T 0187/91 (Lichtquelle) 11-03-1993
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Änderungen
Erweiterung des Schutzbereichs vor der Erteilung
Geänderter Gegenstand fällt unter den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung
I. Die vorliegende europäische Patentanmeldung wurde 1984 eingereicht. Im Prüfungsverfahren erließ die Prüfungsabteilung als ersten Bescheid am 2. März 1989 eine Mitteilung nach Regel 51 (4) EPÜ, in der sie den Anmelder von ihrer Absicht unterrichtete, ein Patent mit den Ansprüchen in der eingereichten Fassung zu erteilen. In seiner Erwiderung auf diesen Bescheid erklärte sich der Anmelder mit der Beschreibung und den Zeichnungen dieser Fassung einverstanden, beantragte jedoch nach Regel 86 (3) Satz 1 EPÜ eine Änderung der Ansprüche (mit entsprechender Anpassung der Beschreibung). Nach einer weiteren Mitteilung der Prüfungsabteilung und einer nochmaligen Erwiderung des Anmelders wurde die Anmeldung mit Entscheidung der Prüfungsabteilung vom 24. September 1990 zurückgewiesen und dies damit begründet, daß der Gegenstand der geänderten Ansprüche über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe und damit gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstoße.
II. Der Anmelder legte gegen diese Entscheidung Beschwerde ein und reichte (als Haupt- bzw. Hilfsantrag) zwei Anspruchssätze A und B ein, wobei Satz A den in der angefochtenen Entscheidung zurückgewiesenen geänderten Ansprüchen und Satz B den ursprünglich eingereichten, in der Mitteilung nach Regel 51 (4) EPÜ aufgegriffenen Ansprüchen entsprach.
III. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 10 in der ursprünglich eingereichten Fassung (Satz B) lauteten wie folgt:
"1. Faseroptischer Verstärker, gekennzeichnet durch
eine erste Faser (12) mit einem ersten Brechungsindex;
eine aus einem Lasermaterial gebildete zweite Faser (14) mit einem zweiten Brechungsindex, der höher als der erste ist, wobei die Fasern (12, 14) dicht nebeneinander angeordnet sind, so daß ein Wechselwirkungsbereich (16) für die Übertragung von Licht von der ersten Faser (12) in die zweite Faser (14) entsteht;
einen konischen Stab (50) mit
einem ersten, dem Faserdurchmesser entsprechenden Ende (54) zur Einkopplung von Licht in ein Ende der ersten Faser (12) und
einem zweiten Ende (52), das einen wesentlich größeren Durchmesser als das erste Ende (54) aufweist;
mehrere Pumplichtquellen (60), die so angebracht sind, daß sie Pumplicht in das zweite Ende (52) einstrahlen, wobei der konische Stab das Pumplicht vom zweiten Ende (52) so zum ersten, dem Faserdurchmesser entsprechenden Ende (54) fokussiert, daß es in die erste Faser (12) eingekoppelt wird und sich durch die erste Faser (12) in den Wechselwirkungsbereich (16) ausbreitet, um die zweite Faser (14) zu pumpen und in dem Lasermaterial eine Besetzungsinversion elektronischer Niveaus zu bewirken, wobei
die Pumplichtquellen (60) zur Achse (72) des konischen Stabs (50) versetzt angeordnet sind, damit durch Anregung von Moden hoher Ordnung in der ersten Faser (12) die Absorption des Pumplichts durch das Lasermaterial der zweiten Faser (14) vergrößert wird.
10. Verfahren zum Pumpen einer aus Lasermaterial gebildeten optischen Faser, dadurch gekennzeichnet, daß
Pumplicht in ein Ende (52) eines konischen Stabs (50) eingestrahlt wird, indem mehrere Lichtquellen (60) an zur Mittelachse (72) des konischen Stabs (50) versetzten Stellen angebracht werden, um am anderen Ende (54) des konischen Stabs (50) Moden hoher Ordnung anzuregen, und
das andere Ende (54) des konischen Stabs (50) optisch gekoppelt wird, um das Lasermaterial der optischen Faser (14) zu pumpen."
Im geänderten Anspruch 1 des Anspruchssatzes A, auf den der Hauptantrag gerichtet ist, wurden die Worte "mehrere Pumplichtquellen" bzw. "die Pumplichtquellen" durch "eine Pumplichtquelle" bzw. "die Pumplichtquelle" ersetzt. Die Ansprüche 5 bis 7 und 11 sowie die Seiten 4 und 5 der Beschreibung wurden entsprechend auf den Anspruch 1 abgestimmt. Zusätzlich kam ein neuer abhängiger Anspruch 2 hinzu.
IV. Die vom Beschwerdeführer zur Stützung seines Hauptantrags vorgebrachten Argumente lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Bei Anwendung der in der Entscheidung T 331/87 (ABl. EPA 1991, 22) aufgestellten Kriterien dafür, wann ein Merkmal in einem Anspruch gemäß Artikel 123 (2) EPÜ ersetzt oder gestrichen werden dürfe, müßten die im vorliegenden Fall vorgeschlagenen Änderungen zugelassen werden, da
- i) das die Zahl der Lichtquellen betreffende Merkmal in der Offenbarung nicht als wesentlich hingestellt worden sei,
- ii) das Merkmal als solches für die Funktion der Erfindung unter Berücksichtigung der technischen Aufgabe, die sie lösen solle, nicht unerläßlich sei und
- iii) eine Ausführung der vorliegenden Erfindung mit nur einer Lichtquelle keine wesentliche Angleichung anderer Merkmale erfordere.
Insbesondere werde an keiner Stelle der Beschreibung der Erfindung auf die genaue Zahl der an dem erfindungsgemäßen konischen Stab anzubringenden Lichtquellen abgehoben. Die drei Lichtquellen, die in der Ausführungsart gemäß den Abbildungen 6 und 7 offenbart würden, seien als bloßes Beispiel gedacht, wie der Aussage in der Beschreibung auf Seite 16, Zeile 14 bis 17 zu entnehmen sei, wonach "mehr oder weniger (als drei) Quellen eingesetzt werden können". Die genaue Zahl der Lichtquellen werde somit nicht als wesentliches Merkmal der Erfindung hingestellt.
Der Erfindung liege die technische Aufgabe zugrunde, einen kompakten, effizienten faseroptischen Verstärker mit hoher Leistung bereitzustellen, der für Anwendungsgebiete wie Gyroskope mit hoher Genauigkeit oder Nachrichtennetze verwendet werden könne. Die Lösung eines einzelnen Aspekts dieser Aufgabe führe zwar zu einer erhöhten Absorption der eingestrahlten Pumpleistung und zur Anregung von Moden höherer Ordnung; der Einsatz mehrerer Lichtquellen erhöhe aber nur die in den konischen Stab eingestrahlte Pumpleistung und stehe in keinem Zusammenhang mit der Anregung von Moden höherer Ordnung. Der Beschreibung der Erfindung und vor allem der Ausführungsart in Abbildung 8, die einen einzigen Strahl zeige, hätte ein Fachmann entnommen, daß bei jeder unabhängig von den anderen Quellen arbeitenden Lichtquelle die Anregung von Moden höherer Ordnung ausschließlich davon abhänge, wie weit die Lichtquelle gegenüber dem Mittelpunkt des konischen Stabs versetzt sei; es sei also möglich, auch mit nur einer einzigen Quelle Moden höherer Ordnung anzuregen und dadurch die Absorption der eingestrahlten Pumpleistung zu erhöhen. Ein Fachmann hätte beim Lesen der ursprünglichen Offenbarung daher erkannt, daß die Zahl der Lichtquellen kein unerläßliches Merkmal für die Funktion der Erfindung sei.
Schließlich mache eine Ausführung der Erfindung mit nur einer Lichtquelle keine Angleichung anderer Merkmale erforderlich, da aus der Beschreibung klar ersichtlich sei, daß durch Hinzufügung oder Entfernung von Lichtquellen an dem konischen Stab das Funktionsprinzip der Erfindung nicht beeinträchtigt werde. Abgesehen davon gebe es keine triftigen Gründe für die Annahme, daß die Erfindung mit zwei Lichtquellen, nicht aber mit einer einzigen funktionieren würde.
Mit der vorgeschlagenen Änderung werde überdies eine offensichtliche Klarstellung im Sinne der Richtlinien C-VI, 5.6 vorgenommen; sie müsse daher zugelassen werden.
V. Am Ende der mündlichen Verhandlung am 11. März 1993 verkündete die Kammer ihre Entscheidung, der Beschwerde stattzugeben und die Sache an die erste Instanz mit der Anordnung zurückzuverweisen, auf der Grundlage des als Hauptantrag eingereichten Anspruchssatzes A ein Patent zu erteilen.
1. Die beantragten Änderungen führen dazu, daß durch die geänderten Ansprüche der Anmeldung Schutz für einen faseroptischen Verstärker (und ein Verfahren zum Pumpen einer optischen Faser) mit einer oder mehr Lichtquellen begehrt wird, während das Schutzbegehren der Ansprüche in der ursprünglich eingereichten Anmeldung auf einen faseroptischen Verstärker (und ein Verfahren zum Pumpen einer optischen Faser) mit zwei oder mehr Lichtquellen ("mehreren Pumplichtquellen") gerichtet war.
Durch solche Änderungen wird eindeutig der Umfang des Schutzbegehrens der Anmeldung erweitert, was an sich zulässig ist, sofern nicht gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstoßen wird. Als einzige Streitfrage ist im Rahmen der vorliegenden Beschwerde zu klären, ob der in der geänderten Anmeldung definierte "Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht".
2. Artikel 123 (2) EPÜ trägt unter anderem dem Umstand Rechnung, daß eine europäische Patentanmeldung nach Artikel 93 (1) EPÜ unverzüglich nach Ablauf von 18 Monaten nach dem Anmeldetag (oder gegebenenfalls dem Prioritätstag), also lange vor dem Zeitpunkt veröffentlicht werden muß, zu dem die in Artikel 96 EPÜ vorgesehene Prüfung der Anmeldung anhand des europäischen Recherchenberichts abgeschlossen ist. Eine solche veröffentlichte Anmeldung gibt dem Leser also Aufschluß über die maximale Ausdehnung ihres Gegenstands und damit ihren größtmöglichen Inhalt, und dies geraume Zeit bevor die Anmeldung (einschließlich der Ansprüche) im Zusammenhang mit der Erstellung des europäischen Recherchenberichts und ihrer anschließenden Prüfung ihre endgültige Fassung erhält. Der Inhalt der Anmeldung in der eingereichten und veröffentlichten Fassung bestimmt, für welchen Gegenstand in den Ansprüchen dieser Anmeldung Schutz begehrt werden kann, und gibt der Öffentlichkeit damit einen Hinweis auf den möglichen Schutzumfang eines erteilten Patents.
Der Bestimmung, die eine Verbindung zwischen den Ansprüchen und dem Inhalt einer europäischen Patentanmeldung herstellt, liegt ferner die Überlegung zugrunde, daß die Ansprüche des erteilten Patents - soweit erforderlich nach entsprechender Änderung - einen angemessenen Schutz für den in der eingereichten Anmeldung enthaltenen erfinderischen Gegenstand gewähren sollen.
In einigen Fällen haben es Beschwerdekammern für zweckmäßig gehalten, die im Hinblick auf Artikel 123 (2) EPÜ erforderlichen Überlegungen mit einer "Neuheitsprüfung" zu verknüpfen oder sogar gleichzusetzen (so in der Entscheidung T 201/83 (ABl. EPA 1984, 481): "d. h. durch die Änderung darf kein neuer Gegenstand entstehen"; siehe auch Entscheidung T 194/84 (ABl. EPA 1990, 59)). Natürlich besteht ein enger gedanklicher Zusammenhang zwischen der Bewertung der Neuheit und der Beurteilung der Frage, was eine nach Artikel 123 (2) EPÜ zulässige Änderung darstellt. Allerdings ist, wie in der Entscheidung T 133/85 (ABl. EPA 1988, 441) festgestellt wurde, "Sorgfalt geboten, wenn die für die Neuheit geltenden Rechtsvorschriften auf Fragen angewandt werden, die sich im Zusammenhang mit ... Artikel 123 (2) EPÜ stellen", da es der Wortlaut des Artikels 123 (2) EPÜ ist, der "im Einzelfall letztlich immer berücksichtigt werden" muß. Schließlich stehen hinter Artikel 123 (2) EPÜ, wie schon dargelegt, andere Überlegungen als hinter Artikel 54 EPÜ.
3. Im vorliegenden Fall läßt sich der Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung (d. h. der Inhalt der Beschreibung, der Zeichnungen und der Ansprüche) wie folgt zusammenfassen:
3.1 "Hintergrund der Erfindung" - Seite 1 bis Seite 4, Zeile 7. Dieser Teil gibt Aufschluß über die bestehenden Probleme wie die relativ großen Abmessungen und hohen Leistungs- und Kühlanforderungen der zum Stand der Technik gehörenden optischen Nd:YAG-Verstärker (s. insbesondere Seite 3, Zeile 5 bis 14, Seite 4, Zeile 1 bis 7).
3.2 "Zusammenfassung der Erfindung" - Seite 4, Zeile 9 bis Seite 5
Auf Seite 4, Zeile 9 bis 36 wird die "vorliegende Erfindung" als aus verschiedenen Komponenten bestehender faseroptischer Verstärker beschrieben. Angesprochen werden "mehrere Lichtquellen", die so angebracht sind, daß sie Licht in das größere zweite Ende eines konischen Stabs einstrahlen, der das Licht so zum kleineren, dem Faserdurchmesser entsprechenden ersten Ende des Stabs fokussiert, daß es in die Pumpfaser eingekoppelt wird.
Ferner heißt es: "Um die Absorption des Lichts pro Längeneinheit der Verstärkerfaser zu erhöhen, werden die Lichtquellen versetzt zur Stabachse angebracht, damit Moden hoher Ordnung angeregt werden."
Auf bevorzugte Merkmale wird auf Seite 4, Zeile 37 bis Seite 5, Zeile 24 eingegangen. Auf Seite 5, Zeile 25 bis 36 wird die "vorliegende Erfindung" weiter als Verfahren zum Pumpen eines optischen Verstärkers beschrieben, wobei wiederum auf "mehrere Lichtquellen" Bezug genommen wird.
3.3 "Detaillierte Beschreibung der bevorzugten Ausführungsart" - Seite 6, Zeile 33 bis Seite 20 (im Anschluß an eine "Kurzbeschreibung der Zeichnungen" auf Seite 6, Zeile 1 bis 31)
Hier wird unter Bezugnahme auf Abbildung 1 eine bevorzugte Ausführungsart des Aufbaus eines Faserverstärkers beschrieben. Eine bevorzugte Pumpquelle für den Verstärkeraufbau gemäß Abbildung 1 wird unter Verweis auf Abbildung 6 auf Seite 14, Zeile 35 bis Seite 16, Zeile 17 beschrieben. In der Beschreibung ist von "mehreren Lichtquellen 60" die Rede, die an der ebenen Stirnfläche eines konischen Stabs 50 angebracht werden. Abbildung 6 zeigt de facto drei Lichtquellen. Der Aufbau der einzelnen Lichtquellen wird auf Seite 15, Zeile 26 bis Seite 16, Zeile 14 unter Verweis auf Abbildung 7 näher erläutert. Auf Seite 16, Zeile 14 bis 17 heißt es dann: "Auch wenn die Zeichnungen drei solche am konischen Stab 50 angebrachte Lichtquellen 60 zeigen, liegt es auf der Hand, daß auch mehr oder weniger Lichtquellen 60 eingesetzt werden können."
Abbildung 8 ist eine schematische Zeichnung, die beispielhaft den Verlauf eines in den konischen Stab eingekoppelten Strahls zeigt. Die zu Abbildung 8 gehörige Beschreibung auf Seite 16, Zeile 18 bis Seite 17, Zeile 17 und auf Seite 18, Zeile 17 bis 28 macht deutlich, daß im wesentlichen das gesamte am weiten Ende des konischen Stabs 50 eingestrahlte Licht am engen Ende des konischen Stabs 50 effizient in die Faser 12 gekoppelt wird, sofern das Licht von einer zur Achse des konischen Stabs versetzten Stelle einfällt. Eine solche versetzte Anordnung der Lichtquelle bewirkt überdies, daß der einfallende Strahl, wenn er das dem Faserdurchmesser entsprechende Ende 54 des konischen Stabs erreicht, größere Einfallswinkel aufweist, was sich wiederum für die Anregung der Signalfaser 14 als vorteilhaft erweist, da die einfallende Strahlung öfter reflektiert wird und es somit auf einer relativ kurzen Strecke der Signalfaser 14 zu einer höheren Zahl von Durchgängen kommt. Gemäß der Beschreibung auf Seite 18, Zeile 29 bis Seite 19, Zeile 18 wird die optimale Anordnung jeder einzelnen Lichtquelle auf der Stirnfläche des konischen Stabs unabhängig von der Lage der übrigen Quellen ermittelt.
Eine alternative Ausführungsart eines Verstärkeraufbaus wird auf Seite 19, Zeile 19 bis Seite 20 unter Hinweis auf die Abbildungen 9 und 10 beschrieben. Die schematische Darstellung in Abbildung 10 zeigt einen konischen Stab 50 und zwei Lichtquellen 60.
3.4 In den Ansprüchen 1 bis 15 auf den Seiten 21 bis 23 wird ausnahmslos auf "mehrere Lichtquellen" verwiesen.
4. Die vorstehende zusammenfassende Wiedergabe des Inhalts der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung macht deutlich, daß die Erfindung und ihre bevorzugte Ausführungsart in der eingereichten Fassung der Anmeldung - mit Ausnahme des Satzes auf Seite 16, Zeile 14 bis 17 - durchweg mit mehr als einer Lichtquelle beschrieben wurden und der Inhalt der Anmeldung ohne diesen Satz auf Seite 16, Zeile 14 bis 17 keinen ausdrücklichen Hinweis darauf gäbe, daß bei der Ausführung der Erfindung auch mit nur einer Lichtquelle gearbeitet werden kann. Auf Seite 16, Zeile 14 bis 17 findet sich aber die Aussage, daß die bevorzugte Ausführungsart der Erfindung zwar mit drei Lichtquellen 60 dargestellt ist, "es jedoch auf der Hand liegt, daß auch mehr oder weniger Lichtquellen 60 eingesetzt werden können". Dieser Satz ist prima facie als generische Feststellung zu verstehen, daß die bevorzugte Ausführungsart der Erfindung eine beliebige Zahl von Lichtquellen über oder unter drei, also auch nur eine Lichtquelle aufweisen kann. Er belegt nach Ansicht der Kammer, daß der Verfasser der Anmeldung in der eingereichten Fassung wußte, daß die Erfindung durchaus mit einer einzigen Lichtquelle ausgeführt werden kann.
Ein solches spezifisches Beispiel (eine einzige Lichtquelle) im Rahmen einer generischen Offenbarung (mehr oder weniger als drei Lichtquellen), das in der Beschreibung der Erfindung in der ursprünglich eingereichten Fassung der Anmeldung enthalten ist, gehört zum Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung, wenn der fachkundige Leser das spezifische Beispiel unter Berücksichtigung seines Kontextes in der übrigen Anmeldung in der eingereichten Fassung ernsthaft als mögliche praktische Ausführungsart der beschriebenen Erfindung in Betracht zöge und nichts Gegenteiliges erwarten würde.
4.1 Nach Auffassung der Kammer würde ein Fachmann der Anmeldung in der eingereichten Fassung entnehmen, daß die beschriebene Erfindung im Unterschied zu dem in der Anmeldung dargelegten Stand der Technik darauf abzielt, einen kompakten, effizienten faseroptischen Verstärker mit hoher Leistung bereitzustellen, der für Anwendungsgebiete wie Gyroskope mit hoher Genauigkeit oder Nachrichtennetze eingesetzt werden kann (s. insbesondere Seite 4, Zeile 32 bis 36; Seite 9, Zeile 2 bis 10, Zeile 15 bis 26; Seite 12, Zeile 10 bis 15; Seite 14, Zeile 23 bis 33; Seite 17, Zeile 13 bis 17).
Wie unter Nummer 3.3 erläutert, geht für den Fachmann aus der Beschreibung zu Abbildung 8 eindeutig hervor, daß im wesentlichen das gesamte am weiten Ende des konischen Stabs 50 eingestrahlte Licht am anderen Ende dieses Stabs effizient in die Faser 12 gekoppelt wird, wenn sichergestellt ist, daß das Licht von einem zur Achse des konischen Stabs versetzten Punkt einfällt. Eine solche effiziente Kopplung steht in keinerlei Zusammenhang mit der Zahl der Lichtquellen.
Die Kammer ist zu der Ansicht gelangt, daß ein fachkundiger Leser der eingereichten Anmeldung bei der Ausführung der dort beschriebenen Erfindung entsprechend seinen praktischen Anforderungen an die Ausgangsintensität den Einsatz einer einzigen Lichtquelle ernsthaft erwägen und weder durch die Anmeldung in der eingereichten Fassung noch durch sein allgemeines Fachwissen zu der Annahme veranlaßt würde, daß der auf Seite 16, Zeile 14 bis 17 stehende Hinweis auf weniger als drei Lichtquellen die Möglichkeit des Einsatzes einer einzigen Lichtquelle ausschließen soll.
4.2 Die Prüfungsabteilung scheint in ihrer Entscheidung den Satz auf Seite 16, Zeile 14 bis 17 als zwangsläufig untergeordnete Aussage zu den einschlägigen Textstellen in der "Zusammenfassung der Erfindung", der detaillierten Beschreibung zu den Abbildungen 6 und 10 sowie den Ansprüchen verstanden zu haben, wo in unterschiedlichen Formulierungen von "mehreren Lichtquellen" die Rede ist. Sie hat den Verweis auf "mehr oder weniger Lichtquellen 60" daher so ausgelegt, daß er immer noch in Einklang mit dem Hinweis auf "mehrere Quellen" steht. Nach Ansicht der Kammer wird diese zu enge Auslegung der Tragweite des Satzes nicht gerecht. Ein solcher Satz, der auf die Möglichkeit hinweist, eine Ausführungsart der Erfindung nur mit einer einzigen Lichtquelle auszustatten, gehört ebenso zum technischen Inhalt der Anmeldung wie ihr Rest, in dem von mehreren Lichtquellen gesprochen wird. Bei einer sorgfältigen Analyse des gesamten Inhalts der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung einschließlich dieses Satzes käme der Leser nicht auf den Gedanken, daß der Einsatz mehrerer Lichtquellen für die Erfindung wesentlich ist und die angestrebten Ziele nur so erreicht werden können.
Nach Einschätzung der Kammer muß die Anmeldung in der eingereichten Fassung vielmehr dahingehend ausgelegt werden, daß ihr Inhalt als eine mögliche praktische Variante der bevorzugten Ausführungsart der Erfindung einen faseroptischen Verstärker mit nur einer Lichtquelle einschließt. Da nichts einen fachkundigen Leser daran hindern würde, den Einsatz einer einzigen Lichtquelle ernsthaft zu erwägen, wäre der Leser der Anmeldung in der eingereichten Fassung durchaus darüber im Bilde, daß bei einer Patenterteilung durch Ansprüche, die wie der jetzige Anspruchssatz A den Einsatz von einer oder mehr Lichtquellen abdecken, ein solcher Verstärker geschützt werden könnte. Solche Ansprüche werden durch den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung auch gestützt und verleihen diesem Inhalt wiederum einen angemessenen Schutz.
5. Aus den vorstehend dargelegten Gründen ist die Kammer zu dem Schluß gelangt, daß der Gegenstand der geänderten Ansprüche des dem Hauptantrag zugrunde liegenden Anspruchssatzes A nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht und die geänderten Ansprüche somit nicht gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstoßen. Das Patent ist daher mit den unter Nummer III wiedergegebenen Änderungen zu erteilen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die Entscheidung der Prüfungsabteilung wird aufgehoben.
2. Der Beschwerde wird stattgegeben.
3. Die Sache wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, auf der Grundlage des Anspruchssatzes A, der am 24. Januar 1991 zusammen mit der Beschwerdebegründung als Hauptantrag eingereicht wurde, ein Patent zu erteilen.