T 0087/84 06-02-1986
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Ansaugsystem für den Verdichter einer Gasturbine
Erfinderische Tätigkeit
Deutlichkeit der Patentansprüche
inventive step
clarity of the claims
I. Auf die am 28. Juli 1978 angemeldete europäische Patentanmeldung Nr. 78 100 542.6, für die die Priorität einer früheren Anmeldung vom 10. August 1977 in Anspruch genommen wird, ist am 7. Januar 1981 das vier Patentansprüche umfassende europäische Patent 0 000 754 erteilt worden.
Der Patentanspruch 1 lautet wie folgt:
"1. Ansaugluftleitungssystem für den hinter einer Nutzleistungsmaschine auf gleicher Welle angeordneten Verdichter einer Gasturbine mit einer neben der Nutzleistungsmaschine parallel zur Welle verlaufenden Luftführung, die über einen mit einem inneren und äußeren Kegelmantel versehenen, zur Welle hinführenden Übergangsteil mit einer im Querschnitt hohlzylindrischen, axialen Einlaßöffnung des Verdichters verbunden ist, dadurch gekennzeichnet, daß für die Luftführung zwei voneinander getrennte, seitlich parallel zur Wellenachse (1b) verlaufende Ansaugkanäle (1) vorhanden sind, daß sich zwischen dem inneren Kegelmantel (7) und dem äußeren Kegelmantel (8) des Übergangsteils (3) in Strömungsrichtung aufeinander zulaufende, eindimensional gekrümmte Leitbleche (5) mit senkrechter Blechebene befinden, die sich vor der Einlaßöffnung des Verdichters (6) berühren und dort enden, und daß der Querschnitt jedes Ansaugkanals (1) mindestens an der dem Übergangsteil (3) zugewandten Seite an den durch den inneren und äußeren Kegelmantel (7, 8) und das senkrechte Leitblech (5) begrenzten Eingangsquerschnitt (9) des Übergangsteils (3) angepaßt ist."
II. Nachdem die BBC Aktiengesellschaft Brown, Boveri & Cie, Baden (Schweiz), gegen die Erteilung des Patents Einspruch eingelegt hatte, hat die Einspruchsabteilung auf die mündliche Verhandlung am 10. November 1983 den Einspruch zurückgewiesen und das Patent in unverändertem Umfang aufrechterhalten.
III. Gegen die am 7. Februar 1984 zur Post gegebene Entscheidung hat die Einsprechende am 7. April 1984 unter gleichzeitiger Zahlung der Gebühr Beschwerde mit dem Antrag eingelegt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in vollem Umfang zu widerrufen. Die schriftliche Begründung der Beschwerde ist am 7. Juni 1984 eingegangen.
IV. Die Einsprechende begründet ihre Auffassung, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht patentfähig sei, schriftlich und in der mündlichen Verhandlung am 13. Februar 1986 u.a. damit, daß der Fachmann schon aufgrund der ihm durch die Unterlagen des deutschen Gebrauchsmusters 7 417 306 vermittelten Erkenntnisse ohne erfinderische Tätigkeit zu dem System nach Anspruch 1 gelange. Auf jeden Fall sei die in diesem Anspruch niedergelegte Lehre aber durch die im Recherchenbericht genannte britische Patentschrift 1 212 875 und Seite 94 der Zeitschrift "Aircraft Engineering", April 1964, nahegelegt.
Im übrigen sei der Patentanspruch 1 unklar gefaßt. Aus ihm gehe nicht hervor, daß das Ansaugluftleitungssystem nur für stationäre Gasturbinen vorgesehen sei. Das Merkmal "eindimensional gekrümmt" sei aufgabenhaft. Der Anspruch lasse außerdem offen, wie die Krümmung der Bleche, bezogen auf die Wellenachse, laufe. Ferner fehle das Merkmal, daß der Neigungswinkel des äußeren Kegelmantels gegen die Wellenachse nicht größer als 30° sein dürfe.
V. Die Patentinhaberin tritt dem Vorbringen der Einsprechenden entgegen. Sie beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen und das Patent mit den erteilten Unterlagen aufrechtzuerhalten.
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie Regel 64 EPÜ; sie ist daher zulässig.
2. Nach Spalte 1, Zeilen 1 bis 26, der europäischen Patentschrift 754 ist Gegenstand des Anspruchs 1 ein Ansaugluftleitungssystem jener Art, wie sie durch die Unterlagen des deutschen Gebrauchsmusters 7 417 306 bekanntgeworden ist.
Dieses für stationäre Gasturbinen bestimmte System weist im Bereich der Nutzleistungsmaschine zur Luftführung einen hohlzylindrischen Ringraum auf. Er ist mit dem Ansaugquerschnitt des Verdichters durch ein Übergangsteil verbunden, das von dem Ringraum zwischen einem inneren und einem äußeren Kegelmantel gebildet wird. Der hohlzylindrische Ringraum, in dem die lotrecht von oben einströmende Luft um 90° in Richtung auf die Turbine hin umgelenkt wird, umgibt die aus einem Generator bestehende Nutzleistungsmaschine. Sie ist auf dem die untere Wand des Ringraums bildenden Fundament mit Stützen abgestützt. Infolgedessen steht im Bereich der Stützen nicht der gesamte Querschnitt des Ringraums als Durchströmquerschnitt für die Ansaugluft zur Verfügung.
3. Der Erfindung liegt daher nach Spalte 1, Zeilen 39 bis 45, der Patentschrift die Aufgabe zugrunde, ein Ansaugluftleitungssystem zu schaffen, das insbesondere für große stationäre Gasturbinenanlagen geeignet ist, Instabilitäten in der Luftströmung vermeidet und trotzdem einfache, leicht herzustellende Querschnittsformen für die Ansaugkanäle aufweist (daß in der vorstehend wiedergegebenen Aufgabe der Begriff "Ansaugkanäle" als Sammelbegriff für die beiden im Oberbegriff genannten Teile des Luftleitungssystems verwendet ist, also eine andere Bedeutung als im kennzeichnenden Teil des Anspruchs hat, erkennt der sachverständige Leser auf den ersten Blick).
4. Das gemäß der Erfindung diese Aufgabe lösende Ansaugluftleitungssystem ist durch die im Patentanspruch 1 angegebenen Merkmale ausreichend deutlich definiert.
Der Auffassung, das Merkmal "eindimensional gekrümmt" sei aufgabenhaft formuliert, kann die Kammer nicht folgen. Dieses Merkmal gibt eine eindeutige Lehre, nämlich das Blech nach einer einfach gekrümmten Fläche zu formen. Ein derart gekrümmtes Blech ist außerdem in den Figuren des Ausführungsbeispiels dargestellt.
Für die Anordnung der eindimensional gekrümmten Bleche liefert der Anspruch ebenfalls die wesentlichen Informationen. Liest der Fachmann die die Leitbleche betreffenden Merkmale im Zusammenhang, so entnimmt er dem Anspruch, daß die Leitbleche in dem Übergangsteil so angeordnet sein sollen, daß ihre Krümmung in Richtung der Wellenachse verläuft und daß die Bleche sich dementsprechend vor der Einlaßöffnung des Verdichters längs einer zwischen dem inneren und dem äußeren Kegelmantel verlaufenden Linie berühren. Nähere Einzelheiten der ihm insoweit durch den Anspruch vermittelten Lehre kann der Fachmann der zum Verständnis des Anspruchs bei Bedarf heranzuziehenden Beschreibung entnehmen (vgl. dort insbesondere Spalte 1, Zeilen 45 bis 49).
Das Vorbringen der Einsprechenden kann auch nicht davon überzeugen, daß in den Anspruch das Merkmal aufgenommen werden müsse, daß der Neigungswinkel des äußeren Kegelmantels nicht größer als 30° sein dürfe. Es ist zwar richtig, daß gemäß dem Ausführungsbeispiel der äußere Kegelmantel einen Neigungswinkel gegen die Turbo- , d. h. die Wellenachse von weniger als 30° hat. Daß dieser Winkel in keinem Fall überschritten werden darf, wird jedoch weder durch diese noch durch irgendeine andere Stelle der Beschreibung gestützt. Weitere Gründe, die eine solche Einschränkung des Anspruchs erforderlich machten, sind von der Einsprechenden nicht genannt worden noch sonst ersichtlich.
Liest man den Anspruch 1 in Verbindung mit der Beschreibung (vgl. insbesondere Spalte 1, Zeilen 41 und 42), so ergibt sich schließlich auch, daß das in ihm unter Schutz gestellte Ansaugluftleitungssystem nur für stationäre Gasturbinenanlagen bestimmt ist.
Der erteilte Patentanspruch 1 bedarf daher keiner Präzisierung oder Beschränkung.
5. Die Prüfung der Entgegenhaltungen durch die Kammer ergibt, daß keine von ihnen ein nach der vorstehend erörterten Lehre des Patentanspruchs 1 ausgebildetes Ansaugluftleitungssystem offenbart. Im einzelnen braucht das nicht begründet zu werden, da die Einsprechende die Neuheit eines solchen Systems nicht bestritten hat.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 ist daher gegenüber dem entgegengehaltenen Stand der Technik neu.
6. Zur Frage, ob das Ansaugluftleitungssystem nach Anspruch 1 nahelag, ist folgendes auszuführen:
6.1. Wie schon erwähnt, steht bei dem Ansaugluftleitungssystem nach den Unterlagen des deutschen Gebrauchsmusters 7 417 306 im Bereich der Generatorstützen nicht der volle Ringraumquerschnitt als Ansaugquerschnitt für dieLuft zur Verfügung. Dies ändert jedoch nichts daran, daß der Ausbildung dieses Systems die Idee zugrunde liegt, die angesaugte Luft nach ihrer Umlenkung in Richtung auf die Turbine hin durch einen einzigen ringförmig gestalteten Querschnitt zu führen; denn auch in dem hinter den Generatorstützen angeordneten Übergangsteil, der den Ringraum mit dem Einlaß des Verdichters verbindet, ist für die Luftführung ein Ringraum vorgesehen. Konnte daher die partielle Querschnittsverminderung im Generatorstützenbereich schon keine Anregung dazu geben, im Bereich der Nutzleistungsmaschine anstelle des Ringraums zwei voneinander getrennte Ansaugkanäle vorzusehen, so konnte das bekannte System erst recht nicht die Gesamtheit aller im Patentanspruch 1 aufgeführten Maßnahmen nahelegen, zumal da bei ihm die den Ringraum im Übergangsteil begrenzenden Wände von zwei Kegelmänteln gebildet werden, von denen die Ansaugluft unter einem konstanten Neigungswinkel gegen die Wellenachse geführt wird, wodurch die Luft beim Austritt aus dem Übergangsteil dieselbe radiale Komponente wie beim Eintritt in das Übergangsteil hat.
6.2. Im Unterschied zu dieser Entgegenhaltung entnimmt der Fachmann Fig. 1 auf Seite 94 der Zeitschrift "Aircraft Engineering", Nr. 4, April 1964, zwar schon die Lehre, die Ansaugluft für den Verdichter von Gasturbinen von Flugzeugen durch zwei Ansaugkanäle zu führen, doch konnte auch dieses System keine Anregung zum Gegenstand des Anspruchs 1 geben.
Das in der Figur abgebildete System ist in dem zugehörigen Text nicht näher erläutert. Zur Frage, wie das System im einzelnen ausgebildet ist, entnimmt der Fachmann der Abbildung bei unbefangener Betrachtung, daß es auf ganzer Länge aus zwei in derselben Ebene angeordneten, im Querschnitt halbkreisförmigen Ansaugkanälen besteht, die zu ihren Einlaßenden hin gespreizt sowie in Richtung zur Wellenachse gekrümmt sind und an der kreisringförmigen Einlaßöffnung der Turbine unter einem spitzen Winkel aufeinandertreffen. Dieses System konnte es daher nicht nahelegen, bei dem Ansaugluftleitungssystem nach den Unterlagen des deutschen Gebrauchsmusters 7 417 306 nur den Ringraum im Bereich der Nutzleistungsmaschine durch zwei zur Wellenachse parallele Ansaugkanäle zu ersetzen und in dem kegelförmigen Übergangsteil durch Einbau von nur eindimensional gekrümmten Blechen, die sich vor der Einlaßöffnung des Verdichters berühren und dort enden, dafür zu sorgen, daß die Luft, die aus dem dem Eingangsquerschnitt des Übergangsteils angepaßten Ende eines jeden Ansaugkanals in das Übergangsteil einströmt, ohne unstetige Geschwindigkeitsänderung in Richtung parallel zur Wellenachse umgelenkt wird.
6.3. Auf einen zu dieser Idee führenden Weg wurde der Fachmann auch nicht durch das in den Figuren 3 und 4 der britischen Patentschrift 1 212 875 dargestellte Ansaugluftleitungssystem für den Verdichter der Gasturbine eines Flugzeugs gelenkt. Bei diesem System sind ebenso wie bei dem im vorigen Abschnitt erörterten System für die Luftführung zwei in derselben Ebene angeordnete Kanäle vorgesehen. Sie sind im Querschnitt jedoch rechteckig ausgebildet. Beide Kanäle weisen an ihrem vorderseitigen Ende einen eindimensional gekrümmten Innenwandteil auf. Zwischen beiden Beteiligten bestand nämlich Übereinstimmung darüber, daß es sich bei dem in Fig. 4 durch zwei zur Welle 21 parallele gerade Linien dargestellten Teil um die Schnittdarstellung eines Zylinders handelt, der sich zwischen dem inneren Ende der beiden Nischen, die die Schalldämpfer 16 aufnehmen, und dem Einlaß 14 des Verdichters erstreckt. Die von den beiden Mantelstreifen dieses Zylinders gebildeten Wandteile sind demnach um die Wellenachse gekrümmt. An ihrem Beginn wird die Strömungsrichtung der Luft folglich sprunghaft geändert.
Über den Verlauf der beidseits angrenzenden Innenwandteile enthält die Beschreibung der Fig. 3 und 4 keine Angabe. Die zeichnerische Darstellung liefert keine eindeutigen Informationen. Während die Darstellung nach Fig. 4 den Eindruck erweckt, daß diese Wandteile zur Innenachse hin gekrümmt sind und an ihrem verdichterseitigen Ende parallel zu dieser verlaufen, treffen sie nach Fig. 3 schon vor dem Verdichtereinlaß unter einem Winkel aufeinander. Einer genauen Klärung des Wandverlaufs bedarf es indessen nicht; denn das gewählte Konstruktionsprinzip legt schon nicht den Gedanken an eine Verminderung der radialen Einströmkomponente ohne unstetige Geschwindigkeitsänderung nahe.
Dasselbe gilt für die in den anderen Figuren der Patentschrift dargestellten Beispiele, unter denen das Beispiel nach den Fig. 5A und 5B zeigt, daß ein Aufeinanderprallen beider Luftströme an der Zusammenführungsstelle der Kanäle in Kauf genommen wird.
6.4. Aus den vorstehenden Ausführungen über die Lehren, die die in den Abschnitten 6.1 bis 6.3 erörterten Entgegenhaltungen für die Ausbildung von Ansaugluftleitungssystemen vermitteln, folgt ferner, daß auch eine Zusammenfassung dieser Lehren den Fachmann nicht auf einen Weg weisen konnte, auf dem er, ohne erfinderisch tätig werden zu müssen, zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangte.
6.5. Die weiteren Entgegenhaltungen, die die Einsprechende nicht aufgegriffen hat, zeigen Luftführungssysteme, die im Querschnitt kreisringförmig ausgebildet sind (deutsche Patentschrift 865 842 und deutsche Auslegeschriften 1 481 518 und 1 751 613) oder aus mehreren Kanälen bestehen (britische Patentschrift 1 150 815). Durch sie gelangt der Fachmann deshalb ebenfalls nicht zu Erkenntnissen, die er in Verbindung mit dem, was den anderen Druckschriften zur Frage der Ausbildung solcher Systeme zu entnehmen ist, den Gegenstand des Anspruchs 1 nahelegten.
6.6. Das Ansaugluftleitungssystem nach diesem Anspruch beruht daher auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinn des Artikels 56 EPÜ.
7. Der Patentanspruch 1 hat mithin Bestand.
8. Die rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 4 betreffen besondere Ausführungsarten des Systems nach Anspruch 1. Sie können ebenfalls bestehen bleiben.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird wie folgt entschieden; Die Beschwerde wird zurückgewiesen.