T 0133/94 (Psoriasis/ASTA MEDICA) 01-07-1998
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Verwendung von Alkylphosphorsäure-Verbindungen zur Bekämpfung von Psoriasis-Erkrankungen
Neuheit - ja - Zweitindikation
Erfinderische Tätigkeit - nein - naheliegende Verwendung durch vielversprechende Eigenschaften
I. Die europäische Patentanmeldung 90 117 888.9 mit der Veröffentlichungsnummer 0 419 998 betreffend die Verwendung von Alkylphosphorsäure-Verbindungen zur Bekämpfung von Psoriasis-Erkrankungen wurde von der Prüfungsabteilung unter Artikel 97 (1) EPÜ zurückgewiesen.
II. Die Prüfungsabteilung begründete ihre Entscheidung im wesentlichen damit, daß der Gegenstand des Anspruches 2, der sich auf ein Verfahren zur Herstellung eines Arzneimittels enthaltend definierte Phospholipidverbindungen und definierte Alkylglycerine beziehe, gegenüber der Entgegenhaltung
(1) WO-A-87/03478,
die entsprechende cytotoxische Mittel beschreibe, nicht mehr neu sei. Ferner erfülle der Anspruch 1 für den Vertragsstaat DE, der auf die Verwendung solcher Phospholipide zur Herstellung eines Arzneimittels zur Bekämpfung von Psoriasis-Erkrankungen gerichtet sei, weder das Erfordernis der Einheitlichkeit der Erfindung nach Artikel 82 EPÜ noch weise dieser gegenüber dem nächstkommenden Stand der Technik nach der Entgegenhaltung
(3) EP-A-0 208 961
die notwendige erfinderische Tätigkeit auf.
Zum einen unterscheide sich die anmeldungsgemäße Phospholipidverbindung von der aus der Entgegenhaltung (3) bekannten lediglich in der Brücke zwischen der Phosphatgruppe und der lipophilen Gruppe, wofür die Anmeldung aber zwei Strukturelemente vorschreibe, die dann im Lichte des Standes der Technik "keinen Zusammenhang" mehr aufwiesen.
Zum anderen könne auch die Verbindung aus der Entgegenhaltung (3) eine erhebliche Variation an dieser Stelle aufweisen, so daß hierdurch die Aktivität nicht als beeinflußt angesehen werden könne. Da bekanntermaßen cytotoxische Mittel auch als wirksam gegen Psoriasis bekannt seien, sei im Lichte einer Verknüpfung der Lehren der Entgegenhaltungen (3) und (1) die beanspruchte Verwendung naheliegend. In Abwesenheit weitergehender technischer Informationen von seiten der Anmelderin müsse auch davon ausgegangen werden, daß analogerweise die in Anspruch 2 für den Vertragsstaat DE aufgeführte Kombination von Phospholipid und Alkylglycerin mit besagter Anwendung für den Fachmann vorhersehbar gewesen sei und somit nahegelegen habe.
III. Die Beschwerdeführerin hat gegen diese Entscheidung Beschwerde erhoben und im Verlaufe des schriftlichen Verfahrens verschiedene neue Anspruchssätze eingereicht.
Die Ansprüche des am 2. Juni 1998 eingereichten und geltenden Hauptantrages lauten wie folgt:
"1. Verwendung von Hexadecylphosphocholin der Formel I
FORMULA
zur Herstellung eines Arzneimittels zur Behandlung von Psoriasis.
2. Verwendung eines Gemisches aus Hexadecylphosphocholin der Formel I, aus Verbindungen der Formel II und gegebenenfalls Wasser zur Herstellungen* eines Arzneimittels zur Behandlung von Psoriasis.
Formel II
FORMULA
wobei
einer der Reste R5 und R6 eine Alkylgruppe mit 2 bis 12 Kohlenstoffatomen und der andere Rest ein Wasserstoffatom bedeutet."
"Herstellungen" - offensichtlicher Schreibfehler, der im Hilfsantrag zu Herstellung korrigiert wurde.
Am 1. Juli 1998 hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden, in deren Verlauf die Beschwerdeführerin zuletzt einen Hilfsantrag vorgelegt hat, dessen Ansprüche 1 und 2 sich vom Hauptantrag jeweils durch folgende Ergänzung unterscheiden:
"..., wobei die Menge an Hexadecylphosphocholin pro Dosiseinheit für die lokale Applikation auf die Haut und Schleimhäute im Bereich von 0,1 bis 1000 mg und für die orale, parenterale, inhalative, rektale oder vaginale Applikation im Bereich von 1 bis 1000 mg liegt."
Der schriftliche und mündliche Vortrag der Beschwerdeführerin kann wie folgt zusammengefaßt werden:
Ein gesonderter Anspruchssatz für den Vertragsstaat DE sei nicht mehr erforderlich, da sich entgegen der Auffassung der Prüfungsabteilung herausgestellt habe, daß kein Stand der Technik in bezug auf Artikel 139 (2) und Regel 87 EPÜ im vorliegenden Falle zu berücksichtigen sei.
Aufgrund der Einschränkung auf Hexadecylphosphocholin entfalle auch der Einwand mangelnder Einheitlichkeit unter Artikel 82 EPÜ.
Die als vorveröffentlichter Stand der Technik neuheitsschädlich angesehene Entgegenhaltung (1) beschreibe zwar Verbindungen, wie sie in den geltenden Ansprüchen genannt seien, jedoch ausschließlich in der Anwendung als cytotoxisch wirksame Arzneimittel, und somit müßten die geltenden Ansprüche, die gemäß Formulierung im Rahmen einer sogenannten zweiten Indikation auf die Verwendung besagter Stoffe zur Herstellung eines Arzneimittels zur Behandlung von Psoriasis eingeschränkt seien, in jedem Fall gegenüber diesem Stand der Technik als abgegrenzt angesehen werden.
Die Prüfungsabteilung habe den Offenbarungsgehalt der Entgegenhaltung (3) nicht richtig gewürdigt, insbesondere betreffe dieser Stand der Technik einen Wirkstoff, der nicht nur strukturell unterschiedlich zum anmeldungsgemäßen sei, sondern auch vom Fachmann für die ursächliche Behandlung von Psoriasis nicht als relevant angesehen werde. Daher stelle die Entgegenhaltung (1) mit der Offenbarung eines strukturgleichen Stoffes zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit den nächstkommenden Stand der Technik dar, wobei demgegenüber die der Anmeldung zugrundeliegende Aufgabe darin zu sehen sei, für die in (1) beschriebenen gut verträglichen Wirkstoffe weitere Verwendungen zu finden. In Abwesenheit jeglichen Hinweises auf Psoriasis würde der Fachmann diesen Stand der Technik dann aber nicht weiter berücksichtigen, wobei unter Zugrundelegung bestimmter Metabolismen [Mechanismen] der Fachmann sogar erwarten würde, daß die in (1) beschriebenen Stoffe Psoriasis zum Ausbruch bringen könnten und die Gefahr einer Ausbreitung vorhandener Psoriasis durch Behandlung mit derartigen Zytostatika bestünde. Aus all diesen Gründen würde der Hinweis in Medizinlexika, daß bei schwersten Psoriasis Fällen, und auch ausschließlich in solchen Umständen, Zytostatika wie Methotrexat mit all den bekannten dramatischen Nebenwirkungen angewendet würden, den Fachmann nicht veranlassen, allgemein auf dem Gebiet der Zytostatika zu suchen, um Mittel zu finden, die ursächlich die Psoriasis bekämpfen.
Zur weiteren Abgrenzung gegenüber Zytostatika werde ein Hilfsantrag vorgelegt, der auf sehr hohe Dosen bis 1000 mg Wirkstoff Hexadecylphosphocholin gerichtet sei und somit die sehr gute Verträglichkeit des anmeldungsgemäßen Mittels zum Ausdruck bringe, was zusätzlich die erfinderische Tätigkeit stütze.
Zur erfinderischen Tätigkeit gegenüber dem in jedem Falle weiter abliegenden Stand der Technik nach der Entgegenhaltung (3) sei zu vermerken, daß entgegen der Auffassung der Prüfungsabteilung sogenannte "Screening Reports" zeigten, daß selbst geringe strukturelle Änderungen die pharmakologische Aktivität bei Alkylphosphorsäureverbindungen der beanspruchten Klasse grundsätzlich ändern könnten. Zum Beweis sei auf die wissenschaftliche Veröffentlichung in
(4) Lipids, Vol. 22, No. 11 (1987), Seiten 927 - 929
verwiesen, die sogar zeige, daß der Fachmann ursprünglich Hexadecylphosphocholin als Negativkontrollsubstanz zu strukturähnlichen Verbindungen angesehen habe. Somit sei die Verwendung von Hexadecylphosphocholin zur Behandlung von Psoriasis durch die aus der Entgegenhaltung (3) bekannten aber zur Anmeldung unterschiedlichen Alkylglycerophosphocholine, die dort eine Inhibierung der PAF- (platelet activating factor)-Biosynthese bewirkten, nicht nahelegt. Beispiel 12 auf Seite 25 der Entgegenhaltung (3) beschreibe die den anmeldungsgemäßen Verbindungen noch am nächsten stehende Struktur. Es sei jedoch zu berücksichtigen, daß durch körpereigene Enzyme die dort vorhandene Methoxygruppe gespalten werde und nach Acylierung der OH-Gruppe eine toxische Vorstufe des PAF gebildet werde, was dann sogar im Widerspruch zur eigentlichen Lehre der PAF-Inhibierung stehe. Im übrigen sei ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen PAF-Mechanismen und Psoriasisgenese nicht bekannt. Es werde daher bestritten, daß die Entgegenhaltung (3) eine ursächliche Behandlung von Psoriasis offenbare. Im Zusammenhang mit der Erwähnung von Psoriasis sei dieser Stand der Technik nur spekulativ und allenfalls auf Entzündungsreaktionen gerichtet. Ergänzend sei zu erwähnen, daß neuere Untersuchungen gezeigt hätten, daß die aus (3) bekannten Stoffe eine andere Anreicherung im Gewebe zeigten als die anmeldungsgemäßen. Da die Entgegenhaltung (3) bezüglich einer Antipsoriasis-Wirkung keine eindeutige Offenbarung enthielte und die Entgegenhaltung (1) völlig andere Verwendungen zum Gegenstand habe, gebe es jedenfalls keine Veranlassung für eine Kombination der Lehren dieser Entgegenhaltungen.
Durch das im geltenden Anspruch 2 genannte Gemisch werde eine bessere Penetration von Hexadecylphosphocholin durch die Haut erreicht, was zu einem schnelleren Wirkungseintritt führe.
IV. Die Beschwerdeführerin beantragte, die Zurückweisungsentscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage der am 2. Juni 1998 (Hauptantrag), hilfsweise der am 1. Juli 1998 in der mündlichen Verhandlung überreichten Ansprüche 1 und 2 zu erteilen.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Aufgrund der Einschränkung auf die Verwendung einer definierten Verbindung nach sogenannter "Formel I" in den Ansprüchen gemäß Haupt- und Hilfsantrag stellt sich die Frage der Einheitlichkeit der beanspruchten Erfindung nicht weiterhin.
3. Die Ansprüche 1 und 2 des Hauptantrages stützen sich auf die ursprünglich eingereichten Ansprüche 5 und 6 in Verbindung mit Seite 11, erster vollständiger Absatz, dort insbesondere drittletzte Zeile. Die Ergänzung in den Ansprüchen 1 und 2 des Hilfsantrages leitet sich aus den Einzeldosisangaben auf Seite 9 der Ursprungsoffenbarung her. Alle geltenden Ansprüche erfüllen somit die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ.
Hauptantrag
4. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin, die versucht hat durch reaktionsmechanistische Erklärungen aufzuzeigen, daß die Entgegenhaltung (3) als nächstkommender Stand der Technik ausscheide und ausschließlich Strukturidentität nach der Entgegenhaltung (1) des in der Verwendung beanspruchten Stoffes unabhängig von der hiermit im Zusammenhang beschriebenen medizinischen Indikation als dem Anmeldungsgegenstand, was die tatsächlich zu lösende Aufgabe betrifft, am nächstkommenden anzusehen sei, sieht die Kammer im Einklang mit der ersten Instanz weiterhin die Entgegenhaltung (3) als geeigneteren Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit des Gegenstandes des Hauptantrages an. Es kann dahingestellt bleiben, ob einige Alternativformen der in der Entgegenhaltung (3) beschriebenen Vielzahl von Phospholipidanaloga nicht geeignet sind, die dort angestrebte PAF-Inhibierung nach dem postulierten Mechanismus zu erreichen oder ob gemäß (3) eine ursächliche Psoriasisbehandlung gar nicht ins Auge gefaßt wurde und lediglich eine symptomatische Behandlung angestrebt wird. In jedem Fall offenbart, wie nachstehend gezeigt, die Entgegenhaltung (3) dem Fachmann bereits einen Weg, die Behandlung von Psoriasis anzugehen, was letztendlich auch als Grundgedanke zur vorliegenden Anmeldung gesehen werden muß (vgl. Seite 6, dritter Absatz der ursprünglichen Beschreibungsunterlagen). Daher steht die Entgegenhaltung (1) im Lichte des tatsächlich verfügbaren Standes der Technik dem Anmeldungsgegenstand objektiv ferner.
4.1. In diesem Sinne beschreibt die Entgegenhaltung (3) als nächstkommender Stand der Technik allgemein zur Inhibierung der sogenannten "platelet-activating factor"-(PAF)-Biosynthese Phospholipidanaloga als Arzneimittel, wobei die Behandlung auf PAF zurückzuführende Krankheiten gerichtet sein soll. Konkret genannt ist unter anderem neben Allergien und Hautkrankheiten auch Psoriasis (vgl. Seite 2, Zeilen 18 bis 27). Die Beschwerdeführerin hat zu Recht vorgetragen, daß besagte Arzneimittel unter anderem durch die Struktur Alkylglycerinderivat (oder polare Amidgruppe)-Phosphat-Cholinrest gekennzeichnet sind (vgl. die Strukturelemente auf den Seiten 3 bis Seite 6, dort bis Zeile 5). So nennt Beispiel 12 auf Seite 25 3-O-Hexadecyl-2-methylglycero-1-phosphorylcholin und Beispiel 31 auf Seite 33 ist auf 2-N-Hexadecanoylamino-3-methyl-1-propoxyphosphorylcholin gerichtet. Darüber hinaus offenbart die Entgegenhaltung (3) aber eine Vielzahl weiterer Phosphorderivate und die Substitution von Phosphor durch Schwefel in unterschiedlichen Oxidationsstufen als Stoffgrundlage für die angegebenen Indikationen. (vgl. nochmals insbes. die ursprünglichen Seiten 3 bis 5 und Seite 6, die Zeilen 1 bis 5).
4.2. Demgegenüber kann die der Anmeldung zugrundeliegende Aufgabe darin gesehen werden, zur Herstellung eines Arzneimittels zur Behandlung von Psoriasis die Verwendung eines alternativen Mittels vorzusehen.
4.2.1. Den Vortrag der Beschwerdeführerin, daß die Mittel auf der Grundlage der in (3) als geeignet angesehenen Strukturen unter bestimmten Umständen für eine Psoriasisbehandlung nachteilig sein könnten und sogar zu toxischem PAF führen könnten, sowie die mit der Eingabe vom 2. Juni 1998 eingereichten "Dokumente zum Beleg der erfindungsgemäßen Wirksamkeit" einschließlich der dort angegebenen Verträglichkeit, hat die Kammer bei der Frage, welche Aufgabe tatsächlich gegenüber dem Stand der Technik nach der Entgegenhaltung (3) gelöst werden könnte, nicht außer Acht gelassen. In Abwesenheit einer direkten Vergleichsmöglichkeit, die gestattet bei der Psoriasisbehandlung, Vor- und Nachteile des in Anspruch 1 verwendeten Mittels gegenüber der Vielzahl unterschiedlicher aus der Entgegenhaltung (3) bekannten Stoffe abzuwägen, also eine Balance der Eigenschaften gestattet, konnte die bestehende Aufgabe aber weder generell auf eine Verbesserung der Psoriasisbehandlung noch auf Vorteile bei der Behandlung spezieller Psoriasisformen gestützt werden.
4.2.2. Die bestehende Aufgabe soll nach Anspruch 1 durch die Verwendung von Hexadecylphosphocholin gelöst werden.
Im Hinblick auf die Ergebnisse des Beispiels für die Anwendungsweise der erfindungsgemäßen Verbindungen auf Seite 29 der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen, die wiedergeben, daß sich bei allen mit einem Hexadecylphosphocholin enthaltenden Mittel behandelten Patienten die Schuppung der Schädigung (Läsionen) gebessert und auch die Dicke der Läsionen abgenommen hat, sowie die Ergebnisse der am 2. Juni 1998 eingereichten Erklärung von Professor Eibel bzw. die Versuchsprotokolle der Professoren Breitbart und Orfanos kann es die Kammer als plausibel ansehen, daß die Aufgabe auch tatsächlich gelöst wurde.
5. Die Kammer hat sich davon überzeugt, daß durch die Einschränkung auf die Verwendung einer definierten Alkylphosphorsäure, und zwar Hexadecylphosphocholin zur Herstellung eines Arzneimittels zur Behandlung von Psoriasis die Neuheit des Gegenstandes von Anspruch 1 gegenüber allen im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen gegeben ist. Die Erfordernisse der Artikel 54 (1) und 54 (5) EPÜ, letzterer in Verbindung mit der Entscheidung G 1/83, ABl. EPA 1985, 60, sind somit erfüllt.
6. Es verbleibt somit zu prüfen, ob die Lösung der bestehenden Aufgabe im Lichte des bekannten Standes der Technik auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
6.1. Die Kammer kann der Beschwerdeführerin insoweit zustimmen, daß selbst bei geringfügigen Strukturänderungen eine Unsicherheit bezüglich der zu erwartenden pharmazeutischen Aktivität besteht und somit durch die auf der Seite 6, Zeilen 6 bis 21 als bevorzugte Verbindung angegebene sogenannte Formel I mit R2 und R3 gleich H, die sich von Hexadecylphosphocholin lediglich durch eine Methoxygruppe unterscheidet, oder durch Beispiel 12 auf Seite 25 der Entgegenhaltung (3) mit der Verwendung von 3-O-Hexadecyl-2-methylglycero-1-phosphorylcholin einzig im Rahmen der Gesamtoffenbarung dieses Standes der Technik der Fachmann keine unmittelbare Anregung erhält, im anmeldungsgemäßen Sinne besagte Formel I so zu modifizieren, um als Alternative zur Psoriasisbehandlung die Methoxy- bzw. Methylglycerogruppe fortzulassen.
6.2. Wie von der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung bestätigt und in den ursprünglichen Beschreibungsunterlagen zur Anmeldung auf der Seite 7, erster Absatz ausgeführt, waren dem Fachmann am Prioritätstag der Anmeldung zur Behandlung von Psoriasis aber neben den in (3) genannten Substanzen zur Psoriasisbehandlung auch Corticosteroide und in schweren Fällen sogar Zytostatika, wie z. B. Methotrexat, als Alternativmittel bekannt. Die Kammer hat sich davon überzeugt, daß eine solche Anwendung von Zytostatika dem Allgemeinfachwissen zugerechnet werden kann.
6.3. Da auch Corticosteroide erhebliche Nebenwirkungen, wie u. a. Hautatrophie, in der Behandlung zeigen und insbesondere die schwerwiegenden Nebenwirkungen von Methotrexat, welches z. B. nicht nur entartete Körperzellen angreift, zum Allgemeinwissen zählen, wird der Fachmann sich mit derartigen Lösungsalternativen nicht zufrieden geben und jedenfalls veranlaßt sein, nach weiteren Alternativen zur Herstellung eines Medikamentes zur Behandlung von Psoriasis zu suchen. Da der Fachmann stets bemüht ist, Nebenwirkungen zu minimieren, wird er diesbezüglich sicherlich auch Ausschau nach weiteren erfolgsversprechenden Zytostatika halten und so auf die Entgegenhaltung (1) stoßen, die auf wirksame Arzneimittel zur topischen Behandlung von Hautmetastasen gerichtet ist, wobei als Voraussetzung genannt sind; Verträglichkeit auf der Haut, cytotoxische Wirksamkeit gegen Tumorzellen und ausreichende Tiefenpenetration. Als weiteres Ziel wird geringe Toxizität angegeben (vgl. Seite 2 und Seite 3, dort die Zeilen 1 bis 4). Gemäß den Ausführungen in (1) auf Seite 3, Zeilen 6 bis 19, insbes. die Zeilen 16/17, werden diese Voraussetzungen bzw. Ziele vorzugsweise u. a. durch den Wirkstoff Hexadecylphosphocholin erreicht.
Gemäß Seite 21, Zeilen 1 bis 13, und Seite 22, Zeilen 15, bis 25 von (1) sollen Phosphocholine und somit auch das bevorzugt genannte Hexadecylphosphocholin insbesondere zur topischen Applikation in Kombination mit Alkylglycerinen, und zwar solchen wie sie auch im geltenden Anspruch 2 aufgeführt sind, als Arzneimittel eingesetzt werden. Diese Kombinationen sollen die Wirkung verbessern bzw. einen synergistischen Effekt zeigen.
Auf Seite 24 ab Zeile 25 bis Seite 25, Zeile 8, wird dann nochmals hervorgehoben, daß diese Arzneimittel zur topischen Applikation in besonderem Masse geeignet sind. Im Ergebnis wird berichtet, daß schädliche Nebenwirkungen auch nicht nach einem Zeitraum von drei Monaten beobachtet werden konnten. Die Remission von Hautmetastasen wird geschildert als begleitet von einer Normalisierung der Haut.
6.4. Zuzüglich zu den in der Entgegenhaltung (1) angeführten vielversprechenden Eigenschaften war dem Fachmann aus der von der Beschwerdeführerin selbst eingereichten wissenschaftlichen Veröffentlichung (4) bekannt, daß Hexadecylphosphocholin ursprünglich als sogenannte Kontrollsubstanz, und zwar ohne jegliche Zellschädigungswirkung vorgesehen war.
6.5. Alle voranstehend aus Vorveröffentlichungen bekannten Eigenschaften des Zytostatikums Hexadecylphosphocholin, die auf praktische Nebenwirkungsfreiheit dieser Substanz bei der Behandlung von Hautmetastasen hindeuten, veranlassen sicherlich den Fachmann, diese Substanz alleine und in Kombination mit Alkylglycerinen zur Herstellung eines alternativen Arzneimittels zur Behandlung von Psoriasis zu verwenden, um dann in naheliegender Weise zum Gegenstand der geltenden Ansprüche 1 und 2 zu gelangen.
6.6. Somit erfüllen weder Anspruch 1 noch Anspruch 2 des Hauptantrages wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit des zugrundeliegenden Gegenstandes die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ.
Hilfsantrag
7. Der Gegenstand der Ansprüche 1 und 2 des Hilfsantrages unterscheidet sich vom Hauptantrag lediglich durch definierte Mengen an Hexadecylphosphocholin pro Dosiseinheit (siehe Punkt III voranstehend).
7.1. Da in der Entgegenhaltung (1) auf Seite 33, Zeilen 15 bis 31, aber ebenfalls für die lokale Applikation auf die Haut und Schleimhäute als Einzeldosis 50 mg bis 2000 mg, vorzugsweise 80 mg bis 1500 mg empfohlen werden, können die in den Ansprüchen 1 und 2 genannten Obergrenzen von 1000 mg nicht als außerordentlich hohe bzw. unerwartete Anwendungsgrenzen für Zytostatika bei der Übertragung auf die im vorliegenden Fall an sich nahegelegte Psoriasisbehandlung mit demselben Mittel gelten.
7.2. Da bei sonst verbleibender Wortgleichheit der Ansprüche 1 und 2 die voranstehend unter Punkt 6 aufgezeigte Argumentation bezüglich Aufgabe und Lösung im Lichte des gleichen genannten Standes der Technik weiterhin gilt, kann auch dem beanspruchten Gegenstand gemäß Hilfsantrag nicht die notwendige erfinderische Tätigkeit im Rahmen von Artikel 56 EPÜ zuerkannt werden.
8. Bei dieser Sachlage konnte den Anträgen der Beschwerdeführerin nicht stattgegeben werden und die Zurückweisung der Anmeldung durch die erste Instanz war zu bestätigen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.