T 1669/21 23-07-2024
Download und weitere Informationen:
Verfahren zur Bestimmung des Zustandes einer feuerfesten Auskleidung eines metallurgischen Schmelzgefässes
Verfahren des maschinellen Lernens (künstliches neuronales Netz)
Ausführbarkeit - Hauptantrag (nein) - Hilfsanträge 1 bis 5 (nein)
Rückzahlung der Beschwerdegebühr - (nein)
I. Die Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) legte Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung ein, das Streitpatent zu widerrufen.
Die Einspruchsabteilung hatte entschieden, dass das Patent die Erfindung, wie sie in den zur Entscheidung gestellten Anträgen definiert ist, nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann (Artikel 83 EPÜ).
II. Am Ende der mündlichen Verhandlung vor der Kammer lauteten die Anträge der Beteiligten wie folgt.
Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben, festzustellen, dass das Patent in der Fassung des Hauptantrags den Erfordernissen des Artikels 83 EPÜ entspricht, und die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen. Hilfsweise wurde beantragt, dies für das Patent in der Fassung eines der Hilfsanträge 1 bis 5 zu entscheiden. Weiter hilfsweise wurde beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in der Fassung des Hauptantrags oder eines des Hilfsanträge 1 bis 5 aufrechtzuerhalten. Die Beschwerdeführerin regte zudem wegen einer Verletzung ihres rechtlichen Gehörs eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr gemäß Regel 103 (1) a) EPÜ an.
Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen. Für den Fall, dass die Kammer zu der Auffassung gelange, dass einer der Anträge der Beschwerdeführerin den Erfordernissen von Artikel 83 EPÜ genüge, beantragte sie die Zurückverweisung der Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die Einspruchsabteilung. Weiter hilfsweise beantragte sie die Zurückweisung der Beschwerde mangels Neuheit oder erfinderischer Tätigkeit der Anträge der Beschwerdeführerin.
III. In der vorliegenden Entscheidung wird auf folgende Dokumente Bezug genommen:
E5: "Pattern Recognition and Machine Learning", C. Bishop, Springer, 2006, ISBN-13: 978-0387-31073-2 (Auszug)
E5a: "Pattern Recognition and Machine Learning" (komplett; siehe E5)
E7: "Machine Learning - A Probabilistic Perspective", K. Murphy, MIT Press, Cambridge, Massachusetts (2012), ISBN: 978-0-262-01802-9
E8: H. J. Junger et al., "Relationships Between Basic Oxygen Furnace Maintenance Strategies and Steelmaking Productivity", Iron & Steel Technology, November 2008, 29-35
E9: "Scikit-learn: Machine Learning in Python", F. Pedregosa et al., Journal of Machine Learning Research 12 (2011), 2825-2830
IV. Die in der vorliegenden Entscheidung behandelten Ansprüche haben den folgenden Wortlaut.
1.1 Anspruch 1 des Patents in geänderter Fassung gemäß Hauptantrag lautet (mit hinzugefügter Merkmalsgliederung in eckigen Klammern):
"[1a] Verfahren zur Bestimmung des Zustandes der feuerfesten Auskleidung eines die Metallschmelze enthaltenden Gefässes,
[1b] bei dem Daten dieser feuerfesten Auskleidung (12), wie Materialien, Wanddicke, Einbauart und weitere erfasst bzw. gemessen und ausgewertet werden,
dadurch gekennzeichnet, dass
[1c] die nachfolgenden gemessenen bzw. ermittelten Daten eines jeweiligen Gefässes (10) umfassend gesammelt und in einer Datenstruktur gespeichert werden, nämlich
[1d] - die anfängliche Feuerfestzustellung der inneren Gefässauskleidung (12), in Bezug auf Materialien, Materialeigenschaften, Wandstärken von Steinen und Einspritzmaterialien als Pflegedaten;
[1e] - Produktionsdaten während dem Einsatz, in Bezug auf Schmelzmenge, Temperatur, Zusammensetzung der Schmelze bzw. der Schlacke und deren Dicke, Abstichzeiten, Temperaturverläufe, Behandlungszeiten und metallurgische Parameter;
[1f] - Wandstärken der Auskleidung nach dem Einsatz eines Gefässes (10) zumindest bei Stellen mit dem grössten Abnützungsgrad;
[1g] - weitere Prozessparameter, in Bezug auf Einfüll- bzw. Abstichart der Metallschmelze in bzw. aus dem Gefäss (10);
[1h] dass aus den gemessenen bzw. ermittelten Daten bzw. Parametern der Pflegedaten, der Produktionsdaten, der Wandstärken sowie der Prozessparameter ein Rechenmodell erstellt wird, mittels dem diese Daten bzw. Parameter durch Berechnungen und daraus folgenden Analysen ausgewertet werden,
[1i] - wobei aus den Messungen der Wandstärken der Auskleidung (12) nach einer Anzahl von Abstichen mittels einer Regressionsanalyse das Rechenmodell adaptiert wird,
[1j] - durch welches der Verschleiss unter Berücksichtigung der gesammelten und strukturierten Daten berechnet wird."
1.2 Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags durch das folgende zusätzliche Merkmal:
"wobei der Verschleiss durch die Wandstärken der Auskleidung 12 nach dem Einsatz eines Gefässes 10 bestimmt ist".
1.3 Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags durch den zusätzlich vor Merkmal 1h eingeschobenen Schritt:
"wobei die Daten nach der Erfassung hinsichtlich ihrer Plausibilität geprüft und bei Vorliegen eines Fehlens, Ausreissens eines oder mehrere Werte diese jeweils korrigiert oder gelöscht werden".
1.4 Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 kombiniert die zusätzlichen Merkmale in Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 und 2.
1.5 Anspruch 1 von Hilfsantrag 4 lautet (mit gegenüber Anspruch 1 des Hauptantrags hervorgehobenen Änderungen und hinzugefügter Merkmalsgliederung in eckigen Klammern):
"[1a] Verfahren zur Bestimmung des Zustandes der feuerfesten Auskleidung eines die Metallschmelze enthaltenden Gefässes,
[1b'] bei dem Daten dieser feuerfesten Auskleidung (12)[deleted: , wie Materialien,] zu ihrer Wanddicke[deleted: , Einbauart und weitere] erfasst bzw. gemessen und ausgewertet werden,
dadurch gekennzeichnet, dass
[1c] die nachfolgenden gemessenen bzw. ermittelten Daten eines jeweiligen Gefässes (10) umfassend gesammelt und in einer Datenstruktur gespeichert werden, nämlich
[1d'] - die anfängliche Feuerfestzustellung der inneren Gefässauskleidung (12)[deleted: ,] in Bezug auf Materialien, Materialeigenschaften, Wandstärken von Steinen und Einspritzmaterialien bei Vorhandensein als Pflegedaten;
[1e'] - Produktionsdaten während dem Einsatz[deleted: ,] in Bezug auf Schmelzmenge, Temperatur, Zusammensetzung der Schmelze bzw. der Schlacke und deren Dicke, Abstichzeiten, Temperaturverläufe, Behandlungszeiten und metallurgische Parameter;
[1f] - Wandstärken der Auskleidung nach dem Einsatz eines Gefässes (10) zumindest bei Stellen mit dem grössten Abnützungsgrad;
[1g'] - weitere Prozessparameter[deleted: ,] in Bezug auf Einfüll- bzw. Abstichart der Metallschmelze in bzw. aus dem Gefäss (10);
[1h'] dass aus den gemessenen bzw. ermittelten Daten bzw. Parametern der Pflegedaten, der Produktionsdaten, der Wandstärken sowie der Prozessparameter ein Rechenmodell erstellt wird, mittels dem diese Daten bzw. Parameter durch Berechnungen und daraus folgenden Analysen zur Bestimmung des Zustandes der feuerfesten Auskleidung ausgewertet werden,
[deleted: ]
[deleted: []1i[deleted: ] - wobei aus den Messungen der Wandstärken der Auskleidung (12) nach einer Anzahl von Abstichen mittels einer Regressionsanalyse das Rechenmodell adaptiert wird,]
[deleted: ]
[deleted: []1j[deleted: ] - durch welches der Verschleiss unter Berücksichtigung der gesammelten und strukturierten Daten berechnet wird.]
[1k] wobei die wiederkehrenden Berechnungen bzw. Analysen aus zumindest einer Anzahl als Auswahl der gemessenen bzw. ermittelten Daten bzw. Parametern mittels Algorithmen, beispielsweise einer Random Feature Selection, erfolgen,
[1l] wobei durch das Rechenmodell die maximale Einsatzdauer, die Wandstärken, die Materialien und die Pflegedaten der feuerfesten Auskleidung (12) oder die Prozessabläufe bei der Behandlung der Schmelze optimiert werden und aus diesen Analysen über die weitere Verwendung ohne oder mit Reparaturen der Auskleidung entschieden wird."
1.6 Anspruch 1 des Hilfsantrags 5 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 durch das folgende zusätzliche Merkmal:
"wobei das metallurgische Gefäss (10) in verschiedene Sektionen (1 bis 10) aufgeteilt wird und zu diesen Sektionen unabhängig voneinander Auswertungen aus all den gemessenen und ermittelten Daten bzw. Parametern durch dieses Rechenmodell erfolgen".
V. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin kann wie folgt zusammengefasst werden.
Rückzahlung der Beschwerdegebühr
Die Begründung der angefochtenen Entscheidung beruhe auf Gründen, zu denen die Beschwerdeführerin sich im Einspruchsverfahren nicht habe äußern können. Eine Rückverweisung allein aus diesem Grund werde jedoch nicht beantragt. Es werde lediglich angeregt, nicht beantragt, eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr in Betracht zu ziehen.
Hauptantrag - Ausführbarkeit
Die Erfindung gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags sei auch ohne ein konkretes Ausführungsbeispiel im Patent so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne. Bei dem anspruchsgemäßen Rechenmodell handele es sich um ein Modell des maschinellen Lernens. Angesichts des rasanten Fortschritts der letzten Jahre auf dem Gebiet des maschinellen Lernens sei auch das Erstellen eines geeigneten Rechenmodells des maschinellen Lernens, anders als noch zum Anmeldezeitpunkt der der Entscheidung T 161/18 zugrundeliegenden Anmeldung, mittlerweile Gegenstand des allgemeinen Fachwissens und bedürfe keiner ausdrücklichen Offenbarung. Die Erfindung strebe eine "umfassende Lösung" zur Vorhersage des Verschleißes der feuerfesten Auskleidung eines metallurgischen Gefäßes an. Sämtliche im Anspruch genannten Größen und ihre Relevanz für den Verschleiß seien dem Fachmann auf dem Gebiet der Stahlherstellung bekannt. Der Erfolg der beanspruchten Erfindung ergebe sich zum einen dadurch, dass die für den Verschleiß relevanten Parameter genannt seien, und zum anderen aufgrund der Natur des maschinellen Lernens, bei dem die Vorhersagekraft ohne vorherige Kenntnis der analytischen Zusammenhänge selbstlernend erworben werde. Dabei würden Eingangsgrößen, die beim Training konstant blieben oder von geringerer Relevanz für den Verschleiß seien, automatisch weniger stark gewichtet und beeinträchtigten daher nicht die Vorhersagekraft des trainierten Rechenmodells. Somit könnten die für das Training erforderlichen Daten auch beim üblichen Betrieb in einem Stahlwerk aufgezeichnet werden, selbst wenn sie nicht über den gesamten Parameterraum variierten. Das Rechenmodell erlerne dabei den Einfluss genau derjenigen Variationen, die beim Betrieb in dem Stahlwerk in der Praxis vorkämen. Der Fachmann sei daher ohne unzumutbaren Aufwand in der Lage, die Erfindung auszuführen.
Hilfsanträge 1 bis 5 - Ausführbarkeit
Die Erfindung gemäß Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 bis 5 sei für den Fachmann in derselben Weise wie für den Hauptantrag dargelegt ausführbar.
VI. Die Beschwerdegegnerin trug im Wesentlichen Folgendes vor.
Hauptantrag - Ausführbarkeit
Die Erfindung gemäß Anspruch 1 sei nicht auf maschinelles Lernen beschränkt und mangels Angaben zum Rechenmodell schon daher nicht ausführbar. Selbst wenn man von einem Rechenmodell des maschinellen Lernens ausgehe, sei die Erfindung nicht ausreichend offenbart. Anspruch 1 sei so breit gefasst, dass er eine Vielzahl verschiedenster Kombinationsmöglichkeiten von Parametern und möglicher Rechenmodelle umfasse. Das Patent enthalte jedoch kein einziges konkret nacharbeitbares Ausführungsbeispiel und keine genaueren Angaben zur Parameterwahl, zur konkreten Abbildung der Parameter im Rechenmodell, zur Wahl des zu erstellenden Rechenmodells des maschinellen Lernens und, wie die benötigten Trainingsdaten erhalten werden könnten. Die Offenbarung im Streitpatent sei daher noch unspezifischer als im Fall der in der Entscheidung T 161/18 für nicht ausführbar befundenen Erfindung. Es fehle somit nicht nur jedweder Beleg, dass die so definierte Erfindung überhaupt erfolgreich ausgeführt werden könne, der Fachmann sei auch vor einen unzumutbaren Aufwand gestellt, sämtliche für eine erfolgreiche Ausführung erforderliche Details selbst zu erforschen - insbesondere, um die Erfindung über die gesamte beanspruchte Breite ausführen zu können. Die Erfindung gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags sei daher nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen könne.
Hilfsanträge 1 bis 5 - Ausführbarkeit
Auch die zusätzlichen oder geänderten Merkmale von Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 bis 5 führten nicht dazu, dass die Erfindung für den Fachmann ausführbar sei.
1. Hauptantrag - Ausführbarkeit
1.1 Anspruch 1 betrifft ein Verfahren, welches - zusammengefasst - folgende Schritte umfasst:
- eine Vielzahl von Daten und Parameter in Bezug auf ein eine Metallschmelze enthaltendes Gefäß und seinen Einsatz werden gesammelt und gespeichert (Merkmale 1b bis 1g),
- ein "Rechenmodell" wird aus den Daten "erstellt", mittels dem diese Daten ausgewertet werden, (Merkmal 1h),
- das Rechenmodell wird mittels einer Regressionsanalyse aus den Daten der Antwortvariablen (den Wandstärken) "adaptiert" (Merkmal 1i),
- der "Zustand" der feuerfesten Auskleidung des Gefäßes wird bestimmt (Merkmal 1a) bzw. "der Verschleiß" wird (wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen als Abnahme der Wandstärken der feuerfesten Auskleidung des Gefäßes) durch das Rechenmodell berechnet (Merkmal 1j).
1.2 Rechenmodell
1.2.1 Es war streitig, ob die Begriffe "Rechenmodell" und "adaptiert" in Anspruch 1 sich zwingend auf ein Modell des maschinellen Lernens und dessen Training beziehen, wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen, oder ob diese Begriffe allgemeiner zu verstehen sind und das Rechenmodell beispielsweise auch eine analytische Näherungsformel umfasst, deren Koeffizienten mittels einer Regressionsanalyse angepasst werden.
1.2.2 Die Beschwerdeführerin begründete ihre Ansicht damit, dass ein Fachmann auf dem Gebiet der Datenanalyse anhand des Begriffs "adaptiert" erkenne, dass es sich um ein sich selbst anpassendes "adaptives" Rechenmodell ("adaptive model") handeln müsse, wie auf Seite 2, Absatz 2 der E5 offenbart, und somit um ein Modell des maschinellen Lernens ("machine learning"). Hierfür spreche auch die anspruchsgemäße Aufteilung in Erstellen und anschließendes Adaptieren mittels einer "Regressionsanalyse", einem Begriff, der ebenfalls typischerweise im Kontext des maschinellen Lernens verwendet werde (E5, Seite 3, zweiter Absatz und Kapitel 3 ab Seite 137). Zudem weise auch die Vielzahl an Eingangsvariablen auf maschinelles Lernen hin, da eine analytische Näherungsformel bei einem derart multidimensionalen Problem nicht anwendbar sei. Schließlich offenbare Anspruch 5 gemäß Hauptantrag mit dem Ausdruck "das Modell für dieses neuronale Netz", dass mit dem Rechenmodell in Anspruch 1 ein künstliches neuronalen Netz gemeint sei. Folglich verstehe der Fachmann aus dem Gesamtkontext der Erfindung im Patent, dass Anspruch 1 sich auf ein Verfahren des maschinellen Lernens beziehe.
1.2.3 Die Argumentation der Beschwerdeführerin ist aus den folgenden Gründen nicht überzeugend.
Der Begriff "Rechenmodell" ist auch im Zusammenhang mit einer Anpassung ("adaptiert") nicht auf ein Modell aus dem Bereich des maschinellen Lernens eingeschränkt. So ist die Tatsache, dass das Modell "adaptiert wird" (Merkmal 1i) nicht gleichbedeutend damit, dass das Modell "adaptiv" ist, sich also selbst anpasst bzw. selbstlernend ist.
Eine Regressionsanalyse kann gleichermaßen zur Anpassung der Koeffizienten einer analytischen Näherungsformel wie zur Anpassung der Gewichte in einem künstlichen neuronalen Netz verwendet werden. Folglich stellt auch der Begriff "Regressionsanalyse" keine Einschränkung auf ein maschinelles Lernen dar. Es erschließt sich auch nicht, weshalb eine analytische Näherungsformel nicht für mehrdimensionale Abhängigkeiten geeignet sein soll. Die Vielzahl der Eingangsparameter bedeutet daher ebenfalls nicht, dass das Rechenmodell ein Modell des maschinellen Lernens sein muss.
Anspruch 5 des Hauptantrags (Anspruch 9 des erteilten Patents) nimmt in der Tat auf "das Modell für dieses neuronale Netz" Bezug. Während ersichtlich ist, dass mit "Modell" das Rechenmodell gemeint ist, fehlt für "dieses neuronale Netz" jedoch ein Antezedens. Selbst wenn der von Anspruch 1 abhängige Anspruch 5 das Rechenmodell klar als "Modell für ein neuronales Netz" spezifizieren würde, würde dies nicht bedeuten, dass auch das Rechenmodell des breiteren unabhängigen Anspruchs 1 auf ein solches Rechenmodell eingeschränkt wäre. Umso weniger lässt sich aus dem unklaren Bezug in Anspruch 5 schließen, dass Anspruch 1 sich zwingend auf maschinelles Lernen bezieht.
1.2.4 Somit ist der Gegenstand von Anspruch 1 nicht auf ein Verfahren zum maschinellen Lernen eingeschränkt und umfasst daher auch das Erstellen eines analytischen Rechenmodells und dessen Anpassung an die vorhandenen Daten mittels einer Regressionsanalyse.
Für ein solches Rechenmodell gibt das Patent weder ein Beispiel noch Anhaltspunkte für die zu modellierenden Zusammenhänge, so dass die Offenbarung des Patents einen Fachmann nicht in die Lage versetzt, ein solches Modell aufzustellen und die Erfindung in diesem Bereich des beanspruchten Gegenstands auszuführen. Schon aus diesem Grund erfüllt das Patent gemäß Hauptantrag nicht die Erfordernisse von Artikel 83 EPÜ.
1.3 Rechenmodell des maschinellen Lernens
1.3.1 Der Beschwerdeführerin ist insoweit zuzustimmen, dass der Gegenstand von Anspruch 1 so verstanden werden kann, dass er auch das Erstellen eines Rechenmodells des maschinellen Lernens und dessen Training mittels einer Regressionsanalyse umfasst, wie dies aus dem Verweis auf ein neuronales Netz in Anspruch 5 und auf die in Absatz [0025] genannte "Random Feature Selection" ersichtlich ist. Um der Argumentation willen - und im Hinblick auf die Hilfsanträge 4 und 5, die eine Random Feature Selection spezifizieren - wird die Ausführbarkeit der Erfindung im Folgenden auch hinsichtlich des von Anspruch 1 mitumfassten Modells maschinellen Lernens geprüft.
1.3.2 Das Streitpatent macht auch zu dieser Art von Rechenmodell - abgesehen von der Erwähnung eines neuronalen Netzes in Anspruch 5 - keinerlei Angaben. Es bleibt offen, welche Topologie und Klasse (Anordnung der Knoten und ihrer Verbindungen) das künstliche neuronale Netz aufweisen soll, wie die Knoten mathematisch modelliert sind (die Verknüpfung ihrer Ein- und Ausgabewerte; Propagierungs- und Aktivierungsfunktion) und welches Lernverfahren eingesetzt wird.
Bereits in dieser Hinsicht unterscheidet sich der gegenständliche Fall maßgeblich von demjenigen, der in der von den Parteien diskutierten Entscheidung T 161/18 behandelt wurde, bei der in der zugrundeliegenden Anmeldung zumindest das verwendete neuronale Netz spezifiziert wurde. In dieser Entscheidung verneinte die Kammer die Ausführbarkeit der Erfindung lediglich aufgrund mangelnder Angaben zu geeigneten Eingabedaten zum Trainieren des erfindungsgemäßen neuronalen Netzes (vgl. im vorliegenden Fall Punkt 1.7).
Bei der Ausführung des vorliegenden Streitpatents bleibt es bereits allein dem Fachmann überlassen, ein für die anspruchsgemäße Aufgabe geeignetes Rechenmodell festzulegen.
1.3.3 Die Beschwerdeführerin verwies diesbezüglich auf das umfangreiche Fachwissen zum maschinellen Lernen (Dokumente E5, E5a, E7) sowie die Verfügbarkeit fertiger Programmbibliotheken zur Erstellung von Systemen des maschinellen Lernens (E9). Da auch die Berücksichtigung dieser Dokumente im Folgenden nicht zu einer positiven Beurteilung der Ausführbarkeit führt, kann es dahingestellt bleiben, ob diese Dokumente - wie von der Beschwerdegegnerin beantragt - wegen verspätetem Vorbringen nicht zugelassen werden sollten.
1.3.4 Die vorgelegten Dokumente belegen gerade, dass eine Vielzahl an Möglichkeiten für die Ausgestaltung eines Rechenmodells besteht (E9 spricht hier von einer "wide variety of machine learning algorithms", siehe Punkt 6). Aus der Vielzahl dieser Möglichkeiten muss eine an die konkrete Aufgabe der Vorhersage des Verschleißes angepasste, geeignete Wahl getroffen werden.
Das allgemeine Fachwissen mag dem Fachmann zwar eine Anleitung geben, welche Architekturen und Typen von Rechenmodellen (E7 unterscheidet beispielsweise in Punkt 1.1.1 überwachtes Lernen, unüberwachtes Lernen und bestärkendes Lernen) für welche Problemstellungen ganz allgemein - und losgelöst von der konkreten Aufgabe der vorliegenden Erfindung - besser oder schlechter geeignet sind. Das vorgetragene Fachwissen umfasst jedoch keine Informationen zu den spezifischen Anforderungen der anspruchsgemäßen Verschleißmodellierung an das Rechenmodell, und das Patent enthält diesbezüglich auch keine Angaben.
Es bleibt daher dem Fachmann überlassen, herauszufinden, worauf es für das erfindungsgemäße Rechenmodell ankommt, ohne dass ihm hierfür aus dem Patent oder dem allgemeinen Fachwissen eine Hilfestellung zur Verfügung steht. Daher liegt bereits in der Wahl eines konkreten geeigneten Rechenmodells des maschinellen Lernens für den Fachmann eine erhebliche Hürde für die Ausführbarkeit der Erfindung.
1.4 Definition der Eingangs- und Ausgangsgrößen
Das Rechenmodell wird gemäß Merkmal 1h aus "den", also aus sämtlichen der in den Merkmalen 1d bis 1g angegebenen gemessenen bzw. ermittelten Daten bzw. Parametern "erstellt" und nach Merkmal 1i aus den Messungen der Wandstärken der Auskleidung nach einer Anzahl von Abstichen mittels einer Regressionsanalyse "adaptiert". Anschließend wird durch das Rechenmodell "der Verschleiss" unter Berücksichtigung der gesammelten und strukturierten Daten berechnet (Merkmal 1j).
Wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen, ist anhand des Patents ersichtlich (vgl. Absatz [0003]), dass der Verschleiß sich auf den gemäß Merkmal 1a zu bestimmenden "Zustand" der feuerfesten Auskleidung des Gefäßes bezieht und dass damit der Abnutzungsgrad bzw. der Rückgang der Wandstärke der Auskleidung gemeint ist.
Das Patent enthält zwar keine Definition wie "der Verschleiss" (Singular) im Hinblick auf die an verschiedenen Stellen unterschiedliche Abnutzung (vgl. Plural "Wandstärken" und "Stellen" in Merkmal 1f und Absätze [0022] und [0023] des Patents) definiert ist, und "der Verschleiss" gehört auch nicht zu den in den Merkmalen 1b bis 1i genannten Daten, aus denen das Modell erstellt und adaptiert wird.
Die Kammer geht im Folgenden jedoch davon aus, dass es für den Fachmann keine Schwierigkeit darstellt, aus der Differenz der mittels des Rechenmodells bestimmten Wandstärken zu den Wandstärken der anfänglichen Feuerfestzustellung einen für den Verschleiß repräsentativen Parameter als "den Verschleiss" zu definieren. Demnach stellen die Wandstärken der Auskleidung gemäß den Merkmalen 1f und 1i die Ausgangsdaten des Rechenmodells dar, und der Schritt 1h umfasst neben der Bestimmung der Wandstärken mittels des Rechenmodells auch die nachfolgende Berechnung des Verschleißes. Die übrigen in den Merkmalen 1b, 1d, 1e und 1g definierten Daten stellen folglich die Eingangsgrößen des Rechenmodells dar.
1.5 "Erstellen" und "Adaptieren" des Rechenmodells
Wie im vorangegangenen Punkt angegeben, wird das Rechenmodell gemäß den Merkmalen 1f, 1h und 1i mit Hilfe derselben Daten der Wandstärken (nach einer Anzahl von Abstichen) "erstellt" und "adaptiert". Es ist im Patent nicht offenbart, was unter dem Erstellen und unter dem Adaptieren des Rechenmodells genau zu verstehen ist.
Nach Ansicht der Kammer ist es für den vorliegenden Fall jedoch nicht entscheidend, ob mit dem "Erstellen" des Rechenmodells "aus den Daten" nur der Aufbau einer an die Datensammlung angepassten Architektur des Rechenmodells mit entsprechenden Ein- und Ausgängen gemeint ist oder das Training mitumfasst und ob mit dem "Adaptieren" des Rechenmodells "aus den Messungen der Wandstärken der Auskleidung nach einer Anzahl von Abstichen mittels einer Regressionsanalyse" das anschließende Trainieren und Validieren des Modells gemeint ist oder lediglich ein Teilaspekt des "Erstellens" genauer definiert wird.
Aus diesem Grunde kann auch dahingestellt bleiben, ob Teile der diesbezüglichen Argumente der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung, wie von der Beschwerdegegnerin gerügt, eine Änderung ihres anfänglichen Beschwerdevorbringens darstellen.
1.6 Allgemein formulierte Daten und Parameter
Selbst wenn man unterstellt, dass Anspruch 1 auf ein Rechenmodell des maschinellen Lernens beschränkt wäre (siehe Punkte 1.2.4 und 1.3.1), die Zuordnung der in den Merkmalen 1b bis 1i genannten Daten zu Eingangs- und Ausgangsgrößen sowie die Berechnung des Verschleißes für den Fachmann nachvollziehbar ist (siehe Punkt 1.4) und es für ihn ohne unzumutbaren Aufwand anhand des verfügbaren Fachwissens möglich wäre, ein auch für die konkrete Problemstellung geeignetes Rechenmodell auszuwählen (siehe Punkt 1.3), ist die beanspruchte Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ohne unzumutbaren Aufwand über die beanspruchte Breite ausführen kann.
1.6.1 Es war zwischen den Beteiligten unstreitig, dass viele der in den Merkmalen 1c bis 1g genannten Daten bzw. Parameter breit gefasst sind und nicht konkrete Messgrößen darstellen, sondern Überbegriffe für eine Kategorie von Parametern bezeichnen, unter die jeweils eine Vielzahl möglicher konkreter Eigenschaften und Parameter fallen. Beispielsweise umfassen die im Anspruch verwendeten Begriffe wie "Materialeigenschaften", "metallurgische Parameter", "weitere Parameter, in Bezug auf Einfüll- bzw. Abstichart" eine Vielzahl an möglichen konkreten Messgrößen.
Einige der genannten Daten sind zudem zeitlich variabel. Beispielsweise verändern sich Produktionsdaten wie die Temperatur (bzw. "Temperaturverläufe") oder die "Zusammensetzung der Schmelze bzw. der Schlacke und deren Dicke" während des Prozesses. Das Patent gibt auch nicht an, auf welche Weise solche Parameter erfasst werden sollen, beispielsweise, ob der Verlauf zeitaufgelöst aufgezeichnet wird oder ob Anfangs-, End- oder Mittelwerte herangezogen werden. Dadurch erweitert sich der unter die genannten Kategorien fallende Parameterraum noch weiter.
Anspruch 1 deckt somit eine große Vielzahl an konkreten Kombinationsmöglichkeiten von Eingangsgrößen ab.
1.6.2 Das Patent enthält keinerlei Angaben und kein einziges Beispiel, welche konkreten Messwerte innerhalb der Kategorien gewählt werden könnten oder für den Verschleiß besonders aussagekräftig sind. Für jede dieser teilweise gemischtwertigen, zeitabhängigen oder möglicherweise vektoriellen, mehrparametrischen oder mehrdimensionalen Größen muss der Fachmann zudem eine für das Rechenmodell verarbeitbare Darstellung festlegen, ohne dass die Beschreibung dazu irgendeine, zumindest exemplarische Lehre umfasst. Der Fachmann ist daher dabei auf sich allein gestellt, aus der Vielzahl an möglichen Eingangsgrößen diejenigen Kombinationen auszuwählen, die den beanspruchten Erfolg (zuverlässige Berechnung des Verschleißes oder gar eine Optimierung wie in Absatz [0021] und in den Hilfsanträgen 4 und 5 angegeben) versprechen, diese zu implementieren und zu überprüfen.
Schon jeder einzelne derartige Versuch für sich genommen stellt einen erheblichen Aufwand dar, von der Messung über das Erstellen und Adaptieren des Rechenmodells bis zu dessen Validierung. Dies über die beanspruchte Breite auszuloten, entspricht hinsichtlich des Aufwandes einem umfangreichen Forschungsprogramm und stellt eine für den Fachmann unzumutbare Belastung dar.
1.6.3 Mangels eines konkret nacharbeitbaren Ausführungsbeispiels als Ausgangspunkt im Patent oder einer sonstigen spezifischen Anleitung, welche Parameter relevant sind, fehlt zudem ein Beleg für die grundsätzliche erfolgreiche Ausführbarkeit der Erfindung mit einem anspruchsgemäß trainierten Rechenmodell, "durch welches der Verschleiss unter Berücksichtigung der gesammelten und strukturierten Daten berechnet wird" (Merkmal 1j).
1.6.4 Die Beschwerdeführerin trug hierzu vor, das Patent strebe bewusst eine umfassende Lösung für die Verschleißvorhersage an. Die in den Merkmalen 1c bis 1g genannten Parameterkategorien beträfen dem Fachmann wohlbekannte Eigenschaften, die für den Fachmann ersichtlich einen Einfluss auf den Verschleiß hätten. E8 beispielsweise belege das Fachwissen über "Pflegedaten", und die relevanten Materialeigenschaften finde man in den Datenblättern der Feuerfestmaterialien. Es stelle für den Fachmann somit keine Schwierigkeit dar, einen konkreten Satz technisch sinnvoller Eingangsgrößen auszuwählen, mit dem die Erfindung plausibel ausführbar sei.
Die genaue Kenntnis der Zusammenhänge und des jeweiligen Einflusses der einzelnen Parameter auf den Verschleiß sei hingegen für die Ausführbarkeit nicht erforderlich, weil es gerade das Wesen des maschinellen Lernens sei, dass die Fähigkeit zur Vorhersage der Ausgangsgröße ohne Kenntnis der kausalen Zusammenhänge durch Training selbstlernend erworben werde. Dabei werde der Einfluss irrelevanter Eingangsgrößen von selbst herausgefiltert. Wenn also unter den gewählten Eingangsgrößen Parameter sein sollten, die für den Verschleiß weniger relevant sind, beeinträchtige dies die Vorhersagekraft des Rechenmodells nicht. Ein "Forschungsprogramm" wäre nur nötig, wenn man die kausalen Zusammenhänge und die Bedeutung jeder Eingangsgröße aufklären wollte. Dieser Aufwand sei bei einem Rechenmodell des maschinellen Lernens gerade nicht erforderlich.
Gemäß G 1/03, Punkt 2.5.2 der Entscheidungsgründe, und T 1983/19, Nr. 2.1.3, sei es auch nicht erforderlich, dass jegliche vom Wortlaut des Anspruchs umfasste Variante der Erfindung über die gesamte beanspruchte Breite ausführbar sei. Da der Fachmann nur technisch sinnvolle Parameter innerhalb der Kategorien heranziehe und unplausible Parameterkombinationen ausschließe, sei es für die Ausführbarkeit unschädlich, wenn gemäß dem Anspruchswortlaut auch nicht funktionsfähige Varianten denkbar wären.
Durch die Verwendung relevanter Eingangsgrößen, die den Verschleiß maßgeblich beeinflussten, und aufgrund der inhärenten selbstlernenden Eigenschaften des Rechenmodells, sei die grundsätzliche Ausführbarkeit der Erfindung ausreichend plausibel gemacht und folglich hinsichtlich des Beweismaßstabs der Abwägung der Wahrscheinlichkeiten ausreichend belegt.
Diese Argumentation überzeugt die Kammer nicht.
1.6.5 Die Kammer bezweifelt nicht, dass der Fachmann aufgrund seines Fachwissens mit jeder der anspruchsgemäßen Parameterkategorien etwas anzufangen weiß und einen konkreten Satz an Eingangsgrößen auswählen kann. Er wird dabei möglichst für den Verschleiß relevante Eigenschaften berücksichtigen und offensichtlich irrelevante Parameterkombinationen ausschließen.
Es fehlt jedoch mangels eines konkreten Ausführungsbeispiels im Patent schon ein grundsätzlicher Beleg dafür, dass mit einem derart ausgewählten Parametersatz eine erfolgreiche Vorhersage des Verschleißes möglich ist. Dies ist nicht selbstverständlich. Es hängt zum einen von der Menge und Qualität des verwendeten Trainingsdatensatzes ab (siehe Punkt 1.7). Zum anderen würde das Training, selbst wenn man der Beschwerdeführerin dahingehend folgt, dass der Einschluss weniger relevanter Parameter beim Training herausgefiltert wird und die Vorhersagekraft des Rechenmodells nicht beeinträchtigt, nicht zu zuverlässigen Ergebnissen führen, falls in einem anspruchsgemäßen Satz von Eingangsgrößen eine wichtige Einflussgröße fehlen würde. In diesem Fall könnte das Rechenmodell unter Umständen keine zuverlässige Korrelation zwischen dem Verschleiß und den beanspruchten Eingangsgrößen erlernen.
Da das Patent für kein einziges konkretes Ausführungsbeispiel den Erfolg grundsätzlich belegt, kann aus der Offenbarung nicht abgeleitet werden, ob die wichtigsten Einflussgrößen abgedeckt sind. Daher genügt es zur Plausibilisierung der Ausführbarkeit auch nicht, dass sich unter den beanspruchten Parameterkategorien viele - oder sogar ausschließlich - relevante Größen befinden mögen.
1.6.6 Die Kammer ist zudem der Ansicht, dass die Erfindung für den Fachmann ohne unzumutbaren Aufwand grundsätzlich über die gesamte beanspruchte Breite ausführbar sein muss (vgl. T 923/92).
Auch die der von der Beschwerdeführerin zitierte Entscheidung G 1/03 betont in Nr. 2.5.2 der Entscheidungsgründe, dass es bei einer Vielzahl vom Anspruch umfasster Alternativen, wie dies vorliegend der Fall ist, darauf ankommt, dass "die Patentschrift ausreichende Angaben zu den relevanten Kriterien enthält, anhand deren mit vertretbarem Aufwand geeignete Alternativen aus dem beanspruchten Bereich ausgewählt werden können". Erst dann ist ein eventueller Einschluss nicht funktionsfähiger Ausführungsformen im Einzelfall unschädlich. Genau dies ist im vorliegenden Fall aber nicht erfüllt. Die Patentschrift enthält kein einziges konkret nacharbeitbares Ausführungsbeispiel und keine Anhaltspunkte oder Kriterien zur Auswahl geeigneter konkreter Parameter innerhalb der beanspruchten Kategorien.
Anders als in der ebenfalls zitierten Entscheidung T 1983/19, Nr. 2.1.3, geht es im vorliegenden Fall auch nicht lediglich um einzelne vom Anspruch umfasste "erdachte" Ausführungsformen, die für jeden Fachmann offensichtlich nicht ausführbar sind. Anspruch 1 verlangt vielmehr ausdrücklich eine ganze Reihe bewusst allgemein formulierter Parameterkategorien, um, wie die Beschwerdeführerin vortrug, eine "umfassende Lösung" zu formulieren. Dies erfordert eine der beanspruchten Breite grundsätzlich entsprechende ausreichend vollständige Offenbarung.
Daher genügt es nicht, wenn der Fachmann aufgrund seines Fachwissens in der Lage ist, einen geeigneten Satz Eingangsgrößen festzulegen, mit dem sich die Erfindung ausführen lässt (vgl. erster Absatz von Punkt 1.6.5). Er muss vielmehr in der Lage sein, die Erfindung auch hinsichtlich der im Anspruch allgemein formulierten Daten und Parameter über die beanspruchte Breite auszuführen, und zwar "mit vertretbarem Aufwand". Hieran fehlt es mangels einer Anleitung in der Patentschrift (vgl. Punkt 1.6.2). Die Erforschung der für die vorliegende Erfindung gangbaren bzw. erfolgreichen Parameterkombinationen über die beanspruchte Breite erfordert einen unzumutbaren Aufwand. Dabei spielt es keine Rolle, ob eine analytische Aufklärung der kausalen Zusammenhänge und des Einflusses jeder einzelnen Eingangsgröße demgegenüber noch aufwändiger wäre.
Somit ist die Erfindung - selbst wenn sie mit einer konkreten Parameterwahl grundsätzlich ausführbar wäre -jedenfalls nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ohne unzumutbaren Aufwand über die beanspruchte Breite ausführen kann.
1.7 Menge und Qualität der Trainingsdaten
1.7.1 Dem Fachmann ist bewusst, dass die Daten für ein erfolgreiches Training repräsentative Variationen der Eingangsgrößen enthalten müssen. Das heißt, sie müssen zumindest den für die beabsichtigte Anwendung relevanten Parameterraum abdecken, damit das trainierte Rechenmodell in der Lage ist, den Verschleiß (oder sogar eine Optimierung, vgl. Absatz [0021]) bei den in der Praxis auftretenden Variationen vorhersagen zu können.
Anspruch 1 verlangt, dass die gemessenen bzw. ermittelten Daten "eines jeweiligen Gefäßes" erfasst werden. In den Absätzen [0012] und [0014] wird spezifiziert, dass die Daten für jedes in einem Stahlwerk eingesetzte Gefäß zu erfassen sind. Gemäß den Absätzen [0005], [0008], [0021] und [0028] sollen damit auch Simulationen zur Optimierung der Gefäßauskleidung oder der Prozessparameter möglich sein.
Darüber hinaus offenbart das Patent (abgesehen von der pauschalen Angabe in Absatz [0024], dass die Daten "hinsichtlich ihrer Plausibilität geprüft" und "bei Vorliegen eines Fehlens oder Ausreissens" korrigiert oder gelöscht werden müssten) keine Angaben oder Hinweise, für welche konkreten Anwendungssituationen das Rechenmodell trainiert werden soll oder mit denen der Rahmen der nötigen Variationen der Eingangsgrößen in den Trainingsdaten abgesteckt wird, geschweige denn, woher die dafür benötigten Trainingsdaten bezogen werden sollen.
1.7.2 Die Beschwerdeführerin trug vor, es genüge, die im üblichen Betrieb eines Stahlwerks anfallenden Daten aufzuzeichnen und das Rechenmodell mit den in diesem Rahmen auftretenden Variationen zu trainieren, um innerhalb desselben Rahmens eine zuverlässige Vorhersage des Verschleißes zu erreichen. Wenn dabei bestimmte Eingangsgrößen in Wesentlichen konstant blieben und daher keinen Einfluss auf den Verschleiß hätten, würden während des Trainings die Gewichte dieser Eingangsgrößen herabgesetzt. Das so trainierte Rechenmodell könne zwar keine zuverlässige Aussage bei darüberhinausgehenden Variationen treffen, erlerne aber zuverlässig den Zusammenhang der variierenden Eingangsgrößen mit dem Verschleiß. Es sei folglich ohne unzumutbaren Aufwand möglich, das Rechenmodell mit den im üblichen Betrieb anfallenden Daten zu trainieren.
Auch diese Argumentation überzeugt die Kammer nicht.
1.7.3 Zum einen ist die Erfindung auf die vorgeschlagene Weise jedenfalls nicht über ihre beanspruchte Breite ausführbar. Wenn das Rechenmodell nur mit einem reduzierten Datensatz trainiert wird, während alle übrigen Eingangsgrößen weitgehend konstant gehalten werden, reduziert dies zwar den Aufwand für die Erfassung der Trainingsdaten, das damit trainierte Rechenmodell besitzt dann aber auch keine Vorhersagekraft für die konstant gehaltenen Parameter. Dies entspricht einem gegenüber dem nach Aussage der Beschwerdeführerin bewusst "umfassend" formulierten Anspruchsgegenstand erheblich reduzierten Bereich. Nur in diesem Bereich wäre die Erfindung dann auf die vorgeschlagene Weise ausführbar.
1.7.4 Zum anderen ist die von der Beschwerdeführerin vorgetragene Art der Ausführung der Erfindung und der Trainingsdatenerfassung nicht im Streitpatent offenbart. Dem Absatz [0012] mag eine Anregung zu entnehmen sein, die Daten der "in einem Stahlwerk" eingesetzten Gefäße heranzuziehen, aber nicht, dass dabei die Eingangsgrößen nicht gezielt variiert werden müssen und die im Rahmen des üblichen Betriebs auftretenden Variationen genügen.
1.7.5 Schließlich ist auch nicht belegt, dass die Erfindung auf die von der Beschwerdeführerin vorgeschlagene Art überhaupt ausführbar ist.
Wie von der Beschwerdegegnerin vorgetragen, ist man beim üblichen Betrieb in einem Stahlwerk bestrebt, die Prozessparameter möglichst unverändert zu belassen, um reproduzierbare Ergebnisse zu erzielen. Es ist auch nicht üblich, die anfängliche Feuerfestzustellung der inneren Gefäßauskleidung bzw. die Vorgehensweise bei der Pflege zu variieren. Daher enthalten die im üblichen Betrieb anfallenden Daten keine oder nur geringfügige zufällige Variationen in den im Anspruch genannten Parametern. Die Beschwerdeführerin hat in diesem Zusammenhang nicht plausibel dargelegt, dass das Rechenmodell mit einem solchen eingeschränkten Trainingsdatensatz erfolgreich trainiert werden kann, insbesondere dass bzw. wie das Erlernen von Artefakten durch zufällige Korrelationen der nur geringfügig fluktuierenden Eingangsgrößen mit dem Verschleiß verhindert werden kann.
1.7.6 Somit ist die Offenbarung des Patents auch bezüglich des für den Erfolg der Erfindung entscheidenden Aspekts der Trainingsdaten so allgemein und unvollständig, dass sie einen Fachmann nicht in die Lage versetzt, die Erfindung ohne unzumutbaren Aufwand über die beanspruchte Breite auszuführen.
1.8 Zusammenfassend offenbart das Patent die Erfindung gemäß Anspruch 1 des Hauptantrags nicht so deutlich und vollständig, dass ein Fachmann sie ausführen kann, insbesondere, weil es kein konkret nacharbeitbares Ausführungsbeispiel offenbart, in dem eine spezifische Auswahl an Eingangsgrößen und eine konkrete Ausgangsgröße, ein bestimmtes Rechenmodell, und eine Angabe des verwendeten Trainingsverfahren offenbart sind, und mit dem zumindest plausibel gemacht wird, dass bzw. inwieweit sich damit die beanspruchten Ziele (Simulation des Verschleißes) grundsätzlich erreichen lassen. Die offenbarte Lehre erschöpft sich vielmehr in der allgemeinen Idee, die Eingangs- und Ausgangsgrößen durch eine auf maschinellem Lernen basierende "black box" eines "Rechenmodells" ohne Kenntnis der genauen Zusammenhänge miteinander verknüpfen zu können, und der Annahme, dabei stelle sich der Erfolg von selbst ein. Der fehlende Detailgrad dieser Offenbarung im Patent steht in keinem Verhältnis zur Breite der beanspruchten Erfindung und dem entsprechenden Aufwand für einen Fachmann, die Lücken zu füllen, um die Erfindung (über ihre Breite hinweg) ausführen zu können.
1.9 Der Hauptantrag ist folglich wegen Verstoßes gegen die Erfordernisse von Artikel 83 EPÜ nicht gewährbar.
2. Hilfsanträge 1 bis 5 - Ausführbarkeit
2.1 Durch die Hinzunahme der zusätzlichen Merkmale in Anspruch 1 der Hilfsanträge 1 bis 3 ändert sich nach Ansicht der Kammer an der für den Hauptantrag dargelegten mangelnden Offenbarung nichts. Insbesondere definiert die Angabe, dass der Verschleiss "durch die Wandstärken der Auskleidung nach dem Einsatz eines Gefässes bestimmt ist" (zusätzliches Merkmal der Hilfsanträge 1 und 3) die Erfindung nicht genauer, als dies aus Sicht des Fachmanns bereits beim Hauptantrag der Fall ist (vgl. Punkt 1.4 oben). Auch das zusätzliche Merkmal in Hilfsantrag 2 "wobei die Daten nach der Erfassung hinsichtlich ihrer Plausibilität geprüft und bei Vorliegen eines Fehlens, Ausreissens eines oder mehrere Werte diese jeweils korrigiert oder gelöscht werden", welches bereits in Punkt 1.7.1 angesprochen ist, behebt nicht die oben dargelegten Einwände wegen mangelnder Ausführbarkeit des Hauptantrags.
2.2 Bei den Hilfsanträgen 4 und 5 treffen zumindest die unter den Punkten 1.3, 1.6 und 1.7 dargelegten Gründe ebenfalls zu. Die Mängel sind wegen des Fehlens von Merkmal 1j und durch die Hinzunahme der Optimierung in Merkmal 1l teilweise sogar verschärft, zum Beispiel weil die Ausgangsgröße des Rechenmodells (anhand der die nun geforderte Optimierung stattfinden soll), anders als im Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1 bis 3, nicht mehr definiert ist (vgl. Punkt 1.4) und hinsichtlich der ausreichenden Abdeckung des Parameterraums in den Trainingsdaten (vgl. Punkt 1.7).
2.3 Die Beteiligten bestritten nicht, dass die oben dargelegten Einwände gegen den Hauptantrag auch die Hilfsanträge betreffen.
2.4 Folglich ist auch keiner der Hilfsanträge 1 bis 5 gewährbar.
3. Schlussfolgerung
Nach alledem erfüllt das Patent nicht die Erfordernisse des EPÜ. Die Beschwerde ist daher zurückzuweisen.
4. Rückzahlung der Beschwerdegebühr
In ihrer Beschwerdebegründung hatte die Beschwerdeführerin eine Verletzung ihres rechtlichen Gehörs durch die Begründung in der angefochtenen Entscheidung gerügt und eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr gemäß Regel 103 (1) a) EPÜ angeregt. In der mündlichen Verhandlung stellte sie klar, dass dies kein Antrag sei, und sie wegen dieser Rüge keine Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung noch vor einer Beurteilung der Ausführbarkeit durch die Kammer anstrebe. Nachdem die Beschwerde der Beschwerdeführerin in der Sache keinen Erfolg hat, kommt auch die - lediglich angeregte - Rückzahlung der Beschwerdegebühr gemäß Regel 103 (1) a) EPÜ nicht in Betracht.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.