T 2028/20 05-12-2023
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FEUERUNGSEINRICHTUNG
Hauptantrag - Änderungen - Disclaimer (ja) - offenbarter Disclaimer (nein) - nicht offenbarter Diclaimer (ja) - zulässig (nein)
Hauptantrag - Änderungen - Erweiterung über den inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung hinaus (ja)
Hilfsantrag - Änderungen zulässig (ja) - Beschreibung angepasst (nein) - Zurückverweisung zur weiteren Entscheidung (ja)
I. Beschwerde
Der Anmelder (Beschwerdeführer) legte Beschwerde gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung ein, die streitgegenständliche Patentanmeldung (nachstehend "Anmeldung") zurückzuweisen.
Die Prüfungsabteilung hatte entschieden, dass der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag über den Inhalt der Anmeldung in ihrer ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe (Artikel 123 (2) EPÜ). Einer Erteilung auf Grundlage des Hilfsantrags hatte der Anmelder nicht zugestimmt.
II. Am 5. Dezember 2023 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer in Form einer Videokonferenz statt.
III. Der Beschwerdeführer beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Angelegenheit mit der Anordnung an die Prüfungsabteilung zurückzuverweisen, ein Patent auf Grundlage des Hauptantrags zu erteilen. Hilfsweise beantragte er die Zurückverweisung mit der Anordnung, ein Patent auf Grundlage des Hilfsantrags vom 18. September 2019 zu erteilen (in der Mitteilung der Prüfungsabteilung vom 3. März 2020 unter Regel 71 (3) EPÜ, Punkt 1.1, als "Hilfsantrag 1" bezeichnet).
IV. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet (mit hervorgehobenen Änderungen gegenüber dem ursprünglich eingereichten Anspruch 1):
Feuerungseinrichtung, insbesondere für Stückbrennstoff, mit einem Brennraum (6) und einer Luftzufuhr, wobei unter einem Boden einer Brennstoffaufnahme eine mit einem Lufteinlass verbundene Luftkammer (11) vorgesehen ist, von der aus eine nach oben ragende [deleted: Luftführung mit Auslassöffnungen (13) wegführt, dadurch gekennzeichnet, dass die ]Luftzuführung durch eine Mehrzahl von nach oben führenden, über den Großteil des Umfanges des Grundrisses des Brennraumes (6) verteilt angeordneten Rohren (1) gebildet ist, von denen jedes mit der Luftkammer (11) in Verbindung steht und mit einer Mehrzahl von über die Höhe des Rohres (1) verteilt angeordneten und gegen den Brennraum (6) gerichteten Auslassöffnungen (13) versehen ist, dadurch gekennzeichnet, dass innerhalb des Umfangs des Grundrisses des Brennraums (6) keine Luftzufuhr erfolgt.
V. Anspruch 1 des Hilfsantrags unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags durch das aus dem ursprünglichen Anspruch 8 übernommene kennzeichnende Merkmal "dass die Luftzufuhr ausschließlich durch die über den Großteil des Umfanges des Grundrisses des Brennraums (6) verteilt angeordneten Rohre (1) erfolgt".
VI. Die entscheidungserheblichen Argumente des Beschwerdeführers können wie folgt zusammengefasst werden.
Hauptantrag
Bei dem hinzugefügten kennzeichnenden Merkmal von Anspruch 1 handle es sich nicht um einen Disclaimer, sondern um ein negatives Merkmal, mittels dessen aus zwei eindeutig offenbarten Möglichkeiten gemäß den Ansprüchen 8 und 9 oder den Absätzen [0012] und [0013] lediglich eine ausgewählt werde. Da jede Luftzufuhr letztlich durch ein irgendwie geartetes oder gedachtes "Rohr" erfolge, bestehe auch kein technischer Unterschied darin, ob sich das kennzeichnende Merkmal auf die Luftzufuhr oder ein hierfür vorgesehenes Rohr beziehe.
Anspruch 1 definiere den "Umfang" des Grundrisses des Brennraums dadurch, dass dort die Luft zuführenden Rohre verteilt angeordnet seien. "Innerhalb" des so verstandenen Umfangs des Grundrisses erfolge auch beim Ausführungsbeispiel keine Luftzufuhr, so dass kein Widerspruch zwischen Anspruch 1 des Hauptantrags und dem Ausführungsbeispiel bestehe.
Die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ seien somit erfüllt.
Hilfsantrag
Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags beruhe auf einer Kombination der Ansprüche 1 und 8 wie ursprünglich eingereicht und erfülle daher ebenfalls die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ. Es werde daher eine Zurückverweisung mit der Anordnung zur Erteilung eines Patents auf der Grundlage des Hilfsantrags beantragt.
1. Hauptantrag - Artikel 123 (2) EPÜ
1.1 In Anspruch 1 gemäß dem vorliegenden Hauptantrag wurde gegenüber dem ursprünglich eingereichten Anspruch 1 das kennzeichnende Merkmal aufgenommen, wonach "innerhalb des Umfangs des Grundrisses des Brennraums keine Luftzufuhr erfolgt".
1.2 Das kennzeichnende Merkmal schließt jegliche Luftzufuhr "innerhalb des Umfangs des Grundrisses des Brennraums" aus. Gleichzeitig spezifiziert Anspruch 1 eine Luftzufuhr durch eine Mehrzahl von unterhalb des Bodens des Brennraums nach oben führenden Rohren (1), die "über einen Großteil des Umfanges des Grundrisses des Brennraumes verteilt" sind.
1.3 Bei dem hinzugefügten Merkmal handelt es sich entgegen dem Vortrag des Beschwerdeführers um einen Disclaimer, da es sich um eine Änderung des Anspruchs handelt, die in der Aufnahme eines "negativen" technischen Merkmals in den Anspruch besteht, womit bestimmte Ausführungsformen oder Bereiche eines allgemeinen Merkmals ausgeschlossen werden (vgl. die Definition in G 2/10, Nr. 2.2 der Entscheidungsgründe; vgl. auch G 1/16, Nr. 13 der Entscheidungsgründe, wonach eine Änderung in Form von Wörtern, die einen ausdrücklich nicht beanspruchten Gegenstand angeben, ein Disclaimer ist).
1.4 Die Rechtsprechung der Großen Beschwerdekammer unterscheidet zwischen "nicht offenbarten" und "offenbarten" Disclaimern. Nicht offenbarte Disclaimer betreffen Fälle, in denen weder der Disclaimer selbst noch der durch ihn ausgeklammerte Gegenstand in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung offenbart ist. Offenbarte Disclaimer betreffen Fälle, in denen zwar der Disclaimer selbst nicht in der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldung offenbart gewesen sein mag, der durch ihn ausgeklammerte Gegenstand aber aus dieser ursprünglich eingereichten Fassung herleitbar ist, z. B. aus einer Ausführungsform (siehe G 1/16, Nr. 14 und 15 der Entscheidungsgründe).
1.5 Für diese beiden Klassen von Disclaimern kommen bei der Beurteilung, ob die Aufnahme eines Disclaimers im Einklang mit den Erfordernissen von Artikel 123 (2) EPÜ steht, jeweils unterschiedliche Tests zur Anwendung (siehe G 1/16, Nr. 43 der Entscheidungsgründe und Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 10. Auflage 2022, II.E.1.7.2 (c)).
1.6 Die Aufnahme eines offenbarten Disclaimer muss - wie auch Änderungen, die weder als offenbarter noch als nicht offenbarter und somit überhaupt nicht als Disclaimer zu qualifizieren sind - dem Goldstandard-Offenbarungstest nach G 2/10 genügen. Das heißt, der nach der Änderung bzw. nach Aufnahme des Disclaimers im Patentanspruch verbleibende Gegenstand muss explizit oder implizit, aber unmittelbar und eindeutig in der ursprünglichen Fassung der Anmeldung offenbart sein, um den Erfordernissen des Artikels 123 (2) EPÜ zu entsprechen (vgl. G 1/16, Nr. 41 der Entscheidungsgründe). Nicht-offenbarte Disclaimer genügen diesem Maßstab (fast) zwangsläufig nicht (G 1/16, Nr. 42 der Gründe), weswegen nach der Rechtsprechung der Großen Beschwerdekammer diesbezüglich ein anderer Test zur Anwendung gelangt, nämlich jener nach G 1/03.
1.7 Der Beschwerdeführer trug vor, dass der durch die Änderung vom Anspruch ausgeklammerte Gegenstand in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung offenbart sei, weswegen kein nicht offenbarter Disclaimer vorliege. Die Kammer ist aus folgenden Gründen anderer Ansicht.
1.8 In der Beschwerdebegründung nannte der Beschwerdeführer Anspruch 9 und Absatz [0013] der Ursprungsanmeldung als Offenbarungsgrundlage für den im kennzeichnenden Merkmal ausgeschlossenen Gegenstand.
1.9 Anspruch 9 und Absatz [0013] der ursprünglich eingereichten Anmeldung beziehen sich auf ein "weiteres Rohr mit einer Höhe von weniger als 20 cm" innerhalb des Umfangs des Grundrisses des Brennraums. Diese Offenbarung könnte daher allenfalls als Grundlage für den Ausschluss (einer Luftzufuhr mittels) weiterer Rohre innerhalb des Umfangs des Grundrisses des Brennraums im Sinne eines offenbarten Disclaimers dienen. Sie kann aber nicht als Basis für den Ausschluss jeglicher Luftzufuhr innerhalb des Umfangs des Grundrisses des Brennraums herangezogen werden. Denn insbesondere kann eine Luftzufuhr auch anders als über ein Rohr erfolgen, beispielsweise über Aussparungen im Feuerungsrost wie in D1.
1.10 Die Kammer folgt in diesem Zusammenhang auch nicht der Argumentation des Beschwerdeführers, wonach luftzuführende Durchdringungen des Brennraumbodens, beispielsweise durch einen Feuerungsrost, vom Fachmann ebenfalls als ein "Rohr" betrachtet würden oder die genannte Ursprungsoffenbarung auch Rohre verschwindend kurzer Länge umfasse und daher zwischen einer Luftzufuhr über ein solches Rohr und einer Luftzufuhr ohne Rohr kein technischer Unterschied bestehe. Denn für das Verständnis des Fachmanns ist nicht jede theoretische mathematisch oder linguistisch mögliche Auslegung, sondern die technisch sinnvolle Bedeutung eines Merkmals ausschlaggebend. Er betrachtet daher nicht jedes Loch als "Rohr" und geht auch nicht von gedachten infinitesimal kurzen Rohren aus.
1.11 Da der durch den Disclaimer ausgeklammerte Gegenstand nicht in den ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen offenbart ist, handelt es sich um einen nicht offenbarten Disclaimer.
Es ist unstreitig, dass die vorgenommene Änderung die in G 1/03 genannten Voraussetzungen nicht erfüllt. Daher steht die Aufnahme des nicht offenbarten Disclaimers im kennzeichnenden Merkmal von Anspruch 1 nicht im Einklang mit Artikel 123 (2) EPÜ (vgl. G 1/16, Nr. 43 der Gründe).
1.12 Ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass - entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin - auch bei Anwendung des Goldstandard-Offenbarungstests der nach der Änderung im Anspruch verbleibende Gegenstand aus den folgenden Gründen nicht ursprünglich offenbart ist.
1.13 Es gibt in der ursprünglich eingereichten Anmeldung keine Offenbarung für den Ausschluss einer Luftzufuhr innerhalb des Umfangs des Grundrisses des Brennraums gemäß dem kennzeichnenden Merkmal.
1.13.1 Der Beschwerdeführer brachte diesbezüglich vor, dass sich die Ursprungsoffenbarung des kennzeichnenden Merkmals aus der Zusammenschau der ursprünglichen Ansprüche 8 und 9 (bzw. der Absätze [0012] und [0013] der ursprünglichen Beschreibung) ergebe. Dass die Luftzufuhr gemäß Anspruch 8 ausschließlich über die Rohre am Rand des Grundrisses erfolge, gemäß Anspruch 9 alternativ jedoch eine weitere Luftzufuhr über zumindest ein kurzes Rohr innerhalb des Grundrisses des Brennraums möglich sei, könne nur wie folgt verstanden werden: entweder erfolge innerhalb des Grundrisses des Brennraums keine weitere Luftzufuhr, und wenn doch eine Luftzufuhr erfolge, dann über kurze Rohre. Aus diesen beiden Alternativen habe man lediglich die erste ausgewählt.
1.13.2 Dem kann sich die Kammer aus folgenden Gründen nicht anschließen.
Der ursprüngliche eingereichte Anspruch 8 definiert, dass die Luftzufuhr ausschließlich über die über den Grossteil des Grundrisses des Brennraums verteilten Rohre 1 erfolgt. Er schließt somit nicht nur die (weitere) Luftzufuhr innerhalb des Umfangs des Grundrisses des Brennraums aus, sondern auch jegliche anderweitige Luftzufuhr, auch außerhalb des Umfangs des Grundrisses des Brennraums. Dieser Anspruch offenbart daher nicht das kennzeichnende Merkmal von Anspruch 1, welches eine Lufzufuhr außerhalb des Umfangs des Grundrisses des Brennraums gerade nicht ausschließt.
Der Gegenstand von Anspruch 9 betrifft zwar eine Alternative, die mit dem Gegenstand von Anspruch 8 nicht vereinbar ist. Die Gegenstände dieser beiden Ansprüche sind jedoch, entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers, nicht die zwei einzigen möglichen Alternativen (im Sinne eines "entweder, oder") für die Ausgestaltung des Brennraums innerhalb seines Grundrisses. Dass Anspruch 9 eine weitere Luftzufuhr über ein kurzes Rohr innerhalb des Umfangs des Grundrisses des Brennraums zulässt, führt daher nicht dazu, dass sich die Offenbarung in Anspruch 8 nur auf den Bereich innerhalb des Grundrisses des Brennraums bezöge. Ebenso wenig bedeutet die Beschränkung der Luftzufuhr auf die Rohre am Rand des Grundrisses gemäß Anspruch 8, dass auch Anspruch 9 eine über die kurzen Rohre innerhalb des Grundrisses des Brennraums hinausgehende Luftzufuhr ausschlösse.
1.13.3 Somit ergibt sich aus der Zusammenschau der genannten Offenbarungsstellen nicht das kennzeichnende Merkmal von Anspruch 1.
1.14 Zudem steht das kennzeichnende Merkmal von Anspruch 1 im Widerspruch zum Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung, wie er auch im Oberbegriff von Anspruch 1 definiert ist.
1.14.1 Der Brennraum einer anspruchsgemäßen Feuerungseinrichtung ist, wie in Absatz [0015] der Anmeldung angegeben und in Figur 1 gezeigt, mit hitzefesten Dämmplatten (2) ausgekleidet und wird durch die Dämmplatten sowie durch eine Ofentür begrenzt. Der "Grundriss" des Brennraums erstreckt sich daher bis zur Oberfläche der Dämmplatten.
1.14.2 Nach Ansicht des Beschwerdeführers folge aus dem Anspruchswortlaut, wonach die Rohre "über den Umfang [...] verteilt" sind, dass der "Umfang" des Grundrisses des Brennraums den Bereich darstelle, in dem sich die Rohre befinden. Bei dem "Umfang" handele es sich folglich nicht um eine infinitesimal dünne Linie, sondern um den (in Figur 1 der Anmeldung eingezeichneten) flächigen Streifen am Rand des Grundrisses des Brennraums, der sich von den Dämmplattenbis zur nach innen weisenden Oberfläche der Rohre erstreckt.
1.14.3 Diesem Merkmalsverständnis kann sich die Kammer nicht anschließen. Der Begriff "Umfang" bezieht sich sowohl im geometrischen Sinne (Länge der Grenzlinie einer Fläche) als auch im allgemeinen Sinne (einer räumlichen Ausdehnung, eines Ausmaßes oder einer Größe) auf den äußeren Rand des Grundrisses als Grenzlinie des Brennraums. Die Anmeldung enthält keine von diesem allgemeinen Verständnis des Begriffs abweichende Definition und erläutert den Begriff auch nicht anhand der Figuren. Der "Umfang" ist auch nicht mit einem Referenzzeichen versehen. Daher lässt sich nicht einmal der Beschreibung und den Figuren entnehmen, dass mit dem "Umfang" - in Abweichung vom allgemein üblichen Verständnis - der flächige Streifen, der die Rohre (1) enthält, gemeint ist. Die Kammer ist daher der Ansicht, dass der "Umfang des Grundrisses des Brennraums" die äußere Grenzlinie des Grundrisses bezeichnet, der sich bis zur Oberfläche der Dämmplatten erstreckt.
1.14.4 Die gemäß Anspruch 1 mit gegen den Brennraum gerichteten Auslassöffnungen versehenen Rohre 1 befinden sich innerhalb des von den Dämmplatten begrenzten Bereichs, wie dies auch in Figur 1 gezeichnet ist. Damit befinden sich die Rohre - anders als vom Beschwerdeführer vorgetragen - "innerhalb des Umfangs" des Grundrisses des Brennraums. Gemäß der ursprünglich eingereichten Anmeldung findet eine Luftzufuhr folglich entgegen dem als kennzeichnendes Merkmal in den Anspruch 1 aufgenommenen Merkmal "innerhalb des Umfangs des Grundrisses des Brennraums" statt.
Das kennzeichnende Merkmal in Anspruch 1 steht somit im Widerspruch zur Ursprungsoffenbarung.
1.15 Im Ergebnis steht Anspruch 1 des Hauptantrags daher nicht im Einklang mit den Erfordernissen von Artikel 123 (2) EPÜ. Der Hauptantrag ist daher nicht gewährbar.
2. Hilfsantrag - Zurückverweisung (Art. 111 (1) EPÜ)
2.1 Anspruch 1 des Hilfsantrags beruht auf einer Kombination der ursprünglich eingereichten Ansprüche 1 und 8 und beinhaltet keinen Disclaimer, so dass die oben diskutierten Einwände unter Artikel 123 (2) EPÜ gegen den Hauptantrag im Hilfsantrag ausgeräumt sind.
2.2 Die Patentierbarkeit des Hilfsantrags wurde in der angefochtenen Entscheidung nicht erörtert und gehört daher auch nicht zum gemäß Artikel 12 (2) VOBK 2020 von der Kammer zu überprüfenden Gegenstand des Beschwerdeverfahrens.
2.3 Die Kammer nimmt zur Kenntnis, dass die Prüfungsabteilung den Anmelder in einer Mitteilung gemäß Regel 71 (3) EPÜ vom 3. März 2020 über ihre Absicht zur Erteilung eines Patents auf der Grundlage des Hilfsantrags (dort "Hilfsantrag 1") informierte, und den Hilfsantrag daher für gewährbar hielt.
Die Erteilungsabsicht bezieht sich in dieser Mitteilung jedoch auf Unterlagen mit Seiten 1 bis 5 der Beschreibung in der ursprünglich eingereichten Fassung, die keine Würdigung des nächstliegenden Standes der Technik und keine Anpassungen an den geänderten Anspruchssatz des Hilfsantrags enthält. Der Anmelder hatte zwar mit dem Prüfungsantrag eine geänderte Beschreibung eingereicht, diese bezog sich jedoch auf die Änderungen gemäß dem damaligen Hauptantrag. Daher scheint der Kammer der Hilfsantrag aktuell noch nicht in einer gewährbaren Fassung vorzuliegen.
Auch aus diesem Grunde sieht die Kammer von einer Anordnung zur Erteilung des Patents auf der Grundlage des vorliegenden Hilfsantrags ab.
2.4 Daher übt die Kammer ihr Ermessen gemäß Artikel 111 (1) EPÜ und Artikel 11 VOBK 2020 dahingehend aus, die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung auf Grundlage des Hilfsantrags und einer gegebenenfalls noch anzupassenden Beschreibung an die Prüfungsabteilung zurückzuverweisen.
2.5 Mit diesem, von seinem Antrag abweichenden Vorgehen erklärte der Beschwerdeführer sich am Ende der mündlichen Verhandlung einverstanden.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Prüfungsabteilung zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.