T 0989/19 (Fehlende Unterschrift auf Entscheidungs-Formblatt) 25-05-2020
Download und weitere Informationen:
Vorrichtung, System und Verfahren zum Trocknen von Hörhilfegeräten
Form der Entscheidung - fehlende Unterschrift eines zuständigen Bediensteten auf Formblatt 2048.2
Wesentlicher Verfahrensmangel - (ja)
Zurückverweisung an die erste Instanz - (ja)
Rückzahlung der Beschwerdegebühr - (ja)
Rechtliches Gehör: Notwendigkeit einer beantragten mündlichen Verhandlung
Rechtliches Gehör - (nein)
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der
Prüfungsabteilung des Europäischen Patentamts, mit der die vorliegende europäische Patentanmeldung aufgrund mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ) zurückgewiesen worden ist.
II. Eine von der Prüfungsabteilung anberaumte mündliche Verhandlung wurde abgesetzt, nachdem die Anmelderin auf eine mündliche Verhandlung verzichtet und eine Entscheidung nach Aktenlage beantragt hatte.
III. Die schriftliche Entscheidung der Prüfungsabteilung wurde unter Verwendung von Formblatt 2007 ("Entscheidung über die Zurückweisung der Europäischen Patentanmeldung"), Formblatt 2019 ("Rechtsmittel-behelf"), Formblatt 2916 ("Entscheidungsgründe") und Formblatt 2048.2 ("Entscheidung der Prüfungsabteilung") erlassen. Das Formblatt 2048.2 enthält die Namen und Unterschriften des Vorsitzenden und des ersten Prüfers, nicht jedoch die Unterschrift des zweiten Prüfers über dessen Namen:
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
IV. Die Beschwerdeführerin beantragt mit der Beschwerdebegründung, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage der Ansprüche eines Hauptantrags oder hilfsweise auf der Grundlage der Ansprüche dreier Hilfsanträge zu erteilen. Hilfsweise wurde eine mündliche Verhandlung beantragt.
V. Im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung der Beschwerde hat die Kammer festgestellt, dass die Unterschrift des zweiten Prüfers auf dem Formblatt 2048.2 fehlt und somit die erforderlichen Unterschriften zur Entscheidung nicht vollständig sind.
VI. Abgesehen von den in der Beschwerdebegründung vorgebrachten Argumenten zur erfinderischen Tätigkeit hat die Beschwerdeführerin im Hinblick auf die fehlende Unterschrift keine Beanstandungen geltend gemacht.
1. Nach Regel 113(1) EPÜ sind Entscheidungen des Europäischen Patentamts mit der Unterschrift und dem Namen des zuständigen Bediensteten zu versehen. Da ferner Artikel 18(2) EPÜ vorschreibt, dass sich eine Prüfungsabteilung aus drei Prüfern zusammensetzt, sind auch die entsprechenden Unterschriften von allen drei Prüfern erforderlich (siehe hierzu auch die Richtlinien für die Prüfung, E-X, 1.3 in der Fassung vom November 2018).
2. Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin das Fehlen der Unterschrift des zweiten Prüfers nicht geltend gemacht.
Nach Artikel 114(1) EPÜ "ermittelt das Europäische Patentamt den Sachverhalt von Amts wegen" und "ist dabei weder auf das Vorbringen noch auf die Anträge der Beteiligten beschränkt". Deshalb überprüft die Kammer ex officio, ob ein wesentlicher Verfahrensfehler im Sinne von Regel 103(1)a) EPÜ während des erstinstanzlichen Verfahrens vorlag (siehe z.B. J 7/82, Gründe 6), insbesondere im Hinblick auf wesentliche Erfordernisse der erstinstanzlichen Entscheidung.
3. Laut ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern
ist das Erfordernis der Regel 113(1) EPÜ, wonach Entscheidungen des Europäischen Patentamts mit der Unterschrift und dem Namen des zuständigen Bediensteten zu versehen sind, keine reine Formsache, sondern ein wesentlicher Verfahrensschritt im erstinstanzlichen Entscheidungsprozess. Name und Unterschrift dienen nämlich dazu, die Verfasser der Entscheidung auszuweisen und zu belegen, dass diese für den Inhalt vorbehaltlos die Verantwortung übernehmen. Dieses Erfordernis soll Willkür und Missbrauch verhindern und nachprüfbar machen, dass das zuständige Organ tatsächlich die Entscheidung getroffen hat. Damit verkörpert es rechtsstaatliche Prinzipien, deren Verletzung einen wesentlichen Verfahrensfehler darstellt und die schriftliche Entscheidung rechtsunwirksam macht (siehe J 16/17, Gründe 2.3 und T 390/86, Gründe 7 und 8).
4. Im vorliegenden Fall ist die angefochtene Entscheidung der Prüfungsabteilung im schriftlichen Verfahren erfolgt, da die Anmelderin ihren Antrag auf eine mündliche Verhandlung zurückgezogen hatte (vgl. Punkt II oben). Der Akte ist zwar zu entnehmen, dass diese schriftliche Entscheidung in ihrer Begründung mit den vorläufigen Schlussfolgerungen der Mitteilung, die an die Anmelderin am 19. März 2018 mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung zugestellt wurde, im Wesentlichen übereinstimmt.
Aufgrund der fehlenden Unterschrift des zweiten Prüfers auf dem Formblatt 2048.2 der zuständigen Prüfungsabteilung ist jedoch nicht eindeutig nachvollziehbar, wie der Entscheidungsprozess tatsächlich verlaufen ist und ob die angefochtene Entscheidung in der ursprünglich vorgesehenen Zusammensetzung der Prüfungsabteilung letztendlich getroffen wurde.
5. Zudem befindet sich in der Akte weder ein Hinweis noch eine Anmerkung zu eventuell besonderen Begleitumständen oder Ereignissen (wie z.B. Krankheit oder Ableben; siehe T 243/87, Gründe 4 bzw. T 1170/05, Gründe 2.4), die dazu führen konnte, dass der zweite Prüfer das entsprechende Formblatt nicht unterschrieben hat oder hierzu verhindert war (siehe auch die Richtlinien für die Prüfung, E-X, 2.3, zweiter Absatz).
6. Die Kammer ist aus den oben dargelegten Gründen zu dem Schluss gelangt, dass die angefochtene Entscheidung als ungültig zu betrachten ist und das Verfahren vor der Prüfungsabteilung mit einem wesentlichen Verfahrensmangel behaftet war.
7. Die angefochtene Entscheidung ist daher aufzuheben und die Angelegenheit ohne weitere Prüfung der Sache an die Prüfungsabteilung zur weiteren Entscheidung zurückzuverweisen (Artikel 111(1) EPÜ; Artikel 11 VOBK 2020). Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr entspricht auch der Billigkeit und wird hiermit, gemäß Regel 103(1)a) EPÜ, angeordnet.
8. Da die Zurückverweisung eines Beschwerdefalls nach ständiger Rechtsprechung keinen Rechtsnachteil für die Beschwerdeführerin darstellt, kann diese Entscheidung auch ohne mündliche Verhandlung ergehen (siehe z.B. T 42/90, Gründe 5; T 382/10, Gründe 3, letzter Absatz).
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Prüfungsabteilung zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.
3. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.