T 0544/88 (Verminderung des NOx-Gehalts) 17-04-1989
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1. Nach Vorlage durch den Anmelder von neuen, als einheitlich behaupteten Ansprüchen auf eine Beanstandung der Uneinheitlichkeit im Sinne von Artikel 82 EPÜ hin ist das Prüfungsverfahren auch dann fortzusetzen, wenn die übrigen Anmeldungsunterlagen nicht auf die Gegenstände dieser Ansprüche beschränkt wurden.
2. In bezug auf die Beschreibung und die Zeichnungen kann dagegen die Prüfungsabteilung den Anmelder dazu auffordern, diese in Einklang mit den gültigen Ansprüchen zu bringen (R. 27 (1) d) EPÜ) und die Teile der Beschreibung und der Zeichnungen, die sich nicht auf beanspruchte Erfindungen beziehen, aus den Patentunterlagen zu streichen (R. 34 (1) c) EPÜ). Dabei wird im Einzelfall zu prüfen sein, ob es zweckmäßig ist, solche Anpassungen so lange zurückzustellen, bis gewährbare Ansprüche vorliegen.
I. Die Beschwerdeführerin ist Anmelderin der europäischen Patentanmeldung 85 100 682.5 (Veröffentlichungsnummer 0 163 001).
II. In einem Bescheid der Prüfungsabteilung des Europäischen Patentamts vom 9. Juli 1987 wurde die Einheitlichkeit im Sinne von Art. 82 EPÜ des Gegenstandes dieser Anmeldung beanstandet.
III. Ihrer am 5. November 1987 eingereichten Erwiderung auf diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin einen neuen Satz von Ansprüchen beigelegt, die der weiteren Prüfung zugrundegelegt werden sollten, unter dem Hinweis, daß damit kein Verzicht auf weitere Ansprüche ausgedrückt werden solle. Sie beantragte, eine eventuelle Ausscheidung, insbesondere der Inhalte der ursprünglichen Ansprüche 9 bis 12, zurückzustellen, bis Gewährbarkeit über die anliegenden oder vergleichbare Ansprüche erzielt sei. Eine geänderte Beschreibung wurde nicht eingereicht.
IV. Die europäische Anmeldung wurde am 27. Juni 1988 von der Prüfungsabteilung zurückgewiesen, mit der Begründung daß die ursprüngliche Patentanmeldung, insbesondere deren Patentansprüche 1 bis 12 das Erfordernis der Einheitlichkeit der Erfindung im Sinne von Art. 82 EPÜ nicht erfülle. In Bezug auf die am 5. November 1987 neu eingereichten Patentansprüche wurde von der Prüfungsabteilung festgestellt, daß durch die bloße Vorlage von neuen Patentansprüchen - ungeachtet ob diese einheitlich sind oder nicht - eine uneinheitliche Patentanmeldung grundsätzlich nicht vereinheitlicht werden könne. Die Einheitlichkeit einer Anmeldung könne nämlich nur durch eine vorbehaltlose ausdrückliche Beschränkung hergestellt werden, und zwar entweder in Form eines Verzichts oder durch Ausscheidung (Teilung).
V. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin Beschwerde eingelegt.
VI. In ihrer Beschwerdebegründung wies die Beschwerdeführerin darauf hin, daß es neben einem Verzicht oder einer Ausscheidung auch die Möglichkeit gebe, die Einheitlichkeit einer Patentanmeldung durch entsprechende sprachliche Anpassung der Anspruchsformulierung oder dergleichen herzustellen, insbesondere wenn und soweit die Anmelderin der Auffassung sei, daß die Anmeldung einen einheitlichen Gegenstand bzw. eine einheitliche Erfindung betreffe, auch wenn dies möglicherweise die Ansprüche vorab nicht sofort erkennen ließen. Gleichzeitig reichte sie einen neuen Satz von Patentansprüchen 1 bis 8 ein, die dem weiteren Verfahren zugrundegelegt werden sollten und die nach ihrer Auffassung einen einheitlichen Gegenstand oder eine einheitliche Erfindung umfaßten.
VII. Die Beschwerdeführerin beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben, und die Anmeldung zur weiteren Behandlung an die Prüfungsabteilung zurückzuverweisen.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Obwohl dies in der Zurückweisungsentscheidung der Prüfungsabteilung nicht ausdrücklich angegeben wurde, stützte sich diese Entscheidung auf die Anwendung von Regel 25 (1) b) EPÜ in ihrer damals gültigen Fassung, wonach eine europäische Teilanmeldung innerhalb von zwei Monaten nach der auf Aufforderung durch die Prüfungsabteilung erfolgten "Beschränkung" der früheren europäischen Patentanmeldung, wenn diese nicht Art. 82 EPÜ entspricht, einzureichen ist (vgl. Punkt 4 des Bescheids der Prüfungsabteilung vom 9. Juli 1987), sowie auf die entsprechende Anweisung in den Richtlinien für die Prüfung im Europäischen Patentamt, Teil C, Kapitel VI, 9.2, 2. Absatz. Letztere lautet:
"Wird innerhalb der festgesetzten Frist keine Beschränkung auf eine einzige Erfindung vorgenommen oder ist die Beschränkung nicht eindeutig oder nicht vorbehaltlos, so weist die Prüfungsabteilung die Anmeldung in der Regel zurück".
3. Die Regel 25 (1) EPÜ ist jedoch mit Wirkung vom 1. Oktober 1988 durch Beschluß des Verwaltungsrats der Europäischen Patentorganisation vom 10. Juni 1988 abgeändert worden. In ihrer nunmehr geltenden Fassung lautet sie wie folgt:
"(1) Der Anmelder kann bis zu dem Zeitpunkt, zu dem er gemäß Regel 51 Abs. 4 sein Einverständnis mit der Fassung erklärt, in der das europäische Patent erteilt werden soll, eine Teilanmeldung zu der anhängigen früheren europäischen Patentanmeldung einreichen."
4. Aufgrund der aufschiebenden Wirkung der vorliegenden Beschwerde auf die Wirkung der Entscheidung der Prüfungsabteilung (Art. 106 (1), letzter Satz EPÜ) vertritt die Kammer die Auffassung, daß diese neue Fassung der Regel 25 (1) auch im vorliegenden Fall anzuwenden ist.
5. In der nunmehr geltenden Fassung der Regel 25 (1) EPÜ kann keine Berechtigung dafür gefunden werden, den Anmelder zu einer Beschränkung der Patentanmeldung auf eine einheitliche Erfindung aufzufordern. Auch aus den übrigen Bestimmungen des EPÜ ist nicht zu entnehmen, daß die Zurückweisung einer Patentanmeldung aufgrund von Art. 82 EPÜ zu beschließen ist, wenn der Anmelder als Antwort auf eine Beanstandung im Hinblick auf die Einheitlichkeit der Erfindung zwar neue, nur auf eine einzige Erfindung oder Gruppe von Erfindungen im Sinne des Art. 82 EPÜ gerichtete Ansprüche eingereicht, jedoch auf die weiteren Erfindungen nicht ausdrücklich, etwa durch Streichung der entsprechenden Teile der Beschreibung und der Zeichnungen, verzichtet hat.
Nach Auffassung der Kammer ist die Einheitlichkeit einer Patentanmeldung nämlich lediglich aufgrund der gültigen Ansprüche zu bewerten, wie es auch der Wortlaut des Art. 84 und der Regel 30 EPÜ andeuten, die wie folgt lauten:
"Die Patentansprüche müssen den Gegenstand angeben, für den Schutz begehrt wird." (Art. 84 EPÜ, erster Satz), und
"Art. 82 ist so auszulegen, daß in einer europäischen Patentanmeldung insbesondere enthalten sein können:
a) neben einem unabhängigen Patentanspruch ..." (Regel 30 EPÜ).
Daher ist klar, daß über die Einheitlichkeit einer Patentanmeldung nur im Hinblick auf die gültigen Patentansprüche entschieden werden kann.
In bezug auf die Beschreibung und die Zeichnungen kann dagegen die Prüfungsabteilung die Anmelderin dazu auffordern, diese in Einklang mit den gültigen Ansprüchen zu bringen (Regel 27 (1) d) EPÜ), und die Teile der
Beschreibung und der Zeichnungen, die sich nicht auf beanspruchte Erfindungen beziehen, aus den Patentunterlagen zu streichen (Regel 34 (1) c EPÜ). Dabei wird im Einzelfall zu prüfen sein, ob es zweckmäßig ist, solche Anpassungen solange zurückzustellen, bis gewährbare Ansprüche vorliegen.
6. Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin neue Patentansprüche eingereicht, deren Einheitlichkeit von der Prüfungsabteilung nicht geprüft worden ist (siehe Punkt 5, Seite 5 der angefochtenen Entscheidung).
Die Kammer hält es deshalb für geboten, von der ihr durch Art. 111 EPÜ gegebenen Möglichkeit Gebrauch zu machen und die Angelegenheit zur weiteren Prüfung an die Prüfungsabteilung zurückzuverweisen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die Prüfungsabteilung zur weiteren Prüfung auf der Grundlage der am 21. Oktober 1988 eingereichten Ansprüche 1 bis 8 zurückverwiesen.