T 0150/93 06-03-1995
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Method and apparatus for the packing of stacked goods with shrink foil
MSK-Verpackungs-Systeme GmbH
C. Keller GmbH u. Co.KG
VFI Gesellschaft für Verpackungstechnik mbH
Berücksichtigung einer erst im Beschwerdeverfahren geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung
Zurückverweisung an die erste Instanz
Intervention
Appeal of interveners
Novelty - availability - late filed objection of public prior use
Decision re appeals - remittal
I. Auf die europäische Patentanmeldung 82 901 411.7 ist am 20. April 1988 das europäische Patent Nr. 0 078 284 erteilt worden.
Die erteilten unabhängigen Ansprüche 1 und 2 haben folgenden Wortlaut:
"1. Method of packing a stack (3) of goods with a shrink foil which shrinks under the influence of heat, whereby the foil is fed from above in the form of a tube from a supply (4) to a shrink frame, the free end of the tube is secured to the shrink frame (1) and spead open, the tube is welded together transversely and cut at a distance from the free end adjusted to the height of the stack (3) to provide a sealed length of the tube and to separate the sealed lenth of the tube from the supply (4) respectively, the sealed length of the tube being carried over the stack (3) by the downwardly moving shrink frame and whereby the hear shrinking takes place during the subsequent upward movement of the shrink frame (1), characterized in that during the heat shrinking the foil which is intended for the next following stack of goods (3) is shielded against the heat."
"2. Apparatus for performing the method according to claim 1, comprising a vertically movable shrink frame (1) provided with spreading and gripping means (13-16; 18-21), the apparatus including the shrink frame being adapted to heat the foil surrounding a stack (3), means for feeding a tubular foil from a supply (4) down towards the shrink frame (1) from above, welding and cutting-off mechanism (29, 30, 31) being mounted above the shrink frame, characterized in that there is provided a heat- shielding device between the foil which is intended for the next following stack of goods and the shrink frame (1)."
Die abhängigen Ansprüche 3 bis 6 richten sich auf bevorzugte Ausführungsformen der Vorrichtung nach dem Anspruch 2.
II. Gegen das erteilte Patent haben die Beschwerdeführerinnen I und II (Einsprechende I und II) Einspruch eingelegt und den Widerruf des Patents wegen mangelnder Neuheit bzw. erfinderischer Tätigkeit beantragt.
Während des Einspruchsverfahrens wurde auf Antrag der Patentinhaberin mit allseitiger Zustimmung die Verfahrenssprache in deutsch geändert (Kurzmitteilung vom 19. Oktober 1989).
III. Mit einer am 30. November 1990 zur Post gegebenen Entscheidung hat die Einspruchsabteilung die Einsprüche zurückgewiesen.
IV. Die Einsprechende III ist am 29. November 1991 als vermeintliche Patentverletzerin gemäß Artikel 105 EPÜ dem Einspruchsverfahren beigetreten.
V. Die Entscheidung der Einspruchsabteilung wurde durch die Entscheidung T 125/91 der Beschwerdekammer 3.2.4 vom 3. Februar 1992 wegen eines Verfahrensfehlers aufgehoben. Die Sache wurde an die erste Instanz zur weiteren Behandlung zurückverwiesen.
VI. Mit einer Entscheidung vom 9. Dezember 1992, schriftlich begründet zur Post gegeben am 18. Januar 1993, hat die Einspruchsabteilung die Einsprüche erneut zurückgewiesen.
VII. Gegen diese Entscheidung haben die Beschwerdeführerinnen I und II jeweils am 16. März 1993 sowie die Beschwerdeführerin III (Einsprechende III) am 11. Februar 1993 Beschwerde eingelegt. Mit der Einlegung der Beschwerde haben die Beschwerdeführerinnen jeweils gleichzeitig die Beschwerdegebühr entrichtet. Die Beschwerdeführerinnen beantragten, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in vollem Umfang zu widerrufen, hilfsweise eine mündliche Verhandlung anzuberaumen. Die Beschwerdeführerin III beantragte zudem die Rückerstattung der Beschwerdegebühr.
Die Beschwerdebegründungen der Beschwerdeführerinnen I, II bzw. III sind am 6. April 1993 bzw. 28. Mai 1993 bzw. 19. Mai 1993 eingegangen.
VIII. Mit Eingabe vom 24. März 1994 hat die Beschwerdeführerin III eine weitere offenkundige Vorbenutzung geltend gemacht und zu deren Nachweis eine Rechnung und mehrere Fotografien eingereicht sowie zwei Zeugen angeboten.
Aus den Fotografien sei eine Vorrichtung zur Verpackung eines Stapels Güter mit einer unter Hitzewirkung schrumpfenden Schrumpffolie zu erkennen, die sämtliche Merkmale des erteilten Anspruchs 2 aufweise und nach dem Verfahren gemäß dem erteilten Anspruch 1 arbeite. Zehn Vorrichtungen dieser Art seien in den Jahren 1979 bis 1981 von der Firma INDAG Gesellschaft für Industriebedarf m.b.H. & Co. Betriebs KG gebaut und an die Deutsche SiSi-Werke GmbH & Co. Betriebs KG geliefert worden. Diese Vorrichtungen seien dort ohne wesentliche Änderungen noch im Betrieb.
IX. In einer Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 110 (2) EPÜ vom 5. Dezember 1994 wurde die Auffassung vertreten, daß es eindeutig aus den Ausführungen der Beschwerdeführerin III hervorgehe, daß die von ihr geschilderte, angeblich offenkundig vorbenutzte Kombinationsschrumpfanlage sämtliche Merkmale des erteilten Anspruchs 2 aufweise und ein Verfahren nach dem erteilten Anspruch 1 verwirkliche. Sollte die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) die Richtigkeit der Angaben der Beschwerdeführerin III bestreiten, werde eine Vernehmung der angebotenen Zeugen erforderlich. In diesem Fall beabsichtige die Kammer, die Sache an die erste Instanz zurückzuweisen, es sei denn die Beschwerdegegnerin beantrage, daß die Kammer in der Sache selbst entscheide.
Im Falle einer Zurückverweisung an die erste Instanz bestünde keine Notwendigkeit, vorher noch eine mündliche Verhandlung durchzuführen.
Die Kammer hat zudem die Zulässigkeit der Beschwerde der Beschwerdeführerin I in Frage gestellt, weil sich deren Begründung in einem Verweis auf ihr bisheriges Vorbringen erschöpfe. Für eine Rückerstattung der Beschwerdegebühr gemäß dem Antrag der Beschwerdeführerin III sah die Kammer keinen Anlaß.
X. Mit Schreiben vom 9. Januar 1995 wies die Beschwerdeführerin I darauf hin, daß die in ihrer Beschwerdebegründung vom 6. April 1993 angegebenen Schriftsätze zur Begründung ihrer Beschwerde in der Sache T 125/91 eingereicht worden seien. Da über diese Beschwerde nicht sachlich entschieden worden sei, stellten die genannten Schriftsätze eine ausreichende Begründung auch in der vorliegenden Sache dar.
XI. Mit Schreiben vom 18. Januar 1995 trug die Beschwerdegegnerin vor, daß sie sich in der Zwischenzeit davon überzeugt habe, daß bei den Deutschen SiSi-Werken zwar mehrere Schrumpfanlagen in Betrieb seien, die entsprechend dem Anspruch 2 des angefochtenen Patents ausgebildet seien und nach dem Verfahren gemäß Anspruch 1 arbeiteten. Es werde jedoch bestritten, daß vor dem Anmeldetag des Streitpatents eine Wärmeabschirmung in der von der Beschwerdeführerin behaupteten Weise verfahrens- und vorrichtungsmäßig offenkundig vorbenutzt worden sei. Hierfür hat sie Zeugenbeweis angeboten.
Sie beantragte, die Sache an die erste Instanz zurückzuverweisen.
1. Die Beschwerden der Beschwerdeführerinnen II und III entsprechen den Erfordernissen der Artikel 106 bis 108 sowie der Regeln 1 (1) und 64 EPÜ. Sie sind daher zulässig.
Die Frage, ob die Beschwerde der Beschwerdeführerin I dem Erfordernis des Artikels 108 EPÜ genügt, daß eine Beschwerde innerhalb von vier Monaten nach Zustellung der Entscheidung schriftlich zu begründen ist, kann dahingestellt bleiben, da sie für die vorliegende Entscheidung nicht erheblich ist.
2. Die von der Beschwerdeführerin III erst während des Beschwerdeverfahrens geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung ist zwar grundsätzlich als im Sinne von Artikel 114 (2) EPÜ verspätet vorgebracht zu betrachten. Wegen deren offensichtlichen Relevanz ist aber die Kammer der Auffassung, daß sie gemäß Artikel 114 (1) EPÜ von Amts wegen geprüft und gegebenenfalls berücksichtigt werden soll, um die Patentfähigkeit des Gegenstandes des angefochtenen Patents vollständig beurteilen zu können.
Damit den Beteiligten die Gelegenheit eingeräumt wird, den neuen Sachverhalt vor zwei Instanzen zu erörtern, macht die Kammer von ihrer Befugnis nach Artikel 111 (1) EPÜ Gebrauch und verweist die Angelegenheit an die Einspruchsabteilung zurück.
3. Der Antrag der Beschwerdeführerin III, die Beschwerdegebühr zurückzuerstatten, wurde im wesentlichen damit begründet, daß die Einspruchsabteilung die technische Relevanz einer von der Beschwerdeführerin III geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung ungenügend berücksichtigt habe.
Dieser Antrag muß schon allein deswegen abgelehnt werden, weil eine Rückverweisung an die erste Instanz wegen neuen, von der Beschwerdeführerin III vorgebrachten Materials einer Stattgabe ihrer Beschwerde nicht gleichkommt, vgl. Regel 67 EPÜ. Darüber hinaus kann eine ungenügende Beurteilung des Standes der Technik bzw. erfinderischen Tätigkeit, wie von der Beschwerdeführerin III vorgetragen, nicht als wesentlicher Verfahrensmangel angesehen werden.
4. Bei den gegebenen Umständen bestand keine Notwendigkeit, die hilfsweise beantragte mündliche Verhandlung anzuberaumen (vgl. die Entscheidungen T 315/92, Abschnitt 5 und T 42/90, Abschnitt 5).
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.
3. Der Antrag der Beschwerdeführerin III auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.