T 2248/16 05-09-2018
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Veröffentlichungsfehler in der Patentschrift - (ja)
Zulässigkeit der Beschwerde - beschwerter Verfahrensbeteiligter (nein)
Rückzahlung der Beschwerdegebühr - (nein)
I. Nach Prüfung der europäischen Patentanmeldung Nr. 11007225.3 (im Folgenden: "Anmeldung") hat die Prüfungsabteilung entschieden, ein Patent mit den Unterlagen zu erteilen, die in der gemäß Regel 71 (3) EPÜ ergangenen Mitteilung vom 26. Oktober 2015 aufgeführt sind.
II. Der Hinweis auf die Erteilung wurde im Europäischen Patentblatt Nr. 2016/15 vom 13. April 2016 bekanntgemacht; gleichzeitig erfolgte die Veröffentlichung der Patentschrift (EP 2 426 423 B1) in elektronischer Form auf dem Publikationsserver des EPA.
III. Gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung über die Erteilung des Patents wendet sich die Patentinhaberin (im Folgenden: Beschwerdeführerin) mit ihrer Beschwerde.
IV. In der Beschwerdebegründung beantragt die Beschwerdeführerin, die angefochtene Entscheidung aufzuheben, eine Korrektur von Fehlern im Text der Patentschrift als Bestandteil der Entscheidung über die Erteilung daes Patents gegenüber der von der Patentanmelderin genehmigten Fassung vorzunehmen und die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.
V. In der Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) vom 4. Januar 2018 teilte die Kammer ihre vorläufige Einschätzung der Erfolgsaussichten der Beschwerde mit. Insbesondere erklärte die Kammer ihre Absicht, die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen, da die Beschwerdeführerin durch den Erteilungsbeschluss der Prüfungsabteilung nicht im Sinne von Artikel 107 EPÜ beschwert sei. Außerdem bat die Kammer die Beschwerdeführerin um Mitteilung, ob ihr Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung auch ausschließlich für die Frage, ob die Beschwerde zulässig sei, aufrechterhalten wird.
VI. Mit Schriftsatz vom 14. März 2018 teilte die Beschwerdeführerin mit, dass über die Frage der Zulässigkeit der Beschwerde im schriftlichen Verfahren entschieden werden könne und dass der gestellte Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung sich nicht auf die ausschließliche Frage erstrecke, ob die Beschwerde zulässig ist.
VII. Das schriftsätzliche Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Die Beschwerdeführerin habe die mit der Mitteilung gemäß Regel 71 (3) EPÜ übersandten Unterlagen geprüft und der Erteilung eines Patentes mit diesen Unterlagen zugestimmt. Aufgrund von Fehlern weiche der Inhalt der veröffentlichten Patentschrift jedoch von den Unterlagen ab, zu denen die Beschwerdeführerin ihre Zustimmung erklärt habe. Gemäß der Entscheidung G 1/10 (Gründe Nr. 12) sei die Beschwerdeführerin dadurch beschwert im Sinne von Artikel 107 EPÜ.
Insbesondere erleide die Beschwerdeführerin potentiell einen Rechtsnachteil dadurch, dass der auf Basis der Patentschrift bestimmte Schutzbereich von dem Schutzbereich abweichen könne, der sich aus der erteilten, von der Beschwerdeführerin genehmigten Fassung des Patents ergebe. Artikel 69 (1) EPÜ könne sich bezüglich des Verweises auf die Patentansprüche bzw. auf die Beschreibung und Zeichnungen nur auf das beziehen, was zur Veröffentlichung gelange. Maßgeblich für den Schutzbereich nach Artikel 69 (1) EPÜ sei mithin der Inhalt der Patentschrift. Ferner sei nicht ausgeschlossen, dass Dritte sich auf die fehlerhafte Patentschrift beriefen, um Zwischenrechte, Weiterbenutzungsrechte oder zeitlich beschränkte Pflichten zur Zahlung von Schadensersatz geltend zu machen.
Schließlich stehe die Patentschrift nicht außerhalb des Erteilungsbeschlusses, sondern müsse als Bestandteil des Erteilungsbeschlusses betrachtet werden. Dies werde durch Regel 140 EPÜ und deren regelmäßige Anwendung zur Berichtigung von Veröffentlichungsfehlern in Patentschriften belegt. So gehe aus G 1/10 hervor, dass offensichtliche Unrichtigkeiten in der Patentschrift grundsätzlich nach Regel 140 EPÜ berichtigbar seien. Auch werden nach gefestigter Rechtsprechung der Beschwerdekammern sowie nach ständiger Praxis des EPA Unrichtigkeiten in Patentschriften nach Regel 140 EPÜ berichtigt.
1. Die Beschwerdeführerin hat ihr Beschwerdebegehren damit begründet, dass die veröffentlichte Patentschrift nicht mit der erteilten, von ihr genehmigten Fassung des Patents übereinstimme. Dies betreffe die in der folgenden Tabelle aufgezeigten Textstellen in Patentanspruch 1 und in der Beschreibung. Die Beschwerdeführerin macht insbesondere unter Berufung auf die Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G 1/10 vom 23. Juli 2012 (ABl. 2013, 194) geltend, sie sei durch die aufgezeigten Abweichungen der Patentschrift von der erteilten Fassung beschwert und die Beschwerde sei der einzige gangbare Weg und die einzige Möglichkeit, diese Abweichungen zu berichtigen.
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
2. Die Kammer kann sich dem Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht anschließen:
2.1 Nach Artikel 107 EPÜ sind alle Verfahrensbeteiligten berechtigt, Beschwerde zu erheben, die durch eine Entscheidung beschwert sind. Eine Beschwer im Sinne des Artikel 107 EPÜ liegt vor, wenn die Entscheidung hinter dem Begehren des Verfahrensbeteiligten zum Zeitpunkt der Entscheidungsfindung zurückbleibt.
2.2 Diejenige Entscheidung, die die Beschwerdeführerin mit der Beschwerdeschrift angegriffen hat, ist der Erteilungsbeschluss der Prüfungsabteilung. Dieser bleibt unter keinem Gesichtspunkt hinter dem Begehren der Beschwerdeführerin zurück. Das bestreitet auch die Beschwerdeführerin nicht, verweist aber auf die in der Patentschrift enthaltenen Fehler gegenüber der genehmigten Fassung. Bei den von ihr aufgezeigten Abweichungen handelt es sich vielmehr um Schreibfehler, die zwar in der Patentschrift (sog. "B1-Schrift") enthalten sind, jedoch nicht in den hierfür maßgeblichen Erteilungsunterlagen (sog. "Druckexemplar"), die der Beschwerdeführerin mit der Mitteilung gemäß Regel 71 (3) EPÜ übermittelt wurden und die dem hier angefochtenen Erteilungsbeschluss zugrunde liegen.
2.3 Bei dem Beschwerdebegehren der Beschwerdeführerin, aus der sie erforderliche Beschwer herleiten will, handelt sich also schon nach ihrem eigenen Vorbringen nicht um die Berichtigung von Fehlern im Wortlaut des Druckexemplars oder ihm folgend des Erteilungsbeschlusses, sondern einzig und allein um die Berichtigung von Fehlern in der veröffentlichten Patentschrift (B1).
2.4 Die Beschwerdeführerin ist durch den Erteilungsbeschluss der Prüfungsabteilung also nicht "beschwert" im Sinne von Artikel 107 EPÜ, da das Patent in einer Fassung erteilt wurde, mit der die Beschwerdeführerin einverstanden war (s. auch T 84/16, Gründe Nr. 5 bis 7).
2.5 In diesem Zusammenhang verweist die Kammer darauf, dass der Erteilungsbeschluss den Bestand und Inhalt des Patents rechtsverbindlich festlegt (Artikel 97 (1) und Regel 71a (1) EPÜ), und dass die Patentschrift eine Wiedergabe desselben ist (Artikel 98 EPÜ). Gemäß der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern ergibt sich die maßgebliche Fassung des Patents mithin allein aus dem Druckexemplar, das der Erteilung zugrundeliegt, während die Patentschrift (B1) keinen rechtsverbindlichen Charakter hat und nur dazu dient, der Öffentlichkeit den Zugang zum Inhalt des erteilten Patents ohne Akteneinsicht zu ermöglichen und sie möglichst rasch über die Art und den Umfang des Patents zu informieren (s. Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 8. Auflage, 2016, Kapitel III.L.2, und insbesondere die dort zitierte Entscheidung T 150/89; Benkard, EPÜ, 2012, Rdn. 9 und 12 zu Artikel 98 EPÜ; Singer/Stauder, EPÜ, 2016, Rdn. 12 zu Artikel 98 und Rdn. 202 zu Artikel 123; Visser, The Annotated EPC, 2017, Article 98, Nr. 1 und Rule 140, Nr 3.3.2).
2.6 Zur Stützung der Zulässigkeit ihrer Beschwerde behauptet die Beschwerdeführerin, aus der Entscheidung G 1/10, nämlich Nr. 12 der Entscheidungsgründe, gehe hervor, dass sie beschwert sei und dass die Korrektur der B1-Schrift über die Beschwerde, die Abhilfe sowie die Rückerstattung der Beschwerdegebühr zu erfolgen habe. Diese Auffassung trifft jedoch nicht zu. Nr. 12 der Entscheidungsgründe von G 1/10 betrifft den besonderen Fall, dass "die Prüfungsabteilung einen Erteilungsbeschluss erlässt, der einen später von ihr verschuldeten Fehler enthält, sodass die erteilte Fassung nicht mit der vom Anmelder genehmigten übereinstimmt" (Hervorhebung durch die Kammer). Der vorliegende Fall ist jedoch anders gelagert, denn es ist unstreitig, dass der Erteilungsbeschluss richtig ist. Mit der vorliegenden Fallgestaltung befasst sich die Entscheidung G 1/10 vielmehr gar nicht. Dies ergibt sich aus Nr. 4 der Entscheidungsgründe, in denen darauf hingewiesen wird, dass sich die Entscheidung auf Berichtigungen der Beschreibung, der Ansprüche und der Zeichnungen in Erteilungsbeschlüssen beschränkt.
2.7 Die Beschwerdeführerin macht ferner geltend, sie sei durch die fehlerhafte B1-Schrift potentiell beschwert, weil der auf der Basis davon bestimmte Schutzbereich von dem Schutzbereich abweichen könnte, der sich aus dem Druckexemplar ergebe, und weil Dritte sich auf die fehlerhafte B1-Schrift berufen könnten, um Zwischenrechte, Weiterbenutzungsrechte oder zeitlich beschränkte Pflichten zur Zahlung von Schadensersatz geltend zu machen. Auch dieses Argument überzeugt nicht. Die Kammer kann der Beschwerdeführerin zwar darin folgen, dass bei der Bestimmung des Schutzbereichs eines Patents ein interessierter Dritter durchaus davon ausgehen könnte, dass der Inhalt der B1-Schrift mit dem Druckexemplar übereinstimmt. Nun liegt es jedoch in der Natur der Sache, dass bei der Herausgabe der B1-Schrift - trotz aller Sorgfalt und Bemühungen - Veröffentlichungsfehler vorkommen können. Grundsätzlich darf die Öffentlichkeit auf die Bestands- bzw. Rechtskraft des Erteilungsbeschlusses vertrauen, mit dem die endgültige Fassung des Patents für die Zwecke aller folgenden Verfahren auf nationaler wie auf EPA-Ebene festgelegt wird (s. Punkt 2.5 oben und G 1/10, Gründe Nr. 6). Grundlage für die Bestimmung des Schutzbereichs gemäß Artikel 69 (1) EPÜ und dem dazu ergangenen Protokoll sowie der Anknüpfungspunkt für das Vertrauen der Öffentlichkeit und die damit einhergehende Rechtssicherheit ist deshalb das Druckexemplar als Bestandteil des Erteilungsbeschlusses, nicht die B1-Schrift. In der Praxis können alle Interessierten den genauen Inhalt des Druckexemplars jederzeit durch Akteneinsicht feststellen.
2.8 Darüber hinaus stellt die Kammer fest, dass im vorliegenden Fall die aufgezeigten Veröffentlichungsfehler keine nachteiligen Wirkungen für die Beschwerdeführerin haben können, weil sowohl die Veröffentlichungsfehler als auch deren Berichtigungen jeweils offensichtlich sind. Es handelt sich bei den Fehlern um Druckfehler wie Klein- statt Großschreibungen oder umgekehrt sowie um schlichte, offensichtlich versehentlich in ein Wort eingefügte Zeichen, die das Verständnis des dargestellten Inhalts in keiner Weise erschweren oder gar den Text selbst verfälschen. Ein fachkundiger Leser der B1-Schrift wird die fehlerhaften Textstellen in Patentanspruch 1 und in der Beschreibung im Gesamtzusammenhang der Patentschrift völlig problemlos so lesen, als ob sie berichtigt wären. Gegenteiliges hat auch die Beschwerdeführerin weder behauptet noch ansatzweise substantiiert.
2.9 Die Beschwerdeführerin argumentiert ferner, die B1-Schrift sei als Bestandteil des Erteilungsbeschlusses anzusehen, weil gemäß der Rechtsprechung der Beschwerdekammern der Text des Patents nach Regel 140 EPÜ berichtigt werden könne. Es ist aber spätestens seit der Entscheidung G 1/10 klar (s. Gründe Nr. 14 und 15 und Leitsatz I), dass Regel 140 EPÜ nicht zur Berichtigung des Texts eines Patents herangezogen werden darf darf, wenn der Anmelder mit dem Text, der dem Erteilungsbeschluss zugrunde liegt, einverstanden gewesen ist, und mithin ein solcher Antrag auf Berichtigung eines solchen Textes nach Regel 140 EPÜ zu jedem Zeitpunkt unzulässig ist.
2.10 Gemäß ständiger Praxis des EPA kann eine vom Druckexemplar abweichende B1-Schrift jederzeit auf Antrag auf administrativem Weg mit dem Druckexemplar in Übereinstimmung gebracht werden (s. Rechtsprechung der Beschwerdekammer, 8. Auflage, Kapitel III.L.2; Richtlinien für die Prüfung, November 2017, H-VI, 4, Absatz 3). Für die Berichtigung ist ein Formalsachbearbeiter der Prüfungsabteilung zuständig, die den Erteilungsbeschluss erlassen hat (siehe Beschluss des Präsidenten des EPA vom 23. November 2015, ABl. EPA 2015, A104). Der Berichtigungsantrag wird der Prüfungsabteilung vorgelegt, die über die Zulässigkeit der Berichtigung zu entscheiden hat. Sofern die Prüfungsabteilung es für sinnvoll erachtet, wird der Formalsachbearbeiter die erneute Veröffentlichung der berichtigten Patentschrift (B9-Schrift) veranlassen, um den Text der Patentschrift in Übereinstimmung mit dem Druckexemplar zu bringen (s. Richtlinien für die Prüfung, November 2017, C-V, 10, Absatz 3).
3. Aus den dargelegten Gründen ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen (Artikel 107 and Regel 101 (1) EPÜ).
4. Da die Beschwerde schon unzulässig ist, kommt gemäß Regel 103 (1) a) EPÜ die Rückzahlung der Beschwerdegebühr nicht in Betracht.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen.
2. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.