T 2256/22 (Kochfeld mit Überbrückungserfassungseinheit / BSH Hausgeräte) 27-05-2025
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KOCHFELD MIT ZUMINDEST ZWEI HEIZZONEN
Neuheit - Hauptantrag (nein)
Patentansprüche - Klarheit
Patentansprüche - Hilfsantrag 2 (nein)
Teilanmeldung - unzulässige Erweiterung
Teilanmeldung - Hilfsantrag 3 (ja)
Einspruchsgründe - Hilfsantrag 5
Einspruchsgründe - neuer Einspruchsgrund (ja)
Einspruchsgründe - nicht zugelassen
I. Gegen das Patent wurde Einspruch eingelegt auf der Basis von Artikel 100(a) EPÜ in Verbindung mit Artikeln 52(1), 54(1)(2) und 56 EPÜ.
II. In einer Zwischenentscheidung hat die Einspruchsabteilung entschieden, dass das Patent nicht neu gegenüber dem Dokument D5 sei (damaliger Hauptantrag der Patentinhaberin). Sie ließ damalige Hilfsanträge 1 und 2 in das Verfahren zu, diese seien aber nicht klar (Artikel 84 EPÜ). Ein während der mündlichen Verhandlung um 16:50 Uhr eingereichter Hilfsantrag 3 wurde nicht in das Verfahren zugelassen. Ein während der mündlichen Verhandlung um 17:45 Uhr eingereichter Hilfsantrag 3 wurde zugelassen und die Einspruchsabteilung entschied, dass das Patent in beschränkter Form auf der Basis dieses Hilfsantrags 3 aufrechterhalten werden könne.
III. Gegen diese Entscheidung der Einspruchsabteilung haben die Patentinhaberin und die Einsprechende Beschwerde eingelegt.
IV. Die Patentinhaberin beantragte die Aufhebung der Entscheidung und die Zurückweisung des Einspruchs. Hilfsweise beantragte sie zunächst die Aufhebung der Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Basis eines der mit ihrer Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträge 1 bis 3, oder eines der mit ihrer Beschwerdeerwiderung eingereichten Hilfsanträge 1a, 2a sowie 4 bis 8. Weiter hilfsweise beantragte sie die Aufrechterhaltung des Patents auf der Basis eines der Hilfsanträge 9 bis 12, die mit Schriftsatz vom 22. April 2024, datiert mit 2. April 2024, eingereicht wurden.
V. Die Einsprechende beantragte die Aufhebung der Entscheidung und den Widerruf des Patents.
VI. Beide Parteien beantragten hilfsweise eine mündliche Verhandlung.
VII. In einer Mitteilung teilte die Kammer ihre vorläufige Meinung unter anderem dahin mit, dass der Hauptantrag und die Hilfsanträge 1, 1a, 2, 2a, 3 und 4 nicht gewährbar seien, das Patent aber auf der Basis des Hilfsantrags 5 aufrechterhalten werden könne.
VIII. In der mündlichen Verhandlung zog die Patentinhaberin die Hilfsanträge 1, 1a, 2a und 4 zurück. Gegenstand dieser Entscheidung sind daher nur noch der Hauptantrag und Hilfsanträge 2, 3 und 5. Da Hilfsantrag 5 als gewährbar angesehen wurde, wurden die Hilfsanträge 6 bis 12 nicht diskutiert.
IX. Der unabhängige Anspruch 1 des Hauptantrags (des Patents) lautet mit der in der angefochtenen Entscheidung verwendeten Merkmalsgliederung (Entscheidung, II.14.1):
M1.1 Kochfeldvorrichtung, insbesondere für ein
Kochfeld
M1.2 mit einer Abdeckplatte (16), die zumindest
zwei Heizzonen (10a-10d) umfasst,
M1.3 mit einer Kochgeschirrsensoreinheit (28) und
M1.4 mit einer Steuer- und/oder Regeleinheit (26),
M1.5 wobei die Kochgeschirrsensoreinheit (28)
zumindest eine Überbrückungserfassungseinheit
(30) aufweist, die dazu vorgesehen ist, zumindest
eine Überbrückung der zumindest zwei Heizzonen
(10a-10d) mittels zumindest eines
Kochgeschirrelements (18a) zu erfassen,
M1.6 und wobei die Überbrückungserfassungseinheit (30)
zumindest einen Kochgeschirrsensor (22a, 22b)
aufweist, der dazu vorgesehen ist, ein
Kochgeschirrelement (18a) in einem inaktiven
Bereich der Abdeckplatte (16) zwischen den beiden
Heizzonen (10a-10d) zu erfassen,
M1.7 wobei die Steuer und/oder Regeleinheit (26) dazu
ausgelegt ist, zumindest von der
Kochgeschirrsensoreinheit (26) abhängig die
beiden Heizzonen (10a-10d) in einer aufeinander
abgestimmten Weise zu betreiben.
X. Im Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 wurden die Merkmale M1.2, M1.5 und M1.6 gegenüber Anspruch 1 des Hauptantrags geändert, die nun lauten (Hervorhebungen durch die Kammer):
M1.2 mit einer Abdeckplatte (16), die zumindest
zwei Heizzonen (10a-10d) umfasst, welche jeweils
wenigstens einen vorgegebenen äußeren Rand
(14a-14d) haben, der zumindest im Wesentlichen
einem äußeren Rand eines unter der Abdeckplatte
(16) angeordneten Heizelements (12a-12d)
entspricht,
M1.5 wobei die Kochgeschirrsensoreinheit (28) einen
Kochgeschirrsensor (20a-20d) pro Heizzone
(10a-10d) und zumindest eine
Überbrückungserfassungseinheit (30) aufweist, die
dazu vorgesehen ist, zumindest eine Überbrückung
der zumindest zwei Heizzonen (10a-10d) mittels
zumindest eines Kochgeschirrelements (18a) zu
erfassen,
M1.6 wobei die Überbrückungserfassungseinheit (30)
zumindest einen Kochgeschirrsensor (22a, 22b)
aufweist, der dazu vorgesehen ist, ein
Kochgeschirrelement (18a) in einem inaktiven
Bereich der Abdeckplatte (16) zwischen den beiden
Heizzonen (10a-10d) zu erfassen, wobei der
Kochgeschirrsensor (22a, 22b) außerhalb der
Ränder (14a-14d) unterhalb der
Abdeckplatte (16) in einem inaktiven Bereich des
Kochfelds angeordnet ist und
XI. Im Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 wurde gegenüber Anspruch 1 des Hauptantrags das Merkmal 1.2 ergänzt und am Ende des Anspruchs ein weiteres Merkmal hinzugefügt (Hervorhebungen durch die Kammer):
M1.2 mit einer Abdeckplatte (16), die zumindest
zwei Heizzonen (10a-10d) umfasst, welche
Heizelemente (12a-12d) aufweisen, die Induktoren
sind,
[... zu betreiben],
wobei innerhalb der Heizzonen (10a-10d) weitere
Kochgeschirrsensoren (20a-20d) angeordnet sind,
die Induktoren sind, wobei der zumindest eine
Kochgeschirrsensor (20a, 22b) außerhalb der Ränder
der Heizzonen ein induktiver Sensor ist.
XII. Im Anspruch 1 des Hilfsantrags 5 wurde gegenüber Anspruch 1 des Hauptantrags das Merkmal des Anspruchs 2 am Ende hinzugefügt (Hervorhebung durch die Kammer):
[... zu betreiben],
wobei die Überbrückungserfassungseinheit (30) dazu
vorgesehen ist, ein Übersprechen einer Energie von
einer der Heizzonen (10a-10d) auf eine der anderen
Heizzonen (10a-10d) zu erfassen.
Hauptantrag - Neuheit
1. In der angegriffenen Entscheidung sah die Einspruchsabteilung den Gegenstand des Anspruchs 1 des Patents als nicht neu gegenüber Dokument D5 (DE-A1-100 33 361) an (Entscheidung, II. Entscheidungsgründe, Abschnitt 14.3).
2. Nach dem Verständnis der Einspruchsabteilung offenbare D5 (siehe Entscheidung, Abschnitt 14.3):
ein Kochfeld mit matrixartig angeordneten Heizzonen und dazugehörigen Sensoren (D5, Absatz 4 und Abbildung 1-3), die eine Erweiterung von Heizzonen ermöglichen, wie in D5, Abbildungen 6 und 7 dargestellt. In D5 (Absatz 23) befindet sich der Kapazitätssensor C1 außerhalb der Heizzone WS2 (D5, Abbildung 6) und der Kapazitätssensor C2 außerhalb der Heizzone WS1 (D5, Abbildung 7), wobei Abbildungen 6 und 7 nur als Beispiele für die Ausbildung der Heizzone samt der zugehörigen Sensoren innerhalb des matrixartigen Kochfelds zu verstehen sind. Die Sensoren C1 und C2 erkennen die Position und Größe des auf der Kochfläche aufgestellten Kochgeschirrs und bestimmen daraus, welche Heizzonen in dem Matrixkochfeld betrieben werden.
3. Die Patentinhaberin argumentiert, dass die Merkmale M1.5, M1.6 und M1.7 nicht in D5 gezeigt seien (siehe Beschwerdebegründung, Abschnitt II.1, insbesondere die Seiten 5 und 6).
4. Sie verwies dabei insbesondere auf Folgendes:
a) In der D5 würde der Begriff Heizzone als eine Gruppe von Heizpunkten des Matrix-Kochfeldes verstanden (D5, Absatz [0006]) und nicht als der von einem einzelnen Heizpunkt ausgehende Heizbereich. Auch würde das Patent im Absatz [0012] eindeutig definieren, dass es sich auf Heizzonen in Form von klassischen Muldenspiegeln beziehe und es würde dort auch explizit definiert, dass es sich nicht um Matrix-Kochfelder handle.
b) Anders als in D5 würde der inaktive Bereich zwischen Heizzonen (oder in D5: Heizpunkten) im Patent und im Anspruch 1 permanent inaktiv sein und nicht nur zeitweise, wie in D5, wo der Bereich zwischen Heizpunkten je nach Größe des Kochgeschirrs auch aktiv sein könnte. Wäre der inaktive Bereich im Anspruch 1 nur zeitweise inaktiv, wäre er als solcher im Anspruch 1 definiert gewesen.
c) Würde die Heizzone so interpretiert, wie in D5 vorgegeben, nämlich als Gruppe von Heizelementen, so offenbare D5 keine Überbrückung zwischen Heizzonen, da immer nur einzelne Heizzonen geregelt würden.
5. Das ist nicht überzeugend. Vielmehr ist der Interpretation der Einsprechenden und der Einspruchsabteilung zuzustimmen, dass die Begriffe Heizzone und inaktiver Bereich in Anspruch 1 so breit auszulegen sind, dass diese auch die Offenbarung der D5 umfassen, indem "Heizzone" als der Bereich interpretiert wird, der von einem Heizelement geheizt wird. Einem Begriff in einem Anspruch sollte die breiteste technisch sinnvolle Bedeutung beigemessen werden (T 79/96, Granulation by spray drying/APV ANHYDRO, Gründe 2.1.3, zitiert in Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 10. Auflage, Kapitel I.C.5.2.1).
6. Insbesondere sind in Anspruch 1 des Hauptantrags die Heizzonen weder als örtlich fest vorgegeben definiert (wie in einem Muldenspiegel), noch ist eindeutig definiert, ob der inaktive Bereich stets vorhanden ist oder nur temporär, da er grundsätzlich, wie in einem Matrix-Kochfeld, auch beheizt werden kann.
7. Auch Absatz [0012] der Beschreibung des Patents definiert die Begriffe nicht eindeutig anders. Die von der Patentinhaberin genannten Bezüge auf einen "klassischen Muldenspiegel" bzw. auf "Matrix-Kochfelder", deren freie Ränder nicht als vorgegebene Ränder betrachtet werden sollen, sind dort immer nur mit dem Begriff "insbesondere" bzw. "vorteilhaft" verknüpft, was eben gerade andere Ausführungen im generischen Begriff "Heizzone" nicht ausschließt, sondern umfasst:
Insbesondere betrifft die Erfindung Kochfelder mit einem klassischen Muldenspiegel mit zwei, vier oder sechs Heizzonen. (Patentschrift, Seite 3, Zeilen 7 bis 8)
Die Heizzonen haben vorteilhaft jeweils wenigstens einen vorgegebenen äußeren Rand, der zumindest im Wesentlichen dem äußeren Rand dem äußeren Rand eines unter der Abdeckplatte angeordneten Heizelements entspricht. (Seite 3, Zeilen 4 bis 5)
Die Ränder von frei definierbaren Heizzonen eines Matrix-Kochfeldes soll in diesem Zusammenhang nicht als "vorgegebene" Ränder betrachtet werden. (Seite 3, Zeilen 11 bis 13).
8. Anspruch 1 des Hauptantrags ist somit nicht neu gegenüber D5.
9. Wie oben ausgeführt, ist der in Anspruch 1 verwendete Begriff "Heizzone" breit. Er definiert augenscheinlich sowohl Bereiche, die für ein Heizen vorgesehen sind, ohne aktuell geheizt zu werden, umfasst aber auch den Bereich, der sich direkt über einem aktiven Heizelement befindet, also aktuell geheizt wird, und auch einen Bereich, der von mehreren Heizelementen aktuell geheizt wird. Mit dieser breiten Auslegung ist der Einsprechenden zuzustimmen, dass auch das Dokument D11 (WO-A1-2008/101766) den Gegenstand des Anspruchs 1 offenbart, beispielsweise in den Figuren 2, 3 und 4. Dort werden Bereiche gezeigt, die beheizt werden und größer sind als die einzelnen Heizelemente. Wird nun eine Heizzone als jener Bereich gesehen, der aktuell von einem Heizelement beheizt wird, dann gibt es inaktive Bereiche zwischen diesen Heizelementen (beispielsweise jener um den Mittelpunkt der Heizzone 12e in Fig.2, der nicht schraffierte Bereich der großen Heizzone 12g in Fig.3, oder der Bereich zwischen den Heizelementen 14a und 14b in der Heizzone 12g in Fig.4). In diesen inaktiven Bereichen befindliches Kochgeschirr wird detektiert und dann werden die Heizzonen der einzelnen Heizelemente in aufeinander abgestimmter Weise betrieben, um die jeweils größeren Heizzonen zu beheizen.
10. Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist somit auch nicht neu gegenüber D11.
Hilfsantrag 2 - Klarheit (Artikel 84 EPÜ)
11. Hilfsantrag 2 ist identisch zu Hilfsantrag 2, der von der Einspruchsabteilung in das Verfahren zugelassen wurde (II. Gründe für die Entscheidung, Abschnitt 15) und Gegenstand der angegriffenen Entscheidung ist.
12. Das EPÜ bietet keine Rechtsgrundlage dafür, im Beschwerdeverfahren Anträge auszuschließen, die im erstinstanzlichen Verfahren ermessensfehlerfrei zugelassen worden sind, insbesondere wenn die angefochtene Entscheidung auf sie gestützt ist (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 10. Auflage, Kapitel V.3.4.4). Ein Ermessensfehler seitens der Einspruchsabteilung ist auch nicht zu erkennen. Hilfsantrag 2 ist somit auch Gegenstand des Beschwerdeverfahrens.
13. Allerdings ist der Einspruchsabteilung und der Einsprechenden zuzustimmen, dass die hinzugefügte Formulierung zur Definition der Heizzonen "welche jeweils wenigstens einen vorgegebenen äußeren Rand (14a-14d) haben, der zumindest im Wesentlichen einem äußeren Rand eines unter der Abdeckplatte (16) angeordneten Heizelements (12a-12d) entspricht", nicht klar ist (Artikel 84 EPÜ).
14. Die Formulierung "zumindest im Wesentlichen ... entspricht" erzeugt einen Toleranzbereich, der nicht klar definiert ist. Zwar ist der Patentinhaberin zuzustimmen, dass die Fachperson versteht, dass "zumindest im Wesentlichen" bedeutet "im Wesentlichen" oder "exakt". Auch wird die Fachperson wissen, dass ein Heizelement nicht eine Heizzone mit einem exakt definierten Rand erzeugt, sondern der Rand einer Heizzone unscharf definiert ist.
15. Das Merkmal M1.6 des Hilfsantrags 2 verlangt allerdings, dass ein Kochgeschirrelement in einem inaktiven Bereich zwischen den beiden Heizzonen detektiert wird und dass der Kochgeschirrsensor in einem inaktiven Bereich des Kochfeldes außerhalb der Ränder angeordnet ist. Dafür muss der inaktive Bereich eindeutig definiert sein. Durch den oben diskutierten Toleranzbereich der Ränder der Heizzone wird dieser inaktive Bereich aber auch unscharf und es ist damit unklar, ob ein solcher inaktiver Bereich überhaupt existiert, oder auch wann ein Kochgeschirrelement oder ein Kochgeschirrsensor sich in einem solchen - nicht klar definierten - inaktiven Bereich befindet.
16. Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 ist daher nicht klar (Artikel 84 EPÜ).
Hilfsantrag 3 - Berücksichtigung (Artikel 12(6) VOBK)
17. Hilfsantrag 3 wurde mit der Beschwerdebegründung eingereicht. Er ist ähnlich dem Hilfsantrag 3, wie um 16:50 Uhr während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereicht. Dieser Hilfsantrag wurde von der Einspruchsabteilung nicht in das Verfahren zugelassen, weil er verspätet eingereicht worden sei (Regel 116(1) EPÜ) und nicht prima facie alle bisher im Verfahren erhobenen Einwände behebe. Ferner war die Einspruchsabteilung der Auffassung, dass die Änderung des Begriffs "Heizzone" vom Singular in den Plural keine Korrektur eines offensichtlichen Fehlers darstellte und zudem nicht im Einklang mit Artikel 123(2) und 76(1) EPÜ stünde (II. Gründe, Abschnitt 18.1, erster Absatz).
18. Demgegenüber ist der jetzige Hilfsantrag 3 an einer weiteren Stelle geändert worden. Das Merkmal "der zumindest einen Kochgeschirrsensor (22a, 22b) außerhalb der Ränder der Heizzonen ein induktiver Sensor ist", wie es im erteilten abhängigen Anspruch 10 formuliert war, wurde geändert in "der zumindest eine Kochgeschirrsensor (22a, 22b) außerhalb der Ränder der Heizzonen ein induktiver Sensor ist". Diese Änderung ist eine zulässige Korrektur eines offensichtlichen Fehlers (Regel 139 EPÜ).
19. Durch die vorgenommene Korrektur eines offensichtlichen Fehlers ändert sich aber nicht der technische Gegenstand des Hilfsantrags. Da er von der Einspruchsabteilung nicht in das Verfahren zugelassen wurde, richtet sich dessen Berücksichtigung im Beschwerdeverfahren nach Artikel 12(6) VOBK.
20. Artikel 12(6) Satz 1 VOBK lautet:
Anträge, Tatsachen, Einwände oder Beweismittel, die in dem Verfahren, das zu der angefochtenen Entscheidung geführt hat, nicht zugelassen wurden, lässt die Kammer nicht zu, es sei denn, die Entscheidung über die Nichtzulassung war ermessensfehlerhaft oder die Umstände der Beschwerdesache rechtfertigen eine Zulassung.
21. Die Patentinhaberin trug dazu vor, dass die Einspruchsabteilung ihr Ermessen fehlerhaft ausgeführt habe (Beschwerdebegründung, Abschnitt III.3, die Seiten 22 und 23 überbrückender Absatz).
22. Der Patentinhaberin ist dabei zuzustimmen, dass die Entscheidung (siehe Entscheidung, II. Gründe, Abschnitt 18.1) nicht erkennen lässt, warum dieser Hilfsantrag aus Sicht der Einspruchsabteilung nicht prima facie alle bisher im Verfahren erhobenen Einwände behebt. Wie von der Patentinhaberin ebenfalls zutreffend ausgeführt, wäre durch die vorgenommene Änderung der damalige einzige Einwand gegen den damals zuvor diskutierten Hilfsantrag 3 in einer um 11:45 Uhr eingereichten Fassung - dass nämlich ein Widerspruch zur Beschreibung bestünde - ausgeräumt worden.
23. Es ist anerkannte Praxis, dass bei der Ausübung des Ermessens, ob ein verspätet eingereichter Antrag zugelassen wird oder nicht, außer der Eignung der Änderung für die Behebung von Mängeln auch eine Rolle spielt, ob durch die Änderungen möglicherweise neue Mängel eingeführt werden. Die detaillierte Auseinandersetzung der Einspruchsabteilung mit der Frage einer möglicherweise erlaubten Korrektur nach Regel 139 EPÜ bzw. der Zulässigkeit dieser Änderungen nach Artikel 76(1) bzw. 123(2) EPÜ zeigt, dass die Einspruchsabteilung solche Mängel sah.
24. Da in der Entscheidung der Aspekt der Prima-Facie-Eignung auf Behebung bisheriger Mängel nicht nachvollziehbar gewürdigt wurde, kann die Richtigkeit der Ermessensentscheidung diesbezüglich nicht überprüft werden. Eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob die vorgenommenen Änderungen im Einklang mit den Artikeln 123(2) und 76(1) EPÜ erfolgten, ist daher schon im Hinblick darauf geboten.
25. Sowohl die Einspruchsabteilung in der Entscheidung (II. Gründe, Abschnitt 18.1, ab letztem vollständigen Absatz auf Seite 12) als auch bereits im schriftlichen Beschwerdeverfahren die Patentinhaberin (Beschwerdebegründung, Abschnitt III.3) und die Einsprechende (Beschwerdeerwiderung, Abschnitt B.3) haben sich inhaltlich mit diesem Aspekt auseinandergesetzt. Da es sich hierbei auch um eine zentrale Frage der Gewährbarkeit des Hilfsantrags 3 handelt, rechtfertigen die Umstände im Beschwerdeverfahren schon im Hinblick darauf die Berücksichtigung des Hilfsantrags 3 nach Artikel 12(6) VOBK.
Hilfsantrag 3 - unzulässige Erweiterung (Artikel 76(1), 123(2) EPÜ)
26. Zur Beurteilung, ob das im Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 hinzugefügte Merkmal "wobei innerhalb der Heizzonen (10a-10d) weitere Kochgeschirrsensoren (20a-20d) angeordnet sind" eine unzulässige Erweiterung ist, muss auch beachtet werden, dass das Streitpatent als Teilanmeldung zu einer früheren Anmeldung (10730177.2, veröffentlicht als WO-2011/012418A1, Stammanmeldung) eingereicht worden ist. In der Stammanmeldung sind Ausführungsbeispiele zu finden, bei denen zwischen Heizzonen und darin enthaltenen Kochgeschirrsensoren eine Eins-zu-eins-Relation besteht (siehe die Figuren 1 und 5 und die dazugehörige Figurenbeschreibung). Es gibt allerdings auch Offenbarungsstellen (WO-2001/012418A1, Anspruch 11; Seite 5, Zeilen 22 bis 25), die innerhalb einer ("der") Heizzone mehrere Kochgeschirrsensoren verwenden. Ein eindeutiger Zusammenhang zwischen diesen beiden Ausführungen ist nicht direkt ersichtlich.
27. Es wäre denkbar, dass es sich beim Singular "Heizzone" in den zitierten Passagen der Stammanmeldung um einen Fehler handelt, und es eigentlich "Heizzonen" heißen sollte. Entsprechend argumentierte auch die Patentinhaberin.
28. Allerdings sind in der Stammanmeldung auch weitere Hinweise zu finden (WO-2011/012418 A1, Seite 1, Zeilen 14 bis 19), dass eine einzelne Heizzone mehrere Kochgeschirrsensoren aufweisen kann. Dadurch ist nicht klar ersichtlich, ob eine Heizzone in der Stammanmeldung oder im Streitpatent immer einen Kochgeschirrsensor enthält oder mehrere. So ist die Verwendung des Singulars "Heizzone" in den oben zitierten Passagen der Stammanmeldung kein offensichtlicher Fehler, der nach Regel 139 EPÜ in "Heizzonen" korrigiert werden könnte.
29. Die Formulierung "wobei innerhalb der Heizzonen (10a-10d) weitere Kochgeschirrsensoren (20a-20d) angeordnet sind, die Induktoren sind" ist eine Änderung, die - wegen des verwendeten Plurals "Heizzonen" - nicht im Anspruchssatz des Patents vorhanden war. Solche Änderungen müssen sämtliche Anforderungen des EPÜ erfüllen, also auch Artikel 84 EPÜ.
30. Zwar nahm die Einsprechende in der Folge ihren entsprechenden Einwand zurück, doch hat die Einspruchsabteilung nach Artikel 101(3) EPÜ (und auch die Beschwerdekammer nach Regel 100(1) EPÜ ) die Verpflichtung, bei geänderten Ansprüchen zu überprüfen, ob die Erfordernisse des EPÜ erfüllt sind.
31. Dazu G 10/91, Prüfungsbefugnis, OJ EPO 1993, 420 (Punkt 19):
Um Missverständnissen vorzubeugen, sei schließlich noch betont, dass Änderungen der Ansprüche oder anderer Teile eines Patents, die im Einspruchs- oder Beschwerdeverfahren vorgenommen werden, in vollem Umfang auf die Erfüllung der Erfordernisse des EPÜ (z. B. des Artikels 123 (2) und (3) EPÜ) zu prüfen sind.
32. Der Einspruchsabteilung ist darin zuzustimmen, dass die Änderung über den ursprünglichen Offenbarungsgehalt hinausgeht (Artikel 123(2) und 76(1) EPÜ). Durch die Verwendung der Plurale "Heizzonen" und "Kochgeschirrsensoren" ist die Relation zwischen den Heizzonen und den Kochgeschirrsensoren sehr breit. Es werden beispielsweise auch Ausführungen umfasst, bei denen in den mindestens zwei Heizzonen eine unterschiedliche Anzahl an Kochgeschirrsensoren angeordnet oder bei denen in den mindestens zwei Heizzonen jeweils mehrere Kochgeschirrsensoren angeordnet sind. Dafür gibt es keine ursprüngliche Offenbarung.
33. Auch Hilfsantrag 3 ist damit nicht gewährbar.
Hilfsantrag 5
34. Der Hilfsantrag 5 ist ähnlich zum Hilfsantrag 3, der von der Einspruchsabteilung in das Einspruchsverfahren zugelassen wurden (Entscheidung, II. Gründe, Abschnitt 15). Dabei ist zu beachten, dass dieser von der Einspruchsabteilung zugelassene Hilfsantrag 3 sich von den während der mündlichen Verhandlung zusätzlich eingereichten Hilfsanträgen 3 in unterschiedlicher Fassung (siehe oben: Fassung von 16:50, nun Hilfsantrag 3; Fassung von 17:25, damals die Fassung aufgrund derer das Patent als beschränkt aufrechtzuerhalten angesehen wurde) unterscheidet. Mit den gegenüber dem damals zugelassenen Hilfsantrag 3 vorgenommenen Änderungen wurde das Merkmal hinsichtlich der innerhalb der Heizzone angeordneten Kochgeschirrsensoren wieder identisch zu jenem des ursprünglich erteilten abhängigen Anspruchs 9 formuliert.
35. Hilfsantrag 5 wurde mit der Beschwerdeerwiderung eingereicht und ist somit gemäß Artikel 12(1)c) VOBK Gegenstand des Beschwerdeverfahrens, wenn er nicht nach Artikel 12(6) VOBK bereits im Verfahren vor der Einspruchsabteilung vorzubringen gewesen wäre. Es ist nicht zu erkennen, dass diese Änderungen früher hätten vorgebracht werden sollen, da die Diskussion hinsichtlich der Wortwahl dieses Merkmals von der Einsprechenden erstmals in der Beschwerdebegründung geführt wurde (Seite 14, erster vollständiger Absatz).
36. Hilfsantrag 5 kombiniert im unabhängigen Anspruch 1 die Merkmale der Ansprüche 1 und 2 des Patents.
37. Im ursprünglichen Einspruch wurde diese Kombination seitens der Einsprechenden nicht angegriffen.
38. Erst mit der Antwort auf die vorläufige Meinung der Einspruchsabteilung trug die Einsprechende vor, dass der Gegenstand des Unteranspruchs 2 nicht ausführbar wäre (Schriftsatz vom 25. März 2022, Seite 3, vorletzter Absatz), und verwies in späteren Schriftsätzen auf diese Stellungnahme.
39. Der Patentinhaberin ist darin zuzustimmen, dass dieser Angriff nach Artikel 100 b) EPÜ ein neuer Einspruchsgrund war.
40. Die Frage, ob dieser neue Einspruchsgrund im Verfahren zu berücksichtigen ist, stellte sich damit bereits für die Einspruchsabteilung. Der Einwand betraf nämlich den Unteranspruch 2 des Patents, wie er auch im Anspruchssatz des von der Einspruchsabteilung als gewährbar angesehenen Hilfsantrags 3 in der Fassung von 17:45 Uhr enthalten ist. Die Einspruchsabteilung bezog dazu nicht Stellung.
41. Die Berücksichtigung dieses neuen Einspruchsgrundes hat daher anhand der - weniger strengen - Kriterien im Einspruchsverfahren anstatt jener vor der Beschwerdekammer zu erfolgen (siehe G 10/91). Daher kommt es auf die Zustimmung der Patentinhaberin nicht an; vielmehr kann die Einspruchsabteilung auch (schon dann) Einspruchsgründe prüfen, die nicht innerhalb der Einspruchsfrist ordnungsgemäß vorgebracht und begründet worden sind, wenn diese prima facie der Aufrechterhaltung des europäischen Patents ganz oder teilweise entgegenstehen (G 10/91, Beantwortung der Rechtsfrage, Punkt 2).
42. Zusammen mit dem Einwand trug die Einsprechende im Schriftsatz vom 25. März 2022 dazu vor (Seite 3, Abschnitt B.3. Zu den Unteransprüchen, 2. Absatz):
Zum Gegenstand des Anspruchs 2 wird rein vorsorglich vorgebracht, dass nicht ersichtlich ist, wie eine Ausgestaltung entsprechend diesem Anspruch 2 realisiert werden könnte. Die einzigen Ausführungen hierzu finden sich in Absatz [0015] des Streitpatents. Dort sind zwar verschiedene Energiearten genannt, die sozusagen transportiert werden sollen. Wie dies dann aber realisiert wird, und vor allem wie eine transportierte Energie an der empfangenden Heizzone empfangen und ausgewertet werden sollte, geht daraus überhaupt nicht hervor. Problematisch daran ist auch, dass Energie übertragen wird und nicht Leistung, dass also der zeitliche Aspekt eine wichtige Rolle spielt. Auch hierfür findet sich aber keine nähere hilfreiche Beschreibung.
43. Weitere Ausführungen finden sich weder in diesem Schriftsatz noch in den Schriftsätzen des Beschwerdeverfahrens, die nur auf diesen zitierten Abschnitt verweisen (Beschwerdebegründung der Einsprechenden, Seite 16, Abschnitt C.4; Schriftsatz vom 19. Dezember 2023, Seite 6, Abschnitt B.4.4.; Schriftsatz vom 25. September 2024, Seite 10, 4. Absatz).
44. Dieses Vorbringen zur Begründung für den neuen Einwand kann schon in abstracto nicht ausreichen, um prima facie der Aufrechterhaltung des europäischen Patents entgegenzustehen. Es beschränkt sich nämlich darauf zu sagen, dass keine Realisierung ersichtlich sei, gibt aber keinen Hinweis darauf, warum es für die Fachperson nicht ausreichend offenbart wäre, oder welche konkreten Schwierigkeiten bei einer Umsetzung dieses Merkmals auftreten könnten.
45. Zusätzlich ist festzuhalten, dass genau dieses Merkmal das kennzeichnende Merkmal im unabhängigen Anspruch 1 des Patents EP 2 460 388 ist. Dieses Patent ist die erteilte Fassung der Stammanmeldung, aufgrund derer das Streitpatent als Teilanmeldung nach Artikel 76 EPÜ eingereicht wurde. Gegen das Patent auf Basis der Stammanmeldung wurde kein Einspruch eingelegt.
46. Die Argumentation der Einsprechenden richtet sich gegen ein Merkmal, welches im Prüfungsverfahren über die Stammanmeldung augenscheinlich als unproblematisch angesehen wurde. Da die Prüfungsabteilung die Anforderungen des EPÜ zu überprüfen hat, wozu auch die Frage der Ausführbarkeit nach Artikel 83 EPÜ gehört, ist davon auszugehen, dass die Prüfungsabteilung insbesondere kein Problem mangelnder Ausführbarkeit gesehen hatte. Die pauschale Behauptung der Einsprechenden- wie oben zitiert -, es wäre nicht ausführbar, reicht daher nicht aus, um die Ausführbarkeit prima facie in Zweifel zu ziehen.
47. Der neue Einwand kann daher nicht im Verfahren berücksichtigt werden.
48. Diese Diskussion des Hilfsantrags 5 fand sich bereits in der vorläufigen Meinung der Kammer nach Artikel 15(1) VOBK. Weder schriftlich, noch während der mündlichen Verhandlung brachte die Einsprechende neue Argumente oder weitere Einwände gegen Hilfsantrag 5 vor.
49. Auch sonstige Umstände stehen der Patentfähigkeit von Hilfsantrag 5 nicht im Wege. Er ist somit gewährbar.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird mit der Anordnung an die
Einspruchsabteilung zurückverwiesen, das Patent auf der Grundlage des Hilfsantrages 5, eingereicht mit der Beschwerdeerwiderung, und einer gegebenenfalls anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.