T 0346/88 24-04-1989
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Verfahren zur Herstellung von aromahaltigen Lebensmittelprodukten und deren Verwendung
Aufheb.einer v.Form.sachbearb. erlass.Einspr.entsch.
Kein Verfah.fehler, wenn Entsch.ständ. Praxis folgt
Kein Abwart.ein.Stellungn.d.Beschw.gegn. n.abgel.Frige
Rectification of an opposition taken by the formalit.
officer; no procedural violation if the decision
follows common practise; no wait for comments by
the respondent after expiry of time limit
I. Gegen das aus der europäischen Patentanmeldung 82 100 867.9 hervorgegangene europäische Patent 58 856 war ein zulässiger Einspruch eingelegt worden. Nach wiederholtem Schriftwechsel der Beteiligten fand am 28. Juli 1987 eine mündliche Verhandlung statt. Im Anschluß daran teilte der Vorsitzende mit, es sei beabsichtigt, das Patent in geänderter Form aufrechtzuerhalten. Am 13. Oktober 1987 erging eine Mitteilung gemäß Regel 58 (4) EPÜ mit der Bitte an die Beteiligten, binnen einem Monat Stellung zu nehmen, wenn sie mit der Fassung, in der das Patent aufrechterhalten werden sollte, nicht einverstanden seien, dies verbunden mit dem Hinweis, daß der Einsprechende, der keine Einwendungen erhebe, durch die dann erfolgende Entscheidung nicht beschwert sei, so daß ihm dagegen keine Beschwerde mehr zustehe. Einwendungen seitens des Einsprechenden erfolgten nicht.
II. Am 5. Mai 1988 erließ der Formalsachbearbeiter eine nicht mit Gründen versehene Entscheidung, wonach das europäische Patent 58 856 im angegebenen geänderten Umfang aufrechterhalten wurde.
III. Hiergegen hat der Beschwerdeführer (Einsprechende) mit gleichentags eingegangener Beschwerdeschrift vom 30. Juni 1988, die auch eine Begründung enthielt, Beschwerde erhoben, mit den Anträgen, die Entscheidung über die Zulässigkeit der Beschwerde bis zum Vorliegen einer Entscheidung der Großen Beschwerdekammer in der Sache T 271/85 auszusetzen sowie bei gegebener Zulässigkeit die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das angefochtene Patent zu widerrufen, soweit es Molkereiprodukte betrifft. Die Beschwerdegebühr wurde ebenfalls am 30. Juni 1988 entrichtet. Der Name und die Anschrift des Beschwerdeführers, die in der Beschwerdeschrift nicht enthalten waren, sind der Kammer mit ordnungsgemäß schriftlich bestätigtem Telex vom 6. April 1989 mitgeteilt worden.
IV. Eine Kopie der Beschwerdeschrift hat die Geschäftsstelle der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) mit Bescheid vom 10. August 1988 zugestellt und für eine eventuelle Erwiderung darauf eine Frist von vier Monaten bewilligt, die auf Gesuch hin einmal um zwei Monate verlängert worden ist. Ein weiteres Fristgesuch der Beschwerdegegnerin ist mangels ausreichender Begründung abgelehnt worden, so daß die Frist als am 20. Februar 1989 abgelaufen gilt. Die Geschäftsestelle hat gleichzeitig mit der Ablehnung des Fristgesuches mitgeteilt, daß die Akte dem Berichterstatter "nicht vor April 1989 vorgelegt" werde. Bis 31. März 1989 lag keine Stellungnahme der Beschwerdegegnerin vor.
V. Inzwischen hatte die Große Beschwerdekammer in ihrer Entscheidung G 01/88 vom 27. Januar 1989 die in der Sache T 271/85 vorgelegte Rechtsfrage entschieden, wie folgt:
"Die Beschwerde eines Einsprechenden ist nicht deswegen unzulässig, weil dieser es unterlassen hat, fristgerecht auf eine Aufforderung nach Regel 58 (4) EPÜ zu der Fassung, in der das europäische Patent aufrechterhalten werden soll, Stellung zu nehmen."
1. Entgegen Regel 64, Buchstabe a EPÜ enthielt die Beschwerdeschrift den Namen und die Anschrift des Beschwerdeführers nicht; dieser Mangel ist jedoch gemäß Regel 65 (2) EPÜ heilbar und durch das Telex vom 6. April 1989 geheilt. Da die Beschwerde im übrigen den Artikeln 106 bis 108 sowie Regel 64 EPÜ entspricht, ist sie nach Feststellung der unter V. wiedergegebenen Entscheidung der Großen Beschwerdekammer zulässig.
2. Es liegt somit eine zulässige Beschwerde gegen eine nicht mit Gründen versehene Entscheidung vor, die nicht von der dafür zuständigen Einspruchsabteilung, sondern von der Formalprüfungsstelle getroffen wurde. Damit verstößt die angefochtene Entscheidung gegen Regel 68 (2) EPÜ und ist daher aufzuheben, ohne daß auf die materielle Begründetheit der Beschwerde einzugehen ist. Die Sache ist vielmehr zur Fortsetzung des Einspruchsverfahren an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen, die eine mit Gründen versehene Entscheidung zu erlassen haben wird.
3. Eine Stellungnahme der Beschwerdegegnerin brauchte vor einer Entscheidung schon deswegen nicht abgewartet zu werden, weil ihr hierfür bereits ausreichend Gelegenheit (Art. 113 EPÜ) geboten wurde, ohne daß sie davon Gebrauch gemacht hat. Im übrigen wird ihr das fortgesetzte Verfahren dafür noch weiter Gelegenheit bieten.
4. Ein Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr liegt der Kammer nicht vor; diese hat jedoch von sich aus die Frage geprüft, ob eine solche auf Grund eines wesentlichen Verfahrensmangels der Billigkeit entspräche (R. 67 EPÜ). Dies ist nach Auffassung der Kammer nicht der Fall, weil die angefochtene Entscheidung der ständigen, auch durch die Beschwerdeentscheidung T 185/85 (ABl. EPA 1986, 373) bestätigten Praxis entsprach und somit nicht verfahrensfehlerhaft war.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird zur Fortsetzung des Einspruchsverfahrens an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen.