T 0412/18 03-09-2021
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Getränkekasten
Ausreichende Offenbarung - (ja)
Neuheit - verspätet eingereichter Einspruchsgrund
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Änderung des Beschwerdevorbringens - (nicht zugelassen)
I. Die Einsprechende (Beschwerdeführerin) legte form- und fristgerecht Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung ein, mit welcher der Einspruch gegen das europäische Patent 2 450 285 zurückgewiesen wurde.
II. Der Einspruch richtete sich gegen das Patent im gesamten Umfang und stützte sich auf die Einspruchsgründe der mangelnden Patentfähigkeit nach Artikel 100 a) EPÜ und der mangelnden Ausführbarkeit nach Artikel 100 b) EPÜ.
III. Mit Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 vom 11. Februar 2021 teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige Beurteilung der Sach- und Rechtslage mit, derzufolge die Beschwerde voraussichtlich zurückzuweisen sein dürfte.
IV. Am 3. September 2021 fand die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt. Wegen der Einzelheiten des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll verwiesen.
V. Der Tenor der Entscheidung wurde am Schluss der Verhandlung verkündet.
VI. Die Einsprechende (Beschwerdeführerin) beantragte zuletzt,
die angefochtene Entscheidung aufzuheben und
das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.
VII. Die Patentinhaberin (Beschwerdegegnerin) beantragte zuletzt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
VIII. In dieser Entscheidung werden die folgenden Dokumente erwähnt:
A1: DE 2 612 596 A1;
A2: DE 10 2007 048 310 A1;
A3: DE 10 2004 038 615 A1;
A6: DE 29 608 393 Ul;
A7: WO 2010/055 204 A1;
A25: Fotografien Logipack Tray, hergestellt 2009;
OV1 bis OV14: Dokumente zu einer angeblichen
offenkundigen Vorbenutzung.
IX. Der unabhängige Anspruch 1 des Patents in erteilter Fassung lautet:
Getränkekasten zum Transportieren von einzelnen Flaschen und verschieden großen Flaschenträgern mit darin enthaltenen Flaschen mit
- einem Boden (2),
- von den Rändern des Bodens (2) vorstehenden Seitenwänden (3 bis 6) mit Öffnungen (7 bis 10) zum Tragen des Getränkekastens (1) und/oder zum Sichtbarmachen von Flaschen oder Flaschenträgern für einen von außen auf die Öffnung (7 bis 10) blickenden Betrachter,
- wobei der Boden (2) auf der Oberseite eine Lagerfläche zum Aufsetzen der Böden von Flaschen und/oder von Flaschenträgern aufweist, die zumindest vier Reihen mit Stellplätzen (17) für Flaschen hat, in denen jeweils zumindest fünf Stellplätze für Flaschen vorhanden sind,
- wobei zwischen den Stellplätzen (17) Stützelemente (18, 19, 20) zum Abstützen einzelner Flaschen und von Flaschenträgern vorstehen,
- wobei in der Mitte der vier Stellplätze (17) an jeder Ecke des Bodens (2) eine Halbpinole (19) oder eine Pinole (18) angeordnet ist, die zumindest eine gekrümmte Stützfläche hat, die dem Stellplatz für Flaschen in der Ecke des Bodens zugewandt ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
- in der Mitte der zwei zentralen Reihen mit Stellplätzen (17.1) Vorsprünge (20.1) auf dem Boden (2.1) vorhanden sind, die höchstens die Höhe von Stützschwellen aufweisen, wobei die Vorsprünge (20.1) nur einige Millimeter über die angrenzende Fläche des Bodens (2.1) hinausragen
- an der Unterseite des Bodens (2) Versteifungselemente vorhanden sind und
- die Versteifungselemente über die Unterseite des Bodens (2) erstreckte parallele Rippen (16) sind.
X. Das entscheidungserhebliche Vorbringen der Parteien wird im Detail in den Entscheidungsgründen diskutiert.
1. Revidierte Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK 2020) - Übergangsbestimmungen
Das vorliegende Verfahren unterliegt der revidierten Fassung der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern, die am 1. Januar 2020 in Kraft trat (Artikel 24 und 25 (1) VOBK 2020), mit Ausnahme von Artikel 12 (4) bis (6) VOBK 2020, anstelle dessen Artikel 12 (4) VOBK 2007 weiterhin anwendbar ist (Artikel 25 (2) VOBK 2020).
2. Beschwerdegegenstand
2.1 Neuheitseinwand nach Artikel 100 a) und 54 EPÜ
2.1.1 In der angefochtenen Entscheidung stellte die Einspruchsabteilung fest, dass der Einspruchsgrund der mangelnden Neuheit (Artikel 100 a) und 54 EPÜ) infolge fehlender Substantiierung nicht zu behandeln ist (vgl. Entscheidungsgründe, Punkt 20.1).
2.1.2 In der Beschwerdebegründung machte die Beschwerdeführerin den Einspruchsgrund der fehlenden Neuheit erneut geltend und legte erstmalig zur Darlegung einer angeblichen offenkundigen Vorbenutzung die Dokumente OV1 bis OV14 als tragende Beweismittel des Neuheitseinwands vor (vgl. Beschwerdebegründung, Kapitel II.).
2.1.3 Der Einspruchsgrund der mangelnden Neuheit wurde unstreitig erstmalig im Beschwerdeverfahren in substantiierter Form vorgetragen und stellt ebenfalls unstreitig einen neuen Einspruchsgrund dar. Er stützt sich auf Tatsachen (Dokumente OV1 bis OV14), die im Einspruchsverfahren nicht vorgelegt worden waren.
2.1.4 Die Beschwerdegegnerin erklärte ausdrücklich, der Prüfung des Neuheitseinwands nicht zuzustimmen (vgl. Beschwerdeerwiderung, Seite 2, Absatz 5, und auch Protokoll der mündlichen Verhandlung, Seite 3, Absatz 2, erster Spiegelstrich).
2.1.5 Nach G 10/91 (Leitsatz III und Rn. 18) dürfen neue Einspruchsgründe im Beschwerdeverfahren nur mit dem Einverständnis der Patentinhaberin geprüft werden.
2.1.6 Der Neuheitseinwand ist daher nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens.
2.2 Auf angeblicher offenkundiger Vorbenutzung gestützte Einwände mangelnder erfinderischer Tätigkeit nach Artikel 100 a) und 56 EPÜ
2.2.1 Mit Schriftsatz vom 11. September 2018 machte die Beschwerdeführerin erstmalig durch die von ihr mit der Beschwerdebegründung vorgelegten Dokumente OV1 bis OV14 dargelegte, angebliche offenkundige Vorbenutzung gestützte Einwände mangelnder erfinderischen Tätigkeit geltend und änderte insoweit das von ihr mit der Beschwerdebegründung eingereichte Beschwerdevorbringen.
2.2.2 Nach Artikel 13 (1) VOBK 2020 bedürfen Änderungen des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten nach Einreichung seiner Beschwerdebegründung rechtfertigender Gründe seitens des Beteiligten.
2.2.3 Die Beschwerdeführerin trug jedoch weder schriftsätzlich noch im Verlauf der mündlichen Verhandlung dazu vor, weshalb sie die Änderungen ihres Beschwerdevorbringens zu dem späteren Verfahrenszeitpunkt vorgebracht hat.
2.2.4 Angesichts des Umstandes, dass die Beschwerdeführerin ihren mit der Beschwerdebegründung erhobenen Neuheitseinwand ebenfalls auf die genannte angebliche offenkundige Vorbenutzung stützt, ist es für die Kammer nicht erkennbar, weshalb die Beschwerdeführerin daran gehindert gewesen wäre, bereits im Rahmen der Beschwerdebegründung die auf die angebliche offenkundige Vorbenutzung beruhenden Einwände der mangelnden erfinderischen Tätigkeit zu erheben, oder welche sonstigen Gründe ein späteres Vorbringen dieser Einwände als zum Zeitpunkt der Beschwerdebegründung rechtfertigen könnten.
2.3 Die Kammer übt daher das ihr aus Artikel 13 (1) VOBK 2020 zustehende Ermessen dahin gehend aus, dass sämtliche auf die durch die Dokumente OV1 bis OV14 dargelegte, angebliche offenkundige Vorbenutzung beruhenden Einwände mangelnder erfinderischer Tätigkeit nicht ins Beschwerdeverfahren zugelassen werden.
3. Ausführbarkeit - Artikel 100 b) und 83 EPÜ
3.1 Soweit die Beschwerdeführerin in Kapitel IV. der Beschwerdebegründung argumentierte, dass sich aus dem Streitpatent nicht ergebe, wie und auf welche Weise und in welcher Höhe Stützschwellen ausgebildet sein sollen, was auch für die im Anspruch 1 angesprochenen Vorsprünge zutreffe, und darauf verwies, dass diese laut Beschreibung im Streitpatent nur einige Millimeter hinausragen sollen, diese aber die Höhe der Vorsprünge offen ließe, hatte die Kammer bereits in ihrer Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 dargelegt, dass sie vorläufig die in Punkt 19.2 begründet dargelegte Feststellung der Einspruchsabteilung teilt.
Die Beschwerdeführerin hat ihren bereits im schriftlichen Verfahren dargelegten Vortrag zu diesem Einwand im Verlauf der mündlichen Verhandlung nicht ergänzt. Die Kammer hält nach erneuerter Befassung mit diesem Einwand an der in der Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 dargelegten Überzeugung fest, dass das Argument der Beschwerdeführerin vielmehr die Frage der Erfüllung der Vorraussetzungen des Artikel 84 EPÜ durch Anspruchs 1 (Klarheit) als die Frage der Ausführbarkeit im Sinne von Artikel 100 b) EPÜ betrifft, so dass dieser Einwand nicht geeignet ist, die Unrichtigkeit der Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung zu Artikel 100 b) EPÜ darzulegen.
3.2 Während der mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer erhob die Beschwerdeführerin erstmalig einen Einwand mangelnder Ausführbarkeit betreffend den Boden und die Versteifungselemente des Getränkekasten nach Anspruch 1. Die Änderung ihres Beschwerdevorbringens rechtfertigte die Beschwerdeführerin damit, dass der neue Einwand der mangelnden Ausführbarkeit prima facie relevant und wenig komplex sei.
Nach Artikel 13 (2) VOBK 2020 bleiben jedoch Änderungen des Beschwerdevorbringens nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung grundsätzlich unberücksichtigt, es sei denn, der betreffende Beteiligte hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen.
Die Beschwerdeführerin konnte keine außergewöhnlichen Umstände für die Änderung des Beschwerdevorbringens vortragen; die Kammer vermag solche jedenfalls nicht in der angeblichen prima facie Relevanz oder in einer angeblichen geringen Komplexität des Vortrags zu erkennen.
Bereits deshalb hat wegen Artikel 13 (2) VOBK 2020 der neue Einwand zur mangelnder Ausführbarkeit betreffend den Boden und die Versteifungselemente des Getränkekasten nach Anspruch 1 im Beschwerdeverfahren unberücksichtigt zu bleiben.
3.3 Im Ergebnis kann die Beschwerdeführerin die Unrichtigkeit der Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung zu Artikel 100 b) EPÜ nicht darlegen.
4. Erfinderische Tätigkeit - Artikel 100 a) und 56 EPÜ
Zuletzt hielt die Beschwerdeführerin an den folgenden Einwänden mangelnder erfinderischer Tätigkeit fest:
- ausgehend von der Lehre von Dokument A7 mit der Lehre von Dokument A3 unter weiterer Berücksichtigung von Dokument A6 und Dokument B5 zum Beleg des allgemeinen Fachwissens,
- ausgehend von der Lehre von Dokument A2 mit der Lehre von Dokument A25,
- ausgehend von der Lehre von Dokument A2 mit der Lehre von Dokument A7,
- ausgehend von der Lehre von Dokument A3 mit der Lehre von Dokument A7,
- ausgehend von der Lehre von Dokument A1 mit der Lehre von Dokument A7.
4.1 Ausgehend von der Lehre von Dokument A7
4.1.1 Die Beschwerdeführerin bemängelte die in Punkt 20.2.10.3 der angefochtenen Entscheidung getroffene Feststellung, dass das Dokument A7 keinen nächstliegenden Stand der Technik darstellt.
4.1.2 Dazu trug die Beschwerdeführerin vor, dass die Offenbarung des Dokuments A7 als möglicher nächstliegender Stand der Technik anzusehen ist, weil sie den gleichen Zweck, das gleiche technische Gebiet und eine sehr hohe Anzahl übereinstimmender Merkmale wie der Gegenstand von Anspruch 1 des Patents betreffe.
4.1.3 In der Offenbarung in dem Dokument A7, Seite 1, Zeile 24, bis Seite 2, Zeile 13, ist jedoch ausdrücklich dargestellt, dass sich ein "tray" im Sinne dieser Offenbarung in seiner Funktionsweise wesentlich von einer "crate", d.h. einem Getränkekasten, unterscheidet. Damit überzeugt das in Punkt III.1 der Beschwerdebegründung vorgetragenen Argument der Beschwerdeführerin nicht, dass weitere Dokumente, wie etwa das Dokument A6, den Fachmann beim Lesen der Offenbarung aus A7 dazu führten, den Begriff "tray" anders oder breiter zu verstehen, als es das Dokument A7 selber ausdrücklich angibt. Dies gilt selbst dann, wenn die weiteren Dokumente darlegten, wie es die Beschwerdeführerin in Punkt III.1, Absatz 7, der Beschwerdebegründung vorträgt, dass die Bezeichnung "tray" das Synonym für die Bezeichnung eines Niederbordkastens darstellte. Vielmehr wird der Fachmann angesichts der ausdrücklichen Offenbarung des Dokuments A7 das in diesem Dokument offenbarte "tray" als einen anderen Gegenstand als einen Getränkekasten betrachten.
4.1.4 Die Einspruchsabteilung hat daher zu Recht festgestellt, dass der Gegenstand des Dokuments A7, nämlich ein "tray", sich grundsätzlich von dem Gegenstand der Erfindung, nämlich einem Getränkekasten, unterscheidet. Dies betrifft vor allem die jeweilige Funktionsweise von "tray" und Getränkekästen. Bereits deshalb kann das Dokument A7 keinen geeigneten Ausgangspunkt zum Auffinden der Erfindung des Streitpatents bieten. Die Schlussfolgerung der Einspruchsabteilung, dass das Dokument A7 keinen nächstliegenden Stand der Technik darstellt, ist damit zutreffend.
4.1.5 Der Beschwerdeführerin gelingt es im Ergebnis nicht, die Unrichtigkeit der Feststellungen der Einspruchsabteilung zur erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands von Anspruch 1 des Patents ausgehend von dem Dokument A7 darzulegen.
4.2 Dokument A2 und A25
4.2.1 Die Beschwerdeführerin bemängelte die Feststellung der Einspruchsabteilung in Punkt 20.2.7 der angefochtenen Entscheidung, dass nicht nachgewiesen ist, ob und wann das in A25 fotografierte Tray offenbart worden ist, und trägt vor, dass dem Anlagenkonvolut ohne weiteres das Datum der Herstellung der Kästen zu entnehmen sei, nämlich November 2009, und dass es aus verfahrenstechnischen Gründen keinen Anlass gebe, Kästen die nur zu Testzwecken vorgesehen seien, auch noch aufwendig mit einem Herstelldatum zu versehen (vgl. Beschwerdebegründung, Punkt III.5).
4.2.2 Um festzustellen, ob ein Gegenstand der Öffentlichkeit durch Vorbenutzung zugänglich gemacht wurde, müssen nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern die Umstände der Benutzungshandlung (d.h. wo, wie und durch wen der Gegenstand der Benutzung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde) geklärt sein (vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 9. Auflage, 2019, I.C.3.2.4.a)).
4.2.3 Die Kammer teilt den Einwand der Beschwerdegegnerin aus Punkt 4.5 der Beschwerdeerwiderung, dass die Einsprechende zwar zum Datum der Herstellung vortrug, aber nach wie vor nicht darlegt hat, unter welchen Umständen das durch das Aktenkonvolut A25 dargestellte Tray vor dem Prioritätstag tatsächlich der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde.
4.2.4 Für die ihr obliegende Darlegungspflicht ist es dabei nicht ausreichend, dass, wie es die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vortrug, das Anbringen eines Herstellstempels auf einem Tray nur dann für den Hersteller sinnvoll sei, wenn dieses anschließend auch in Verkehr gebracht werde. Denn es bleibt weiter offen, wann, wo, wie und durch wen der Gegenstand der Benutzung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde.
4.2.5 Die Einspruchsabteilung ist damit in zutreffender Weise in Punkt 20.2.7.2. der angefochtenen Entscheidung zu dem Ergebnis gelangt, dass die durch das Dokument A25 dargestellte angebliche offenkundige Vorbenutzung keinen Bestandteil des Stands der Technik bildet.
4.2.6 Daher gelingt es der Beschwerdeführerin nicht, die Unrichtigkeit der Feststellungen der Einspruchsabteilung zur erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands von Anspruch 1 des Patents in Hinblick auf eine Kombination der Dokumente A2 und A25 darzulegen.
4.3 Von den Dokumenten A2 bzw. A3 als nächstliegenden Stand der Technik ausgehende Einwände mangelnder erfinderischer Tätigkeit
4.3.1 Zu den in der Beschwerdebegründung vorgebrachten Einwänden der Beschwerdeführerin zu einer angeblich mangelnden erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands von Anspruch 1 des Patents gegenüber einem der Dokumente A2 oder A3 als nächstliegendem Stand der Technik in Kombination mit dem Dokument A7 hatte die Kammer bereits in ihrer Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 in den Punkten 12.3. und 12.4 darauf hingewiesen, dass sich diese Einwände jeweils nicht mit den Gründen in der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen, so dass sie nicht hinreichend substantiiert bzw. vollständig im Sinne der Regel 99 (2) EPÜ und von Artikel 12 (3) VOBK 2020 sind.
4.3.2 So trägt die Beschwerdeführerin in der Beschwerdebegründung nicht dazu vor, weshalb entgegen der begründeten Feststellung der Einspruchsabteilung der Fachmann aus den Dokumenten A2 und A7 einen Hinweis dazu erhielte, eine der in dem Dokument A2 im Flaschenkasten vorgesehenen Trennwände 10 oder 12 durch Vorsprünge wie in Dokument A7 offenbart zu ersetzen.
4.3.3 Hinsichtlich des Dokuments A3 wurde aus dem Sachvortrag der Beschwerdeführerin nicht deutlich, weshalb das Dokument A3 das Merkmal, dass
"an der Unterseite des Bodens (2) Versteifungselemente vorhanden sind",
zeigen würde.
4.3.4 Nach Artikel 12 (3) VOBK 2020, der im Wesentlichem dem Artikel 12 (2) VOBK 2007 entspricht, soll die Beschwerde den vollständigen Sachvortrag der Parteien enthalten.
4.3.5 Die Beschwerdeführerin verwies darauf, dass bei der Würdigung ihres Vortrages die Beschwerdebegründung als Ganzes zu betrachten wäre und verwies zu dem strittigen Merkmal auf ihre Anmerkungen auf die Seiten 12 und 13 der Beschwerdebegründung zu Dokument A3 im Rahmen der gesonderten Diskussion zur Frage, ob der Fachmann aus dem angeblich durch das Dokument A3 dargelegte Fachwissen zu einer Kombination der Dokumente A7 und A2 veranlasst gewesen wäre.
4.3.6 Ein Vorbringen, bei dem zu einem konkreten Einwand die stützenden Gründe aus Teilen des übrigen Beschwerdevorbringens, die ihrerseits in keinem unmittelbar erkennbaren sachlichen Bezug zu dem erhobenen Einwand stehen, zusammengesucht werden müssen, stellt im Verständnis der Kammer jedoch keinen vollständigen Sachvortrag im Sinne des Artikels 12 (3) VOBK 2020 dar. Dies widerspräche dem Zweck dieser Vorschrift der Verfahrensordnung, der auch darin zu verstehen ist, dass die Beteiligten zu einem vollständigen Vorbringen zu Beginn des Verfahrens verpflichtet sind, sodass der Kammer (und den Verfahrensbeteiligten) eine Beschwerdeakte vorliegt, die den vollständigen Sachvortrag aller Beteiligten enthält, und ein taktischer Verfahrensmissbrauch verhindert wird (vgl. hierzu auch mit Bezug zum damaligen Artikel 12 (2) VOBK 2007 die T 1488/08, Punkt 2.1 der Entscheidungsgründe).
4.3.7 Das weitere Argument der Beschwerdeführerin, dass sich die Beschwerdegegnerin im Rahmen der Beschwerdeerwiderung rügelos auf den Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit ausgehend von Dokument A2 eingelassen habe, greift im vorliegenden Fall ebenfalls nicht durch. Die Vorschrift des Artikels 12 (3) VOBK 2020 VOBK betrifft den Zeitpunkt der Vorlage der Beschwerdebegründung bzw. der Beschwerdeerwiderung im Beschwerdeverfahren. Ihr schließen sich Vorschriften zum weiteren Verfahren an, insbesondere der Artikel 13 VOBK 2020. Bei der Beurteilung der Frage, ob ein hinreichend vollständiger Sachvortrag im Sinne des Artikels 12 (3) VOBK 2020 vorliegt, kommt es damit lediglich auf den Inhalt der Beschwerdebegründung an. Eine spätere Verfahrenshandlung eines Beteiligten ist hingegen nicht geeignet, einen Verstoß gegen die Erfordernisse des Artikels 12 (3) VOBK 2020 gewissermaßen zu heilen.
4.3.8 Die jeweils von den Dokumenten A2 und A3 in Kombination mit dem Dokument A7 ausgehenden Einwände mangelnder erfinderischen Tätigkeit sind daher gemäß Artikel 12 (4) VOBK 2007 in Verbindung mit Artikel 12 (3) VOBK 2020, der im Wesentlichen Artikel 12 (2) VOBK 2007 entspricht, im vorliegenden Verfahren nicht zu berücksichtigen.
4.4 Dokumente A1 und A7
Mit der Beschwerdebegründung erhob die Beschwerdeführerin erstmalig den Einwand, dass der Gegenstand von Anspruch 1 gegenüber einer Kombination der Dokumente A1 und A7 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Die Kammer wies die Beschwerdeführerin in Punkt 12.5. der Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 auf eine fehlende Rechtfertigung für das verspätete Vorbringen dieses Einwands hin.
Die Beschwerdeführerin führte auch im weiteren Verfahrensverlauf keine rechtfertigenden Gründe dafür an, weshalb sie diesen Einwand nicht bereits im Einspruchsverfahren erhoben hat. Vielmehr erklärte sie in der mündlichen Verhandlung lediglich, an diesem Einwand festzuhalten und verwies im übrigen auf das schriftliche Verfahren (vgl. Protokoll der mündlichen Verhandlung, Seite 4, letzter Spiegelstrich).
Der inhaltliche Vortrag der Beschwerdeführerin zu diesem Einwand aus dem schriftlichen Verfahren beschränkte sich darauf , dass der Fachmann angesichts der von der Beschwerdeführerin ohne Erklärung unterstellten objektiven Aufgabenstellung, nämlich ausgehend von Dokument A1 die Einstellung von Multipacks universeller zu gestalten, ohne Weiteres zu dem Dokument A7 greife, d.h. die Einstellmimik übernehme (vgl. Beschwerdebegründung, Punkt III.3.).
Die Beschwerdeführerin äußerte sich aber nicht dazu, weshalb das Dokument A1 ein geeigneter Ausgangspunkt für den Fachmann gewesen wäre, zum Gegenstand von Anspruch 1 zu gelangen, welche Merkmale des Gegenstands von Anspruch 1 in Dokument A1 auffindbar wären und in welchen Merkmalen sich die Offenbarung des Dokuments A1 von dem Gegenstand von Anspruch 1 unterscheidet. Es wurde ebenfalls nicht dargelegt, weshalb die Beschwerdeführerin davon ausginge, dass sich dem Fachmann angesichts des Dokuments A1 die objektive Aufgabe stellte, die Einstellung von Multipacks universeller zu gestalten. Die Beschwerführerin legte auch nicht dar, weshalb der Fachmann zum Lösen dieser Aufgabe das Dokument A7 heranziehen würde.
Der Vortrag der Beschwerdeführerin zu der erfinderischen Tätigkeit bezüglich einer Kombination der Dokumente A1 und A7 ist daher nicht geeignet, die Unrichtigkeit der Feststellungen der angefochtenen Entscheidung zu der erfinderischen Tätigkeit überzeugend darzulegen.
Deshalb ist der von Dokument A1 in Kombination mit dem Dokument A7 ausgehenden Einwände mangelnder erfinderischen Tätigkeit gemäß Artikel 12 (4) VOBK 2007 in Verbindung mit Artikel 12 (3) VOBK 2020, der im Wesentlichen Artikel 12 (2) VOBK 2007 entspricht, im vorliegenden Verfahren nicht zu berücksichtigen.
4.5 An allen weiteren von der Beschwerdeführerin im Verlauf des schriftlichen Verfahrens erhobenen Einwänden angeblich mangelnder erfinderischer Tätigkeit (siehe dazu Punkt 12.7 der Mitteilung der Kammer nach Artikel 15 (1) VOBK 2020) wurden von der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung nicht mehr festgehalten (siehe auch Protokoll der mündlichen Verhandlung, Seite 5, Absatz 1).
4.6 Im Ergebnis ist keiner der Einwände der Beschwerdeführerin, soweit er ins Beschwerdeverfahren zugelassen ist, geeignet, die Unrichtigkeit der Feststellungen der Einspruchsabteilung zur erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands von Anspruch 1 des Patents darzulegen.
Schlussfolgerung
Der Neuheitseinwand ist nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens.
Die Einwände der Beschwerdeführerin sind nicht geeignet, die Unrichtigkeit der Feststellungen der Einspruchsabteilung zur Ausführbarkeit der Erfindung darzulegen.
Die auf der offenkundigen Vorbenutzung beruhenden Einwände zur mangelnden erfinderischen Tätigkeit, sowie die Einwände zur mangelnden erfinderischen Tätigkeit basierend auf den Dokumenten A1, A2 bzw. A3 in Kombination mit dem Dokument A7 bleiben im Beschwerdeverfahren unberücksichtigt.
Der von dem Dokument A7 als nächstliegenden Stand der Technik ausgehende sowie der auf den Dokumenten A2 und A25 basierende Einwand sind nicht geeignet, die Unrichtigkeit der Feststellungen der Einspruchsabteilung zur erfinderischen Tätigkeit darzulegen.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.