T 0688/90 26-10-1992
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Fahrbahnanlage für Spielfahrzeuge
Erweiterung durch Weglassen von Merkmalen im unabhängigen Patentanspruch (unzulässig); Vorlage von Rechtsfragen an die Große Beschwerdekammer (abgelehnt)
Amendments - added subject-matter - deletion of features in independent claim (not admissible)
Referral to the Enlarged Board of Appeal (no)
I. Der am 16. Februar 1987 für eine Fahrbahnanlage für Spielzeugfahrzeuge angemeldeten und am 2. September 1987 veröffentlichten europäischen Patentanmeldung Nr. 87 810 094.0 lagen 13 Ansprüche zugrunde, wovon der einzige unabhängige Anspruch 1 folgenden Wortlaut hatte:
"Fahrbahnanlage für Spielzeugfahrzeuge, mit geraden und gebogenen Fahrbahnstücken, welche zur mechanischen, lösbaren Verbindung mit einer zusammenhängenden Grundfläche bestimmt sind, welche entsprechende Kupplungsorgane in einem einheitlichen, quadratischen Bauraster mit einem gegebenen Baumodul m aufweist, dadurch gekennzeichnet, daß feste Bezugspunkte (6,7) an den Enden der mit der Grundfläche zu verbindenden Fahrbahnstücke (4) jeweils Symmetriepunkten eines vorbestimmten, quadratischen Fahrbahnrasters (1) zugeordnet sind, welches bezüglich des Baurasters der Grundfläche gleich orientiert ist und einen ein Vielfaches des Baumoduls m betragenden Fahrbahnmodul M aufweist, daß ferner sich jedes gebogene Fahrbahnstück (4) aus einem längeren, kreisbogenförmigen Abschnitt (8) und aus einem kürzeren, geraden Abschnitt (9) zusammensetzt, wobei das Zentrum (ZI) des kreisbogenförmigen Abschnitts (8) gegenüber dem in einem Symmetriepunkt des Fahrbahnrasters (1) liegenden Zentrum (ZO) eines den Winkelbereich des Fahrbahnstücks (4) bestimmenden Teilkreises (RI) versetzt ist, dessen ihn begrenzenden Radien (3,3') durch die Symmetriepunkte des Fahrbahnrasters (1) gehen, welchen die Bezugspunkte (6,7) an den Enden des Fahrbahnstücks (4) zugeordnet sind, und wobei das Zentrum (ZI) des kreisbogenförmigen Abschnitts (8) durch den Schnittpunkt der Winkelhalbierenden (WI) der in den Bezugspunkten (6,7) an den Enden des Fahrbahnstücks (4) gelegten Tangenten (T) mit einem der beiden den Teilkreis (RI) begrenzenden Radien (3,3') bestimmt ist, und daß die Länge jedes geraden Fahrbahnstücks in einem festen Verhältnis zum Fahrbahnmodul M steht."
II. Mit der Eingabe vom 30. September 1988 legte die Beschwerdeführerin geänderte Ansprüche 1, 2 und 5 bis 13 vor. Der geänderte einzige unabhängige Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
"Fahrbahnanlage für Spielfahrzeuge, mit geraden und gebogenen Fahrbahnstücken (4, 25, 36, 37, 40), wobei jedes gebogene Fahrbahnstück (4, 37, 40) am ersten Ende einen ersten Bezugspunkt (6), durch welchen eine erste Bahntangente (T) geht, und am zweiten Ende einen zweiten Bezugspunkt (7) aufweist, durch welchen eine zweite Bahntangente (T) geht, wobei die Bezugspunkte (6,7) die Enden der Mittellinien (10) der gebogenen Fahrbahnstücke (4, 37, 40) sind und der Aussenwinkel der beiden Bahntangenten (T) kleiner als 90° ist, dadurch gekennzeichnet, daß die Anlage mindestens zwei Gruppen von gebogenen Fahrbahnstücken (4, 37, 40) umfaßt, wobei ausgehend vom ersten Bezugspunkt (6) die Fahrbahnstücke (37) der ersten Gruppe nach rechts und die Fahrbahnstücke (40) der zweiten Gruppe mit analogem Bogenverlauf nach links derart ausgebildet sind, daß bei den Fahrbahnstücken (37, 40) beider Gruppen der Abstand des zweiten Bezugspunktes (7) vom ersten Bezugspunkt (6) in der Richtung der ersten Bahntangente (T) gemessen ein erstes ganzzahliges Vielfaches des halben Fahrbahnmoduls (M) eines quadratischen Fahrbahnrasters beträgt, und deren Abstand des zweiten Bezugspunktes (7) vom ersten Bezugspunkt (6) in der Richtung senkrecht zur ersten Bahntangente (T) gemessen ein zweites ganzzahliges Vielfaches des halben Fahrbahnmoduls (M) beträgt."
III. Die Anmeldung wurde durch eine am 24. April 1990 abgesandte Entscheidung der Prüfungsabteilung zurückgewiesen. Die Zurückweisung wurde im wesentlichen damit begründet, daß der Gegenstand des geänderten Anspruches 1 nicht ausreichend offenbart und im Hinblick auf Artikel 123 (2) EPÜ daher nicht zulässig sei.
IV. Am 6. Juni 1990 hat die Beschwerdeführerin gegen die vorgenannte Entscheidung unter gleichzeitiger Bezahlung der Gebühr Beschwerde eingelegt und am 22. August 1990 die Beschwerdebegründung eingereicht. Mit der Beschwerdebegründung hat sie neue Patentansprüche 3 und 4 und neue Beschreibungsseiten 1 - 4, 4a, 35, 35a, sowie als Hilfsantrag einen geänderten ersten Teil (Seite 40) des ursprünglich eingereichten Anspruches 1 vorgelegt.
In der am 26. Oktober 1992 durchgeführten mündlichen Verhandlung hat die Anmelderin folgende Anträge gestellt:
Hauptantrag:
Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Erteilung eines Patents mit den folgenden Unterlagen:
Patentansprüche 1, 2, 5 bis 13, eingereicht mit Schreiben vom 30. September 1988 (diese Ansprüche waren für den Zurückweisungsbeschluß gültig);
Patentansprüche 3, 4, eingereicht mit Schreiben vom 20. August 1990;
Beschreibung: Seiten 1 bis 4, 4a, 35, 35a, eingereicht mit Schreiben vom 20. August 1990; Seiten 5 bis 34; 36 bis 39, wie urprünglich eingereicht;
Zeichnung: Figuren 1 bis 44, wie ursprünglich eingereicht.
Erster Hilfsantrag:
Vorlage der folgenden Rechtsfragen an die Große Beschwerdekammer:
a) Ist eine Erweiterung eines Patentanspruchs 1 durch Weglassen oder Verallgemeinern von Merkmalen grundsätzlich nur dann zulässig, wenn für die Erweiterung als solche in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen eine Offenbarungsgrundlage vorhanden war?
b) Darf ein geänderter Anspruch Abwandlungen oder Äquivalente der beschriebenen Ausführungsformen nur dann einschließen, wenn im ursprünglichen Anmeldetext diese Abwandlung oder Äquivalente oder die Möglichkeit dazu beschrieben waren?
Zweiter Hilfsantrag:
Wie Hauptantrag mit der Abweichung, daß die Patentansprüche 1 und 2 zusammengefaßt werden. Der Anspruch 2 des Hauptantrages hat folgenden Wortlaut:
"Fahrbahnanlage nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß an beiden Enden der gebogenen Fahrbahnstücke (4, 37, 40) der ersten und zweiten Gruppe auf der Unterseite Gegenkupplungsorgane (Fig. 37) zum Kuppeln mit Kupplungszapfen einer Grundfläche angeordnet sind, wobei beide Gegenkupplungsorgane dem gleichen quadratischen Bauraster mit einem Baumodul (m) zugeordnet sind, daß die eine Richtung des Baurasters parallel zur ersten Bahntangente (T) ist, und daß das Fahrbahnmodul (M) ein ganzzahliges Vielfaches des Baumoduls (m) beträgt."
Dritter Hilfsantrag:
Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Erteilung eines Patents mit folgenden Unterlagen:
Patentanspruch 1, erster Teil: Seite 40 eingereicht mit Schreiben vom 20. August 1990; zweiter Teil: Seite 41 wie ursprünglich eingereicht; Patentansprüche 2 bis 13, wie ursprünglich eingereicht;
Beschreibung: Seiten 1 bis 39, wie ursprünglich eingereicht;
Zeichnungen: Figuren 1 bis 44, wie ursprünglich eingereicht.
Der erste Teil des Patentanspruches 1 unterscheidet sich von dem ersten Teil des ursprünglichen Patentanspruches 1 (vgl. Abschnitt I der Entscheidung) dadurch, daß auf Seite 40, Zeile 3, das Wort "zusammenhängenden" und in Zeile 4, das Wort "entsprechende" gestrichen wurden.
V. Die vorstehend genannten Anträge wurden im wesentlichen wie folgt begründet:
Hauptantrag:
Die von der Erfindung objektiv gelöste Aufgabe bestehe darin, Ausgleichsfahrbahnstücke zu vermeiden.
Die grundsätzliche Lösung der Erfindungsaufgabe wäre darin zu sehen, daß die Mittellinien der gebogenen Fahrbahnstücke eine von der Kreisform abweichende Form hätten, derart, daß die die Bezugspunkte bildenden Enden der Mittellinien der gebogenen Fahrbahnstücke mit Symmetriepunkten eines der Quadrate eines quadratischen Fahrbahnrasters zusammenfielen. Wegen dieser von der Kreisform abweichenden Mittellinie der gebogenen Fahrbahnstücke seien bei der erfindungsgemäßen Fahrbahnanlage zwei unterschiedliche Gruppen von gebogenen Fahrbahnstücken erforderlich, nämlich ausgehend vom ersten Bezugspunkt, dessen Bahntangente parallel zum Fahrbahnraster anzuordnen sei, nach rechts oder nach links gebogene Fahrbahnstücke. Die Lösung sei Gegenstand des geltenden Anspruches 1 und sei durch die ursprüngliche Beschreibung und Zeichnung ausreichend gestützt und verstoße daher nicht gegen Art. 123 (2) EPÜ.
Der Fachmann erkenne aus den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen sofort und unzweideutig, daß der Kern der vorliegenden Erfindung darin bestehe, den gebogenen Fahrbahnstücken eine von der Kreisform abweichende Form zu geben, derart, daß die Bezugspunkte mit Symmetriepunkten des Fahrbahnrasters zusammenfallen. Ferner sei ausdrücklich darauf hingewiesen, daß es sich bei den nachfolgend beschriebenen, gebogenen Fahrbahnstücken, die alle aus geraden und kreisbogenförmigen Abschnitten bestehen, um Ausführungsbeispiele der erfindungsgemäßen Lösung handle. Für den Fachmann wäre es sofort klar, daß die ursprünglich beanspruchte Kurvenform, nämlich die Zusammensetzung aus einem geraden und einem kreisförmigen Abschnitt, zur Lösung der Erfindungsaufgabe nicht zwingend erforderlich sei, sondern bloß eine bevorzugte, weil besonders einfach konstruierbare und herstellbare Ausführungsvariante darstelle. Er entnähme dem Anmeldetext, daß die Erfindung auch mit anderen Kurvenformen verwirklicht werden könne, welche die Randbedingungen erfüllten: Bezugspunkte in Symmetriepunkten des Rasters und Tangentenrandbedingung. Mehrere Beispiele wurden während der mündlichen Verhandlung vorgeführt.
Die Beschwerdeführerin brachte weiterhin vor, daß die Anmelderin keineswegs die Absicht hatte, den Schutzbereich des Patents auf 45°-Bogenstücke zu beschränken. Explizit seien auch Winkel von 22,5° und 30° angegeben. Da es wegen des Spielwertes erwünscht sei, mit einer möglichst geringen Anzahl unterschiedlicher gebogener Fahrbahnstücke auszukommen, beschränke sich die detaillierte Beschreibung auf die 45°-Bogen, aber ausdrücklich im Sinne von Ausführungsbeispielen. Der Schnittpunkt der Geraden mit dem Neigungswinkel 22,5° und dem Kreisbogen, der den Radius 6,5 M hat, käme exakt auf den Symmetriepunkt eines Rasterquadrates zu liegen. Aus diesem Beispiel wäre ersichtlich, daß das gebogene Fahrbahnstück nicht aus einem kurzen, geraden Abschnitt und aus einem längeren, kreisbogenförmigen Abschnitt zusammengesetzt sei. Der ursprüngliche Anspruch 1 stünde im Widerspruch zu diesem explizit offenbarten Ausführungsbeispiel.
Auch auf ein Ausführungsbeispiel mit einem Winkelbereich von 30° wurde hingewiesen, wobei der Endpunkt des Teilkreises nahe einem Symmetriepunkt eines Rasters komme.
Die auf die Grundplatte und das Baumodul bezogenen Merkmale des ursprünglichen Anspruches 1 seien unklar, weil die Grundplatte nicht ein Bestandteil der Fahrbahnanlage, sondern ein Bestandteil des Steckbaukastens sei.
Seitens der Beschwerdeführerin wurden im Hinblick auf einen Vergleich der Prüfung nach Artikel 123 (2) EPÜ mit der Neuheitsprüfung mehrere Beispiele angeführt.
Erster Hilfsantrag:
Die formulierte Fragestellung für die große Beschwerdekammer geht zurück auf die in einem Zwischenbescheid mitgeteilte Auffassung der Beschwerdekammer, daß die Anmelderin zunächst einmal Abwandlungen oder Äquivalente oder die Möglichkeit dazu beschrieben haben muß, bevor sie diese in einem Anspruch einschließen kann.
Die Beschwerdeführerin sieht in der Fragestellung ein Rechtsproblem von grundsätzlicher Bedeutung, weil sie der Ansicht ist, daß die Auffassung der Beschwerdekammer im Widerspruch zu den Entscheidungen T 331/87 und T 52/82 und zur Rechtspraxis in den meisten industrialisierten Ländern stehe. Sie verweist auf die Artikel von O. Bossung in GRUR Int. 1991, S. 439 ff; und R. Kraßer, in II C 4/92.
Zweiter Hilfsantrag:
Durch die Zusammenführung der Ansprüche 1 und 2 des Hauptantrages sei im neuen Anspruch 1 ein Merkmal hinzugefügt worden, das die Beschwerdekammer als wesentlich ansieht.
Dritter Hilfsantrag:
Dieser Hilfsantrag umfasse einen Anspruch 1, der im Sinne der ersten Instanz klargestellt wurde.
Weiteres Vorbringen der Beschwerdeführerin:
Zur Stützung ihrer Argumente hat die Beschwerdeführerin auf folgende Entscheidungen hingewiesen: T 260/85, T 52/82, T 177/86, T 131/87, T 172/82, T 169/83 und T 331/87.
Wegen weiterer Überlegungen der Beschwerdeführerin vor allem zum Thema "Artikel 123 (2) EPÜ" wird auf den Akteninhalt verwiesen.
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie der Regel 64 EPÜ; sie ist zulässig.
2. Zulässigkeit von Änderungen im Hinblick auf Artikel 123 (2) EPÜ.
2.1. Der Patentanspruch 1 des Hauptantrages stimmt mit dem ursprünglich eingereichten Patentanspruch 1 lediglich darin überein, daß beide eine Fahrbahnanlage für Spielfahrzeuge mit geraden und gebogenen Fahrbahnstücken betreffen. Im einzelnen betreffen die weggelassenen Merkmale die Zweckbestimmung der Fahrbahnanlage im Hinblick auf die Befestigungsmöglichkeit auf bestimmte Grundplatten und die spezielle Ausbildung der Fahrbahnstücke im Hinblick auf diese Grundplatten mit den Befestigungsmitteln, sowie einen bestimmten Kurvenverlauf der Fahrbahnstücke.
2.1.1. Nach der in der ursprünglichen Beschreibung (Seite 3, zweiter Absatz) angegebenen Aufgabe sollen mindestens die beiden Enden jedes gebogenen Fahrbahnstückes mit Rastpunkten des quadratischen Rasters der Grundfläche übereinstimmen.
2.1.2. Unter Berücksichtigung der in der Beschreibungseinleitung (vgl. Seiten 1 - 3) der ursprünglichen Unterlagen erläuterten Problematik ergibt sich, daß sich die technische Offenbarung, die am Anmeldetag ersichtlich war für einen Fachmann, ausschließlich auf eine Fahrbahnanlage mit Fahrbahnstücken bezieht, welche zur mechanischen, lösbaren Verbindung mit einer Grundfläche bestimmt sind, wie dies auch im ursprünglichen Anspruch 1 angegeben ist (Zweckbestimmung). Gerade in der Einleitung der ursprünglichen Beschreibung, in der die Zielrichtung der Erfindung zu erkennen ist, wurde angeführt (vgl. Seite 1), daß bei Gleisanlagen welche durch Verbinden gerader und gebogener Fahrbahnstücke direkt auf einem Boden aufgebaut werden, im allgemeinen keine besonderen Schwierigkeiten vorliegen, um geschlossene Konfigurationen mit geometrisch korrektem Verlauf zu bilden. Bei den bekannten Fahrbahnanlagen wäre jedoch die Verbindung gerader und gebogener Fahrbahnstücke mit einer einen einheitlichen, quadratischen Raster aufweisenden Grundplatte in nachteiliger Weise nur unter Inkaufnahme mechanischer Zwangsausübung auf die Fahrbahnstücke oder allenfalls unter Hinzunahme ganz besonderer Ausgleichs-Fahrbahnstücke möglich. Sowohl die eine wie die andere dieser Maßnahmen würden jedoch den Spiel- und Nutzwert einer solchen Anlage ganz erheblich beeinträchtigen (vgl. Seite 3 der ursprünglichen Beschreibung).
Ein wesentlicher Gesichtspunkt ist daher darin zu sehen, Schwierigkeiten bei der Kupplung von Fahrbahnstücken mit bestimmten Grundplatten zu überwinden und dabei die bisher erforderlichen, ganz besonderen Ausgleichs-Fahrbahnstücke zu vermeiden. Es mag zwar zutreffen, daß Fahrbahnstücke, die auf eine Grundplatte aufsetzbar sind, auch auf einem Boden aufgebaut werden können, es kann jedoch nicht erwartet werden, daß umgekehrt Fahrbahnstücke, die auf den Boden aufgebaut werden können, zwangsläufig auch auf eine bestimmte Grundplatte passen. Ein Neuheitstest, wie er von der Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit Artikel 123 (2) EPÜ angeführt wurde, kann daher zu keinem anderen Resultat führen. Die Merkmale, die die Ausbildung der Fahrbahnstücke im Hinblick auf Kupplungsorgane einer vorgegebenen Grundplatte betreffen, sind wesentliche Merkmale der Erfindung, so wie sie in den ursprünglichen Unterlagen vorgestellt worden ist, auf die im Anspruch 1 nicht verzichtet werden kann, ohne gegen Artikel 123 (2) EPÜ zu verstoßen.
Das Argument der Beschwerdeführerin, daß die Zweckbestimmung hinsichtlich der Grundplatte irrtümlich im ursprünglichen Patentanspruch 1 enthalten sei, geht an der Tatsache vorbei, daß die einzige Problematik, die in der ursprünglichen Anmeldung überwiegend angesprochen wurde, sich mit der Zusammenbaubarkeit zwischen Fahrbahnstücken einerseits und Grundplatte mit Kupplungsorganen andererseits auseinandersetzt. Eine solche Vorstellung der Problematik, die als Basis für die Aufgabe und deren Lösung zu gelten hat, kann nicht als irrtümlich abgetan werden.
2.1.3. Auch der von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Ansicht, die im ursprünglichen Anspruch 1 angegebene spezielle Ausbildung der Fahrbahnstücke, nämlich die Zusammensetzung aus einem geraden und einem kreisförmigen Abschnitt, sei zur Lösung der Erfindungsaufgabe nicht zwingend erforderlich, sondern stelle bloß eine bevorzugte, weil besonders einfach konstruierbare und herstellbare Ausführungsvariante dar, kann die Kammer nicht zustimmen.
In der Beschreibung ist im Zusammenhang mit der für die Kupplung der Fahrbahnstücke mit der Grundplatte erforderlichen Deckung der Endpunkte der Fahrbahnstücke mit Symmetriepunkten eines quadratischen Rasters angeführt (vgl. Seite 11), daß die vorliegende Erfindung auf dem Gedanken beruht, daß es möglich ist, eine geometrische Deckung mindestens der beiden Endpunkte eines gebogenen Fahrbahnstücks mit einem der angeführten Symmetriepunkte des gegebenen Rasters zu erzielen, wenn dem gebogenen Fahrbahnstück eine in einfacher Weise reproduzierbare, geringfügig von der Kreisgeometrie abweichende Form verliehen wird. Die Beschwerdeführerin verweist zur Stützung ihrer Argumente unter anderem auf diesen Beschreibungsteil.
Gerade hieraus ist jedoch zu erkennen, daß ein weiterer wesentlicher Gesichtspunkt der vorliegenden Erfindung darin zu sehen ist, daß dem gebogenen Fahrbahnstück eine in einfacher Weise reproduzierbare, geringfügig von der Kreisgeometrie abweichende Form verliehen wird, die es erlaubt Konfigurationen mit geometrisch korrektem Verlauf zu bilden.
Als eine derartige, leicht reproduzierbare Form ist in der ganzen Anmeldung und auch im ursprünglichen Anspruch 1 nur die aus einem längeren, kreisbogenförmigen Abschnitt und einem kürzeren, geraden Abschnitt zusammengesetzte Form angegeben, wodurch die Konfigurationen mit geometrisch korrektem Verlauf gebildet werden können. Es trifft zwar zu, daß diese Form als Ausführungsbeispiel angeführt wurde, doch konnte der Fachmann aus den ursprünglichen Unterlagen keine andere Ausführungsform ableiten, die der genannten Forderung entsprochen hätte. Selbst wenn der im ursprünglichen Anmeldetext häufig gebrauchte Ausdruck "erfindungsgemäß" im allgemein üblichen, landläufigen Sinne verwendet wurde, wie dies die Beschwerdeführerin jetzt anführt, so müßte in der Beschreibung ein Anhaltspunkt vorhanden sein, der die Streichung der als erfindungsgemäß bezeichneten Merkmale aus dem ursprünglichen Anspruch 1 rechtfertigen könnte. Dies ist in der vorliegenden Anmeldung jedoch nicht der Fall.
Das von der Beschwerdeführerin angeführte Beispiel (Fig. 1: Punkt 6M -2,5M) mit einem Winkelbereich von 22,5° betrifft einen Sonderfall, nämlich einen Kreis, und nicht eine von der Kreisgeometrie geringfügig abweichende Kurve. Die Grundidee ist jedoch gerade darin zu sehen die Fahrbahnstücke um einen Grundradius, dessen Kreis nicht durch einen Symmetriepunkt des Rasters geht, so auszubilden, daß die Endpunkte sich mit Symmetriepunkten decken und das Fahrbahnstück eine in einfacher Weise reproduzierbare kreisähnliche Form aufweist. Dies wurde auch von der Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerdebegründung vom 20. August 1990 erkannt. Auf Seite 4, 3. Absatz wird sogar mehrmals auf "eine von der Kreisform abweichende Form" als grundsätzliche Lösung der Erfindungsaufgabe hingewiesen. Noch deutlicher wird auf Seite 7, 2. Absatz darauf hingewiesen, daß "im vorliegenden Fall der Fachmann aus den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen sofort und unzweideutig erkennt, daß der Kern der vorliegenden Erfindung darin besteht, den gebogenen Fahrbahnstücken eine von der Kreisform abweichende Form zu geben". Diese Erklärung deckt sich, nach Ansicht der Kammer, eindeutig mit der Information, die ein Fachmann beim Durchlesen der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen unzweideutig erhält.
Auch das von der Beschwerdeführerin herangezogene Beispiel mit einem Winkelbereich von 30° wird der Fachmann nicht in Betracht ziehen, weil die Gerade mit einem Neigungswinkel von 30° im angegebenen Bereich nicht durch einen Symmetriepunkt verläuft. Ein Winkelbereich, der aber um einige Grad von 30° abweicht oder ein Winkelbereich der zwar 30° hat aber nicht mehr vom ursprünglichen Bauplatten-Raster ausgeht, kann nicht in der angestrebten einfachen Weise zu einem geschlossenen Fahrbahnsystem führen, das Konfigurationen mit einem korrekten geometrischen Verlauf ermöglicht.
Überdies ist in der ursprünglichen Beschreibung bereits angegeben, daß die Winkelbereiche von 22,5° und 30° von geringem Interesse sind.
Auch die von der Beschwerdeführerin während der mündlichen Verhandlung vorgebrachten weiteren Gestaltungsmöglichkeiten können die Kammer nicht davon überzeugen, daß diese für einen Fachmann direkt und ohne weiteres aus den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen ableitbar gewesen wären. Der Fachmann, der die ursprüngliche Anmeldung liest, wird zur Auffassung gelangen, daß die im ursprünglichen Anspruch 1 angegebene Kurvenform den Ausführungsweg angibt und ein wesentliches Merkmal zur Lösung der gestellten Aufgabe ist. Eine andere einfache, reproduzierbare kreisnahe Kurvenform konnte er aus den ursprünglichen Unterlagen weder ableiten noch konnte er daraus entnehmen, daß eine solche beabsichtigt gewesen wäre. Wenn auch andere kreisnahe Kurvenformen verwendet werden können, wie dies die Beschwerdeführerin zur Stützung ihrer Argumente angeführt hat, so ist damit jedoch nicht belegt, daß sie die Anmelderin bis zum Zeitpunkt des Anmeldetages als einfach reproduzierbare Formen in Betracht gezogen hat.
2.1.4. Im Anspruch 1 des Haupantrages ist nur noch von gebogenen Fahrbahstücken die Rede, mit durch Bezugspunkte an den Enden der Fahrbahnstücken gehenden Bahntangenten, deren Außenwinkel kleiner als 90° ist, wobei lediglich die Abstände der Bezugspunkte zueinander angegeben sind. Merkmale, die eine in einfacher Weise reproduzierbare, geringfügig von der Kreisgeometrie abweichende Form betreffen und die dazu führen, Konfigurationen mit korrektem geometrischen Verlauf bilden zu können, sind daraus jedoch nicht mehr erkennbar. Auch wurde von der Beschwerdeführerin nicht nachgewiesen, wo die Verallgemeinerung des Winkels der Bahntangenten mit kleiner als 90° in den ursprünglichen Unterlagen ihre Grundlage hat.
2.1.5. Die von der Beschwerdeführerin hier zur Stützung ihrer Ansicht herangezogenen Entscheidungen sind nicht einschlägig.
Aus der von der Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit den Richtlinien C VI 5.8a genannten Entscheidung T 260/85 geht hervor, daß es nicht zulässig ist, aus einem unabhängigen Anspruch ein Merkmal zu streichen, das in der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldung durchwegs als für die Erfindung wesentlich hingestellt wurde. Dies trifft gerade für den vorliegenden Fall zu. So ist in der vorliegenden Anmeldung durchwegs ein aus einem kreisbogenförmigen Abschnitt und einem geraden Abschnitt zusammengesetztes gebogenes Fahrbahnstück als ein für die Lösung des Problems notwendiges Merkmal, also als erfindungswesentlich, beschrieben.
Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, daß die Prüfungsabteilung mit der Begründung, an keiner Stelle der ursprünglichen Beschreibung sei dargelegt, daß die weggelassenen Merkmale nicht für die Erfindung notwendig sind, aussagt, daß die durchgeführte Änderung keinen Widerspruch zwischen dem ursprünglichen Anspruch 1 und der ursprünglichen Beschreibung behebe. Diese Auslegung des Artikels 123 (2) EPÜ stehe im Widerspruch zu den Beschwerdeentscheidungen T 52/82, T 177/86 und T 131/87. Hierzu ist festzustellen, daß im Zurückweisungsbeschluß der Prüfungsabteilung von einem Widerspruch nicht die Rede ist. Ein Widerspruch zwischen der ursprünglichen Beschreibung und dem ursprünglichen Anspruch 1 liegt nach Ansicht der Kammer nicht vor. Die genannten Beschwerdeentscheidungen geben keinen Anhaltspunkt dafür, daß es erlaubt ist, die im ursprünglichen Anspruch 1 als für die Erfindung wesentlich zu erkennenden Merkmale in einem geänderten Anspruch 1 wegzulassen.
Die Beschwerdeführerin bringt weiterhin vor, daß es sich bei der Streichung von den Merkmalen im Anspruch 1 um Klarstellungen handle, und verweist auf die Enstscheidung T 172/82. Wie die Beschwerdekammer jedoch feststellt, wird durch die Streichung der Merkmale im Anspruch 1 weder eine Klarstellung noch eine Behebung eines Widerspruches erreicht. Im Gegenteil, diese Merkmale sind für die klare Definition der Fahrbahnstücke erforderlich.
Die von der Beschwerdeführerin angeführte Entscheidung T 331/87 befaßt sich mit der Zulässigkeit der Streichung von Merkmalen aus dem Anspruch 1 und stellt unter anderem fest, daß die Streichung der Merkmale dann zulässig ist, wenn sie nicht zur Lösung der technischen Aufgabe unbedingt erforderlich sind und die Streichung keine wirklichen Änderungen der anderen Merkmale erforderlich macht. Die gemäß dem Hauptantrag im vorliegenden Fall aus dem ursprünglichen Anspruch 1 gestrichenen Merkmale sind für die Lösung der technischen Aufgabe jedoch erforderlich, wie bereits an anderen Stellen der Begründung ausgeführt ist. Ein Weglassen dieser Merkmale macht zusätzliche Änderungen bzw. Streichungen von anderen Merkmalen des Anspruches 1 erforderlich, wie die Beschwerdeführerin in ihren Eingaben selbst erläutert hat.
Die von der Beschwerdeführerin weiterhin genannte Entscheidung T 169/83 befaßt sich nicht mit der Streichung von erfindungswesentlichen Merkmalen aus einem unabhängigen Anspruch und ist damit für den vorliegenden Fall nicht relevant.
2.1.6. Die durch die Beschwerdeführerin im Schreiben vom 8. Oktober 1992 in bezug auf Artikel 123 (2) EPÜ vorgebrachten Beispiele (Seiten 6 bis 11) beziehen sich alle auf konkrete Sachverhalte, die mit dem vorliegenden Sachverhalt nichts zu tun haben.
2.1.7. Somit kann das Anspruchsbegehren nach dem Hauptantrag nicht gewährt werden, weil es gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstößt. Es kann dahingestellt bleiben, ob die im Anspruch 1 des Hauptantrages angegebenen Abstände ausreichend klar definiert sind.
2.2. Im zweiten Hilfantrag sind die Ansprüche 1 und 2 des Hauptantrages zu einem Anspruch 1 zusammengefaßt, so daß dieser Anspruch 1 zusätzlich zum Anspruch 1 des Hauptantrages lediglich die die Kupplungsteile betreffenden Merkmale enthält, jedoch die weiteren erforderlichen Merkmale der Kurvenbestimmung nicht berücksichtigt. Zudem gibt dieser Anspruch 1 wiederum die gegenüber den ursprünglichen Unterlagen erweiterte Winkeldefinition von kleiner als 90° an.
Auch das Anspruchsbegehren nach dem zweiten Hilfsantrag kann daher nicht gewährt werden, da es ebenfalls gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstößt.
3. Unter Bezugnahme auf die Entscheidungen T 331/87 und T 52/82 beantragt die Beschwerdeführerin im ersten Hilfsantrag, die im Abschnitt IV zitierten Rechtsfragen der Großen Beschwerdekammer vorzulegen.
Wie vorstehend im Abschnitt 2.1.5 dargelegt wurde, ist die Rechtsprechung der Beschwerdekammern zumindest im Hinblick auf das Weglassen oder Verallgemeinern von ursprünglich als wesentlich offenbarten Merkmalen weitgehend einheitlich. Hierzu wird auch auf die Entscheidung T 392/89, hingewiesen. Auch schließt sich die Kammer in der Frage der Zulässigkeit der Einführung von Abwandlungen und Äquivalenten der bestehenden Rechtsprechung an (vgl. T 118/89), so daß der in Artikel 112 (1) EPÜ genannte Vorlagegrund der "Sicherung einer einheitlichen Rechtsanwendung", entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin, nicht besteht. Auch handelt es sich vorliegend nach Auffassung der Kammer um einen durchaus üblichen Fall der Auslegung des Artikels 123 (2) EPÜ und nicht um eine "grundsätzliche Rechtsfrage", so daß auch der weitere Vorlagegrund des Artikel 112 (1) EPÜ nicht gegeben ist.
Die Vorlage der Fragen der Beschwerdeführerin an die Große Beschwerdekammer war somit zurückzuweisen.
4. Dem dritten Hilfsantrag war insofern stattzugeben, daß die Sache an die erste Instanz mit der Auflage zurückverwiesen wird, ein Patent zu erteilen mit den in der Entscheidungsformel angegebenen Unterlagen, da die Kammer der bereits durch die Prüfungsabteilung durchgeführten Prüfung der ursprünglichen Unterlagen nichts entgegenzusetzen hat. In der Tat entspricht der Anspruch 1 gemäß dem dritten Hauptantrag der Forderung der Prüfungsabteilung. Die Kammer möchte darauf aufmerksam machen, daß die Begriffe "Bezugspunkt" und "Symmetriepunkt" klar und deutlich in der Beschreibung, Seite 12, 2. Absatz, Zeilen 4 bis 7; bzw. Seite 7, 3. Absatz, Zeilen 1 bis 3, definiert sind (Art. 69 EPÜ).
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die Entscheidung der Prüfungsabteilung wird aufgehoben.
2. Der Hauptantrag sowie der erste und zweite Hilfsantrag werden zurückgewiesen.
3. Die Sache wird an die erste Instanz mit der Auflage zurückverwiesen, ein Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:
Patentanspruch 1, erster Teil, Seite 40, eingereicht mit Schreiben vom 20. August 1990; zweiter Teil, Seite 41, wie ursprünglich eingereicht;
Patentansprüche 2 - 13, wie ursprünglich eingereicht;
Beschreibung: Seiten 1 - 39, wie ursprünglich eingereicht;
Zeichnung: Figuren 1 - 44, wie ursprünglich eingereicht.