T 0486/93 (Wiedereinsetzung in die Beschwerdebegründungsfrist) 14-06-1995
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Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags wegen mangelnder Sorgfalt des Vertreters der Beschwerdeführerin
Restitutio - all due care - professional representative
I. Die Beschwerdeführerin (Anmelderin) hat gegen die am 17. November 1992 zur Post gegebene Entscheidung der Prüfungsabteilung über die Zurückweisung der Anmeldung Nr. 89 901 932.7 die am 16. Januar 1993 eingegangene Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdegebühr wurde am 20. Januar 1993 entrichtet.
II. Die Beschwerdebegründung ist am 19. Mai 1993, d. h. nach Ablauf der Frist für die Begründung der Beschwerde, eingegangen. Der Beschwerdebegründung war ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beigefügt. Die Wiedereinsetzungsgebühr wurde am 26. Mai 1993 entrichtet.
III. In ihrem Bescheid gemäß Artikel 110 (2) EPÜ vom 28. September 1994 teilte die Kammer der Beschwerdeführerin mit, daß sie dem Vertreter der Beschwerdeführerin Gelegenheit geben möchte, die näheren Umstände, die zu dem Versäumnis geführt haben, noch genauer zu schildern. Die Kammer stellte es daher dem Vertreter der Beschwerdeführerin anheim, schriftliche Angaben über die Organisation der Fristüberwachung in seiner Kanzlei sowie über die Ausbildung und Kontrolle der in seiner Kanzlei tätigen und für das Versäumnis verantwortlichen Person(en) einzureichen.
IV. Am 30. November 1994 wurde eine Stellungnahme zu dem Bescheid der Kammer vom 28. September 1994 eingereicht. In dieser Stellungnahme sowie in der Beschwerdebegründung wird zur Stützung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im wesentlichen folgendes vorgetragen:
- Die angefochtene Entscheidung sei am 20. November 1994 in der Kanzlei des Vertreters der Beschwerdeführerin eingegangen. Bei Eingang der Entscheidung sei von der zuständigen erfahrenen Sachbearbeiterin die Beschwerdefrist mit 2 Monaten im Terminkalender notiert worden. Dabei habe sie jedoch übersehen, daß zusätzlich die Frist für die Begründung der Beschwerde mit 4 Monaten zu notieren war.
- Nach der Einlegung der Beschwerde sei die Akte im normalen Registraturgang geführt worden, so daß eine periodische Wiedervorlage am 27. April 1993, d. h. nach Ablauf der Frist für die Begründung der Beschwerde, erfolgt sei.
- Sämtliche Posteingänge, bei denen Fristen zu beachten seien, würden jeweils nach Sortierung der Post der entsprechenden Sachbearbeiterin vorgelegt. Sie berechne dann die Fristen und trage diese einschließlich der jeweiligen Vorfristen in den Fristenkalender der Kanzlei des Vertreters der Beschwerdeführerin ein. Sodann werde die Akte mit dem Posteingang dem jeweiligen Sachbearbeiter vorgelegt.
- Der Fristenkalender werde dann täglich von der Sachbearbeiterin kontrolliert und die darin aufgeführten Fristsachen würden zunächst am Tage der Vorfrist herausgesucht und dem Sachbearbeiter vorgelegt. Am Tage des Fristablaufs erfolge nochmals eine entsprechende Kontrolle anhand des Fristenkalenders, daß die Fristsachen tatsächlich dem Sachbearbeiter vorgelegt und von diesem bearbeitet worden seien. Sodann würden die jeweiligen Fristen im Fristenkalender gestrichen.
- Die Fristenkontrolle erfolge unabhängig von der Wiedervorlage aufgrund der kanzleiinternen Vorgänge. Die Sachbearbeiterin habe im vorliegenden Fall lediglich die Frist für die Einlegung der Beschwerde notiert, nicht aber die Frist für die Begründung der Beschwerde, die von ihr übersehen worden sei. Auch im Fristenkalender finde sich somit lediglich ein Eintrag über die Vorfrist sowie die tatsächliche Frist für die Einlegung der Beschwerde, wobei als Vorfrist der 6. Januar 1993 und als Frist der 20. Januar 1993 eingetragen sei.
- Die Frist für die Begründung der Beschwerde sei von der Sachbearbeiterin übersehen und somit überhaupt nicht in den Fristenkalender eingetragen worden. Deshalb sei auch eine Wiedervorlage der Akte an den Sachbearbeiter unterblieben. Die turnusmäßige Wiedervorlage werde jeweils von dem Sachbearbeiter selbst festgelegt und eingestellt bzw. vermerkt. Wieso am 26. April 1993 eine Wiedervorlage erfolgt sei, sei derzeit nicht mehr nachvollziehbar. Über die turnusmäßigen kanzleiinternen Fristen würden lediglich kanzleiinterne Aufzeichnungen geführt, die für das Jahr 1993 nicht mehr vorhanden seien.
- Entscheidend für die Versäumung der Frist für die Begründung der Beschwerde sei die Tatsache, daß diese Frist von der Sachbearbeiterin nicht im Fristenkalender notiert worden sei. Deshalb sei auch die fristgerechte Wiedervorlage unterblieben, so daß es zu der Fristversäumung gekommen sei.
- Die Sachbearbeiterin habe 1987 ihr Ausbildung als Rechtsanwaltsgehilfin erfolgreich abgeschlossen. Seit Mitte 1987 sei sie ununterbrochen in Anwaltskanzleien tätig gewesen. Die Sachbearbeiterin sei bei Eintritt in die Kanzlei des Vertreters der Beschwerdeführerin im Jahre 1990 bereits mit der Tätigkeit der Fristenüberwachung vertraut gewesen. Nach einer entsprechenden Einarbeitungszeit sei ihr die Fristeneintragung und Überwachung alleinverantwortlich übertragen worden. Die Sachbearbeiterin sei eine erfahrene Mitarbeiterin, die die ihr übertragenen Tätigkeiten einwandfrei ausführe. Hinsichtlich der Fristenüberwachung habe es bisher keinerlei Beanstandungen gegeben, die Sachbearbeiterin habe diese Tätigkeit vielmehr eigenverantwortlich absolut zuverlässig ausgeführt.
- Die Eintragung und Überwachung der Fristen durch die Sachbearbeiterin werde in der Kanzlei des Vertreters der Beschwerdeführerin periodisch, in der Regel einmal monatlich überprüft, indem die Eintragungen im Fristenkalender mit den sich aus dem Akteninhalt ergebenden Fristen verglichen würden. Darüber hinaus erfolge eine Kontrolle dahingehend, daß die Sachbearbeiterin auf sämtlichen Schriftstücken, in denen Fristen enthalten seien, neben der jeweiligen Frist einen entsprechenden Vermerk anbringe, daß diese Frist notiert worden sei. Es erfolge insoweit bereits bei Aktenvorlage mit dem Posteingang eine Kontrolle durch den Sachbearbeiter, der sofort feststellen könne, ob die Frist notiert worden sei.
- Bei Überprüfung der Frist des Rechtsmittels gegen die angefochtene Entscheidung habe die Sachbearbeiterin offensichtlich lediglich den ersten Halbsatz gelesen und so lediglich die Frist für die Einlegung der Beschwerde notiert. Soweit hierin selbstverständlich ein Sorgfaltsverstoß seitens der Sachbearbeiterin vorliege, sei dieser auch durch die Formulierung der Rechtsmittelbelehrung begründet, bei der zwei Fristen innerhalb eines Satzes aufgeführt seien, ohne entsprechend hervorgehoben zu sein.
- Da die Sachbearbeiterin eine erfahrene und zuverlässige Mitarbeiterin sei, habe die Kanzlei des Vertreters der Beschwerdeführerin davon ausgehen können, daß die Sachbearbeiterin sämtliche Fristen notiere und zutreffend berechne.
V. Die Beschwerdeführerin beantragt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Wahrung der Frist für die Begründung der Beschwerde.
1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist zulässig.
2. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt den Nachweis voraus, daß der Anmelder, trotz Beachtung aller nach den gegebenen Umständen gebotenen Sorgfalt, verhindert worden ist, gegenüber dem EPA eine Frist einzuhalten (vgl. Artikel 122 (1) EPÜ). Im Falle der Vertretung (Artikel 133 und 134 EPÜ) ist die in Artikel 122 (1) EPÜ vom Anmelder verlangte Sorgfalt auch vom Vertreter zu beachten; dagegen werden an Hilfspersonen, denen der Vertreter Routinearbeiten überträgt, nicht die gleichen strengen Anforderungen gestellt (Entscheidung J 05/80; ABl. EPA 1981, 343). Liegt ein Fehlverhalten einer Hilfsperson vor, so gehört allerdings zu dieser Sorgfalt, daß für die betreffende Tätigkeit eine entsprechend qualifizierte Person ausgewählt, daß sie mit ihren Aufgaben vertraut gemacht und daß die Ausführung ihrer Arbeiten in vernünftigem Umfang überwacht worden ist (J 05/80, a. a. O.).
3. Dem von der Beschwerdeführerin gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht stattgegeben werden, weil das Fehlverhalten der Sachbearbeiterin nach Auffassung der Kammer auf mangelnde Sorgfalt des Vertreters der Beschwerdeführerin zurückzuführen ist:
3.1. Der angefochtenen Entscheidung war eine Rechtsmittelbelehrung beigefügt, aus der eindeutig hervorging, daß im Hinblick auf die Zulässigkeit der Beschwerde zwei Fristen zu beachten sind. Der Einwand des Vertreters der Beschwerdeführerin, daß das Fehlverhalten der Sachbearbeiterin durch die Formulierung der Rechtsmittelbelehrung, bei der zwei Fristen innerhalb eines Satzes aufgeführt seien, ohne entsprechend hervorgehoben zu sein, begründet sei, kann - falls zutreffend - doch nur bedeuten, daß der Vertreter es unterlassen hat, der Sachbearbeiterin den Inhalt der Rechtsmittelbelehrung hinreichend zu erläutern (Verstoß gegen das Gebot der 'cura in instruendo'). Auch aus dem übrigen Sachvortrag geht nirgends hervor, daß der Vertreter die Sachbearbeiterin hinreichend über die Existenz von zwei Fristen informiert hat.
3.2. Des weiteren hätte dem Vertreter der Beschwerdeführerin bei der periodischen Fristenkontrolle, die nach dessen Aussage in der Regel einmal monatlich durchgeführt wird, auffallen müssen, daß die Sachbearbeiterin nur die Beschwerdefrist (Art. 108 EPÜ, Satz 1), nicht aber die Frist für die Begründung der Beschwerde (Art. 108 EPÜ, Satz 3) notiert hatte.
4. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist zur Begründung der Beschwerde ist daher zurückzuweisen.
5. Da die Beschwerde Artikel 108 EPÜ, Satz 3 nicht entspricht, ist sie daher gemäß Regel 65 (1) EPÜ als unzulässig zu verwerfen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen.