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T 0138/91 26-01-1993
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Druckdose zum Ausbringen von Montageschäumen, insbesondere Einkomponentenpolyurethanschaum
Ausführbarkeit (ja)
erfinderische Tätigkeit (ja)
Disclosure - sufficiency (yes)
Inventive step (yes)
I. Auf die europäische Patentanmeldung Nr. 82 109 534.6 ist am 28. Mai 1986 das europäische Patent Nr. 0 078 936 erteilt worden.
Der erteilte Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
"1. Druckdose zum Ausbringen von Montageschäumen, insbesondere Einkomponentenschäumen, welche aus einem Schaumbildner und einem zur Schaumbildung dienenden Teil eines Treibgases hergestellt werden, wobei die Dosenzarge (1) einen Zylinder (2), einen vorzugsweise eingestülpten Boden (6) und ein domartiges Oberteil (8) mit einem Verschluß (11) zum Ausbringen eines Schaumbildners durch ein Ventil (12) aufweist und ein fliegend angeordneter Kolben (14) an der Wand des Zylinders geführt ist, dessen Boden, eine obere Länge (24) des Zylinders, der Dom (8) und der Verschluß (11) die auszubringende Füllung umschließen, während das Treibmittel in einem von dem Kolben (14), einer unteren Länge (19) des Zargenzylinders und dem Dosenboden (6) gebildeten Treibgasraum untergebracht ist, welcher mit einem im Dosenboden angeordneten Einwegventil oder einem in den Boden eingepreßten Stopfen verschlossen ist, dadurch gekennzeichnet, daß der auf der Treibgasfüllung schwimmende Kolben (14) mit seinem Hemd (15) an der Wand des Zargenzylinders (2) geführt ist und daß die zur Schaumbildung erforderliche Treibgasmenge aus einem Treibgaszusatz zu der in die oben zunächst offene Dose (1) eingebrachten Schaumbildnerfüllung und aus Treibgas besteht, welches zwischen Kolbenhemd und Zargenzylinderwand in die Schaumbildnerfüllung übertritt."
Die abhängigen Ansprüche 2 und 3 beziehen sich auf bevorzugte Ausführungsformen der Druckdose nach dem Anspruch 1.
II. Ein gegen das erteilte Patent eingelegter Einspruch war auf die Einspruchsgründe mangelnde erfinderische Tätigkeit (Art. 100 a) EPÜ) und unvollständige Offenbarung (Art. 100 b) EPÜ) gestützt.
In ihm wurde auf folgende vorveröffentlichte Dokumente verwiesen:
(D1) US-A-3 362 589
(D2) US-A-3 022 923
(D3) US-A-3 132 570
(D4) Aerosal Age, February 1959, Seiten 20, 21 und 72
(D5) US-A-2 809 774.
III. Mit Entscheidung in der mündlichen Verhandlung vom 6. November 1990 (schriftlich begründet zur Post gegeben am 17. Dezember 1990) hat die Einspruchsabteilung das Patent widerrufen.
Die Entscheidung wurde damit begründet, daß die Erfindung unzureichend offenbart sei. Es fehlten in der Beschreibung des Patents irgendwelche Angaben, die die Herstellung einer Druckdose ermöglichen würden, mit der das aufgabenhaft formulierte Ergebnis gemäß dem erteilten Anspruch 1 erzielt werden könne. Es sei auch kein einziges konkretes Ausführungsbeispiel aufgeführt, dem eine gewisse Richtungsweisung entnommen werden könne, die es dem Fachmann erlauben würde, aufgrund seines Fachwisens in zumutbarem Umfang Versuche anzustellen, um die Lehre des Patents zu verwirklichen.
IV. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) am 7. Februar 1991 Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdegebühr bezahlt.
Die Beschwerdebegründung ist am 27. April 1991 eingegangen.
Die Beschwerdeführerin beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und den Einspruch zurückzuweisen.
V. Mit Schreiben vom 17. Dezember 1992 teilte die bisherige Beschwerdegegnerin mit, daß sie sich vom Verfahren zurückziehe. Mit Schreiben vom 20. November 1992 hat sie ihre Erklärung in dem Sinne verdeutlicht, daß sie auch die Rücknahme ihres Einspruchs erklärte.
VI. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin zur Stützung ihres Antrags kann wie folgt zusammengefaßt werden:
Die Einspruchsabteilung habe in ihrer Entscheidung die Bedeutung des Standes der Technik verkannt. Druckdosen, in denen der auszubringende Inhalt mittels eines Kolbens von der darunter befindlichen Treibgasfüllung getrennt ist, seien seit langem bekannt. Erfindungsgemäß sei diese Trennung so weit aufgehoben, daß das Treibgas aus dem unten gelegenen Treibmittelraum in die oben befindliche Schaumbildnerfüllung übertreten könne. Zu diesem Zweck werde in der Patentschrift ein Trennkolben vorgeschlagen, dessen Hemd an der Wand des Zargenzylinders geführt sei. Es sei für den Fachmann ohne weiteres ersichtlich, daß die Dichtigkeit eines solchen Kolbens von dessen Durchmesser abhänge, wobei der Kolbendurchmesser, der zu dem erwünschten Gasübertritt führe, durch routinemäßige Versuche zu ermitteln sei. Die im Einspruchsverfahren von der Beschwerdegegnerin vorgelegten Versuchsergebnisse seien als Beweismittel dafür, daß die Erfindung nicht ausführbar sei, völlig ungeeignet, weil die Versuche unter anderem von viel zu kurzer Dauer gewesen seien.
Bei der vorliegenden Erfindung handele es sich um eine Abkehr von der zuvor gängigen Praxis, Kolbendruckdosen im Kolbenbereich möglichst gasdicht zu machen. Hierzu biete der gesamte im Verfahren befindliche Stand der Technik keine Anregung.
1. Die Beschwerde entspricht den Erfordernissen der Artikel 106 bis 108 sowie der Regeln 1 (1) und 64 EPÜ. Sie ist daher zulässig.
Die gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung gerichtete Beschwerde, wird von der Erklärung der Zurücknahme des Einspruchs nicht berührt, wenn die Einspruchsabteilung das Patent widerrufen hat (vgl. T 628/90, ABl. EPA 1992, 654, Punkt 2.2). Die Kammer muß daher trotz des Ausscheidens der bisherigen Beschwerdegegnerin über die anhängige Beschwerde entscheiden und demzufolge prüfen, ob das europäische Patent den Erfordernissen des EPÜ entspricht.
2. Technologischer Hintergrund
Am Anmeldetag des vorliegenden Patents waren Druckdosen mit einem Kolben zur Trennung des Treibgases von der auszubringenden Füllung grundsätzlich bekannt, vgl. die Dokumente D1 bis D5. Die bekannten Trennkolben waren entweder mit einem gesonderten Dichtring (vgl. die Dokumente D1 und D4) oder ohne einen solchen (vgl. die Dokumente D2, D3 und D5) ausgeführt. Der in den Dokumenten D2 und D3 gezeigte Trennkolben ist schwimmend auf der Treibgasfüllung gelagert und weist ein zum Treibgasraum hin gerichtetes Kolbenhemd auf. Wie in den Dokumenten D2 und D3 eindeutig beschrieben, ist die Dichtwirkung auf eine dünne, sich im Spalt zwischen Kolbenhemd und Zylinderwand befindliche Schicht der viskosen Füllung zurückzuführen.
3. Ausführbarkeit
Die Feststellung der Nichtausführbarkeit in der angefochtenen Entscheidung ist im wesentlichen damit begründet worden, daß die Patentschrift keine Angaben enthält, wie ein Treibgasübertritt zugelassen werden kann, ohne daß der Kolben gegenüber dem Schaumbildner undicht wird.
Wie aus Spalte 4, Zeilen 47 bis 52, sowie Figur 1 der Zeichnung der Patentschrift zu entnehmen ist, ist der Kolben fliegend im Zylinder angeordnet, wobei das Kolbenhemd ein genügendes Spiel gegenüber der Zylinderwand aufweist, um ohne Verklemmungen beweglich zu sein. Es ist daher für den Fachmann offensichtlich, daß es sich hier um einen Kolben der aus den Dokumenten D2 und D3 bekannten Art handelt, bei welchem ein Übertritt des Schaumbildners in den Treibgasraum durch die Viskosität des sich im engen Spalt zwischen Kolbenhemd und Zylinderwand befindenden Schaumbildners verhindert wird.
In den Dokumenten D2 und D3 wird davon ausgegangen, daß das Treibgas in der auszubringenden Füllung unlöslich ist. Dies ist aber bei dem Treibgas für einen Montageschaum nicht der Fall, so daß ein Gastransfer durch Diffusion in der im Spalt vorhandenen Schaumbildnerschicht zustande kommen kann.
Es ist daher für den Fachmann ohne weiteres ersichtlich, daß er, um die Lehre des Patents zu verwirklichen, den Kolben derart dimensionieren muß, daß die Schaumbildnerschicht einerseits eine für die gewünschte Diffusionsrate ausreichende Dicke besitzt, andererseits aber nicht so dick ist, daß sie ihre Dichtfunktion verliert. Die Kammer ist der Überzeugung, daß der hierzu erforderliche Kolbendurchmesser durch routinemäßige Versuche ermittelt werden kann.
Der Einspruchsgrund nach Artikel 100 b) EPÜ steht somit der Aufrechterhaltung des Patents nicht entgegen.
4. Neuheit und erfinderische Tätigkeit
Es ist zunächst darauf hinzuweisen, daß keines der entgegengehaltenen Dokumente D1 bis D5 eine Kolbendruckdose zum Ausbringen eines Montageschaums betrifft. Die Beschwerdeführerin hat aber mehrfach betont, daß eine solche Dose mit einem einen Dichtring aufweisenden Kolben, der keinen Treibgasübertritt zuläßt, im Prinzip bekannt sei. Der erteilte Anspruch 1 ist gegenüber diesem von der Beschwerdeführerin anerkannten Stand der Technik abgegrenzt. Das in ihm angegebene Merkmal, daß ein Teil der für die Schaumbildung notwendigen Treibgasmenge durch Übertritt aus dem Treibgasraum erhalten wird, ist keinem der verfügbaren Dokumente zu entnehmen.
Aus dem Vorhergehenden ist ersichtlich, daß der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 neu ist.
Bei dem von der Beschwerdeführerin anerkannten Stand der Technik besteht das technische Problem darin, daß im normalen Gebrauch der Druckdose Treibgasverluste aus der aus Schaumbildner und Treibgaszusatz bestehenden Füllung eintreten, die teilweise auf undichte Ventile, teilweise auf Entmischungsvorgänge, wobei sich eine Ansammlung von Treibgas im Ventilbereich bildet, zurückzuführen sind. Auf Dauer führen diese Treibgasverluste zu einer Qualitätsverminderung des ausgebrachten Schaums und zu einer verringerten Schaumausbeute.
Gegenüber diesem Stand der Technik ist daher die zu lösende technische Aufgabe objektiv darin zu sehen, eine gleichmäßige Qualität des ausgebrachten Schaums über die Gebrauchsdauer der Druckdose bei hoher Schaumausbeute zu gewährleisten. Die Aufgabe wird erfindungsgemäß in erster Linie dadurch gelöst, daß die Treibgasverluste durch Transfer vom Treibgas aus dem Treibgasraum am Kolben vorbei kompensiert werden.
Aus dem gesamten entgegengehaltenen Stand der Technik geht eindeutig hervor, daß eine strikte Trennung von Produkt und Treibgas als unverzichtbare Voraussetzung bei Kolbendruckdosen betrachtet wurde. Für die erfindungsgemäße Maßnahme, einen Treibgasübertritt gezielt zuzulassen, um einen bestimmten technischen Effekt zu erreichen, ist diesem Stand der Technik keine Anregung zu entnehmen.
Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 beruht somit auf einer erfinderischen Tätigkeit (Art. 56 EPÜ).
Der erteilte Anspruch 1 sowie die von ihm abhängigen Ansprüche 2 und 3 können daher Bestand haben.
5. Die Einspruchsgründe nach Artikel 100 EPÜ stehen der Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung nicht entgegen. Die Frage, ob und inwieweit die geltende Beschreibungseinleitung einer gründlicheren Anpassung an die geltenden Ansprüche bedurft hätte, muß offengelassen werden, da eine derartige Überarbeitung in diesem Fall nicht Sache des Einspruchs- und Einspruchsbeschwerdeverfahrens ist (vgl. G 1/84, ABl. EPA 1985, 299, Punkt 9).
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird in der erteilten Fassung aufrechterhalten.