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T 0080/84 (Vertretung) 21-06-1985
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Mündliche Verhandlung
Befassung der Grossen Beschwerdekammer
Grundsätze des Verfahrensrechts
I. Zu Beginn der mündlichen Verhandlung am 13. Juni 1985 über die vorliegende Beschwerde teilte der ordnungsgemäß bevollmächtigte Vertreter der Beschwerdeführerin, ein deutscher Rechtsanwalt, der Kammer mit, daß er zwar die Anträge der Beschwerdeführerin formgerecht stellen, die mündliche Ausführung des Falles jedoch einer nicht zugelassenen, nicht bevollmächtigten Person, nämlich dem ihn begleitenden angehenden deutschen Patentanwalt, überlassen wolle. Er erklärte, er werde während der gesamten Ausführung anwesend sein und die volle Verantwortung für alle Äußerungen der nicht zugelassenen Person übernehmen. Er brachte vor diese Verfahrensweise sei bei Verhandlungen vor deutschen Gerichten üblich und eine gute Übung für angehende Patentanwälte; außerdem enthalte das Europäische Patentübereinkommen keine Bestimmung, die dies verbiete. (Die Kammer wies ihn daraufhin auf die ausdrücklichen Bestimmungen der Artikel 133 und 134 EPÜ hin.) Auf die Aufforderung der Kammer, seinen Antrag auf das Übereinkommen zu stützen, führte der Rechtsanwalt Artikel 125 EPÜ mit dem Hinweis an, daß die in den Vertragsstaaten allgemein anerkannten Grundsätze des Verfahrensrechts berücksichtigt werden sollten, bezog sich jedoch in diesem Zusammenhang auf keinen besonderen Grundsatz. Die Kammer wies darauf hin, daß die angeblich in der Bundesrepublik Deutschland übliche Verfahrensweise im Vereinigten Königreich nicht zulässig sei. Sie erwäge, gegebenenfalls die Große Beschwerdekammer von Amts wegen mit dieser Frage zu befassen.
II. Die Kammer vertagte die mündliche Verhandlung bis auf weiteres, um die Sache zu prüfen und eine Entscheidung zu treffen, und führte dazu aus, daß dies der erste Antrag sei, mit dem einer nicht bevollmächtigten Person gestattet werden solle, einer Beschwerdekammer einen Fall teilweise vorzutragen.
1. Nach Auffassung der Kammer kann die Vertretung im mündlichen Verfahren nur von Personen wahrgenommen werden, die entsprechend den Artikeln 133 und 134 EPÜ dazu berechtigt und gehörig bevollmächtigt sind. Die drei folgenden grundsätzlichen Bestimmungen dieser Artikel dürften die Rechtslage erschöpfend klären: Erstens sieht Artikel 134 (1) EPÜ vor, daß die Vertretung natürlicher oder juristischer Personen in den durch das Übereinkommen geschaffenen Verfahren nur durch zugelassene Vertreter wahrgenommen werden kann, die in einer beim Europäischen Patentamt geführten Liste eingetragen sind. Zweitens sieht Artikel 134 (7) EPÜ auch die Vertretung durch zugelassene Rechtsanwälte vor, die bestimmte Erfordernisse erfüllen. Und drittens ist in Artikel 133 (3) EPÜ festgelegt, daß die Vertretung in bestimmten Fällen von einem Angestellten eines Verfahrensbeteiligten wahrgenommen werden kann, der die Erfordernisse des Artikels 134(1) EPÜ nicht erfüllt.
2. Nach Ansicht der Kammer geht aus der sehr ausführlichen Regelung der Vertretung im Übereinkommen ganz eindeutig hervor, daß die Vertretung keineswegs als rein formale Angelegenheit zu betrachten ist, die eigentlich auch von nicht berechtigten und nicht gehörig bevollmächtigten Personen wahrgenommen werden kann, die lediglich die förmliche Zustimmung des zugelassenen Vertreters besitzen. Nebenbei bemerkt, bestünde - falls die vom Vertreter der Beschwerdeführerin vorgeschlagene Verfahrensweise allgemein zugelassen würde - in der mündlichen Verhandlung mehr noch als im schriftlichen Verfahren die Gefahr, daß ein zugelassener Vertreter unrichtige, unvollständige oder irreführende Erklärungen arglos billigt, die im Zusammenhang mit Sachverhalten, die er selbst nicht voll durchschaut, in seinem Namen abgegeben werden.
3. Wie schon in der mündlichen Verhandlung, kann sich die Kammer auch heute nach reiflicher Überlegung nicht der Auffassung anschließen, daß die vom Vertreter der Beschwerdeführerin vorgeschlagene Verfahrensweise mit den strengen Bestimmungen der Artikel 133 und 134 EPÜ in Einklang steht.
4. Zu der Frage, ob Artikel 125 EPÜ zur Anwendung kommt, konnte die Kammer keinen in den Vertragsstaaten allgemein anerkannten Grundsatz des Verfahrensrechts entdecken, der die Behauptungen des Vertreters der Beschwerdeführerin gestützt hätte. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs, von dem entweder persönlich oder vermittels eines Vertreters Gebrauch gemacht werden kann, würde wohl in keinem der Vertragsstaaten als verletzt angesehen, wenn die Vertretungsbefugnis generell oder in besonderen Fällen auf Personen beschränkt würde, die die vorgeschriebenen Qualifikationen besitzen. Ebensowenig würde das Recht auf freie Vertreterwahl als durch eine solche Beschränkung verletzt gelten.
5. Da die der Kammer vorgelegte Frage im Übereinkommen eindeutig geregelt ist, sieht sie keine Veranlassung, die Große Beschwerdekammer zu befassen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird wie folgt entschieden:
Der Antrag des Vertreters der Beschwerdeführerin, die Ausführung des Falles seines Mandanten einer nicht zugelassenen und nicht bevollmächtigten Person übertragen zu dürfen, wird zurückgewiesen.