T 0350/87 15-06-1989
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Material für elektrophotographische Reproduktion
Erfinderische Tätigkeit (nein)
inventive step (no)
I. Die Beschwerdegegnerin ist Inhaberin des europäischen Patents 0 031 481 (Anmeldenummer 80 107 575.5).
Anspruch 1 dieses Patents lautet:
"1. Elektrophotographisches Aufzeichnungsmaterial aus einem elektrisch leitenden, insbesondere zur Herstellung von Druckformen oder gedruckten Schaltungen geeigneten Schichtträger und einer photoleitfähigen Schicht aus organischem Photoleiter, alkalilöslichem Bindemittel, Sensibilisierungsfarbstoff aus zwischen 400 und 550 nm absorbierenden Cyaninfarbstoff und üblichen Zusätzen, wobei der Photoleiter eine Verbindung der allgemeinen Formel
(FORMEL) darstellt, in welcher R1 Wasserstoff, Alkyl, Alkoxy mit 1 bis 4 Kohlenstoffatomen, Halogen oder Dialkylamino mit 1 bis 4 Kohlenstoffatomen, R2 Dialkylamino mit 1 bis 4 Kohlenstoffatomen, und X Stickstoff oder -CR3 mit R3 gegebenenfalls durch Halogen-, Alkylamino- oder Dialkylaminogruppen oder Alkyl mit 1 bis 4 Kohlenstoffatomen substituiertes Phenyl bedeuten, dadurch gekennzeichnet, daß der Sensibilisierungsfarbstoff des weiteren einen zwischen 450 und 600 nm absorbierenden Aminoxanthenfarbstoff umfaßt."
Die übrigen Ansprüche 2 bis 10 sind auf Anspruch 1 rückbezogen.
II. Die Beschwerdeführerin hat gegen die Patenterteilung unter Hinweis auf Art. 100 (a) EPÜ wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit des Gegenstandes des Patents im Hinblick insbesondere auf die Druckschriften:
DE-A-2 526 720 (D1) DE-B-1 058 836 (D2) DE-A-2 817 428 (D5) und die nachgebrachte Druckschrift DE-A-1 447 907 (D7) sowie unter Hinweis auf Art. 100 (b) EPÜ Einspruch erhoben.
III. Der Einspruch wurde zurückgewiesen.
Die Einspruchsabteilung hat den Einspruch im wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, daß es zwar aus dem Stand der Technik am Anmeldetag des strittigen Patents bekannt war, Farbstoffe - darunter auch Cyanine und Aminoxanthene - sowie auch Kombinationen von Farbstoffen als Sensibilisatoren in photoleitenden Schichten zu verwenden. Für den Fachmann sei es jedoch nicht naheliegend gewesen, einen Austausch der im roten Spektralbereich absorbierenden Triarylmethanfarbstoffe des lichtempfindlichen Materials der Entgegenhaltung D5 gegen die in diesem Bereich nicht oder nur in geringem Umfang absorbierenden Aminoxanthenfarbstoffe vorzunehmen. Eine Auswahl aus den insbesondere in der Entgegenhaltung D2 angeführten Farbstoffen habe zwar unter dem Blickwinkel des angestrebten Absorptionsverhaltens durchgeführt werden können, doch habe eine solche Auswahl keine Gewähr für die Erzielung der weiteren angestrebten Eigenschaften des elektrophotographischen Materials, wie z. B. gute Aufladbarkeit, hohe Lichtempfindlichkeit, die farbschleierfreie Entschichtbarkeit der Aufzeichnungsmaterialien sowie die gute Annahme der Druckfarbe beim Drucken durch die Offset- Druckplatte und deren Auflagenstabilität und Lagerfähigkeit, geboten.
IV. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Einsprechende) Beschwerde erhoben.
V. Es wurde mündlich verhandelt.
VI. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des europäischen Patents.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen (Hauptantrag). Ferner beantragt sie (Hilfsantrag), das Patent in geändertem Umfang aufgrund der am 9. Mai 1989 eingegangenen Beschreibung und Patentansprüche 1 bis 7 aufrechtzuerhalten.
Der Anspruchssatz gemäß Hilfsantrag enthält als einzigen unabhängigen Patentanspruch einen Anspruch 1, der sich von dem Anspruch 1 gemäß Hauptantrag dadurch unterscheidet, daß in dessen Oberbegriff der Satzteil "der allgemeinen Formel ... substituiertes Phenyl bedeuten" durch die Worte "aus der Reihe 2,5-Bis-(4'-diethylaminophenyl)oxdiazol, 2- Phenyl-4-(2'-chlorphenyl)-5-(4"-diethylaminophenyl)oxazol und 2,4-Bis-(2'-chlorphenyl)-5-(4"- diethylaminophenyl)oxazol darstellt" ersetzt worden ist.
VII. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) vertritt im wesentlichen folgende Auffassung:
1. Das in Anspruch 1 gemäß Hauptantrag angegebene elektrophotographische Aufzeichnungsmaterial ergebe sich in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.
Die im Oberbegriff des Anspruchs definierte Kombination von Photoleiter, Bindemittel und einem Cyaninfarbstoff (Astrazonorange) als Sensibilisierungsmittel sei nämlich bereits aus der Druckschrift D1 bekannt. Ferner sei aus der Druckschrift D5 die Lehre zu entnehmen, daß zur Erweiterung des spektralen Empfindlichkeitsbereiches eines elektrophotographischen Aufzeichnungsmaterials demselben verschiedene Sensibilisatoren zugesetzt werden können, deren Sensibilisierungswirkungen sich annähernd addieren. Die Verwendung von Rhodamin als Sensibilisierungsmittel in elektrophotographischen Aufzeichnungsmaterialien -insbesondere in einem unter die in dem Oberbegriff des Anspruchs 1 angegebene Formel fallenden Photoleiter - sei seit langem bekannt (D2, Beispiel 9; sowie D1, Seite 1, Absatz 3 bis Seite 2, Absatz 1). Vor allem weise die genannte Textstelle in der Druckschrift D1 den Fachmann darauf hin, daß Rhodamine zu den bekannten Sensibilisatoren gehören, die den spektralen Empfindlichkeitsbereich bis 650 nm erweitern. Deshalb sei es für den Fachmann naheliegend, in Anwendung der Lehren der Druckschriften D5 und D1 den Farbstoff Rhodamin dem aus der Druckschrift D1 bekannten Aufzeichnungsmaterial zur Erweiterung seines Sensibilisierungsbereichs bis in das Gelbe für eine optimale Reproduktion von bereits vergilbten Vorlagen zuzusetzen.
2. Durch die beanspruchte Kombination von Sensibilisierungsfarbstoffen würde auch kein überraschender technischer Effekt hervorgerufen werden.
So zeige ein Vergleich zwischen dem Material gemäß Beispiel 1 des Streitpatents und demjenigen des Beispiels 1 der Druckschrift D5 (Materialien V bzw. VI in der mit der Einspruchsschrift eingereichten Tabelle), daß unter gleichen Bedingungen die Belichtungszeit für das bekannte Material (10s) noch kürzer sei als bei der Kombination gemäß der Lehre des Streitpatents (13s).
Die zusammen mit der Beschwerdebegründung eingereichten Ergebnisse verschiedener Versuchsreihen ließen erkennen, daß die gemeinsame Verwendung der Aminoxanthene und Cyanine zwar überwiegend eine leichte Verbesserung der anwendungstechnischen Eigenschaften der elektrophotographischen Aufzeichnungsmaterialien bewirke, jedoch sei allenfalls die Geringfügigkeit der so erzielten Verbesserung überraschend. Außerdem könne einer gegebenenfalls erzielten Verringerung der Belichtungszeiten für elektrophotographische Platten keine allzugroße Bedeutung beigemessen werden, weil nach der Belichtung ohnehin verschiedene Folgeschritte notwendig seien, so daß der Einfluß der Belichtungszeitverringerung auf das gesamte Aufzeichnungsverfahren relativ gering sei.
3. Die Beschwerdegegnerin könne sich auch nicht auf ein vorteilhaftes Verhalten des beanspruchten Materials bei einer Verwendung von Glühlampen berufen, weil der Anspruch 1 auf eine solche Verwendung nicht beschränkt sei. Darüber hinaus liege es im Rahmen des fachmännischen Könnens, die Kombination und Konzentration der bekannten Sensibilisatoren an die spektralen Eigenschaften der jeweils verwendeten Belichtungslampe anzupassen.
4. Dem Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag sei ebenfalls keine erfinderische Tätigkeit zuzuerkennen, weil alle nunmehr spezifizierten Photoleiter und ihre Verwendung mit den jeweiligen Sensibilisierungsfarbstoffen aus dem Stand der Technik bekannt seien.
VIII. Die Beschwerdegegnerin trägt im wesentlichen folgende Argumente vor:
1. Aufgabe der vorliegenden Erfindung sei es, gemäß den Angaben im Streitpatent, Spalte 2, Zeilen 21 bis 33, ein elektrophotographisches Material zu schaffen, das aufgrund seiner Empfindlichkeit im blauen Spektralbereich mit Milliwatt-Argonionenlasern bebildert werden kann, das bei der Kopie in der Reprokamera blaue Linien und Markierungen nicht wiedergibt, das es gestattet, vergilbte Vorlagen über die Reprokamera einwandfrei wiederzugeben, das die in den Reprokameras zur Verfügung gestellte Lichtenergie optimal ausnutzt und dadurch kurze Belichtungszeiten ergibt und das bei rotem Dunkelkammerlicht gehandhabt werden kann. Ein elektrophotographisches Material mit der in Anspruch 1 angegebenen Zusammensetzung zur Lösung dieser technischen Aufgabe vorzuschlagen, war im Hinblick auf den Stand der Technik aus folgenden Gründen nicht naheliegend:
a) Im Stand der Technik seien Amonixanthenfarbstoffe in keiner Weise als besonders geeignete Sensibilisatoren erkennbar. Insbesondere in der Druckschrift D2 seien neben elektrophotographischen Aufzeichnungsmaterialien, die Rhodamin als Sensibilisierungsfarbstoff enthielten, auch andere Beispiele angegeben, die entweder keinen Sensibilisator enthielten und trotzdem vergleichbare Ergebnisse erzielten (Beispiel 14 im Vergleich zu Beispiel 17), oder die unter Verwendung anderer Sensibilisatoren wie z. B. Methylenblau oder Säureviolett eine Reduzierung der Belichtungszeiten auf 1/5, bzw. 1/4 der unter Verwendung von Rhodamin notwendigen Belichtungszeit ermöglichen (Beispiele 4 bzw. 12 im Vergleich mit Beispiel 17).
b) Die Rhodaminfarbstoffe seien auch nicht als herausragende Komponenten einer Farbstoffmischung bekannt. Insbesondere seien die in der Druckschrift D7 angegebenen, Rhodamin B oder Rhodamin B extra enthaltenden Farbstoffkombinationen jeweils als durch andere Farbstoffe ersetzbar bezeichnet (Seite 14, Absatz II in Zusammenhang mit Seite 15, Zeilen 16 und 17; Seite 17, 2. Absatz). Darüber hinaus hätten Messungen der Beschwerdegegnerin, die im Laufe des Einspruchsverfahrens vorgelegt wurden (Eingabe vom 31. Juli 1987, Blatt 3), gezeigt, daß das im Beispiel 1, II der Druckschrift D7 angegebene Aufzeichnungsmaterial insbesondere wegen seiner schlechten Aufladbarkeit und hohen Entladeenergie praktisch unbrauchbar sei. Auch ein Vergleich der beiden auf Seite 9 der Druckschrift D5 angegebenen Mischungen zeige, daß diejenige ,bei der kein Rhodaminfarbstoff verwendet wird, wesentlich kleinere Entladeenergien erfordere.
c) Zur Lösung der Aufgabe des Streitpatents eigneten sich nicht beliebige aus dem Stand der Technik bekannte Photoleiter, sondern nur solche, die als Oxazole oder Oxdiazole di- bzw. triphenylsubstituiert seien. Insbesondere eigne sich der in den Beispielen 1 bis 5 der Druckschrift D1 sowie auch im Vergleichsversuch gemäß Beispiel 1 des Streitpatents aufgeführte Photoleiter nicht zur Lösung der Aufgabe des Streitpatents. Aufgrund der Unvorhersehbarkeit des Zusammenwirkens der beanspruchten Farbstoffmischung mit einem Photoleitermaterial anhand von Quantenübergängen beruhe auch die Verwendung der in Anspruch 1 definierten Photoleiter auf einer nicht naheliegenden Auswahl.
d) Aus der Druckschrift A. Römpp: "Chemie Lexikon", 6. Auflage, Spalte 5450 (D3) sei die Eigenschaft mit Rhodaminen rötlich-violett gefärbter Stoffe bekannt, die grüne Komplementärfarbe des Tageslichtes zu absorbieren. Der Fachmann würde hieraus den Schluß ziehen, daß mit einem grünen Absorptionsbereich keineswegs der Spektralbereich von 550 bis 600 nm optimal erfaßt werden kann. Das sei jedoch beim Streitpatent der Fall. Um aufgabengemäß vergilbte Vorlagen wiedergeben zu können, sei es notwendig im gelben Spektralbereich zu sensibilisieren. Der Fachmann wäre aufgrund dieses Zitats nicht auf die Idee gekommen, Rhodamin oder einen anderen Aminoxanthenfarbstoff zu verwenden. Er hätte vielmehr zu diesem Zweck gemäß der von der Beschwerdegegnerin nachgereichten Druckschrift Römpp: "Chemie-Lexikon", 7. Auflage, Spalte 1077 (D6), nach einem im Gelben absorbierenden Sensibilisator mit blauer Farbe gesucht.
2. In ihrer Entscheidung T 38/84 (ABl. EPA 1984, 368) habe die Beschwerdekammer 3.3.1 darauf hingewiesen, daß eine zahlenmäßig geringe Verbesserung eines großtechnischen chemischen Verfahrens (Ausbeuteverbesserung um 0,5 %) bereits eine lohnende technische Aufgabe darstelle, und daß diese Verbesserung bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht übergangen werden dürfe. Entsprechend sei die völlig überraschende Verdopplung der Empfindlichkeit des Aufzeichnungsmaterials gegenüber dem besten sich auf dem Markt befindenden Aufzeichnungsmaterial gemäß der Vergleichssubstanz des Beispiels 1 des Streitpatents mit zugegebenerweise einem anderen Photoleitermaterial als auch gegenüber Vergleichssubstanzen mit gleichem Photoleitermaterial (Versuchsergebnisse vom 14. November 1983, ergänzt am 18. Februar 1988) zu würdigen.
3. Weitere, im Laufe des Einspruchsverfahrens mit Schreiben vom 31. Juli 1987 zusammen mit belichteten und entwickelten Druckplatten vorgelegte Versuchsergebnisse hätten gezeigt, daß das beanspruchte Material gemäß Beispiel 1 des Streitpatents in seiner Empfindlichkeit einem Material entspreche, bei dem der Farbstoff Rhodamin B durch den im roten absorbierenden Triarylmethanfarbstoff Brillantgrün gemäß Beispiel 1 der Druckschrift D5 ersetzt worden sei, und zwar bei einer Belichtung mittels Glühlampen, die im roten spektralen Bereich besonders stark ausstrahlten. Selbst die Beschwerdeführerin habe diese Ergebnisse als überraschend bezeichnet (Schreiben vom 9. April 1987, Seite 8, letzter Absatz).
4. Ferner weise das beanspruchte Material den Vorteil einer geringen Dunkelentladung auf. Dieser Vorteil komme bei der Verwendung eines Lasers wegen der erforderlichen Abtastungszeit von mehr als vier Minuten besonders zum Tragen.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Neuheit
2.1. Aus der Druckschrift D1, insbesondere Beispiel 6, ist ein "elektrophotographisches Aufzeichnungsmaterial aus einem elektrisch leitenden, insbesondere zur Herstellung von Druckformen oder gedruckten Schaltungen geeigneten (Seite 3, Zeilen 10-12) Schichtträger (Aluminiumfolie) und einer photoleitfähigen Schicht aus organischem Photoleiter, alkalilöslichem Bindemittel (Mischpolymerisat aus Styrol und Maleinsäureanhydrid), Sensibilisierungsfarbstoff aus zwischen 400 und 550 nm absorbierendem Cyaninfarbstoff (Astrazonorange R), und üblichen Zusätzen", wobei der Photoleiter der in Anspruch 1 gemäß Hauptantrag angebenenen allgemeinen Formel entspricht und auch die erste in Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag alternativ angegebene Verbindung bildet (nämlich 2,5-Bis-(4'-diethylaminophenyl)oxdiazol) bekannt.
Die Gegenstände der Ansprüche 1 gemäß Haupt- und Hilfsantrag unterscheiden sich somit von dem aus Beispiel 6 der Druckschrift D1 bekannten Material durch das Merkmal ihrer gleichlautenden kennzeichnenden Teile, d. h. "daß der Sensibilisierungsfarbstoff des weiteren einen zwischen 450 und 600 nm absorbierenden Aminoxanthenfarbstoff umfaßt".
2.2. Ferner ist aus Beispiel 2 der Druckschrift D5 ein elektrophotographisches Aufzeichnungsmaterial bekannt, das neben dem bereits aus der Druckschrift D1 bekannten speziellen Schichtträger, organischen Photoleiter und Bindemittel, einen Sensibilisierungsfarbstoff (Astragelb) enthält, der auch zwischen 400 und 550 nm absorbiert (D5, S. 5, zweiter Absatz), und auch im Streitpatent als erfindungsgemäß geeigneter Cyaninfarbstoff erwähnt ist (Spalte 3, Z. 6 bis 14). Dieses bekannte Aufzeichnungsmaterial enthält zusätzlich noch den Farbstoff Viktoriareinblau, der im Spektralbereich von 550 bis 720 nm sensibilisiert (D5, Seite 5, dritter Absatz).
Somit unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Haupt- und Hilfsantrag von diesem bekannten Aufzeichnungsmaterial dadurch, daß der Farbstoff Viktoriareinblau durch einen zwischen 450 und 600 nm absorbierenden Aminoxanthenfarbstoff ersetzt ist.
2.3. Die weiteren im Verfahren befindlichen Druckschriften kommen dem beanspruchten Gegenstand nicht näher.
2.4. Aus diesen Gründen ist der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Haupt- und Hilfsantrag neu im Sinne von Art. 54 EPÜ.
3. Erfinderische Tätigkeit
3.1. Das Aufzeichnungsmaterial gemäß Beispiel 6 der Druckschrift D1, das nach Auffassung der Kammer den nächstkommenden Stand der Technik darstellt, ist laut Beschreibung des Streitpatents (Spalte 1, Zeilen 37 bis 45) bereits hervorragend geeignet: zur Belichtung mit einem Argonionenlaser bei einer Wellenlänge von 488 nm und um blaue Linien und Markierungen, wie sie bei der Erstellung eines Klebeumbruchs für den Zeitungsdruck auf sogenannten Standbögen verwendet werden, beim Kopieren in der Reprokamera auf der elektrophotographischen Druckplatte nicht erscheinen zu lassen. Da die Empfindlichkeit des aus Dokument D1 bekannten Materials mit zunehmender Wellenlänge über 500 nm hinausgehend stark abnimmt (Spalte 1, Zeilen 46 bis 48), ist ferner davon auszugehen, daß es im roten Spektralbereich unempfindlich ist und somit bei rotem Dunkelkammerlicht gehandhabt werden kann.
Dieses bekannte Aufzeichnungsmaterial hat jedoch den Nachteil, daß wegen der starken Senkung der Empfindlichkeit bei Wellenlängen über 500 nm im gelben Spektralbereich in vielen Fällen keine ausreichende Empfindlichkeit mehr vorhanden ist, wodurch vergilbte Vorlagen beim Kopieren in der Reprokamera nicht grundfrei reproduziert werden können und die in der Reprokamera zur Verfügung gestellte Lichtenergie nicht optimal ausgenutzt werden kann (vgl. insbesondere Spalte 1, Zeilen 46 bis 51 und Spalte 2, Zeilen 25 bis 31 des Streitpatents).
3.2. Somit ist die der Erfindung zugrundeliegende, im Hinblick auf den nächstkommenden Stand der Technik objektiv ermittelte technische Aufgabe darin zu sehen, unter Beibehaltung der oben erwähnten vorteilhaften Eigenschaften des aus Beispiel 6 der Druckschrift D1 bekannten Aufzeichnungsmaterials, dieses dahingehend zu verbessern, daß es zur grundfreien Wiedergabe vergilbter Vorlagen geeignet ist.
3.3. Diese Aufgabe wird gemäß den Ansprüchen 1 nach Haupt- und Hilfsantrag dadurch gelöst, daß dem in den Oberbegriffen dieser Ansprüche 1 definiertem Aufzeichnungsmaterial des weiteren a) ein zwischen 450 und 600 nm absorbierender Farbstoff b) aus der Gruppe der Aminoxanthenfarbstoffe zugesetzt wird.
3.4. Merkmal a) besagt nichts anderes als, daß zur grundfreien Wiedergabe vergilbter Vorlagen das Aufzeichnungsmaterial auch im gelben Spektralbereich lichtempfindlich sein muß, hingegen im roten Spektralbereich lichtunempfindlich bleiben muß, um nach wie vor bei Rotlicht gehandhabt werden zu können. Die Kenntnis dieser Zusammenhänge zwischen spektraler Empfindlichkeit und Kopierfähigkeit bzw. der Arbeitsbeleuchtung beim Entwickeln gehört zum Grundwissen jedes Fachmanns auf dem Gebiet elektrophotographischer Aufzeichnungsmaterialien. Zum Aufstellen der im Merkmal a) zum Ausdruck kommenden Forderung bedarf es deshalb keiner erfinderischen Tätigkeit.
3.5. Es bleibt somit zu überprüfen, ob es für einen Fachmann naheliegend war, dem aus Druckschrift D1 bekannten Aufzeichnungsmaterial gemäß dem kennzeichnenden Merkmal b) der Ansprüche 1 gemäß Haupt- und Hilfsantrag einen Aminoxanthenfarbstoff zuzusetzen, um eine grundfreie Wiedergabe vergilbter Vorlagen zu erreichen.
3.6. Zunächst vermittelt Druckschrift D5 dem Fachmann die Lehre, daß die spektrale Empfindlichkeit eines elektrophotographischen Aufzeichnungsmaterials über die langwellige Absorptionsgrenze seines ersten Sensibilisators hinaus durch Zugabe eines zweiten Sensibilisators erweitert werden kann, der bei längeren Wellenlängen absorbiert, wobei die spektralen Sensibilisierungswirkungen der einzelnen Farbstoffe sich zur resultierenden spektralen Empfindlichkeit der Mischung in erster Näherung additiv aneinanderreihen.
In Kenntnis dieser Wirkungsaddition erachtet die Kammer einen Fachmann für fähig zu erkennen, daß er dem aus Dokument D1 bekannten Aufzeichnungsmaterial einen zweiten Sensibilisierungsfarbstoff zusetzen muß, der zwar bei längeren Wellenlängen als der bereits enthaltene Cyaninfarbstoff "Astrazonorange R" jedoch nicht rotes Dunkelkammerlicht absorbiert, um ein Material zu schaffen, das neben seiner bereits vorhandenen hohen Empfindlichkeit im blauen Spektralbereich eine erhöhte Empfindlichkeit im gelben Spektralbereich unter Beibehaltung der vorhandenen Unempfindlichkeit im roten Spektralbereich aufweist. Damit ist dem Fachmann die zur Lösung der gestellten Aufgabe erforderliche Arbeitsrichtung vorgegeben und er wird nach einem Sensibilisierungsfarbstoff suchen, der die langwellige Absorbtionsgrenze des Astrazonorange R von 550 nm überlappt und bis ca. 600 nm - d. h. über das Gelbe hinaus aber nicht im Roten (vgl. die Tabelle in D6) - absorbiert.
Es liegt für den Fachmann auf der Hand, bei dieser Suche aus der in Druckschrift D1 genannten Gruppe bekannter Sensibilisierungsfarbstoffe, die bekannterweise eine Erweiterung der spektralen Photoleiterempfindlichkeit von 450 nm bis etwas 650 nm - d. h. bis in das Grenzgebiet zwischen Orange und Rot - bewirken (D1, Seite 1, Absatz 1 und 2), diejenigen auszuwählen, die bereits mit Erfolg in dem beanspruchten Photoleitertyp verwendet wurden. Wie der Fachmann nach Durchsicht der den beanspruchten Photoleitertyp verwendenden Ausführungsbeispiele 1-18 der Druckschrift D2 unschwer feststellt, schränkt sich damit die aus Druckschrift D1 bekannte Gruppe der routinemäßig auf ihre Eignung hin auszuprobierenden Farbstoffe auf nur drei Substanzen ein: Methylenblau (D2, Beispiel 4), Rhodamin B (Beispiel 9) und Säureviolett (Beispiel 12), wobei das auch im Ausführungsbeispiel 1 des Streitpatents benutzte Rhodamin B zu den in den kennzeichnenden Teilen der Ansprüche 1 gemäß Haupt- und Hilfsantrag allgemein beanspruchten Aminoxanthenfarbstoffen gehört.
Nach Auffassung der Kammer hat bei dieser geringen Anzahl bekannter Alternativen der Fachmann keinerlei Auswahl zu treffen, die seine normalen Fähigkeiten übersteigt. Vielmehr wird er im Rahmen eines ihm zuzumutenden Erprobungsumfangs bekannter Mittel, die die gewünschte Wirkung erwarten lassen, zwangsläufig zu dem Stoff geführt, der ihm für seine Zwecke am geeignetsten erscheint. Somit bedarf es entgegen der Auffassung der Beschwerdegegnerin in Pkt. VIII-1a und VIII-1b keines expliziten Hinweises auf besonders herausragende Eigenschaften des Rhodamins im Rahmen seiner bekannten Verwendung als alleiniger Sensibilisierungsfarbstoff oder innerhalb eines Farbstoffgemisches. Der der Druckschrift D1 entnehmbare Hinweis auf den sensibilisierbaren Spektralbereich und die der Druckschrift D2 entnehmbare Verträglichkeit mit den beanspruchten Photoleitern führen den Fachmann zu den in den Druckschriften D1 und D2 überlappend genannten Sensibilisierungsfarbstoffen und damit über ein einer sogenannten "Einbahnstraßensituation" entsprechendes Ausprobieren in naheliegender Weise zu den beanspruchten Aminoxanthenfarbstoffen.
3.7. Wenn sich aber der technische Inhalt eines Patentanspruchs, wie vorstehend in Pkt. 3.3 und 3.5 dargelegt, in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt, vermag eine auch möglicherweise unvorhergesehene zusätzliche Wirkung - wie die von der Beschwerdegegnerin in Pkt. VIII-2 und VIII-3 geltend gemachte Empfindlichkeitserhöhung oder die in Pkt. VIII-4 vorgebrachte geringe Dunkelentladung nicht die erfinderische Tätigkeit zu stützen; vgl. hierzu auch die Entscheidungen T 21/81, ABl. EPA 1983, 15, Nr. 6; T 69/89, ABl. EPA 1984, 357, Nr. 5, letzer Absatz; und T 192/82, ABl. EPA, 415, Nr. 16.
3.8. Auf dem vorstehend in Pkt. 3.3 und 3.5 erörterten naheliegenden Weg vom Stand der Technik zu den Gegenständen der Ansprüche 1 gemäß Haupt- und Hilfsantrag ist eine Photoleiterauswahl - wie sie die Beschwerdegegnerin in Pkt. VIII-1c anführt - nicht erforderlich, denn außer dem zum Ausgangspunkt des Streitpatents gehörenden Photoleitermaterial (gemäß Beispiel 6 der Druckschrift D1) erwähnen die Ausführungsbeispiele der Druckschrift D1 nur noch ein einziges anderes Material, so daß von einer eine Auswahl begründenden Alternativenvielzahl nicht die Rede sein kann.
3.9. Das von der Beschwerdegegnerin festgestellte schlechte Auf- bzw. Entladeverhalten des aus den Druckschriften D5 und D7 bekannten Aufzeichnungsmaterials (vgl. Pkt. VIII- 1b) ist für den Fachmann aufgrund der Zusammensetzung des bekannten Sensibilisators aus 3 bzw. 4 unterschiedlichen Substanzen nicht eindeutig auf den Einsatz von Rhodamin zurückführbar.
Der der Druckschrift D3 entnehmbare Hinweis auf ein Absorptionsmaximum der Rhodamine im grünen Spektralbereich (vgl. Pkt. VIII-1d) schließt -ganz abgesehen von der physiologisch bedingten Ungenauigkeit der Zuordnung von Farbe und Wellenlänge - für den Fachmann ein über Gelb nach Orange abklingendes Absorptionsverhalten nicht aus. Er steht somit nicht in Widerspruch zu der Angabe in Druckschrift D1, daß sich die Sensibilisierungswirkung der Rhodamine bis etwa 650 nm (D6: Grenze zwischen Orange und Rot) erstreckt.
Die beiden letztgenannten Sachverhalte sind somit nicht als ein dem Stand der Technik entnehmbares Vorurteil gegen die Lehre des Streitpatents zur Stützung einer erfinderischen Tätigkeit zu werten.
3.10. Aus vorstehend in Pkt. 3.1 bis 3.9 genannten Gründen beruhen die Gegenstände der Ansprüche 1 gemäß Haupt- und Hilfsantrag nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Art. 56 EPÜ.
4. Somit stehen die in Art. 100 a) EPÜ genannten Einspruchsgründe der Aufrechterhaltung des europäischen Patents in unveränderter Form gemäß Hauptantrag der Beschwerdegegnerin entgegen.
Aus denselben Gründen genügt das europäische Patent unter Berücksichtigung der gemäß Hilfsantrag der Beschwerdegegnerin vorgenommenen Änderungen ebenfalls nicht den Erfodernissen des Übereinkommens, so daß auch die Aufrechterhaltung des Patents in dem geänderten Umfang nicht beschlossen werden kann.
5. Bei dieser Sachlage erübrigt es sich, auf den von der Beschwerdeführerin ebenfalls geltend gemachten Einspruchsgrund gemäß Artikel 100b EPÜ einzugehen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die Entscheidung der Einspruchsabteilung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.