T 1874/19 27-04-2023
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Schaltungsvorrichtung
Zulassung bzw. Berücksichtigung geänderter Ansprüche, eingereicht während der mündlichen Verhandlung (ja)
Neuheit und erfinderische Tätigkeit (ja)
I. Die Beschwerde der Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) richtete sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent Nr. 2506669 zu widerrufen.
II. Mit dem Einspruch war das Streitpatent in vollem Umfang und gestützt auf die Einspruchsgründe unzulässiger Erweiterung (Artikel 100 c) EPÜ), unzureichender Offenbarung (Artikel 100 b) EPÜ), sowie mangelnder Neuheit und fehlender erfinderischer Tätigkeit (Artikel 100 a) EPÜ i.V.m. Artikeln 52 (1), 54 (1) und 56 EPÜ) angegriffen worden.
III. Folgende Dokumente wurden u.a. im erstinstanzlichen Verfahren herangezogen und im Beschwerdeverfahren wieder aufgegriffen:
E1: WO 2008/061908 A1
E2: EP 1 921 897 A1
E5: EP 2 200 400 A1.
IV. In der angefochtenen Entscheidung vertrat die Einspruchsabteilung u.a. folgende Auffassung:
- Hauptantrag (Patent in der erteilten Fassung): Weder der Einspruchsgrund der unzulässigen Erweiterung (Artikel 100 c) EPÜ) noch der Einspruchsgrund der unzureichenden Offenbarung (Artikel 100 b) EPÜ) stünden der Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung entgegen, aber der Gegenstand des Anspruchs 1 sei nicht neu gegenüber der Druckschrift E1 (Artikel 54 (1) EPÜ).
- Hilfsanträge 1, 11 und 18: Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei nicht neu gegenüber der Druckschrift E5 (Artikel 54 (1) EPÜ).
- Hilfsanträge 2 bis 8, 12 bis 17 und 19 bis 24: Der Anspruch 1 sei nicht klar (Artikel 84 EPÜ).
- Hilfsantrag 9: Der Antrag wurde nicht zugelassen (Regel 116 EPÜ).
- Hilfsantrag 10: Die beanspruchte Erfindung sei ausführbar im Sinne von Artikel 83 EPÜ und der Gegenstand des Anspruchs 1 sei neu gegenüber der Druckschrift E5, er beruhe aber nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit gegenüber den Druckschriften E1 und E5 (Artikel 56 EPÜ).
V. Mit der Beschwerdebegründung reichte die Beschwerdeführerin Ansprüche gemäß den Hilfsanträgen 1 bis 22 ein, die jeweils den der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Hilfsanträgen 1, 9, 10, 2 bis 8, 11 bis 13, 15 bis 20 und 22 bis 24 entsprechen.
VI. Die ehemalige Einsprechende (ehemalige Beschwerdegegnerin) nahm zunächst zur Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerin Stellung, nahm dann aber mit Schreiben vom 8 März 2022 ihren Einspruch zurück.
VII. In einer Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 (siehe ABl. EPA 2021, A35), die der Ladung zu einer mündlichen Verhandlung als Anlage beigefügt war, legte die Kammer ihre vorläufige Einschätzung der Sachlage dar.
VIII. Mit Schreiben vom 9. Januar 2023 reichte die Beschwerdeführerin Ansprüche gemäß dem Hilfsantrag 23 ein.
IX. Die mündliche Verhandlung vor der Kammer fand am 27. April 2023 statt.
Während der mündlichen Verhandlung reichte die Beschwerdeführerin die Ansprüche 1 bis 8 gemäß einem neuen Hilfsantrag 1a und die geänderten Beschreibungsseiten 2 bis 7 ein. Danach erklärte die Beschwerdeführerin den Hilfsantrag 1a zu ihrem Hauptantrag und ihren vorliegenden Hauptantrag zum Hilfsantrag, gefolgt von den vorliegenden Hilfsanträgen 1 bis 23.
Die Beschwerdeführerin beantragte als Hauptantrag die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Grundlage der Ansprüche des in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrags 1a, und hilfsweise die Zurückweisung des Einspruchs oder weiter hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents in geänderter Fassung auf der Grundlage der Ansprüche eines der mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge 1 bis 22 oder des mit Schreiben vom 9. Januar 2023 eingereichten Hilfsantrags 23.
Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung der Kammer verkündet.
X. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt:
"Schaltungsvorrichtung mit zumindest zwei Heizfrequenzeinheiten (34a; 34b) zur Energieversorgung von zumindest drei unabhängigen Heizeinheiten (14a, 16a, 18a, 20a; 14b, 16b, 18b, 20b), gekennzeichnet durch eine Stromversorgungseinheit (38a; 38b), deren Ausgänge nur ein einziges Referenzpotential (42a; 42b) aufweisen, und durch eine Leistungsbaugruppe (12a; 12b), welche die zumindest zwei Heizfrequenzeinheiten (34a; 34b) und die Stromversorgungseinheit (38a; 38b) aufweist, wobei die Leistungsbaugruppe (12a; 12b), welche eine mit elektrischen Bauteilen bestückte Leiterplatte ist, genau zwei gleichgerichtete Äquipotentialstromschienen (30a, 32a; 30b, 32b) aufweist, zwischen denen in wenigstens einem Betriebszustand eine Versorgungsspannung für die zumindest drei unabhängigen Heizeinheiten (14a, 16a, 18a, 20a; 14b, 16b, 18b, 20b) abgegriffen wird, wobei die Stromversorgungseinheit (38a) mehrere Ausgänge aufweist, an denen in wenigstens einem Betriebszustand unterschiedliche Gleichspannungen zur Versorgung weiterer elektrischer Verbraucher bereitgestellt sind, und wobei alle Ausgänge der Stromversorgungseinheit (38a) ein gemeinsames Referenzpotential (42a) aufweisen, welches einem Potential einer der Äquipotentialstromschienen (32a) entspricht."
Der Anspruchssatz gemäß dem Hauptantrag beinhaltet auch die abhängigen Ansprüche 2 bis 7, die sich auf bevorzugte Ausführungsformen der Schaltungsvorrichtung nach dem Anspruch 1 richten, und den Anspruch 8, der sich auf ein Gargerät mit einer Schaltungsvorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 7 richtet.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Verfahrensfragen
Da die Beschwerdegegnerin ihren Einspruch während des Beschwerdeverfahrens zurückgenommen hat und es vorliegend keine Kostenfragen gibt, ist die Beschwerdegegnerin nicht mehr gemäß Artikel 107 Satz 2 EPÜ am Beschwerdeverfahren beteiligt. Die Rücknahme des Einspruchs hat nach ständiger Rechtsprechung jedoch keine unmittelbaren verfahrensrechtlichen Folgen für das Beschwerdeverfahren, wenn die Einsprechende Beschwerdegegnerin war und das Streitpatent mit der angefochtenen Entscheidung widerrufen wurde (T 629/90, ABl. EPA 1992, 654; gefolgt von zahlreichen Entscheidungen). Die Kammer hat daher die Entscheidung der Einspruchsabteilung inhaltlich zu überprüfen und kann nur dann diese Entscheidung aufheben und das Patent in erteilter oder geänderter Fassung aufrechterhalten, wenn keine Einspruchsgründe dem entgegenstehen bzw. die Erfordernisse des EPÜ erfüllt sind (siehe auch Entscheidung T 629/90). Bei dieser Prüfung können auch Beweismittel, die von der Beschwerdegegnerin vor der Rücknahme ihres Einspruchs vorgebracht worden sind, berücksichtigt werden (s. z.B. T 629/90). Die Kammer kann darüber hinaus die von der Beschwerdegegnerin vor der Rücknahme des Einspruchs vorgebrachten Argumente berücksichtigen (s.a. T 46/10).
3. Hauptantrag - Zulassung - Artikel 13 (2) VOBK 2020
Die Ansprüche gemäß dem geltenden Hauptantrag wurden während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereicht. Die Einreichung dieses Antrags stellt somit eine Änderung des Beschwerdevorbringens i.S.v. Artikel 13 (2) VOBK 2020, der vorliegend gemäß Artikel 25 (3) VOBK 2020 anwendbar ist, dar. Dieser Antrag wurde als Reaktion auf die vorangegangene Diskussion betreffend die Frage der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 gemäß dem mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsantrag 1 eingereicht. Bei der Erörterung dieser Fragen wurde der Gegenstand dieses Anspruchs von der Kammer - entgegen der Auffassung der Einspruchsabteilung und auch entgegen der vorläufigen Auffassung der Kammer in der Mitteilung nach Artikel 15 (1) VOBK 2020 - als neu gegenüber der Druckschrift E5 angesehen (vgl. Nr. 5.3.1 und 5.3.2 unten). Bei der nachfolgenden Diskussion der Frage der erfinderische Tätigkeit des Anspruchs 1 wurde dann die Kombination der Druckschrift E1 mit der Druckschrift E5 - welche von der Einspruchsabteilung in Bezug auf Anspruch 1 gemäß dem damaligen Hilfsantrag 10 in ihrer Entscheidung bereits behandelt wurde - erörtert, und dabei wurde von der Kammer die Auffassung vertreten, dass die von der Einspruchsabteilung formulierte objektive technische Aufgabe gegenüber der Druckschrift E1 umformuliert werden sollte (vgl. Nr. 6.2 unten, erster und zweiter Absatz). Die Prüfung der Gewährbarkeit des Hilfsantrags 1 wurde daher während der mündlichen Verhandlung auf einer neuen Grundlage vorgenommen, und diese neue Grundlage stellte im konkreten Fall aus Sicht der Kammer außergewöhnliche Umstände im Sinne des Artikels 13 (2) VOBK 2020 dar, die eine Zulassung bzw. Berücksichtigung der während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereichten Ansprüche gemäß dem geltenden Hauptantrag rechtfertigt.
4. Hauptantrag - Artikel 123 (2) EPÜ
4.1 Anspruch 1 gemäß Hauptantrag unterscheidet sich von dem erteilten Anspruch 1 durch die Hinzufügung folgender Merkmale:
- Merkmal M1: die Leistungsbaugruppe ist "eine mit elektrischen Bauteilen bestückte Leiterplatte", und
- Merkmal M2: "die Stromversorgungseinheit (38a) mehrere Ausgänge aufweist, an denen in wenigstens einem Betriebszustand unterschiedliche Gleichspannungen zur Versorgung weiterer elektrischer Verbraucher bereitgestellt sind".
4.2 In der angefochtenen Entscheidung hat die Einspruchsabteilung die Auffassung vertreten, dass der Einspruchsgrund der unzulässigen Erweiterung nach Artikel 100 c) EPÜ der Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung nicht entgegenstehe, und die Kammer sieht keinen Grund, von der Feststellung der Einspruchsabteilung in dieser Hinsicht abzuweichen.
Außerdem ergeben sich die in Anspruch 1 gemäß Hauptantrag aufgenommenen Merkmale M1 und M2 aus den Passagen auf Seite 4, Zeilen 22 und 23, und auf Seite 14, Zeilen 12 bis 15, der Beschreibung der ursprünglich eingereichten Anmeldung, und die Ansprüche 2 bis 8 gemäß Hauptantrag entsprechen jeweils den erteilten Ansprüchen 2 bis 8. Im Übrigen wurde die Beschreibung (vgl. Absätze [0007] und [0010]) entsprechend angepasst (Artikel 84 EPÜ i.V.m. Regel 42 (1) c) EPÜ).
Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ erfüllt sind.
5. Hauptantrag - Artikel 83 EPÜ
In ihrer Entscheidung hat die Einspruchsabteilung die Auffassung vertreten, dass der Einspruchsgrund der unzureichenden Offenbarung nach Artikel 100 b) EPÜ der Aufrechterhaltung des erteilten Patents nicht entgegenstehe. Die Kammer sieht keinen Grund, von dieser Feststellung abzuweichen, und auch keinen Grund, die Ausführbarkeit der Erfindung gemäß den Ansprüchen des geltenden Hauptantrags im Sinne von Artikel 83 EPÜ in Frage zu stellen.
Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass die Erfordernisse des Artikels 83 EPÜ erfüllt sind.
6. Hauptantrag - Neuheit (Artikel 54 (1) EPÜ)
6.1 Druckschrift E1
6.1.1 In der angefochtenen Entscheidung vertrat die Einspruchsabteilung die Auffassung, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 gegenüber der Schaltungsvorrichtung der Druckschrift E1 (Fig. 1 und 2 i.V.m. der entsprechenden Beschreibung) nicht neu sei. Die Einspruchsabteilung war u.a. der Auffassung, dass
- die Schaltvorrichtung der Druckschrift E1 (Fig. 2) eine Leistungsbaugruppe im allgemeinen Sinne darstelle, die die Heizfrequenzeinheiten (28) und die Stromversorgungseinheit aufweise (Seite 8, Zeile 26, bis Seite 9, Zeile 3), und dass
- die Stromversorgungseinheit mehrere Ausgänge aufweise, wobei alle Ausgänge das Potential (62 bzw. V-) einer der zwei gleichgerichteten Äquipotentialstromschienen (58) als einziges bzw. gemeinsames Referenzpotential aufweisen.
6.1.2 Anspruch 1 gemäß dem geltenden Hauptantrag wurde gegenüber dem erteilten Anspruch 1 durch die Merkmale M1 und M2 geändert. Die Druckschrift E1 offenbart einen Satz von Leiterplatten, auf welchen jeweils eine Gruppe von Heizfrequenzeinheiten und eine entsprechende Steuereinheit angeordnet sind (Seite 5, Zeilen 19 bis 24). Eine Leiterplatte, auf welcher sowohl die Heizfrequenzeinheiten als auch die Stromversorgungseinheit angeordnet sind, ist der Druckschrift E1 aber nicht zu entnehmen. Außerdem weist die Stromversorgungseinheit der Schaltungsvorrichtung der Druckschrift E1 nur Ausgänge zur Energieversorgung der Steuereinheiten 34 der Heizfrequenzeinheiten 28 auf, und weitere Ausgänge, an denen unterschiedliche Gleichspannungen zur Versorgung weiterer elektrischer Verbraucher bereitgestellt sind, sind der Druckschrift E1 nicht zu entnehmen.
6.1.3 Die Kammer ist daher der Auffassung, dass sich die beanspruchte Schaltungsvorrichtung von der Schaltungsvorrichtung der Druckschrift E1 zumindest durch die Merkmale M1 und M2 unterscheidet und dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag neu gegenüber der Druckschrift E1 ist (Artikel 54 (1) EPÜ).
6.2 Druckschrift E2
6.2.1 Die Schaltungsvorrichtung der Druckschrift E2 (Fig. 2 i.V.m. der entsprechenden Beschreibung) unterscheidet sich von der Schaltungsvorrichtung der Druckschrift E1 im Wesentlichen dadurch, dass die dem Gleichrichter vorgeschaltete Frequenzfilterungseinheit (E1, 64 in Fig. 2) durch die dem Gleichrichter nachgeschaltete Gleichspannungswandlereinheit 56 (E2, Fig. 2 und 3 i.V.m. Seite 5, Zeilen 40 bis 50, und Seite 6, Zeilen 6 und 7) ersetzt wird. Dieser Unterschied hat keine Wirkung auf die Überlegungen in Nr. 5.1 oben.
6.2.2 Die Kammer ist daher der Auffassung, dass sich die beanspruchte Schaltungsvorrichtung von der Schaltungsvorrichtung der Druckschrift E2 zumindest durch die Merkmale M1 und M2 unterscheidet und dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag neu gegenüber der Druckschrift E2 ist (Artikel 54 (1) EPÜ).
6.3 Druckschrift E5
6.3.1 In der angefochtenen Entscheidung vertrat die Einspruchabteilung die Auffassung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß dem damaligen Hilfsantrag 1 gegenüber der Schaltungsvorrichtung der Druckschrift E5 (Fig. 1 i.V.m. der entsprechenden Beschreibung) nicht neu sei. Anspruch 1 gemäß dem damaligen Hilfsantrag 1 wurde gegenüber dem erteilten Anspruch 1 durch das Merkmal M2 geändert.
Die Einspruchsabteilung war u.a. der Auffassung, dass die Ausgänge der am Netzanschluss 60 ("Alimentation 230V 50 Hz") angeschlossenen Diodenbrücke 61 in Fig. 2 der Druckschrift E5 (Absatz [0076]) den beanspruchten "genau zwei gleichgerichtete[n] Äquipotentialstromschienen" entsprachen, dass die Ausgänge v2 ("Alimentation 12V") und v3 ("Alimentation 5V") der Fig. 2 (E7, Absätze [0077] und [0109]) den beanspruchten mehreren Ausgängen gemäß dem Merkmal M2 entsprachen, und dass alle Ausgänge der Stromversorgungseinheit ein gemeinsames Referenzpotential aufwiesen, welches einem Potential einer der Äquipotentialstromschienen entsprach. Insbesondere vertrat die Einspruchsabteilung die Auffassung, dass der in der Druckschrift E5 offenbarte Masseanschluss (Symbol 1 in Fig. 4) das gemeinsame Referenzpotential für die Schaltung sei und dass er einem Potential einer der Äquipotentialstromschienen entspreche.
6.3.2 Der Druckschrift E5 ist aber - entgegen der Auffassung der Einspruchsabteilung - nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen, dass alle Ausgänge, insbesondere die Ausgänge v2 und v3, ein gemeinsames Referenzpotential aufweisen, welches einem Potential einer der von der Einspruchsabteilung als Äquipotentialstromschienen angesprochenen Ausgänge der Diodenbrücke entspricht. Die Ausgänge v2 und v3 weisen zwar ein gemeinsames Referenzpotential auf, dieses gemeinsame Referenzpotential entspricht in der Druckschrift E5 aber - wie von der Beschwerdeführerin geltend gemacht - einem Gehäuse-Masseanschluss (Gehäuse-Masseanschluss 1 in Fig. 4 und 5) der Schaltungsvorrichtung und der Druckschrift E5 ist nicht entnehmbar, dass der Gehäuse-Masseanschluss einem der Potentiale der Ausgänge der Diodenbrücke entspricht.
Somit ist die Kammer der Auffassung, dass die Stromversorgungseinheit der Druckschrift E5 zwar mehrere Ausgänge im Sinne des Merkmals M2 aufweist, aber dass das Merkmal des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag, wonach "alle Ausgänge der Stromversorgungseinheit (38a) ein gemeinsames Referenzpotential (42a) aufweisen, welches einem Potential einer der Äquipotentialstromschienen (32a) entspricht", der Druckschrift E5 nicht zu entnehmen ist.
6.3.3 Außerdem ist der Druckschrift E5 ebenfalls nicht zu entnehmen, dass die Heizfrequenzeinheiten und die Stromversorgungseinheit in einer Leistungsbaugruppe angeordnet sind, die eine mit elektrischen Bauteilen bestückte Leiterplatte ist.
6.3.4 Somit ist die Kammer der Auffassung, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 neu gegenüber der Druckschrift E5 ist (Artikel 54 (1) EPÜ).
6.4 Die übrigen vorhandenen Entgegenhaltungen sind weniger relevant als die Druckschriften E1, E2 und E5.
6.5 Die Kammer kommt zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 und somit auch der der Ansprüche 2 bis 8 neu ist (Artikel 54 (1) EPÜ).
7. Hauptantrag - Erfinderische Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ)
7.1 Die Kammer ist der Auffassung, dass die Druckschrift E1 oder, alternativ dazu, die Druckschrift E2, die einen ähnlichen Offenbarungsgehalt wie die Druckschrift E1 hat (vgl. Nr. 5.2.1 oben), der nächstkommende Stand der Technik darstellt.
7.2 Die Beschwerdeführerin hat während der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, dass durch das Merkmal M2 die Funktionalität der Schaltungsvorrichtung derart erhöht werde, dass sie bei der Montage in unterschiedliche Kochvorrichtungen sowohl ohne als auch mit weiteren elektrischen Verbrauchern flexibel einsetzbar sei, da bei Kochvorrichtungen mit weiteren elektrischen Verbrauchern auf weitere Stromversorgungs-Baugruppen bzw. auf zusätzliche Stromversorgungseinheiten zur Versorgung der weiteren elektrischen Verbraucher verzichtet werden könne. Daher bestehe die objektive technische Aufgabe, die durch das Merkmal M2 gelöst werde, wie von der Einspruchsabteilung hinsichtlich des Anspruchs 1 gemäß dem der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Hilfsantrag 10 vertreten, darin, die Funktionalität der Versorgungseinheit zu erhöhen.
Merkmal M2 entfaltet aber die von der Beschwerdeführerin angesprochene technische Wirkung aus Sicht der Kammer nur in dem erwähnten technischen Kontext der Montage der Schaltungsvorrichtung in unterschiedliche Kochvorrichtungen sowohl ohne als auch mit weiteren elektrischen Verbrauchern. Daher besteht die technische Aufgabe, die durch das Merkmal M2 gelöst ist, aus Sicht der Kammer darin, die Funktionalität der Schaltungsvorrichtung bei deren Verwendung mit unterschiedlichen Kochvorrichtungen, die weitere elektrischen Verbrauchern aufweisen können, zu erhöhen.
Außerdem trägt das Merkmal M1 im Kontext der beanspruchten Merkmalskombination weiter zur Lösung dieser objektiven technischen Aufgabe insofern bei, dass, bei der Montage der Schaltungsvorrichtung in die Kochvorrichtungen, die aus einer mit elektronischen Bauteilen bestückten Leiterplatte bestehende Leistungsgruppe als eine strukturelle Montageeinheit dient, die die Montage vereinfacht und daher den Montageaufwand reduziert (vgl. Patentschrift, Absatz [0010]).
7.3 Die Druckschrift E5 stammt aus dem gleichen technischen Gebiet wie die Druckschrift E1, d.h. aus dem Gebiet der Schaltungsvorrichtungen zur Energieversorgung von Heizeinheiten. Die Stromversorgungseinheit der Schaltvorrichtung der Druckschrift E5 weist mehrere Ausgänge auf, an denen unterschiedliche Gleichspannungen (insbesondere die Gleichspannungen 5V und 12 V) zur Versorgung unterschiedlicher Komponenten (Mikrokontroller 40 und 41, Steuerungsmittel 70, Schaltmittel 21, 22, 23 und 24, usw.) bereitgestellt sind (Fig. 2). Somit würde der Fachmann - wie von der Einspruchabteilung in ihrer Entscheidung hinsichtlich der erfinderischen Tätigkeit des Anspruchs 1 gemäß dem damaligen Hilfsantrag 10 - eine Kombination der Druckschrift E1 bzw. E2 mit der Druckschrift E5 zum Weiterentwicklung und zur Erhöhung der Funktionalität der Stromversorgungseinheit der Druckschrift E1 bzw. E2 in Betracht ziehen. Eine solche Kombination würde aber weder zum Merkmal M1 (vgl. Nr. 5.3.3), noch zum Merkmal M2 in Kombination mit der übrigen beanspruchten Merkmalen führen. Insbesondere würde eine solche Kombination zu einer Stromversorgungseinheit mit einer Referenzpotential-Trennung (d.h. einerseits mit dem Referenzpotential des Gehäuse-Masseanschlusses 1 der Fig. 4 und 5 und andererseits mit dem Referenzpotential der Äquipotentialstromschienen) führen, bei der - wie oben unter Nr. 5.3.2 hinsichtlich der Stromversorgungseinheit der Druckschrift E5 erläutert - nicht alle Ausgänge der Stromversorgungseinheit ein gemeinsames Referenzpotential aufweisen, welches einem Potential einer der Äquipotentialstromschienen der Schaltungsvorrichtung der Druckschrift E1 bzw. der Druckschrift E2 entspricht.
Aus diesen Gründen ist die beanspruchte Schaltungsvorrichtung gegenüber einer Kombination der Druckschrift E1 bzw. E2 mit der Druckschrift E5 nicht naheliegend.
7.4 Die übrigen vorhandenen Entgegenhaltungen sind aus Sicht der Kammer hinsichtlich der Frage der erfinderischen Tätigkeit weniger relevant und geben dem Fachmann keine Anregung, die objektive technische Aufgabe durch die Merkmale M1 und M2 zu lösen.
7.5 Die Kammer kommt zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 und der der Ansprüche 2 bis 8 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (Artikel 56 EPÜ).
8. Aus den oben dargelegten Gründen ist die Kammer der Auffassung, dass das Patent in der geänderten Fassung gemäß dem Hauptantrag und die Erfindung, die es zum Gegenstand hat, den Erfordernissen des Übereinkommens genügen (Artikel 101 (3) a) EPÜ).
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in geändertem Umfang mit folgender Fassung aufrechtzuerhalten:
- Ansprüche: Nr. 1 bis 8 gemäß Hauptantrag, eingereicht als Hilfsantrag 1a in der mündlichen Verhandlung vom 27. April 2023;
Beschreibung: Seiten 2 bis 7, eingereicht in der mündlichen Verhandlung vom 27. April 2023;
Zeichnungen: Seiten 10 und 11 der Patentschrift.