T 2837/19 (Konnektor für ein Hörgerät/SIVANTOS) 04-11-2022
Download und weitere Informationen:
Konnektor für Hörinstrument und Hörinstrument
Entscheidung im schriftlichen Verfahren - (ja): mündliche Verhandlung nicht sachdienlich
Widerruf des Patents - (ja): keine gebilligte Fassung
I. Die Beschwerde der Einsprechenden 1 und 3 richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Einspruch zurückzuweisen.
II. Die Verfahrensbeteiligten stellten die folgenden Anträge:
- Die Beschwerdeführerinnen (Einsprechende 1 und 3) beantragten, die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
- Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen bzw. das Patent wie erteilt aufrechtzuerhalten, hilfsweise das Patent auf der Grundlage der Ansprüche des mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsantrags aufrechtzuerhalten.
III. In einer Mitteilung der Beschwerdekammer gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung brachte die Kammer ihre vorläufige Meinung zum Ausdruck, dass keiner der vorliegenden Anträge die Erfordernisse der
Artikel 76 (1) und 123 (2) EPÜ erfüllen würde.
IV. In Reaktion darauf reichte die Beschwerdegegnerin am 25. Oktober 2022 ein Schreiben mit folgender Erklärung ab:
"Hiermit wird Namens und in Vollmacht der Anmelderin das [...] Patent mit dem Titel 'Konnektor für Hörinstrument und Hörinstrument' zurückgenommen. Es werden sämtliche im Rahmen der Beschwerde gestellten Anträge zurückgenommen, insbesondere die Anträge auf Aufrechterhaltung des Patents im Rahmen des Hauptantrags und des Hilfsantrags und auch der Antrag auf mündliche Verhandlung."
1. Die Kammer erachtet aus den unten genannten Gründen die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung für nicht sachdienlich (Artikel 116 (1) EPÜ). Die Entscheidung ergeht daher im schriftlichen Verfahren (Artikel 12 (8) VOBK 2020).
2. Die Beschwerdegegnerin hat mit der Erklärung, das Patent zurückzunehmen, nach dem Verständnis der Kammer ihren Willen zum Ausdruck gebracht, das Patent mit rückwirkender Wirkung (ex tunc) zu beseitigen.
3. Eine Rücknahme oder ein Verzicht auf das Patent ist im EPÜ zwar nicht vorgesehen. Die erklärte Rücknahme lässt sich dennoch wegen der gleichen Zielrichtung als Entzug des Einverständnisses mit der erteilten Fassung des Patents im Sinne von Artikel 113 (2) EPÜ auslegen bzw. werten (vgl. Rechtsauskunft Nr. 11/82, ABl. EPA 1982, 57 und T 186/84, ABl. EPA 1986, 79). Ferner hat die Beschwerdegegnerin sämtliche im Beschwerdeverfahren gestellten Anträge zurückgenommen.
4. Nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern ergibt sich aus dem in Artikel 113 (2) EPÜ verankerten Prinzip, wonach sich das Europäische Patentamt an die vom Anmelder oder Patentinhaber vorgelegte oder gebilligte Fassung zu halten hat, dass die Aufrechterhaltung eines Patents nur dann möglich ist, wenn eine vom Patentinhaber vorgelegte oder gebilligte Fassung existiert (siehe z. B. T 206/86 und T 91/90). Erklärt daher ein Patentinhaber, dass er der Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung nicht zustimme und keine geänderte Fassung vorlegen werde, so ergibt sich aus dieser Erklärung, dass das Patent zu widerrufen ist (siehe z. B. T 73/84 und T 186/84). Entsprechendes gilt auch in Fällen, in denen ein Patentinhaber den Willen erklärt, dass das Patent zu widerrufen ist und sämtliche gestellten Hilfsanträge zurücknimmt (siehe T 677/90).
5. Im vorliegenden Fall liegt der Kammer weder ein Antrag, worüber sie entscheiden könnte, noch eine von der Beschwerdegegnerin gebilligte Fassung des Patents vor, in der sie das Patent aufrechterhalten könnte.
6. Vor diesem Hintergrund ist das Streitpatent in Einklang mit der auf Artikel 113 (2) EPÜ gestützten und oben genannten Rechtsprechung zu widerrufen und das Beschwerdeverfahren zu beenden.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.