T 0046/10 01-04-2014
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TRANSPARENTES, THERMISCH STABILES LICHTEMITTIERENDES BAUELEMENT MIT ORGANISCHEN SCHICHTEN
Erfinderische Tätigkeit - nächstliegender Stand der Technik - (ja)
Fortsetzung des Beschwerdeverfahrens nach Rücknahme des Einspruchs - (ja)
I. Die Beschwerde der Patentinhaberin richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das europäische Patent Nr. 1 488 468 B1 zu widerrufen (Artikel 101 (2) und (3) b) EPÜ).
II. Der Einspruch der Firma Siemens Aktiengesellschaft, München, war gegen das Patent in gesamtem Umfang gerichtet und darauf gestützt, dass der Gegenstand des Patents nicht neu sei und nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe (Artikel 100 a) EPÜ 1973 in Verbindung mit Artikel 54 (1), (2) beziehungsweise Artikel 56 EPÜ 1973) und dass das Patent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbare, dass ein Fachmann sie ausführen könne (Artikel 100 b) EPÜ 1973).
III. Folgende Dokumente des Einspruchsverfahrens wurden von den Parteien im Beschwerdeverfahren zitiert:
D4: G. Parthasarathy et al., Appl. Phys. Lett. 75, No. 15, 2128-2130 (2000), |
D6: US 5 093 698 A, |
D7: J. Blochwitz, Dissertation, Dresden (2001), |
D18: A. Nollau et al., J. Appl. Phys. 87, No. 9, 4340-4343 (2000), |
D26: J. Blochwitz et al., Appl. Phys. Lett. 73, No. 6, 729-731 (1998), |
D27: Kopie des Briefes vom 22. September 2005 von M. Kleinschmidt bzgl. Gutachterhinweise, eingegangen beim EPA am 7. Dezember 2007, |
D33: Kopie des Beschlusses des DPMA vom 12. Juli 2007 bzgl. des Einspruches gegen das deutsche Patent DE 102 15 210, eingereicht beim EPA am 7. Dezember 2007,|
D34: M. Pfeiffer et al., Organic Electronics 4, 21-26 (2003), eingereicht beim EPA am 7. Dezember 2007. |
IV. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) nahm mit Schreiben vom 16. Oktober 2013 ihren Einspruch zurück.
V. In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer beantragte die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückweisung des Einspruchs, d.h. die Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt.
Außerdem nahm die Beschwerdeführerin ihre Behauptung eines angeblichen Verfahrensfehlers (Verletzung ihres Rechts auf rechtliches Gehör im erstinstanzlichen Verfahren im Hinblick auf die Dokumente D33 und D34) zurück und erklärte, dass sie dieses Vorbringen nicht weiterverfolge.
VI. Der Wortlaut des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung lautet wie folgt:
"Transparentes, thermisch stabiles lichtemittierendes Bauelement mit organischen Schichten, insbesondere organische Leuchtdiode, umfassend eine
Anordnung von Schichten mit einem transparenten Substrat (1) und zwei Elektroden, mit denen eine Anode (2; 8a) und eine Kathode (8; 2a) gebildet sind, wobei die Anode (2; 8a) transparent ist, zwischen den beiden Elektroden eine Löchertransportschicht (3; 7a), wenigstens eine Licht emittierende Schicht (5; 5a) und eine Elektronentransportschicht (7; 3a) angeordnet sind und die Löchertransportschicht (3; 7a) mit einem akzeptorartigen organischen Material p-dotiert ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Kathode (8; 2a) transparent ist und die Elektronentransportschicht (7; 3a) mit einem donatorartigen organischen Material n-dotiert ist, wobei eine molekulare Masse des akzeptorartigen organischen Materials und eine molekulare Masse des donatorartigen organischen Materials größer als 200 g/mol sind."
VII. Die Parteien haben im Wesentlichen Folgendes bezüglich erfinderischer Tätigkeit vorgetragen:
a) Beschwerdeführerin
Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 sei ein transparentes, organisches lichtemittierendes Bauelement. Daher gehe der Fachmann von einem solchen transparenten organischen lichtemittierenden Bauelement aus und nicht von einem nicht-transparenten Bauelement. Transparente und nicht-transparente Bauelemente stellten nämlich aufgrund ihrer unterschiedlichen Eigenschaften zwei verschiedene Gattungen dar. Diese Ansicht werde auch im Dokument D33 vertreten. Insbesondere hätten transparente und nicht-transparente Materialien andere Eigenschaften, z.B. verschiedene elektronische Strukturen, so dass ein einfacher Austausch der Kathodenmaterialien in der Regel nicht möglich sei. Die transparente Kathode stelle eine besondere Problematik bei transparenten OLEDs dar. Die Erfinder hätten sich außerdem auf die Entwicklung transparenter Bauelemente konzentriert, wie aus der Beschreibung des Standes der Technik im Streitpatent hervorgehe. Dementsprechend werde von Dokument D4 als dem nächstliegenden Stand der Technik ausgegangen.
Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 unterscheide sich von dem in D4 offenbarten Bauelement dadurch, dass das beanspruchte Bauelement thermisch stabil sei, die Löchertransportschicht mit einem akzeptorartigen organischen Material p-dotiert sei, die Elektronentransportschicht mit einem donatorartigen organischen Material n-dotiert sei, wobei eine molekulare Masse des akzeptorartigen organischen Materials und eine molekulare Masse des donatorartigen organischen Materials größer als 200 g/mol seien. Die zu lösende objektive technische Aufgabe bestehe gemäß Absatz [0011] des Streitpatents darin, ein voll transparentes (Transmission größer als 70%) organisches lichtemittierendes Bauelement anzugeben, welches mit einer verringerten Betriebsspannung betrieben werden könne und eine hohe Lichtemissionseffizienz aufweise. Gleichzeitig solle der Schutz aller organischer Schichten, insbesondere der lichtemittierenden Schichten, vor Schäden infolge der Herstellung des transparenten Deckkontaktes gewährleistet sein. Das entstehende Bauelement solle stabil sein (Operations- Temperaturbereich bis 80 °C, Langzeitstabilität).
Es sei für den Fachmann zum Zeitpunkt des Einreichens der Anmeldung nicht naheliegend gewesen, den Stand der Technik auf eine andere Bauelementgattung, nämlich nicht-transparente Bauelemente wie sie Gegenstand des Dokumentes D7 sind, zu übertragen. Insbesondere unterschieden sich transparente und nicht-transparente OLEDs in konstruktiver Hinsicht wesentlich, z.B. in Bezug auf Schichtarten und -dicken. Der Fachmann würde daher eher Überlegungen anstellen, Gestaltungsmerkmale bekannter transparenter OLEDs zu kombinieren um die gestellte Aufgabe zu lösen. Außerdem sei die Verwendung dotierter organischer Ladungsträgertransportschichten zum Anmeldezeitpunkt des Patentes in der Fachliteratur hinsichtlich einer Nützlichkeit überwiegend abwertend eingeschätzt worden. Vielmehr sei es eine weit verbreitete Meinung gewesen, dass dotierte Schichten die Eigenschaften von organischen Leuchtdioden nicht verbessern sondern nur verschlechtern könnten. Dies gehe aus dem Dokument D27 hervor. Eine Dotierung stelle außerdem eine Komplikation des Bauteils dar und habe nicht absehbare Konsequenzen, insbesondere in Bezug auf die Wechselwirkung von Schichten mit unterschiedlicher Dotierung. Daher sei es für den Fachmann nicht naheliegend gewesen, zur Lösung der gestellten Aufgabe eine Dotierung von organischen Ladungsträgertransportschichten vorzusehen.
Ferner habe dem Fachmann zur Lösung der gestellten Aufgabe eine Vielzahl von Lösungsansätzen für die Änderung von bestehenden transparenten OLEDs zur Verfügung gestanden: Nutzung dünner Metallschichten, Verwendung spezieller Injektionsschichten (z.B. Phtalocyanine, PTCDA, CuPc:Li, V2O, Al2O3), Verwendung thermisch zersetzender Materialien (z.B. LiF) zwischen Transportschicht und Kontaktmaterial, Verwendung komplexer Mehrfachschicht-Kontaktstrukturen, Verwendung spezieller Herstellungstechnologien, Nutzung einer polymeren Löcherinjektionsschicht, Einfügung einer dünnen LiF-Schicht zwischen einer undotierten Elektronentransportschicht und der Anode. Für den Fachmann sei es daher nicht erkennbar gewesen, welcher Ansatz zielführend sei.
Überdies stelle das beanspruchte Bauelement eine nicht absehbare sprunghafte Weiterentwicklung des Standes der Technik dar wie aus Dokument D34 hervorgehe.
Schließlich sei die Schicht unterhalb der nicht-transparenten Kathode im Bauelement nach D7 aus einer Alq3:Li Schicht gebildet, welche im Verhältnis von 6:1 mit Li dotiert sei. Dagegen sei die Schicht unterhalb der transparenten Kathode im Bauelement nach D4 durch eine nicht dotierte Alq3 Schicht gebildet. Diese Schichten hätten jedoch verschiedene Eigenschaften.
b) (Einstige) Beschwerdegegnerin
Selbst aus der Beschreibung im Streitpatent gehe hervor, dass auch bei nicht-transparenten OLEDs die organischen Schichten eine hohe Transparenz aufwiesen, um Re-Absorption zu vermeiden. Nicht-transparente OLEDs und transparente OLEDs stellten keine unterschiedlichen Gattungen dar. Vielmehr könne durch Austausch von Elektrodenmaterialien unter Beibehaltung des restlichen OLED-Schichtstapels eine transparente OLED aus einer nicht-transparenten OLED gebildet werden. Dokument D7 beschreibe alle wesentlichen Vorteile der Dotierung von Elektronen- und Lochtransportschichten in OLEDs, die auch im Streitpatent erwähnt seien. Somit sei Dokument D7 als nächstliegender Stand der Technik zu werten.
Außerdem seien im Einspruchsverfahren mindestens vier Dokumente genannt worden, nämlich D6, D7, D18 und D26, welche die Vorteile der Dotierung von organischen Ladungsträgertransportschichten belegten. Daher sei die Aussage der Beschwerdeführerin, dass es eine überwiegende Einschätzung gegeben hätte, dass eine solche Dotierung nachteilig wäre, nicht nachvollziehbar.
Die von der Beschwerdeführerin angeführte Vielzahl von Möglichkeiten, die Aufgabe zu lösen, gehe ins Leere, da diese Möglichkeiten verbesserte transparente Elektroden sowie die direkt darunterliegenden Ladungsträger injizierenden Schichten beträfen. Dagegen sei es Ziel der Erfindung, den Ladungsträgertransport innerhalb des organischen Schichtstapels zu verbessern. Im Dokument D7 werde aber beschrieben, dass durch die Dotierung von Ladungsträgertransportschichten der Ladungstransport innerhalb der OLED verbessert werde.
Ferner werde in D7 vorgeschlagen, Dotierstoffe zu verwenden, die ein Molekulargewicht von größer als 200 g/mol aufwiesen. Weiterhin werde in D7 in Bezug auf die Dotierung von Ladungsträgertransportmaterialien sogar explizit auf D4 Bezug genommen. Der Fachmann würde daher, ohne erfinderisch werden zu müssen, aufgrund der Kombination der technischen Lehre der Dokumente D4 und D7 transparente OLEDs bauen, die dotierte Elektronen- und Lochtransportschichten gemäß der technischen Lehre des Streitpatents aufwiesen.
1. Zulässigkeit der Beschwerde
Die Beschwerde ist zulässig.
2. Verfahrensrechtliche Wirkung der Rücknahme des Einspruchs
2.1 Die Einsprechende und Beschwerdegegnerin ist mit Rücknahme ihres Einspruchs nicht mehr an dem Beschwerdeverfahren beteiligt, da sich im vorliegenden Fall die Frage einer Kostenverteilung nach Artikel 104 EPÜ nicht gestellt hat (siehe T 789/89, ABl. EPA 1994, 482, Nr. 2.3 der Entscheidungsgründe).
2.2 Darüber hinaus hatte die Rücknahme des Einspruchs während des Beschwerdeverfahrens nach ständiger Rechtsprechung keine unmittelbaren verfahrensrechtlichen Folgen für das Beschwerdeverfahren, da die Einsprechende im vorliegenden Fall Beschwerdegegnerin war und das Streitpatent mit der angefochtenen Entscheidung widerrufen wurde (siehe T 629/90, ABl. EPA 1992, 654, Nr. 2.2 der Entscheidungsgründe, und Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 7. Auflage 2013, Kapitel IV.C.4.1.2). Die Kammer hat daher die Entscheidung der Einspruchsabteilung inhaltlich zu prüfen und kann nur dann gemäß dem Antrag der Beschwerdeführerin diese Entscheidung aufheben und den Einspruch nach Artikel 101 (2), Satz 2 EPÜ zurückweisen, wenn die vorgebrachten Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des erteilten Patentes nicht entgegenstehen (siehe T 629/90, supra, und Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 7. Auflage 2013, Kapitel IV.C.4.1.2). Bei dieser Prüfung können Beweismittel, die von der Beschwerdegegnerin vor der Zurücknahme des Einspruchs vorgebracht worden sind, herangezogen werden (siehe T 629/90, supra, Nr. 2.2 der Entscheidungsgründe, sowie T 900/03, Nr. 2 der Entscheidungsgründe und T 340/05, Nr. 2 der Entscheidungsgründe). Darüber hinaus kann die Kammer die von der Beschwerdegegnerin vor der Zurücknahme des Einspruchs vorgebrachten Argumente berücksichtigen.
3. Erfinderische Tätigkeit
3.1 Nächstliegender Stand der Technik
3.1.1 In der angefochtenen Entscheidung vertrat die Einspruchsabteilung die Meinung, dass Dokument D7, welches ein nicht-transparentes Bauteil betrifft, als der nächstliegende Stand der Technik anzusehen sei. Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, dass transparente und nicht-transparente organische lichtemittierende Bauelemente aufgrund ihrer unterschiedlichen Eigenschaften, z.B. bezüglich der elektronischen Strukturen, unterschiedliche Gattungen darstellten. Da der erteilte Anspruch 1 ein transparentes Bauelement betreffe, sei von einem Dokument als nächstliegendem Stand der Technik auszugehen, welches transparente Bauteile betreffe, insbesondere von Dokument D4.
3.1.2 Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist der zur Bewertung der erfinderischen Tätigkeit heranzuziehende nächstliegende Stand der Technik in der Regel ein Dokument des Standes der Technik, das einen Gegenstand offenbart, der zum gleichen Zweck oder mit demselben Ziel entwickelt wurde wie die Erfindung und die wichtigsten technischen Merkmale mit ihr gemein hat (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 7. Auflage 2013, Kapitel I.D.3.1 und 3.2).
3.1.3 Die beanspruchte Erfindung wurde mit dem Ziel entwickelt, ein transparentes lichtemittierendes Bauelement mit organischen Schichten bereitzustellen, wobei unter "transparent" eine Transmission von über 70% zu verstehen ist. Der Vorteil solcher Bauelemente auf organischer Basis gegenüber konventionellen Bauelementen auf anorganischer Basis besteht darin, dass es mit ihnen möglich ist, großflächige Anzeigeelemente herzustellen. Die Transparenz ist bei Anwendungen von entscheidender Bedeutung, bei denen das Anzeigeelement im ausgeschalteten Zustand transparent erscheinen soll, so dass die dahinter liegende Umgebung wahrgenommen werden kann, im eingeschalteten Zustand dem Betrachter jedoch Informationen zukommen lässt. Displays in Autoscheiben sind Beispiele für solche Anwendungen (siehe Streitpatent, Absätze [0001], [0006] und [0011]; erteilter Anspruch 1). Angesichts dieses Ziels der Erfindung ist die Kammer der Meinung, dass der nächstliegende Stand der Technik ein transparentes lichtemittierendes Bauelement mit organischen Schichten betreffen muss.
Außerdem besteht bei der Konstruktion von transparenten lichtemittierenden Bauelementen mit organischen Schichten eine besondere Problematik darin, eine transparente Kathode bereitzustellen, mit welcher Elektronen effizient in die organischen Schichten injiziert werden können. Dies liegt daran, dass die Auswahl an transparenten Elektroden im Wesentlichen auf ITO oder ähnliche entartete anorganische Halbleiter beschränkt ist. Die Austrittsarbeit des ITO ist jedoch zu hoch, als dass Elektronen effizient direkt in die organischen Schichten injiziert werden könnten. Deshalb wird im bekannten Stand der Technik eine Zwischenschicht verwendet, welche die Injektion von Elektronen verbessert. Bekannte Zwischenschichten sind z.B. aus durch Beimischung von Silber stabilisiertem Magnesium, Kupfer-Phthalocyanin oder Lithium (siehe Streitpatent, Absätze [0006]-[0009]). Diese besondere Problematik bestärkt nach Auffassung der Kammer den Fachmann in der Auswahl eines transparenten lichtemittierenden Bauelements mit organischen Schichten als nächstliegendem Stand der Technik, da in einem solchen Bauelement die genannte Problematik bereits gelöst ist.
Diese Auswahl des nächstliegenden Standes der Technik führt auch zu einer realistischen Ausgangssituation für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit, welche der vom Erfinder vorgefundenen, im Streitpatent beschriebenen Ausgangssituation entspricht.
3.1.4 Das von der Beschwerdeführerin als nächstliegender Stand der Technik angesehene Dokument D4 betrifft organische lichtemittierende Bauelemente mit einer Transparenz von ~90% im sichtbaren Spektrum (D4, Seite 2130, rechte Spalte, zweiter Absatz). Die übrigen Dokumente des Standes der Technik kommen dem beanspruchten Gegenstand nicht näher als Dokument D4. Angesichts der oben angeführten Überlegungen wird daher Dokument D4 als der nächstliegende Stand der Technik angesehen.
3.2 Unterschiedsmerkmale
3.2.1 Dokument D4 offenbart (siehe Seite 2128) organische lichtemittierende Bauelemente mit transparenten Kathoden. Ein Glassubstrat ist mit ITO beschichtet, worauf eine 650 Å Löchertransportschicht aus 4,4-bis[N-(1-naphthyl)-N-phenyl-amino] biphenyl (alpha-NPD) aufgebracht ist. Darauf folgt eine 750 Å lichtemittierende Elektronentransportschicht aus Aluminium-tris-(8-hydroxychinolin) (Alq3). Letztere Schicht ist mit drei alternativen Verbundkathoden beschichtet: (a) ITO/2,9-dimethyl-4,7 diphenyl-1,10-phenanthrolin (BCP), (b) ITO/BCP/Li, (c) ITO/Li/BCP. Wie oben erwähnt, wird mit diesen Bauelementen eine Transparenz von ~90% im sichtbaren Spektrum erreicht.
Da die Lage der Lithiumschicht in der Verbundkathode unerheblich ist, ist davon auszugehen, dass das Lithium durch die gesamte BCP-Schicht diffundiert und sich als Elektronendonator verhält und die Elektroneninjektion in das lichtemittierende Bauelement steigert (siehe Zusammenfassung).
Als Kontrollelement wird im Dokument D4 ein Bauelement mit einer 1500 Å Mg:Ag (10:1 Massenverhältnis) Kathode gefolgt von einer 500 Å Silber-Deckschicht verwendet.
3.2.2 Im Wortlaut des erteilten Anspruchs 1 offenbart Dokument D4 somit ein transparentes (Transparenz von ~90% im sichtbaren Spektrum), lichtemittierendes Bauelement mit organischen Schichten, umfassend eine
Anordnung von Schichten mit einem transparenten Substrat (Glassubstrat) und zwei Elektroden (Elektroden aus ITO und aus ITO/Li/BCP), mit denen eine Anode (ITO) und eine Kathode (Verbundkathode aus ITO/Li/BCP) gebildet sind, wobei die Anode transparent ist, zwischen den beiden Elektroden eine Löchertransportschicht (650 Å Löchertransportschicht aus alpha-NPD), wenigstens eine lichtemittierende Schicht und eine Elektronentransportschicht (750 Å emittierende Elektronentransportschicht Alq3) angeordnet sind, wobei die Kathode (Verbundkathode aus ITO/Li/BCP) transparent ist.
Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 unterscheidet sich von dem aus D4 bekannten Bauelement dadurch, dass das Bauelement thermisch stabil ist, die Löchertransportschicht mit einem akzeptorartigen organischen Material p-dotiert ist, die Elektronentransportschicht mit einem donatorartigen organischen Material n-dotiert ist, wobei eine molekulare Masse des akzeptorartigen organischen Materials und eine molekulare Masse des donatorartigen organischen Materials größer als 200 g/mol sind.
3.3 Objektive technische Aufgabe
3.3.1 Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, dass gemäß Absatz [0011] des Streitpatents die objektive technische Aufgabe darin zu sehen sei, eine transparente organische Leuchtdiode anzugeben, die mit einer verringerten Betriebsspannung betrieben werden könne und eine hohe Lichteffizienz aufweise. Gleichzeitig solle der Schutz aller organischen Schichten, insbesondere der Licht emittierenden Schichten, vor Schäden infolge der Herstellung des transparenten Deckkontaktes gewährleistet sein und das entstehende Bauelement stabil sein.
3.3.2 Die beanspruchte Dotierung der Löchertransportschicht und der Elektronentransportschicht bewirkt durch die Erhöhung der Dichte der Gleichgewichtsladungsträger eine verringerte Betriebsspannung und eine hohe Lichteffizienz. Durch die Verwendung von Dotanden aus einem organischen Material mit hoher molekularer Masse wird deren Diffusion vermieden und eine hohe Stabilität beim Betrieb des Bauelements unter thermischer Belastung erreicht.
Der Schutz der organischen Schichten wird gemäß Streitpatent (siehe Absatz [0015]) dadurch erreicht, dass sowohl die Löcher- als auch die Elektronentransportschicht dick genug ausgeführt werden, um die darunter befindlichen Schichten vor Schäden während des Herstellungsprozesses der transparenten Elektrode zu schützen. Da diese Dicke jedoch nicht beansprucht wird, kann der Schutz der organischen Schichten nicht als Wirkung der Unterschiedsmerkmale angesehen werden.
Somit ist die objektive technische Aufgabe nach Ansicht der Kammer darin zu sehen, ein transparentes organisches lichtemittierendes Bauelement anzugeben, das mit einer verringerten Betriebsspannung betrieben werden kann, eine hohe Lichteffizienz aufweist und thermisch stabil ist.
3.4 Naheliegen
3.4.1 Der objektiven technischen Aufgabe entsprechend ist ein auf dem technischen Gebiet der organischen lichtemittierenden Bauelemente kundiger Halbleiterphysiker als der maßgebliche Fachmann anzusehen. Dokumente D6 und D7 betreffen organische lichtemittierende Bauelemente und sind somit im technischen Gebiet des maßgeblichen Fachmanns angesiedelt. Der Fachmann würde diese Dokumente daher zur Lösung der Aufgabe heranziehen. Dokument D18 betrifft die Dotierung von organischen Halbleiterschichten und insbesondere die Auswirkungen der Dotierung auf die Leitfähigkeit und Elektronenmobilität der Schichten. Bei der Verwendung der Schichten in Leuchtdioden wären diese Parameter für die Betriebsspannung und Lichteffizienz relevant. Außerdem ist in Dokument D18 explizit erwähnt (siehe Seite 4340, linke Spalte, erster Satz), dass solche Schichten zur Verwendung in Leuchtdioden untersucht würden. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass der Fachmann zur Lösung der Aufgabe auch Dokument D18 heranziehen würde.
3.4.2 Die Einspruchsabteilung verwies in der angefochtenen Entscheidung in Bezug auf Dokument D7 insbesondere auf das in Tabelle 5.9 angeführte Beispiel H auf Seite 111 sowie auf die Abschnitte 5.4.3 und 6.2 auf Seiten 104-105, beziehungsweise 114.
Das zitierte Beispiel H enthält in dieser Reihenfolge eine ITO-Anode, eine mit F4-TCNQ dotierte VOPc-Löchertransportschicht, eine mit F4-TCNQ dotierte m-MTDATA-Löchertransportschicht, eine TPD-Blockierschicht, eine mit QAD3 dotierte Alq3-Emissionsschicht, eine Alq3-Elektronentransportschicht, eine mit Li dotierte Alq3-Schicht und eine Al-Kathode. In Bezug auf dieses Beispiel ist somit keine n-Dotierung mit einem organischen Material mit einer molekularen Masse, die größer als 200 g/mol ist, offenbart.
Bezüglich der Frage, ob eine stabile und effiziente n-Dotierung eines organischen Matrixmaterials mit einem organischen Donatormolekül möglich wäre, wird in D7 auf Seite 105 ausgeführt, dass die n-Dotierung von NTCDA als Matrixmaterial mit BEDT-TTF als Dotiermittel im Dokument D18 beschrieben sei. Wegen des niedrigen LUMO-Niveaus (d.h. das Niveau des niedrigsten unbesetzten Molekülorbitals) von NTCDA sei dieses Material jedoch als Elektronentransportschicht in OLEDs nicht geeignet. Daher werde zum Test von n-dotierten Schichten in OLEDs die Dotierung mit Lithium erwägt, insbesondere eine mit Li dotierte Alq3-Schicht. Wie oben erwähnt wird die Verwendung einer solchen, mit Li dotierten Alq3-Schicht dann entsprechend auch in Bezug auf das oben genannte Beispiel H beschrieben.
Im letzten Abschnitt 6.2 des Dokuments D7, welcher dem Ausblick auf zukünftige Entwicklungen gewidmet ist, wird im ersten Absatz auf Seite 114 lediglich ausgeführt, dass die n-Dotierung mit anderen metallischen Dotanden, z.B. Cäsium, und anderen Matrixmaterialien, z.B. Bathophenanthrolin, in Angriff genommen werden sollte.
Der Fachmann erhält aus Dokument D7 daher keine Lehre, zur Lösung der gestellten Aufgabe eine n-Dotierung mit einem organischen Material mit einer molekularen Masse, die größer als 200 g/mol ist, zu verwenden. Vielmehr erhält er auf Seite 105, Absatz 2, den Hinweis, dass zur Erzielung einer spürbaren Wirkung mit Li als Dotand ein Dotierungsverhältnis von 1:1 nötig sei, wodurch die Alq3-Lumineszenz vollständig unterdrückt werde. Außerdem führe die in Dokument D4 beschriebene, mit Li dotierte BCP-Schicht auch zu einer positiven Wirkung, ebenso wie die mit Li dotierte Alq3-Schicht in D7.
Der Fachmann würde es angesichts dieser Lehre in D7 nicht in Erwägung ziehen, den in Dokument D4 offenbarten Aufbau des lichtemittierenden Bauelements zur Lösung der gestellten Aufgabe zu verändern. Insbesondere würde er die dort beschriebene lichtemittierende Alq3-Schicht nicht mit Li dotieren, da ansonsten die gewünschte Alq3-Lumineszenz unterdrückt werden würde. Für eine solche Dotierung besteht auch kein Anlass, da die Funktion der mit Li dotierten Alq3-Schicht in D7, nämlich die effiziente Elektroneninjektion, bereits von der mit Li dotierten BCP-Schicht in D4 erfüllt wird.
3.4.3 Wie oben erwähnt beschreibt Dokument D18 die n-Dotierung von NTCDA als Matrixmaterial, das jedoch wegen seines niedrigen LUMO-Niveaus als Elektronentransportschicht in OLEDs nicht geeignet ist. Der Fachmann wäre daher davon abgeneigt, die in D18 verwendete dotierte organische Schicht in dem lichtemittierenden Bauelement gemäß D4 zu verwenden.
Außerdem wird in D18 beschrieben (siehe D18, Seite 4343), dass kein umfassendes Bild bestehe, welches alle experimentell beobachteten Eigenschaften der untersuchten Schichten beschreibe. Insbesondere müsse der Einfluss der Donatormoleküle auf die Kristallstruktur des Matrixmaterials und die Rolle von Fallenzuständen und von unbeabsichtigen Dotierungen berücksichtigt werden. Insbesondere wurde auch darauf hingewiesen, dass die Elektronenmobilität durch die Dotierung sinkt (siehe auch Figur 3 mit zugehöriger Beschreibung). Der Fachmann wäre daher nicht dazu geneigt, die in D18 beschriebenen Ergebnisse auf ein anderes Matrixmaterial, insbesondere auf die in D4 beschriebenen organischen Schichten zu übertragen. Dies gilt umso mehr als die organischen Schichten in D4 untereinander und mit den Elektrodenschichten zur Schaffung eines lichtemittierenden Bauelements zusammenwirken.
3.4.4 In Bezug auf Dokument D6 machte die einstige Beschwerdegegnerin geltend, dass aus Spalte 4, Zeilen 59 ff. n-Dotanden bekannt seien, die eine molekulare Masse von größer als 200 g/mol aufwiesen, z.B. Triphenylamin und Tetrathiafulvalen (TTF).
Die angegebene Stelle in Dokument D6 betrifft die Zusammenfassung der in D6 beschriebenen Erfindung. Dort ist erwähnt, dass n-Dotanten, mit denen die organische Schicht dotiert werden soll, inorganische Materialien wie Alkalimetalle, Erdalkalimetalle, seltene Erden, Al, Ag, Cu, In und organische Materialien wie NH3, Anilin, Phenylendiamin, Benzidin, Triphenylamin, und TTF sind. In der detaillierten Beschreibung von D6 werden jedoch lediglich zwei Alkalimetalle als n-Dotanten genauer beschrieben, nämlich Kalium und Natrium (siehe D6, Spalten 11 und 16). Wie oben in Bezug auf D18 dargelegt, ist das Verständnis der Wirkung von Dotierungen jedoch unvollständig, insbesondere in Bezug auf deren Einfluss auf die Kristallstruktur des Matrixmaterials und in Bezug auf die Rolle von Fallenzuständen. Daher ist die Wirkung von den in D6 erwähnten organischen Dotierungen in organischen Schichten, insbesondere wenn diese Schichten Teil eines lichtemittierenden Bauelements sind, für den Fachmann nicht ohne Weiteres absehbar. Somit wird die bloße Nennung von organischen Materialien in einer Auflistung von n-Dotanten ohne weitere detaillierte Informationen, z.B. bezüglich der verwendeten Matrixmaterialien, nicht als für den Fachmann ausreichend angesehen, um die entsprechende technische Lehre auszuführen.
Der Fachmann würde daher zur Lösung der gestellten Aufgabe nicht die in D6 erwähnten organischen n-Dotanten im Bauelement gemäß Dokument D4 verwenden.
3.4.5 Dokument D26 betrifft lediglich die p-Dotierung von organischen Löchertransportschichten in OLEDs.
3.4.6 Angesichts der obigen Ausführungen würde der Fachmann zur Lösung der gestellten Aufgabe keine n-Dotierung der Elektronentransportschicht mit einem organischen Material mit einer molekularen Masse, die größer als 200 g/mol ist, erwägen. Somit ist es für den Fachmann nicht naheliegend, die unter Punkt 3.2.2 erwähnten Unterschiedsmerkmale im Bauelement gemäß Dokument D4 zu verwenden. Daher weist der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 eine erfinderische Tätigkeit auf.
Ansprüche 2 bis 19 sind von Anspruch 1 abhängig. Folglich weist der Gegenstand der erteilten Ansprüche 1 bis 19 eine erfinderische Tätigkeit auf (Artikel 52(1) EPÜ und Artikel 56 EPÜ 1973). Somit steht der Einspruchsgrund nach Artikel 100 a) EPÜ 1973 in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ 1973 der Aufrechterhaltung des erteilten Patents nicht entgegen.
4. Andere Einspruchsgründe und Schlussfolgerung
Die in der angefochtenen Entscheidung von der Einspruchsabteilung zum geltend gemachten Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 b) EPÜ 1973 vertretene Meinung, dass das Patent die Erfindung so deutlich und vollständig offenbare, dass ein Fachmann sie ausführen könne, wurde im Beschwerdeverfahren nicht in Frage gestellt. Die Kammer sieht auch keine Gründe, dies von sich aus zu tun.
Somit steht der Aufrechterhaltung des europäischen Patents keiner der angeführten Einspruchsgründe entgegen. Folglich ist der Einspruch gemäß Artikel 101 (2), Satz 2 EPÜ zurückzuweisen.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Der Einspruch wird zurückgewiesen.