlicht wurde. Die Kammer teilt die Auffassung der Beschwerdegegnerin, dass E9 schon im Einspruchsverfahren hätte eingereicht werden können. Dessen ungeachtet braucht dieses Dokument auch schon deswegen nicht in das Verfahren zugelassen werden, weil der Einwand der unzureichenden Offenbarung unberücksichtigt bleibt und es daher auf E9 nicht ankommt.
6. Artikel 100 a) EPÜ 1973 - Gewerbliche Anwendbarkeit
6.1 Im Schriftsatz vom 2. Oktober 2018 hat die Beschwerdeführerin erstmals argumentiert, der Verfahrensanspruch 1 in der erteilten Fassung sei gewerblich nicht anwendbar.
6.2 Dieser Einwand stellt einen neuen Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) i.V.m. 57 EPÜ 1973 im Sinne der Entscheidung G 10/91 dar, der im Beschwerdeverfahren nur mit der Zustimmung der Beschwerdegegnerin berücksichtigt werden kann, die aber nicht vorliegt.
6.3 Der Einwand der mangelnden gewerblichen Anwendbarkeit muss deshalb unberücksichtigt bleiben.
7. Zulassung der offenkundigen Vorbenutzung in das Verfahren, Artikel 12(4) VOBK
7.1 Mit der Beschwerdebegründung hat die Beschwerdeführerin erstmals eine angeblich neuheitsschädliche offenkundige Vorbenutzung der beanspruchten Erfindung geltend gemacht.
7.2 Die Kammer hat bereits Zweifel, ob die Beschwerdeführerin hinreichende Gründe dafür genannt hat, warum dieses neue Vorbringen nicht früher eingereicht werden konnte. Hierzu hat sie in der Beschwerdebegründung lediglich angeführt, dass ihr E8, ein Auszug aus einem im Jahr 2015 erschienenen Band 12 von "Energie aus Abfall", "kürzlich... in die Hände gefallen" sei. Die Beschwerdegegnerin hat aber zutreffend darauf verwiesen, dass die Beschwerdeführerin selbst für diese Veröffentlichung das Erscheinungsdatum 26. Januar 2015 angegeben hat. Dieses liegt wiederum knapp 9 Monate vor der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung. Die Beschwerdeführerin hat insoweit ergänzt, sie habe das Dokument erst später und rein zufällig entdeckt.
7.3 Die Beschwerdegegnerin ist hierzu der Auffassung, dass die Vorbenutzung schon im Einspruchsverfahren hätte vorgebracht werden können, und zwar vor der mündlichen Verhandlung am 14. Oktober 2015. Dem mag schon deswegen nicht uneingeschränkt zuzustimmen sein, weil es sich bei E8 nicht um ein Patentdokument handelt, nach dem hätte gezielt recherchiert werden können. Weiteres Vorbringen dazu liegt von keiner Seite vor. Allerdings vermag die Kammer entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin Anhaltspunkte für einen Verfahrensmissbrauch nicht zu erkennen. Die Berücksichtigung der Vorbenutzung sowie des Dokuments E8 liegt angesichts dessen aber jedenfalls im Ermessen der Kammer (Artikel 114 (2) EPÜ 1973 und Artikel 12 (4) VOBK).
7.4 Hierbei ist zu berücksichtigen, dass nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern das Wesen des Einspruchsbeschwerdeverfahrens darin liegt, in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung zu überprüfen, und nicht ein zweites Einspruchsverfahren mit neuem Tatsachenvorbringen durchzuführen. Daraus folgt, dass eine erstmals im Beschwerdeverfahren vorgebrachte Vorbenutzung nur dann zugelassen und als Stand der Technik berücksichtigt werden kann, wenn zumindest die folgenden drei Bedingungen erfüllt werden (T 691/12 vom 21. Januar 2014, Gründe Nr. 2):
a) Es darf sich nicht um einen erkennbaren
Verfahrensmissbrauch handeln;
b) Die Vorbenutzung muss prima facie so relevant sein,
dass sie wie vorgebracht die Gültigkeit des Patents
infrage stellt; und
c) Die Vorbenutzung muss hinreichend nachgewiesen
sein, sodass keine weiteren Ermittlungen zur
Feststellung ihres Gegenstands bzw. ihrer Umstände
notwendig sind.
7.5 Im vorliegenden Fall ist zumindest die Bedingung c) nicht erfüllt, weil die von der Beschwerdeführerin gemachten Angaben zu der behaupteten Vorbenutzung nicht ausreichen, um feststellen zu können, was der Öffentlichkeit, wann und unter welchen Umständen ("wo, wie, durch wen") zugänglich gemacht worden ist.
7.6 Das Patent beansprucht die Priorität einer am 26. April 2001 im Namen des Unternehmens Müllkraftwerk Schwandorf Betriebsgesellschaft mbH eingereichten deutschen Patentanmeldung. Die Anmelderin dieser Prioritätsanmeldung war - neben der Beschwerdegegnerin - Mitanmelderin der Anmeldung, auf deren Basis das Patent erteilt wurde. Nach dem Vortrag der Beschwerdeführerin soll Gegenstand der behaupteten Vorbenutzung ein "erfindungsgemäßes Reinigungsverfahren" sein, das im - zumindest jetzt - unstreitig von der Mitanmelderin der Patentanmeldung betriebenen MKW Schwandorf angewendet worden sein soll, und zwar angeblich "bereits zwei Monate vor dem Anmeldetag der Prioritätsanmeldung". Das schließt die Beschwerdeführern daraus, dass einer der Erfinder, Jörg Krüger, in dem Aufsatz E8 als co-Autor selbst erwähnt, dass das dort beschriebene Reinigungsverfahren bereits "seit etwa 14 Jahren" im MKW Schwandorf betrieben werde. Aus E8 ergebe sich auch, dass das dort wiedergegebene Foto (Bild 21) das Aufnahmedatum 1. März 2001 zeige, was die Beschwerdeführerin als weiteren Beleg dafür ansehen will, dass die Anlage damals bereits "in Betrieb" war. Die Beschwerdegegnerin bestreitet dagegen, dass aus E8 Merkmal V) des unabhängigen Anspruchs 1 und Merkmale IVa), IVb), Va) und Vb) des unabhängigen Anspruchs 7 ersichtlich seien. Dabei, so hat die Beschwerdegegnerin ausgeführt, handele es sich um reine Spekulation der Beschwerdeführerin. Sie, die Beschwerdegegnerin, bestreite das Vorliegen dieser Merkmale. Zudem sei das MKW Schwandorf nicht öffentlich zugänglich, so dass eine - ohnehin nicht gegebene - Vorbenutzung schon gar nicht öffentlich stattgefunden haben könne.
7.7 Die Kammer folgt der Beschwerdeführerin zwar insoweit, als die behauptete Vorbenutzung von ihr kaum "lückenlos" nachgewiesen werden kann, weil die wesentlichen Beweismittel im Betriebsbereich der Mitanmelderin der Patentanmeldung und damit im erweiterten Einflussbereich der Beschwerdegegnerin liegen. Dennoch ist die Beschwerdeführerin jedenfalls insoweit für eine von ihr behauptete Vorbenutzung in einem Maße darlegungs- und beweispflichtig, wie es von ihr unter den gegebenen Umständen erwartet werden kann und zumutbar ist. Dazu gehört es, wenigstens nachvollziehbar im Einzelnen darzulegen, welche genauen Ausführungen in E8 die Beschwerdeführerin zu Gunsten ihrer Behauptung heranziehen möchte und weswegen diese das "erfindungsgemäße Reinigungsverfahren" identisch beschreiben sollen, und, sofern nicht alle Merkmale daraus ersichtlich sein sollten, anzugeben, aus welchem Grund sie annimmt, dass diese dennoch verwirklicht worden sind und weswegen ihr nähere Angaben dazu wiederum nicht möglich sein sollten.
7.8 Hier fehlt es jedoch, wie die Beschwerdegegnerin bereits in der Erwiderung auf die Beschwerde zutreffend gerügt hat, an einer derartigen hinreichenden Substantiierung des erforderlichen Vortrags. Dieser erschöpft sich insoweit in der pauschalen Behauptung der Beschreibung eines "erfindungsgemäßen Reinigungsverfahrens" in E8. Eine Beweiserleichterung im Sinne einer sekundären Beweislast, auf die sich die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung mit der Begründung berufen hat, dass sich die Beweismittel "in der Sphäre der Beschwerdegegnerin" befänden, kommt ihr bei derartigem pauschalem Vorbringen aber nicht zugute.
7.9 Hinzu kommt, dass sie im Hinblick auf die angebliche Ausführung des patentgemäßen Reinigungsverfahrens im MKW Schwandorf vor dem Prioritätstag auch keine nachprüfbaren Tatsachen behauptet hat, die die öffentliche Zugänglichmachung in diesem sowohl nach den Angaben der Beschwerdegegnerin als auch nach der allgemeinen Lebenserfahrung nicht öffentlichen Werksgelände glaubhaft machen, sondern lediglich Vermutungen über den etwaigen Zutritt werksfremder Personen geäußert. Dies genügt nicht, um die Beweislast zulasten der Beschwerdegegnerin umzukehren.
7.10 Die Beschwerdeführerin hat in ihrem Schriftsatz vom 2. Oktober 2018 und in der mündlichen Verhandlung auch eingeräumt, dass ihr keine Informationen über die Offenkundigkeit der Vorbenutzung vorliegen, und argumentiert, dass diese Frage durch die Vernehmung der angebotenen Zeugen Krüger und Merl geklärt werden könnte. Ein solcher Ausforschungsbeweis ist jedoch unzulässig. Mangels eines ausreichenden Tatsachenvortrags fehlt die Grundlage für eine sinnvolle Vernehmung der Zeugen. Eine Zeugenvernehmung darf nicht dazu dienen, den der behaupteten Vorbenutzung zugrunde liegenden Sachverhalt erst zu ermitteln. Vielmehr sollten Zeugen lediglich das bestätigen, was bereits schriftlich - in zumutbarer Weise - substantiiert worden ist. Eine Vernehmung der angebotenen Zeugen Krüger und Merl war mangels näherer Angaben dazu, welcher genaue Sachverhalt und aus welchem Grund dieser gerade in ihr persönliches Wissen gestellt werden soll, nicht geboten.
7.11 Die Kammer hat daher in der mündlichen Verhandlung unter Ausübung des ihr zustehenden Ermessens entschieden, dass die behauptete offenkundige Vorbenutzung - und das nachveröffentlichte Dokument E8 - im Beschwerdeverfahren unberücksichtigt bleiben müssen.
7.12 Damit entfiel zugleich inhaltlich die sachliche Grundlage für den Antrag der Beschwerdeführerin auf Vertagung und späteren Vernehmung der Zeugen Krüger und Merl bzw. auf Zurückverweisung der Sache an die Einspruchsabteilung zur Einvernahme der Zeugen, über den die Kammer folglich nicht mehr separat zu entscheiden hatte.
8. Zulassung von E7 in das Verfahren
8.1 Die Beschwerdeführerin hat erstmals nach der Ladung zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer auf das in der angefochtenen Entscheidung genannte Dokument E7 Bezug genommen und es für ihren Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit gegen Anspruch 1 in der erteilten Fassung verwendet. E7 wurde als Beleg dafür genannt, dass - ausgehend von E1 als nächstliegendem Stand der Technik - das Vorsehen des Merkmals V) von Anspruch 1 eine fachübliche Maßnahme sei.
8.2 Die Beschwerdeführerin hat keine triftigen Gründe für die Verspätung dieses neuen Vorbringens genannt. Die Zulassung von E7 liegt mithin im Ermessen der Kammer (Artikel 114 (2) EPÜ 1973 und Artikel 12 (4) und 13 (1) VOBK).
8.3 Die Einspruchsabteilung hatte ihrerseits unter Ausübung ihres Ermessens bereits entschieden, dieses nach Ablauf der Einspruchsfrist vorgelegte Dokument nicht in das Einspruchsverfahren zuzulassen (Gründe Nr. 4 der angefochtenen Entscheidung). Eine solche Ermessensentscheidung der Einspruchsabteilung unterliegt im Beschwerdeverfahren nicht uneingeschränkt der Überprüfbarkeit durch die Kammer. Sie darf lediglich die Ermessensausübung der Einspruchsabteilung auf Fehler überprüfen. Die Einspruchsabteilung hat E7 wegen seiner mangelnden Prima-facie-Relevanz nicht zugelassen und somit ihr in Artikel 114 (2) EPÜ 1973 eingeräumtes Ermessen in einer Weise ausgeübt, die keinen Ermessensfehler erkennen lässt. Mangels eines dargelegten Ermessensfehlers der Einspruchsabteilung ist E7 nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen.
9. Anspruch 7 - Neuheit im Hinblick auf E1
9.1 Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass die in E1 offenbarte Reinigungsvorrichtung die in Anspruch 7 aufgeführten Merkmale O.1) und III) ihrem Wortlaut nach verwirklicht. Es ist zwischen den Beteiligten hingegen streitig, ob dort Merkmale O.2), O.3), II), IVa), IVb), Va) und Vb) von Anspruch 7 offenbart sind.
9.2 Die Kammer kann der Beschwerdeführerin zwar insoweit folgen, dass die Vorrichtung gemäß E1 für die in Merkmal III) definierte Zweckbestimmung geeignet ist. So könnte der in E1 offenbarte Schlauch über ein Zuführrohr am oberen Ende des Leerzuges einer Verbrennungsanlage eingeführt werden, selbst wenn diese besondere Verwendung in E1 nicht beschrieben ist (dazu siehe Einführungsöffnungen 8 in der Kesselwand 7 in Figur 1 von E1).
9.3 Merkmale O.2), O.3), IVa), IVb), Va) und Vb) können dem Dokument E1 jedoch nicht entnommen werden, wie die Beschwerdegegnerin überzeugend dargelegt hat. Bei der Vorrichtung gemäß E1 weist das untere Ende des Schlauches 13 an der Stirnseite und den Seitenwandungen Düsen 11 auf. Die Achsen der seitlichen Düsen bilden miteinander einen stumpfen Winkel von 150°, so dass keine Rundum-Abreinigung der Heizflächen in einer Ebene möglich ist (Merkmale O.2) und O.3)). Selbst wenn Figur 1 von E1 die handschriftlichen Hinweise "Antrieb", "Endschalter" und "Kontakte" enthält, kann E1 nicht entnommen werden, dass die dort dargestellte Vorrichtung eine gemeinsame Steuereinheit zur Einstellung der Höhenlage der Düsen und der Menge bzw. des Drucks des Reinigungsmediums aufweist (Merkmale IVa), IVb), Va) und Vb). Im Übrigen wird in E1 als Reinigungsmedium kein Wasser verwendet, sondern ein Gas oder Dampf unter Druck (Seite 5, Zeile 8), bevorzugt Druckluft, Wasserdampf oder Stickstoff (Seite 7, Zeile 31).
9.4 Der Gegenstand von Anspruch 7 unterscheidet sich daher von E1 durch Merkmale O.2), O.3), IVa), IVb), Va) und Vb). Demnach ist E1 nicht neuheitsschädlich für den Gegenstand von Anspruch 7 (Artikel 52 (1) und 54 (2) EPÜ).
10. Anspruch 1 - Erfinderische Tätigkeit ausgehend von E1
10.1 Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass das in E1 offenbarte Verfahren zum online-Reinigen von Kesseln Merkmal IV) seinem Wortlaut nach verwirklicht und dass Merkmale IIa) und IIb) dem Dokument E1 nicht entnommen werden können. Es ist zwischen den Beteiligten hingegen streitig, ob dort Merkmale I), III) und V) offenbart sind.
10.2 Aus folgenden Gründen schließt sich die Kammer der Auffassung der Beschwerdegegnerin an, dass diese streitigen Merkmale dem Dokument E1 nicht entnommen werden können:
10.2.1 Merkmal I) ist nicht so zu verstehen, dass sich das in Anspruch 1 definierte Verfahren lediglich zum online-Reinigen von Bereichen vertikaler Leerzüge einer Verbrennungsanlage eignet, sondern vielmehr als ein das Reinigen von Bereichen vertikaler Leerzüge einer Verbrennungsanlage betreffendes funktionelles Merkmal, d. h. als Definition eines der Verfahrensschritte des beanspruchten Reinigungsverfahrens. Der maßgebliche Fachmann im Bereich der Verbrennungsanlagen weiß, dass der Begriff "Leerzüge" Strahlungszüge meint, in denen keine Rohrheizflächen für den konvektiven Wärmeübergang vorgesehen sind. Die Leerzüge werden üblicherweise als gasdicht verschweißte Membranwandkonstruktion ausgeführt; es kommt zu einer Wärmeübertragung im Wesentlichen durch Strahlung an den Membranwänden. Die Verbrennungsanlagen werden häufig mit ein bis drei vertikalen Leerzügen ausgerüstet, um die Rauchgase umzulenken und die Thermik aus der Feuerung zu unterbrechen, wobei sich an die Leerzüge Rauchgaszüge anschließen, in denen die weitere Abkühlung der Rauchgase in konvektiven Wärmetauschern erfolgt. Im Übrigen wird dieses fachübliche Verständnis des Begriffs "Leerzug" durch die Lehre in der Beschreibung des Patents bestätigt (Absätze 3 und 4 i.V.m. Figur 1).
10.2.2 Bei dem in E1 offenbarten Reinigungsverfahren werden keine Bereiche vertikaler Leerzüge einer Verbrennungsanlage gereinigt, wie Merkmal I) verlangt, sondern die Außenwände von sich im Rauchgaszug eines zylindrischen Kessels befindlichen Rohrschlangen (3) sowie des ringförmigen Spalts (6) zwischen den inneren und äußeren Rohrschlangenschichten (4, 5).
10.2.3 Merkmal III) beschreibt die in Merkmal IIb) definierte Reinigungsebene näher. Nachdem Merkmal IIb) in E1 nicht offenbart ist, stellt Merkmal III) ein weiterer Unterschied zu E1 dar.
10.2.4 Bei dem in E1 offenbarten Reinigungsverfahren wird mittels eines Düsenkopfes (9) ein Reinigungsmedium, insbesondere Gas oder Dampf unter Druck, in den Spalt (6) zwischen den Rohrschlangenschichten eingeblasen, wobei der Düsenkopf (9) während der Reinigung im Spalt abgefahren wird. Der Düsenkopf weist an seiner Stirnseite eine Düse (11) auf, so dass das Reinigungsmedium vertikal nach unten fließt (Figur 1). Sollte die Vorrichtung mit Wasserdampf als Reinigungsmedium arbeiten (Seite 7, Zeilen 31 von E1), würde zwangsläufig Wasser in den Trichter des Rauchgaszuges gelangen, entgegen Merkmal V).
10.3 Der Gegenstand von Anspruch 1 unterscheidet sich daher von E1 durch Merkmale I), IIa), IIb), III) und V).
10.4 Die Beteiligten sind über die zutreffende Formulierung der objektiven technischen Aufgabe, die sich der Fachmann ohne Kenntnis der Erfindung ausgehend von E1 stellen würde, unterschiedlicher Auffassung.
10.4.1 Für die Beschwerdeführerin kann die objektive technische Aufgabe in der Aneinanderreihung verschiedener "Teilaufgaben" gesehen werden, nämlich eine Reinigung der Heizflächen ohne Beschädigung durch Abrasion (Merkmal IIa)) bzw. eine allseitige Rundum-Reinigung der Heizflächen auf einer Ebene (Merkmal IIb)) zu ermöglichen. Diese Formulierung führt jedoch zu einer rückschauenden Betrachtungsweise der erfinderischen Tätigkeit, weil sie Lösungsansätze enthält und sowohl die technische Wirkung der Unterscheidungsmerkmale I) und V) als auch das Zusammenwirken der Unterscheidungsmerkmale IIa) und IIb) außer Acht lässt (siehe Absatz 24 der Patentschrift).
10.4.2 Für die Beschwerdegegnerin liegt die objektiv zu lösende Aufgabe darin, im Vergleich zu E1 ein alternatives Reinigungsverfahren für eine andere Anwendung zu entwickeln. Der Aufgabe-Lösungs-Ansatz verbietet jedoch eine Analyse, wonach der Fachmann den nächstliegenden Stand der Technik entgegen seiner Funktion modifiziert hätte. Mit der bewussten Wahl von E1 als Ausgangspunkts wird nicht nur der als solcher dienende Gegenstand festgelegt, sondern auch der Rahmen für eine Weiterentwicklung abgesteckt. Eine Änderung des Zwecks des in E1 offenbarten Verfahrens zu einem anderen Zweck ist während der Weiterentwicklung unwahrscheinlich und im Normalfall nicht naheliegend.
10.5 Die Kammer kommt mithin zu dem Schluss, dass sich ausgehend von E1 keine vernünftige objektive Aufgabe bestimmen lässt. Dies reicht allein für die Schlussfolgerung aus, dass die beanspruchte Erfindung ausgehend von E1 nicht naheliegend ist.
10.6 Falls der Fachmann entsprechend dem Vortrag der Beschwerdeführerin - aus welchem Grund auch immer - die Lehre von E3 und E2 heranziehen würde, könnte er nicht zur beanspruchten Lösung gelangen. E3 betrifft Rußbläser zur online-Reinigung von Dampfkesseln (Spalte 1, Zeilen 4 bis 7 und 56 bis 61) und schlägt zur kontrollierbaren, wiederholbaren und konsistenten Reinigung einen Lanzenschraubbläser mit Hochdruckdüsen und einem lanzenförmigen horizontal ausgerichteten, drehbar wie auch längsverschiebbaren Blasrohr vor, der in den Dampfkessel hineinragt und an vertikalen Wärmetauscherrohren vorbei schraubend bewegbar ist (Spalte 2, Zeilen 35 bis 44 und Figur 1). E2 offenbart einen Rußbläser mit einem feststehenden Blaskopf zur online-Reinigung von Dampferzeugerrohren, wobei der Blaskopf auf einem Zwischenstück aufgekittet ist, das durch die Kesselwand nach außen ragt. E3 und E2 betreffen also keineswegs die Reinigung von Leerzügen und können deshalb nicht zur beanspruchten Lösung führen (Merkmal I)). Im Übrigen teilt die Kammer die Ansicht der Beschwerdegegnerin, dass es für den Fachmann nicht naheliegend wäre, die Lehre von E1 mit denjenigen von E3 und E2 zu kombinieren, insbesondere da die in E3 und E2 verwendeten Rußbläser nicht kompatibel sind.
11. Anspruch 7 - Erfinderische Tätigkeit ausgehend von E1
11.1 Der Gegenstand von Anspruch 7 unterscheidet sich von E1 durch Merkmale O.2), O.3), IVa), IVb), Va) und Vb) (siehe Punkt 9 vorstehend).
11.2 Die Kammer kann der Beschwerdeführerin insoweit folgen, dass zwischen den Unterscheidungsmerkmalen O.2) und O.3) einerseits und den Unterscheidungsmerkmalen IVa), IVb), Va) und Vb) andererseits kein synergetischer Zusammenhang erkennbar ist. Eine voneinander unabhängige Erörterung der erfinderischen Tätigkeit ist also möglich.
11.3 Im Hinblick auf Merkmale O.2) und O.3) argumentiert die Beschwerdeführerin, dass die damit objektiv gelöste (erste) Teilaufgabe darin liegt, eine allseitige Rundum-Reinigung der Heizflächen auf einer Ebene zu ermöglichen. Diese Formulierung ist bei Anwendung des Aufgabe-Lösungsansatzes jedoch inkorrekt, weil sie bereits Lösungsansätze enthält und die technische Wirkung der Unterscheidungsmerkmale O.2) und O.3) außer Acht lässt.
11.4 Abgesehen davon ist die Kammer nicht vom Vortrag der Beschwerdeführerin überzeugt, dass der Fachmann, der sich mit der von der Beschwerdeführerin formulierten ersten Teilaufgabe befasst, aufgrund der Lehre von E2 in naheliegender Weise zu den Merkmalen O.2) und O.3) gelangen würde. Ausgehend von E1, die eine Vorrichtung zur Reinigung der Außenwände von Wärmetauscherrohren sowie des ringförmigen Spalts dazwischen betrifft, könnte der Fachmann diese Vorrichtung zwar weiterentwickeln. Aber am Ende der Weiterentwicklung müsste sich eine Vorrichtung ergeben, die weiterhin für den in E1 definierten Zweck geeignet wäre. Es ist wiederum unrealistisch anzunehmen, dass der Fachmann den in E1 offenbarten Düsenkopf, der an der Stirnseite und den Seitenwandungen Düsen aufweist, durch den E2 offenbarten Blaskopf mit seitlichen Schlitzdüsen ersetzen würde, denn die Reinigungsvorrichtung wäre nach dieser Änderung nicht mehr zu dem in E1 beschriebenen Zweck geeignet, insbesondere nicht zur Reinigung des Spalts zwischen den Wärmetauscherrohren. Obwohl der Fachmann bei der Wahl eines Ansatzpunkts für eine Entwicklung zur beanspruchten Erfindung im Wesentlichen frei ist, definiert diese Wahl den Rahmen für die Weiterentwicklung.
11.5 Bei dieser Sachlage kann die Frage dahingestellt bleiben, ob ausgehend von E1 das Vorsehen einer Steuereinheit zur Erfüllung der in Merkmalen IVa), IVb), Va) und Vb) angegebenen Funktionen durch die Lehre von E3 nahegelegt ist, wie die Beschwerdeführerin argumentiert.
12. Zusammenfassend ist die Kammer also nicht vom Vortrag der Beschwerdeführerin überzeugt, dass sich der Gegenstand von Anspruch 1 bzw. 7 ausgehend von E1 als nächstliegendem Stand der Technik entgegen Artikel 52 (1) EPÜ und Artikel 56 EPÜ 1973 in naheliegender Weise aus E2 und E3 ergibt.
13. Anspruch 7 - Erfinderische Tätigkeit ausgehend von E3
13.1 Die alternative Angriffslinie ausgehend von E3 als nächstliegendem Stand der Technik wurde erstmals in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer vorgetragen.
13.2 Diese neue Angriffslinie basiert auf einer neuen Verknüpfung bereits im Verfahren befindlicher Tatsachen, nämlich konkreter Offenbarungsstellen von E3, und stellt eine wesentliche Änderung des Vorbringens der Beschwerdeführerin zum spätest möglichen Zeitpunkt dar, deren Zulassung in das Verfahren im Ermessen der Kammer liegt (Artikel 114 (2) EPÜ 1973 und Artikel 13 (1) VOBK).
13.3 Dieses Vorbringen kam sowohl für die Beschwerdegegnerin als auch für die Kammer völlig überraschend. Eine Vorbereitung hierzu war dementsprechend nicht möglich.
13.4 Die Beschwerdeführerin hat nicht dargelegt, weshalb E3 einen geeigneteren Ausgangspunkt als E1 bei der Anwendung des Aufgabe-Lösungs-Ansatzes bilden sollte. Die Kammer teilt die Meinung der Beschwerdegegnerin, dass die neue Angriffslinie weniger erfolgversprechend als die alternative Angriffslinie ausgehend von E1 als nächstliegendem Stand der Technik ist. Insbesondere ist in E3 kein flexibler, vertikal nach unten hängender Schlauch mit einem Düsenkopf offenbart, sondern ein starrer, horizontal ausgerichteter Lanzenschraubbläser, der an vertikalen Wärmetauscherrohren vorbei schraubend bewegbar ist. Es ist unwahrscheinlich, davon auszugehen, dass bei einer Weiterentwicklung dieses Lanzenschraubbläsers der Fachmann die Wasserzuführung zu dem Düsenkopf als flexibler Schlauch ausbilden würde und mithin auf die Funktionalität des Lanzenschraubbläsers verzichten würde, wie die Beschwerdeführerin behauptet. Die neu vorgetragene Angriffslinie ausgehend von E3 ist mithin prima facie nicht überzeugend.
13.5 Aus diesen Gründen und unter Berücksichtigung der gebotenen Verfahrensökonomie kam die Kammer zu dem Schluss, diese alternative Angriffslinie nicht in das Verfahren zuzulassen
14. Die Kammer kommt deshalb zu dem Ergebnis, dass die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung nicht entgegenstehen.
15. Die Beschwerde gegen die entsprechende Entscheidung der Einspruchsabteilung bleibt mithin ohne Erfolg. Auf die Hilfsanträge der Beschwerdegegnerin braucht deswegen nicht mehr eingegangen zu werden.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.