T 0610/97 22-03-2000
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Wäßrige Bindemittelkombination, ein Verfahren zu ihrer Herstellung und ihre Verwendung
(1) BASF Aktiengesellschaft, Ludwigshafen
(2) BASF Coatings AG
(3) Vianova Resins GmbH & Co. KG
(4) Akzo Nobel N.V.
Zulässigkeit der verspätet vorgebrachten Beweismittel (verneint)
Neuheit (Hauptantrag und Hilfsantrag 1) - ältere europäische Patentanmeldung (verneint)
Erfinderische Tätigkeit (Hilfsanträge 6 bis 9) - naheliegende Kombination bekannter Merkmale (verneint)
I. Die Bekanntmachung des Hinweises auf die Erteilung des europäischen Patents Nr. 0 496 205 auf die europäische Patentanmeldung Nr. 92 100 190.5, die am 8. Januar 1992 eingereicht worden war und die Priorität zweier früherer Patentanmeldungen in Deutschland vom 19. Januar 1991 (4101527) und 9. April 1991 (4111392) beanspruchte, erfolgte am 24. Mai 1995 (Patentblatt 95/21). Das Patent enthielt 10 Ansprüche.
Die unabhängigen Ansprüche lauteten:
"1. Wäßrige Bindemittelkombination bestehend im wesentlichen aus
A) einer wäßrigen Lösung oder Dispersion mit einem Festkörpergehalt von 25 bis 65 Gew.-% und einem Gehalt an organischen Lösungsmitteln von unter 8 Gew.-% einer wasserverdünnbaren organischen Polyolkomponente und
B) einer Polyisocyanatkomponente einer Viskosität bei 23°C von 50 bis 10 000 mPa.s, bestehend aus mindestens einem organischen Polyisocyanat, welche in der Komponente A) emulgiert vorliegt, wobei das NCO/OH-Äquivalentverhältnis, bezogen auf die Isocyanatgruppen der Komponente B) und die Hydroxylgruppen der in A) vorliegenden Polyolkomponente bei 0,5:1 bis 5:1 liegt,
dadurch gekennzeichnet, daß die in A) vorliegende Polyolkomponente aus mindestens einem Urethan-, Carboxylat- und Hydroxylgruppen aufweisenden Polyesterharz besteht."
"6. Verfahren zur Herstellung von Beschichtungsmitteln mit einem max. Lösungsmittelgehalt von 20 Gew.-%, die aus einer wäßrigen Bindemittelkombination und gegebenenfalls aus der Lacktechnologie bekannten Hilfs- und Zusatzmitteln bestehen, dadurch gekennzeichnet, daß man in eine wäßrige Lösung oder Dispersion von Urethan-, Carboxylat- und Hydroxylgruppen enthaltenden Polyesterharzen eine Polyisocyanatkomponente einer Viskosität bei 23°C von 50 bis 10 000 mPa.s, bestehend aus mindestens einem organischen Polyisocyanat, welches gegebenenfalls in Abmischung mit geringen Mengen an inerten Lösungsmitteln zum Einsatz gelangt, emulgiert, wobei die Mengenverhältnisse der beiden Komponenten einem NCO/OH-Äquivalent-verhältnis, bezogen auf die Isocyanatgruppen der Polyisocyanatkomponente und die Hydroxylgruppen des Polyesterharzes, von 0,5 : 1 bis 5 : 1 entsprechen, und wobei die gegebenenfalls mitverwendeten Hilfs- und Zusatzstoffe der Urethan-, Carboxylat- und Hydroxylgruppen enthaltenden Polyesterharzlösung bzw. -dispersion vor der Zugabe der Polyisocyanatkomponente einverleibt worden sind."
"8. Verwendung von Bindemittelkombinationen gemäß Anspruch 1 bis 4 als Bindemittel für Lacke, Beschichtungs- oder Dichtmassen."
Die Ansprüche 2 bis 5 betrafen bevorzugte Ausführungsformen der Bindemittelkombination gemäß Anspruch 1, Anspruch 7 eine solche des Verfahrens gemäß Anspruch 6, die Ansprüche 9 und 10 solche der Verwendung gemäß Anspruch 8.
II. Mit der Begründung, daß der im angefochtenen Patent beanspruchte Gegenstand nicht neu sei und nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe (Artikel 100 a) EPÜ), wurde, gestützt auf zahlreiche Dokumente, Einspruch eingelegt durch die Einsprechenden 1 bis 4:
(1) BASF Aktiengesellschaft am 15. Februar 1996,
(2) BASF Lacke und Farben AG, nunmehr BASF Coatings AG (Eingabe am 29. November 1997) am 20. Februar 1996,
(3) Hoechst AG, nunmehr Vianova Resins GmbH & Co. KG (Eingabe am 2. November 1999) am 22. Februar 1996,
(4) Akzo Nobel N.V. am 26. Februar 1996.
Die Einsprüche wurden im wesentlichen auf die folgenden Dokumente gestützt:
D1: EP-A-0 469 389,
D2: EP-A-0 358 979,
D3: DE-A-3 345 448 und
D4: DE-A-2 624 442.
III. Mit einer am 14. April 1997 zu Post gegebenen Entscheidung widerrief die Einspruchsabteilung das Streitpatent. Die Entscheidung gründete sich auf das Patent in seiner erteilten Form.
i) Die Einspruchsabteilung sah die Gegenstände der Ansprüche 1, 4, 6 und 8 als durch die ältere Patentanmeldung D1 neuheitsschädlich getroffen an (Artikel 54(3) und (4) EPÜ).
ii) Außerdem wurden die Ansprüche 1, 2, 6 und 7 als nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhend gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik D3 in Verbindung mit D2 beurteilt (Artikel 56 EPÜ).
IV. Am 4. Juni 1997 legte die Beschwerdeführerin BF (Patentinhaberin) gegen die vorstehend genannte Entscheidung Beschwerde ein und entrichtete gleichzeitig die vorgeschriebene Gebühr. Mit der am 7. August 1997 eingereichten Beschwerdebegründung widersprach sie der Begründung der Entscheidung der Einspruchsabteilung.
i) Zur Neuheit trug sie vor, die in Komponente A) emulgierte Isocyanat-Komponente B) gemäß Anspruch 1 unterscheide sich von der selbst-dispergierbaren Isocyanat-Komponente in D1 und das der Komponente A) des Streitpatents entsprechende Polyurethan in D1 enthalte Urethan- und Harnstoffgruppen.
ii) Die Ansicht der Einspruchsabteilung zur erfinderischen Tätigkeit sei irrig, nach der D2 und D3 eine übereinstimmende Aufgabenstellung hätten und nach der man durch Kombination der beiden Lehren habe zum Inhalt des Streitpatents kommen können, denn die dort gefundenen Lösungen seien ihren voneinander verschiedenen Aufgaben entsprechend unterschiedlich. Weiterhin werde in D3 keine Anregung gegeben, spezielle Urethan-, Hydroxy- und Carboxylatgruppen haltige, keine Polyether-Segmente aufweisende Polyesterdispersionen einzusetzen, die erfindungsgemäß besonders gut geeignet seien, in Kombination mit (hydrophoben) Polyisocyanaten ohne Carboxylatgruppen qualitativ hochwertige (Topfzeit, Verarbeitungszeit, Qualität der vernetzten Lackfilme) wäßrige, bei Raumtemperatur reaktive Systeme herzustellen (letzte Seite, Absatz 2). Auch D2 gebe keine Hinweise, die dortigen speziellen Polyacrylatdispersionen durch die speziellen Polyesterdispersionen zu ersetzen.
V. Die Beschwerdegegnerinnen (BG; Einsprechenden) 1, 2 und 4. hingegen unterstützten in ihren Beschwerdeerwiderungen die angefochtene Entscheidung und widersprachen in allen Punkten dem Vorbringen der BF (Eingaben vom 9. Oktober 1997, 7. Januar 1998 und 4. Dezember 1997).
i) Zur Neuheit gegenüber D1 wurde dargelegt, die Art der Emulgierung sei gegenstandslos, im Streitpatent könne jede beliebige Isocyanatkomponente eingesetzt werden (Seite 5, Zeilen 38 bis 40) und zudem schließe der Wortlaut von Anspruch 1 des Streitpatents weitere funktionelle Gruppen nicht aus. BG 2 erhob außerdem einen Neuheitseinwand auf der Basis von D3, da Anspruch 1 keinerlei Beschränkung hinsichtlich der Komponente B) enthalte (Beschwerdeerwiderung, Punkte 4 bis 6).
ii) Zur erfinderischen Tätigkeit wurde im wesentlichen ausgeführt, die gegenüber den Entgegenhaltungen zu lösende Aufgabe habe nur darin bestanden, eine Isocyanatkomponente zu finden, die anstatt blockierter Isocyanate in wäßrigen Beschichtungsmitteln eingesetzt werden könne (BG 1, Seite 2, letzter Absatz), wobei allerdings Anspruch 1 blockierte Isocyanatverbindungen nicht ausschließe (BG 2: Punkt 4, der die Seiten 2/3 überbrückende Absatz; BG 4: Seite 2, Zeilen 14 bis 16), auch sei die Argumentation der BF hinsichtlich der Komponente A) nicht durch limitierende Merkmale im Anspruch gestützt (BG 2: Punkt 5).
iii) Zur erfinderischen Tätigkeit nannte BG 4 zusätzlich das Dokument
D5: DE-A-2 507 884.
Basierend auf D5 wurde von BG 4 argumentiert, es sei bekannt gewesen, den Glanz pigmentierter Beschichtungen zu verbessern, indem man carboxylgruppenhaltige Polyacrylat- oder Polyester-Lackbindemittel in niedrig siedenden Lösungsmittel löse, die Pigmente in die Lösung einarbeite und dann das Ganze in Wasser dispergiere. Diese Lehre sei nicht auf Bindemittel mit blockierten Isocyanaten beschränkt.
VI. Am 3. Februar 2000 teilte BG 1 mit, sie werde an der für den 22. März 2000 anberaumten mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen.
VII. Die BF reichte am 9. Februar 2000 neue Anspruchssätze zu fünf Hilfsanträgen, sowie einen Versuchsbericht ein und widersprach dem Vorbringen der BG.
i) Diese Hilfsanträge umfaßten neben Produkt- auch Verfahrens- und Verwendungsansprüche; sie wurden im weiteren Verlauf des Verfahrens ersetzt.
ii) In dem Versuchsbericht wurden Verarbeitungszeiten von Dispersionen gemäß dem Streitpatent und gemäß D2 verglichen.
VIII. In einem weiteren Schriftsatz, der am 18. Februar 2000 einging, wurde von BG 4 die folgende Patentschrift genannt:
D6: US-A-4 408 008.
IX. Auf den zusätzlichen Versuchsbericht der BF reagierte BG 3 in einem am 21. Februar 2000 eingegangenen Schreiben wegen der kurzen Zeitspanne bis zur mündlichen Verhandlung mit dem Antrag auf deren Verlegung bzw. auf Außerachtlassung der zusätzlichen Versuchsergebnisse.
In einer am 29. Februar 2000 zur Akte gelangten Beschwerdeerwiderung, der weitere Literatur beigefügt war, setzte sich BG 3 mit dem Vorbringen der BF auseinander.
i) Als Literatur wurden zusätzlich genannt:
D7: B. Vollmert, Polymer Chemistry, Springer-Verlag Berlin 1973, Seiten 419 bis 421,
D8: Eingabe der Bayer AG in Sachen der Beschwerde T 322/95 (D2 betreffend) und
D9: Punkte 2 bis 2.4.3 der Entscheidungsgründe der Entscheidung T 322/95 zum Begriff "Lacke".
ii) Zur Neuheit folgte BG 3 zum einen der Argumentation der anderen BG bezüglich der Isocyanatkomponente B), zum anderen bekräftigte sie zusätzlich, daß auch die Polyurethane I von D1 unter die Definition der Komponente A) des Streitpatents fielen, so daß der Hauptantrag nicht neu sei. Sie anerkannte jedoch gegenüber D1 die Neuheit des Gegenstandes von Anspruch 1 des Hilfsantrages 1.
iii) Zur erfinderischen Tätigkeit betrachtete BG 3 die Entgegenhaltung D3 als nächstliegenden Stand der Technik, gegenüber dem die technische Aufgabe darin gesehen wurde, daß weitere in Wasser dispergierte Bindemittel bereitgestellt werden sollten. Diese Aufgabe sah sie durch die Modifizierung von D3 gemäß D2 als in naheliegender Weise gelöst an.
iv) Zu den Hilfsanträgen verwies BG 3 auf die Rechtsprechung, derzufolge ein Disclaimer eine naheliegende Lösung nicht erfinderisch machen könne.
X. In weiteren Eingaben vom 2. März und 7. März 2000 wurde von BG 2 und BG 3 dem Antrag der BF vom 1. März 2000 auf Zulassung eines technischen Experten zur mündlichen Verhandlung widersprochen. Dieser Antrag und die Gegenäußerungen waren aber für das weitere Verfahren gegenstandslos.
XI. Die mündliche Verhandlung, an der neben der BF die BG 2, 3. und 4 teilnahmen, nicht aber - wie angekündigt - die ordnungsmäßig geladene BG 1, wurde am 22. März 2000 durchgeführt.
i) Zunächst wurde die Frage der Zulässigkeit des nachgereichten Versuchsberichts der BF sowie der nachgenannten Entgegenhaltungen und Schriftstücke D5 bis D9 eingehend erörtert.
Die BF legte dar, die zusätzlichen Versuche dienten lediglich zur Stützung der in der Patentschrift bereits geltend gemachten Erhöhung der Standzeit im Vergleich zum Lack gemäß D2. Bei der Vorbereitung der mündlichen Verhandlung sei festgestellt worden, daß diese Verbesserungen bis dahin nicht quantifiziert worden seien. Die Versuche seien aber nicht unabdingbar notwendig für ihre weitere Argumentation, so daß sie nicht unbedingt ins Verfahren eingeführt werden müßten.
Die BG, die ihre Vorträge für die mündliche Verhandlung offensichtlich aufeinander abgestimmt hatten, beantragten die Versuche sowohl mangels Aussagekraft, wie auch wegen zu kurzer Zeit für eine notwendige eingehende Überprüfung nicht zuzulassen.
Die als erfindungsgemäß bezeichneten Versuche könnten nicht mit den vorgeblich D2 entsprechenden Experimenten verglichen werden, da sie sich z. B. im Wasser- und Pigmentgehalt unterschieden. Die Verarbeitungszeit sei jedoch hauptsächlich von der Reaktivität und Reaktionsgeschwindigkeit des Isocyanats mit Wasser abhängig. Unterschiedliche Wassermengen würden daher naturgemäß auch unterschiedliche Verarbeitungszeiten bedingen. Die Experimente insgesamt stellten daher keinen fairen Vergleich mit D2 dar. Zudem sei nicht klar, welche Versuche von D2 wiederholt worden seien. Die Versuche würden also mehr neue Fragen stellen, als alte lösen. Sie machten auf jeden Fall aufwendige Gegenversuche notwendig.
Ergänzend wurde darauf hingewiesen, daß in einigen der Versuche mit Bayhydur 3100 ein hydrophiles Polyisocyanat eingesetzt worden sei, was im Gegensatz zur Argumentation der BF zur Neuheit stehe.
Zu den Dokumenten D5 und D6 führte BG 4 aus, diese seien nur im Hinblick auf die Beschränkung auf Lacke in einigen Hilfsanträgen genannt worden. BG 3 machte geltend, daß D7 als Lehrbuch nur die allgemeine Kenntnis des Fachmanns belegen sollte, während D8 und D9 auf Rechtsprechung hinwiesen, die der Fachmann ebenfalls kenne.
ii) Nach Abschluß dieser verfahrensrechtlichen Fragen wurde die Neuheit des Hauptantrags anhand von D1 diskutiert. Die vorgetragenen Argumente entsprachen im Großen und Ganzen denen in den schriftlichen Eingaben der Parteien. Die BF betonte, erfindungsgemäß würden im Gegensatz zu D1 keine hydrophilen Polyisocyanate eingesetzt.
Die BG legten demgegenüber dar, daß Anspruch 1 keine Abgrenzung gegen solche Verbindungen enthielte, vielmehr verweise Seite 5, Zeile 38 der Streitpatentschrift ausdrücklich auf "beliebige organische Polyisocyanate".
iii) Nach Verkündung der Entscheidung zur Neuheit des Hauptantrags verneinten die BG auch die Neuheit des ersten Hilfsantrags, gegen den im übrigen keine formalen Einwände erhoben wurden. Der Disclaimer schließe nur die Offenbarung von D1 aus. Zum einen seien die Polyol-Komponenten des Streitpatents und von D3 identisch, zum anderen falle auch die Isocyanatkomponente dieser Entgegenhaltung trotz ihrer blockierten Isocyanatgruppen unter "beliebige organische Polyisocyanate", also die Definition der Komponente B) des Streitpatents. Auch der in Anspruch 9 genannte Temperaturbereich bis 250 C deute auf die Verwendbarkeit blockierter Isocyanate.
Die BF bestätigte, daß der von ihr geltend gemachte Unterschied allein in der Isocyanatkomponente B) liege. Sie begründete diesen Unterschied mit dem Argument, bei Verbindungen mit blockierten Isocyanatgruppen handle es sich nicht mehr um Isocyanate, so daß D3 den Patentgegenstand nicht vorwegnehme, und sie verwies ergänzend auf Artikel 69 EPÜ. Sofern der Leser Zweifel über die Bedeutung der Definition in Anspruch 1 hege, würden diese durch die entsprechende Stelle der Beschreibung beseitigt. Auf Seite 5, Zeile 38 des Streitpatents sei eindeutig von freien Isocyanatgruppen die Rede.
iv) Im Anschluß an diese Neuheitsfrage wurden die Hilfsanträge 2 bis 5 miteinander behandelt, zunächst durch Erörterung der Frage der Klarheit. Aufgrund der von der Kammer und den BG erhobenen Einwände ersetzte die BF nach kurzer Unterbrechung der Verhandlung die Hilfsanträge 2 bis 5 durch neue Hilfsanträge 6 bis 9, die keine Verwendungsansprüche mehr umfaßten und die in der weiteren Verhandlung nochmals unter anderem durch Streichung der Verfahrensansprüche geändert wurden. Die letzte Fassung der Hilfsanträge 6 bis 9. beschränkt sich demzufolge auf Produktansprüche.
v) Die verbleibenden Ansprüche dieser Hilfsanträge unterscheiden sich von denen der erteilten Fassung des Streitpatents wie folgt, wobei in umnumerierten Unteransprüchen die Verweise auf vorangehende Ansprüche angepaßt worden sind:
1. Alle Ansprüche dieser Hilfsanträge richten sich nun ausschließlich auf wäßrige Lacke.
2. Die Definition der Polyurethankomponente B) ist in jedem Anspruch 1 in der folgenden Weise umformuliert worden:
"einer Polyisocyanatkomponente einer Viskosität bei 23°C von 50 bis 10 000 mPa.s mit freien Isocyanatgruppen, bestehend aus mindestens einem organischen Polyisocyanat mit freien Isocyanatgruppen, welche in der Komponente A) emulgiert vorliegt, wobei das NCO/OH-Äquivalentverhältnis, bezogen auf die Isocyanatgruppen der Komponente B) und die Hydroxylgruppen der in A) vorliegenden Polyolkomponente bei 0,5:1 bis 5:1 liegt,"
3. Hilfsantrag 6:
Anspruch 1 unterscheidet sich vom Wortlaut des Hauptantrags darüber hinaus durch die Anfügung eines Disclaimers folgenden Wortlauts:
"und mit der Maßgabe, dass wasserdispergierbare Polyisocyanate, worin das Polyisocyanat
a) einen Isocyanat-Gehalt von 2 - 30 Gew.-%, bezogen auf das Gewicht des Polyisocyanats,
b) eine mittlere Funktionalität von mindestens 1,8,
c) 0 - 200 Milliäquivalente chemisch eingebauter anionischer Gruppen auf 100 g Polyisocyanat und
d) 0 - 25 Gew.-%, bezogen auf das Gewicht des Polyisocyanats, Ethylenoxid-Einheiten, eingebaut in endständigen oder seitenständigen Polyetherketten
aufweist, wobei die Komponenten c) und d) in einer Menge anwesend sind, die ausreicht, um das Polyisocyanat stabil in Wasser dispergierbar zu halten, ausgenommen sind."
In der drittletzten Zeile von Anspruch 2 ist die Untergrenze der Konzentration der Komponente A) von "15" durch "25" ersetzt worden.
Anspruch 3 wurde gestrichen, die erteilten Ansprüche 4 und 5 schließen sich umnumeriert als Ansprüche 3 und 4 an.
4. Hilfsantrag 7:
Am Ende des gemäß den Punkten XI.v)1 und XI.v)2 geänderten Anspruchs 1 sind der erteilte Anspruch 2 angefügt und die Untergrenze der Konzentration der Komponente A) in "25" geändert worden.
Die erteilten Ansprüche 4 und 5 folgen als Ansprüche 2 und 3.
5. Hilfsantrag 8:
Anspruch 1 setzt sich zusammen aus Anspruch 1 von Hilfsantrag 7, der Definition der Komponente A) aus dem erteilten Anspruch 3, wobei die Prozentbereiche der Bestandteile a) bis d) durch die entsprechenden Werte aus dem erteilten Anspruch 5 ersetzt worden sind, sowie dem Wortlaut des erteilten Anspruchs 4.
Der erteilte Anspruch 5 folgt als Anspruch 2.
6. Hilfsantrag 9:
Der einzige verbleibende Anspruch setzt sich zusammen aus dem gemäß den Punkten XI.v)1 und XI.v)2 präzisierten Anspruch 1 und Anspruch 5 der erteilten Fassung.
vi) Zur Frage der erfinderischen Tätigkeit argumentierte die BF im wesentlichen, daß Zwei-Komponenten-Polyurethan-Lacke auf wäßriger Basis nur aus D2 bekannt seien. Dort sei erstmals das Problem einer Reduktion der Qualität der Überzüge auf nicht praxisgerechte Werte durch die Reaktion von Wasser mit den freien Isocyanatgruppen des Polyurethan-Systems gelöst worden. Dies sei im Streitpatent auf Seite 2, Zeilen 14 bis 21 dargelegt.
Die vorliegende Erfindung biete nun eine Alternative zu diesen bekannten Lacken, womit überraschenderweise eine weitere Verbesserung der Standzeiten gegenüber D2 erzielt werde. Dies sei ersichtlich aus der verlängerten Gelierzeit (Beispiel 1: Seite 10, Zeilen 14 und 24) und den in den Beispielen 7 bis 9 offenbarten Standzeiten von 5 bis 8 Stunden (Seite 13, Zeile 55). Zur Lösung dieser Aufgabe gebe keines der Dokumente D2 oder D3 eine Anregung. D2 offenbare in seinen Beispielen Verarbeitungszeiten von vier Stunden oder gebe nur "mehrere Stunden" an (Seiten 9, 11 und 12).
D2 betreffe zudem andere Systeme auf der Basis von Polyacrylatharzen. Nach Rechtsprechung (siehe Rspr BK, 3. Auflage, 1998, Seite 133, Kapitel I.D.4.3) könne auch eine alternative Lösung erfinderisch sein, die wie die vorliegende Erfindung eine Bereicherung des Standes der Technik darstelle.
D3 könne nicht als nächstliegender Stand der Technik angesehen werden, denn das Dokument beziehe sich auf Systeme mit blockierten Isocyanatgruppen, bei denen dieses technische Problem nicht auftrete. Dort müsse der Lack auf jeden Fall eingebrannt werden, während das erfindungsgemäße System bereits bei Raumtemperatur eingesetzt werden könne (Beispiel 1).
D4 nenne alle möglichen Alternativen zu jeder Komponente. Dies führe zu einer Unzahl von möglichen Kombinationen, die Tausende von Versuchen notwendig machten, um eine bestimmte Auswahl zu treffen. In den Beispielen würden, soweit überhaupt, völlig andersartige Härter eingesetzt. Um von diesem Dokument zur speziellen Kombination von Komponenten des Streitpatents zu gelangen, sei erfinderische Tätigkeit notwendig gewesen.
vii) Die BG stellten demgegenüber heraus, daß unstreitig D2 wäßrige Polyurethan-Lacke auf der Basis derselben Isocyanatkomponente offenbare. Diese Komponente stelle die Lösung des zuvor ungelösten Basisproblems solcher Lacke dar, welches in der vorzeitigen Reaktion Wasser/Isocyanat und der dadurch bedingten verminderten Verarbeitbarkeit des Lackes gelegen habe. Wie von der BF selbst im Beschwerdeverfahren zu D2 vorgetragen (siehe D8, den von Seite 2 auf Seite 3 übergreifenden Absatz), beschreibe die Entgegenhaltung die Pioniererfindung auf diesem Gebiet, nämlich den Einsatz der speziellen Isocyanatkomponente mit freien Isocyanatgruppen und einer bestimmten Viskosität in wäßrigen Lacken. Dabei sei gefunden worden, daß diese speziellen Polyisocyanate in solchen Lacken mit den Hydroxylgruppen der Polyole schneller reagierten als mit Wasser, wenn bestimmte NCO/OH-Verhältnisse eingehalten werden.
Die Polyolkomponente sei dort nur sehr allgemein definiert worden. Dies zeige, daß die Art ihrer Polymerkette (Backbone) keine entscheidende Rolle gespielt habe. Gleiches könne man auch im Hinblick auf die Formulierung von Anspruch 1 von Hilfsantrag 6 feststellen.
Zudem weise bereits die Offenbarung in D2 den Weg zu einer Verlängerung der nutzbaren Zeit für wäßrige Lacke und die qualitative Verbesserung der daraus herstellbaren Lackfilme (Seite 2, Zeilen 30 bis 34). In den Beispielen von D2 werde bereits auf Verarbeitungszeiten von mehreren Stunden, beispielsweise ca. 4 Stunden verwiesen (siehe z. B. Seite 9). Zudem werde aus der Offenbarung der Streitpatentschrift nicht deutlich, ob die demgegenüber geltend gemachte Verbesserung tatsächlich erreicht werde. Es würden verschiedene Begriffe verwendet (Verarbeitungszeit, Standzeit und Gelierzeit), deren Bedeutung nicht als identisch angesehen werden könne und daher keineswegs einen direkten Vergleich der in D2 und im Streitpatent angegebenen Werte erlaube. Unterschiede in den angegebenen Werten könnten z. B. auch auf unterschiedlichen Meßmethoden beruhen.
D2 gebe dem Fachmann die notwendige Information, welche Isocyanatkomponente die Herstellung eines wäßrigen Polyurethan-Lackes erlaubt, der nicht eingebrannt werden muß und über lange Zeit verarbeitbar bleibt.
In D4 seien stabile wäßrige Dispersionen eines nicht-gelierten emulgatorfrei dispergierten Polyurethans für Überzugszwecke beschrieben. Im folgenden werden zur Vereinfachung die Seiten und Zeilen der DE-A-Schrift in der Form Seite/Zeile angegeben, die Spalten und Zeilen der von den BG in der mündlichen Verhandlung verwendeten DE-B-Schrift als [Spalte/Zeile].
Das Dokument sei im Einspruchsverfahren nur hinsichtlich der Neuheit in Betracht gezogen worden. Daraus sei aber bereits die Kombination eines Polyester-Urethans mit einem Polyisocyanat-Härter mit freien oder blockierten Isocyanatgruppen (45/8 bis 9 [14/48 bis 49]) bekannt gewesen, die je nach Reaktivität des Härters als Ein- oder Zwei-Komponenten-(oder -Pack)system ausgebildet worden seien (45/19 bis 46/6 [14/60 bis 15/9]).
Nachdem aus der Pioniererfindung D2 bereits bekannt gewesen sei, wäßrigen Lack auf der Basis von Polyisocyanaten mit freien Isocyanatgruppen bereitzustellen, sei es fachmännische Routine gewesen, eine Polyol-Komponente aus den in D4 im wesentlichen vier angebotenen Alternativen, die ohnehin alle auf dieselbe Weise mit derselben Isocyanatkomponente reagierten, eine Auswahl zu treffen (22/ab 5 von unten [7/20 ff.]).
Das Polyester-Urethan enthalte zudem genau wie Komponente A) des Streitpatents anionische Gruppen (25/12 ff. [8/28 ff.]) und Hydroxyfunktionalität (43/11 ff.[13/61 ff.]). Seine eingesetzten Dispersionen hätten einen Festgehalt von 20 bis 80% (44/11 ff.)[14/24 ff.].
XII. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt, hilfsweise aufgrund des am 9. Februar 2000 eingereichten ersten Hilfsantrags oder aufgrund eines der während der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsanträge 6 bis 9 nach Streichung der Verfahrensansprüche.
Die Beschwerdegegnerinnen beantragten die Zurückweisung der Beschwerde der Patentinhaberin.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Zulässigkeit des Versuchsberichtes
2.1. In der am 7. August 1997 eingereichten Beschwerdebegründung wurden auf Seite 5, Absatz 2 im Zusammenhang mit D3 erstmals die Merkmale "die Standzeit, die Verarbeitungszeit und die Qualität der Überzüge" angesprochen, die im Streitpatent im Hinblick auf Nachteile des Standes der Technik erwähnt sind. Diesen Nachteilen konnte jedoch offenbar bereits durch den Gegenstand von D2 abgeholfen werden (Seite 2, Zeilen 17 bis 21 des Streitpatents).
2.2. Mehr als 2½ Jahre später, knapp 6 Wochen vor der mündlichen Verhandlung legte die BF einen am 10. Februar 2000 eingegangenen Versuchsbericht vor, mit dem sie eine Verbesserung der Verarbeitungszeit gegenüber D2 belegen wollte. Als Begründung gab sie in der mündlichen Verhandlung an, daß erst bei der Vorbereitung des Verhandlungstermins aufgefallen sei, daß die geltend gemachten Verbesserungen bis dahin nicht quantifiziert worden waren. Im übrigen könne sie auch ohne diese Versuchsergebnisse das Streitpatent verteidigen. Deshalb würde sie nicht unbedingt auf deren Einführung in das Verfahren bestehen.
Die BG wiederholten ihre Anträge, die Versuche nicht zuzulassen, da es ihnen in der kurzen Zeit bis zur mündlichen Verhandlung unmöglich gewesen sei, sachlich fundiert dazu Stellung zu nehmen. Um ihre Relevanz beurteilen zu können, müßten die Versuche nachgestellt werden. Dafür würden aber deutlich mehr als die knapp sechs Wochen vor der Verhandlung benötigt. Außerdem sei ohnehin nicht klar, welche Beispiele von D2 nachgearbeitet worden seien.
2.3. Zur sachlichen Aussage des Versuchsbericht wurden ebenfalls gegensätzliche Positionen vertreten. Während die Versuche nach Ansicht der BF zeigten, daß gegenüber D2 durch die erfindungsgemäße Bindemittelkombination eine deutlich verlängerte Verarbeitungszeit erzielt werde, bezweifelten die BG diese Aussagekraft. Die in den Tabellen miteinander verglichenen Versuche seien schon wegen der unterschiedlichen Zusammensetzungen nicht vergleichbar. Beispielsweise unterschieden sie sich im Wasser- oder Pigmentgehalt. Die ungleichen Zusammensetzungen wurden von der BF damit begründet, daß es bei Lacken allgemein üblich sei, bei Vergleichsversuchen Zusammensetzungen gleicher Viskosität einzusetzen. Nach Ansicht der BG war es bei Kenntnis der chemischen Zusammenhänge nicht erstaunlich, daß voneinander verschiedene Isocyanat-Wasser-Verhältnisse zu unterschiedlichen Ergebnissen führen, da die Verarbeitbarkeitsdauer stark von der Reaktion zwischen diesen beiden Komponenten abhänge.
Es wurde außerdem bezweifelt, daß dieses Merkmal eine signifikante Lackeigenschaft darstelle.
2.4. Gemäß Artikel 113 (1) EPÜ dürfen Entscheidungen des EPA nur auf Gründe gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten. Die Rezepturen der Versuche enthalten nicht nur zwei Reaktionspartner, sondern eine Reihe von nicht notwendigerweise inerten Komponenten. Daher muß den BG zugebilligt werden, die vorgelegten Versuchsergebnisse einer sachlichen Prüfung zu unterziehen. In Anbetracht der Zusammenhänge zwischen den komplexen Rezepturen und den geltend gemachten Effekten ist es den BG - wie von ihnen auch vorgetragen - nach Ansicht der Kammer in der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit zwischen Einreichung des Versuchsberichts am 10. Februar 2000 und der mündlichen Verhandlung am 22. März 2000 nicht möglich gewesen, sich sachlich zu den Ergebnissen und den von der BF daraus abgeleiteten Argumenten fundiert zu äußern.
Die BF andererseits hat keine überzeugenden Gründe für die späte Vorlage der Versuche darlegen können. Die Topf- und Verarbeitungszeit als ein Kriterium für die Bindemittelkombination bzw. den nun beanspruchten Lack ist beiläufig bereits in der Beschwerdebegründung vom 5. August 1997 erstmals kurz angesprochen worden. Es wäre daher bereits damals an der Zeit und an der BF gewesen, diese Ausführungen durch entsprechende Beweise zu substantiieren und dadurch den Nachweis zu erbringen, daß die Entscheidung der Einspruchsabteilung unrichtig war (T 585/92, ABl. EPA 1996, 129).
Gemäß der Entscheidung T 951/91 (ABl. EPA 1995, 202) müssen die Parteien "ihr Bestes tun, um die für ihre Sache relevanten Tatsachen, Beweismittel und Argumente so frühzeitig und vollständig wie möglich vorzulegen. Unterläßt ein Beteiligter dies ohne Angabe stichhaltiger Gründe und würde die Zulassung der Beweismittel zu einer übermäßigen Verzögerung des Verfahrens führen, so können die Beschwerdekammern die Zulassung im Rahmen ihres Ermessensspielraums nach Artikel 114 (2) EPÜ durchaus zu Recht ablehnen." (vgl. Entscheidungsgründe, Punkt 5.15).
Diese Überlegungen hatten die Kammer im genannten Fall zur Auffassung kommen lassen, daß der Versuch einer Partei, in einem fortgeschrittenen Verfahrensstadium neue Beweismittel vorzulegen, als unzumutbar zu werten war (vgl. Entscheidungsgründe, Punkt 6).
Diese Verfahrensgrundsätze wurden in T 1002/92 (ABl. EPA 1995, 605) und T 39/93 (ABl. EPA 1997, 134) bestätigt und weiterentwickelt.
2.5. In sachlicher Hinsicht sind die Versuchsergebnisse nicht als hinreichend relevant anzusehen, um dem Hilfsantrag der BG auf Vertagung der mündlichen Verhandlung stattzugeben.
Wie von den BG dargelegt, leidet die Aussagekraft der Versuche bereits durch die Tatsache, daß die direkte Vergleichbarkeit der jeweils sich gegenüberstehenden Versuchsansätze nicht überzeugend klar dargelegt ist.
Gemäß der Einleitung des Berichts wurden die verwendeten Dispersionen entsprechend den Vorschriften in D2 bzw. im Streitpatent hergestellt. Einerseits nennt Beispiel 5 des Streitpatents einen Festkörpergehalt des Produktes A4 von 40 Gew.-%, andererseits sind in der Tabelle auf Seite 8 von D2 in den Spalten F und G Konzentrationen von 27,8 bzw. 26,2 Gew.-% angegeben. Somit können die Versuche der ersten Tabelle des Versuchsberichts, die ansonsten dem Beispiel 5 des Streitpatents entsprechen sollen, kaum als miteinander vergleichbar bezeichnet werden, insbesondere wenn man das der Kammer einleuchtende Vorbringen der BG über den Zusammenhang zwischen dem molaren Verhältnis Isocyanatgruppen/Wasser und der Verarbeitbarkeitsdauer auch in Betracht zieht.
Das gleiche gilt auch für die im Versuchsbericht unter II. und III. angegebenen Rezepturen, da die bloße Identität des Molverhältnisses NCO:OH in ansonsten unterschiedlichen Zusammensetzungen für einen aussagekräftigen Vergleich nicht ausreicht, wenn der Einfluß der anderen Komponenten (z. B. Füllstoffe) auf die Reaktivität Wasser/Isocyanat dort wohl mit in Betracht zu ziehen ist.
Schließlich wurde von BG 4 noch darauf hingewiesen, daß die Rezepturen unter Punkt III des Berichtes im direkten Widerspruch zur Neuheitsargumentation stehen, da "Bayhydur 3100" gemäß einem Informationsblatt der BF ein hydrophiles aliphatisches Polyisocyanat ist.
Der Versuchsbericht stellt daher weitere Fragen, ohne die bereits offenen schlüssig und überzeugend beantwortet zu haben.
2.6. Aus diesen Gründen ist die Kammer zur Entscheidung gekommen, den am 9. Februar 2000 vorgelegten Versuchsbericht der BF als nicht relevant und als verspätet nicht in das Beschwerdeverfahren einzuführen (Artikel 114 (2) EPÜ).
3. Während des Beschwerdeverfahrens neu genannte Literatur
Nach der Erklärung der BG 4 sollten die von ihr genannten Druckschriften D5 und D6 nur hinsichtlich der Lacke weitere Argumentationshilfe leisten. Die Kammer kann eine Entscheidungserheblichkeit der Dokumente nicht erkennen, zumal auch im weiteren Verfahrensablauf keine der Schriften eine Rolle gespielt hat. Sie werden daher außer Betracht gelassen (Artikel 114 (2) EPÜ).
Gleiches gilt auch für das von der BG 3 genannte Dokument D7, welches ebenfalls nicht weiter herangezogen wurde.
Die ebenfalls durch die BG 3 genannten D8 und D9 sind allen Verfahrensbeteiligten bereits aus dem Verfahren T 322/95 bekannt, welches D2 betraf. Aus diesem Grund wurde es von der Kammer nicht als notwendig erachtet, über die Zulassung eine Entscheidung zu treffen.
4. Wortlaut der Anträge
4.1. Der Hauptantrag entspricht der erteilten Fassung des Streitpatents.
4.2. Gegen Hilfsantrag 1 und die jeweils letzte Fassung der im Laufe des Verfahrens mehrmals geänderten Hilfsanträge 6 bis 9 wurden von den BG keine Einwände unter Artikel 84 und 123 (2) und (3) EPÜ erhoben. Auch die Kammer sieht keine Gründe, diese Fragen hier noch im Detail abzuhandeln.
5. Neuheit
5.1. Hauptantrag
5.1.1. Die in der angefochtenen Entscheidung getroffene Feststellung mangelnder Neuheit gegenüber D1 wurde von der BF durch zwei Argumente angegriffen:
Die der Komponente A) entsprechende Polyolkomponente in D1 sei eine Polyurethandispersion mit Urethan- und Harnstoffgruppen.
Die zweite Komponente in D1 sei ein selbst wasserdispergierbares Polyisocyanat.
5.1.2. Die Polyolkomponente A) gemäß Anspruch 1 weist Urethan-, Carboxylat- und Hydroxylgruppen auf. In der von der BF vorgelegten englischen Fassung wird diese Tatsache mit "containing", in der französischen Fassung mit "présentant" ausgedrückt (vgl. auch Anspruch 6). Keiner dieser Ausdrücke kann nach Überzeugung der Kammer als beschränkend interpretiert werden, er gibt vielmehr nur die Anwesenheit dieser Gruppen wieder. Das Vorhandensein weiterer funktioneller Gruppen ist hierdurch nicht ausgeschlossen. Dies zeigt auch der Vergleich des von der BF seinerzeit bei der Abfassung von D2 selbst gewählten Wortlauts von Anspruch 1 (Seite 12, Zeilen 29 und 30) einerseits und in dessen Beschreibung (Seite 3, Zeilen 7 bis 9) andererseits. Ergänzend sei Seite 57 der "Methoden der organischen Chemie" erwähnt (Houben-Weyl, Bd. 14/2, 4. Auflage, Georg Thieme Verlag Stuttgart 1963; deren Seiten 61 bis 70 auf Seite 4, Zeilen 37 und 38. der Streitpatentschrift selbst zitiert sind), wo in der Einleitung zu den Polyurethanen erklärt wird: "Bei der Polyadditionsreaktion bilden sich aus den Isocyanatgruppen vielfach auch noch, beabsichtigt oder unbeabsichtigt, Carbamid-, Harnstoff-, Biuret-, Allophanat- und Isocyanuratstrukturen aus. Man würde die Polyurethane daher korrekter als Polyisocyanat-Addukte bezeichnen."
Die Formulierung von Anspruch 1 der Entgegenhaltung D1 begrenzt "einen Gesamtgehalt an Urethan- und Harnstoffgruppen, berechnet als -NH-CO-, (auf) 9 bis 20. Gew.-%, bezogen auf das Gewicht des Polyurethans". Diese Formulierung verlangt nicht zwingend die Anwesenheit beider Gruppen. Gleiches gilt für die entsprechenden Stellen der Beschreibung mit gleicher Wortwahl (Seite 2, Zeilen 57/58 und Seite 3, Zeilen 24/25). Auch die Beispiele (Dispersion A, Seite 10, Zeile 4 und Dispersion G, Seite 12, Zeile 32) lassen sich im Lichte der Beschreibung und des Anspruchs 1 nach Überzeugung der Kammer nicht anders interpretieren. Der Wortlaut läßt in Übereinstimmung mit dem Fachbuchzitat nur den Schluß zu, daß Produkte mit geringen Mengen unbeabsichtigt entstandener Harnstoffgruppen durch den dortigen Anspruchswortlaut weiterhin umfaßt werden sollten.
5.1.3. Hinsichtlich der Komponente B) zielt das Vorbringen der BF auf vorgebliche Unterschiede hinsichtlich des Emulgierverhaltens dieses Bestandteils. Es findet allerdings seine Entsprechung weder im Wortlaut von Anspruch 1 noch in dem von Anspruch 6 des Streitpatents. Dort wird lediglich ausgeführt, "daß man in eine wäßrige Lösung oder Dispersion von .... Polyesterharzen eine Polyisocyanatkomponente ... emulgiert". In der Beschreibung wird zusätzlich angegeben, daß die Durchführung durch einfaches Verrühren bei Raumtemperatur erfolgen kann (Seite 6, Zeilen 31 bis 35). Auch hieraus kann nicht abgeleitet werden, daß selbstemulgierende Polyisocyanate ausgeschlossen sein sollen. Formulierungen in der Beschreibung können auch nicht als den Umfang eines Anspruchs einschränkende Merkmale verwendet werden. Gemäß Artikel 84 EPÜ müssen die Patentansprüche den Gegenstand angeben, für den Schutz begehrt wird.
Die BF hat auch darüber hinaus nichts vorgetragen, was die Begründung zur Neuheitsfrage gegenüber D1 in der angefochtenen Entscheidung der Vorinstanz in überzeugender Weise widerlegt hätte. Auch auf die Einzelheiten in Beispiel 7 der Entgegenhaltung hier noch detailliert einzugehen, erscheint daher nicht notwendig.
5.1.4. Die Kammer vermag daher den Argumenten der BF in ihrer Beschwerdebegründung nicht zu folgen und auch nicht erkennen, daß die Begründung unter den Punkten 2 (a) bis (f) der angefochtenen Entscheidung fehlerhaft ist. Sie ist daher zum Schluß gekommen, daß die Gegenstände der Ansprüche 1 und 6 gegenüber D1 nicht neu sind.
5.1.5. Da ein Antrag nur als Ganzes hinsichtlich der Erfüllung der Erfordernisse des EPÜ beurteilt werden kann, kann der Hauptantrag schon allein aus diesem Grund wegen fehlender Neuheit der Ansprüche 1 und 6 nicht erfolgreich sein (Artikel 54 (1) und (2) EPÜ).
5.2. Hilfsantrag 1
5.2.1. In Übereinstimmung mit der Interpretation von Anspruch 1 durch BG 3 (Beschwerdeerwiderung vom 29. Februar 2000, letzter Absatz von Punkt 1) ist die Kammer zur Überzeugung gekommen, daß Anspruch 1 durch den Disclaimer gegenüber D1 abgegrenzt ist. Dieser Disclaimer schließt die Anwesenheit der Polyisocyanatkomponente von D1 aus.
5.2.2. Dieser Schluß gilt jedoch nicht für den unverändert aufrechterhaltenen unabhängigen Anspruch 6, auf den die für den Hauptantrag dargelegten Gründe voll zutreffen.
5.2.3. Wie unter Punkt 5.1.5 dargelegt, kann Hilfsantrag 1 deshalb ebenfalls nicht erfolgreich sein. Ein näheres Eingehen auf von BG 2 in ihrer Beschwerdeerwiderung unter den Punkten 4 bis 6 erhobenen und von den BG während der mündlichen Verhandlung weiter vertieften Neuheitseinwand auf Grundlage von D3 erübrigt sich daher.
5.3. Hilfsantrag 6
5.3.1. Der Anspruch 1 dieses Antrags enthält ebenfalls den oben genannten Disclaimer. Er ist daher nach Überzeugung der Kammer gegenüber D1 als neu anzusehen.
5.3.2. In diesem und den weiteren in der mündlichen Verhandlung geänderten Hilfsanträgen ist die Polyisocyanatkomponente B) außerdem auf Verbindungen mit freien Isocyanatgruppen eingeschränkt worden, wodurch der Gegenstand von Anspruch 1, als jeweils einziger unabhängiger Anspruch, gegenüber den blockierten Polyisocyanaten gemäß der Komponente a) von D3 abgegrenzt worden, d. h., neu ist.
5.4. Hilfsanträge 7 bis 9
Gegen den endgültigen Wortlaut der Produktansprüche dieser Anträge wurden seitens der BG keine Neuheitseinwände erhoben. Die Kammer hat keine Veranlassung, sich der Beurteilung der BG und der Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung nicht anzuschließen (siehe den obigen Punkt 5.3.2 und die Punkte 2 (a) bis (f) der Einspruchsentscheidung).
6. Aufgabe und Lösung (Hilfsanträge 6 bis 9)
6.1. Gegenstand des Streitpatents in seiner erteilten Form war eine wäßrige Bindemittelkombination, ein Verfahren zu ihrer Herstellung und ihre Verwendung. Gegenstand der nun zur Entscheidung über die erfinderische Tätigkeit anstehenden Hilfsanträge 6 bis 9 sind wäßrige Lacke, die sich im wesentlichen zusammensetzen aus einer wäßrigen Lösung oder Dispersion einer polymeren Polyolkomponente A) und einer Polyisocyanatkomponente B) einer Viskosität bei 23 C von 50 bis 10 000 mPas mit freien Isocyanatgruppen, bestehend aus mindestens einem organischen Polyisocyanat mit freien Isocyanatgruppen, welche in der Komponente A) emulgiert vorliegt, wobei das NCO/OH-Äquivalenzverhältnis, bezogen auf die Isocyanatgruppen der Komponente B) und die Hydroxylgruppen der in A) vorliegenden Polyolkomponente, bei 0,5:1 bis 5:1 liegt.
6.2. Solche Lacke sind aus D2 bekannt. Dieses Dokument sieht die Kammer wie auch die Parteien während der mündlichen Verhandlung als nächstliegenden Stand der Technik an.
6.2.1. Unstreitig ist zwischen den Parteien, daß D2 ebenfalls wäßrige Lacke beschreibt (Seite 2, Zeilen 30 bis 34; Seite 6, Zeilen 17 bis 19; Seite 8, Zeile 53; Seite 9, Zeilen 18 und 40; Seite 10, Zeile 29; Seite 11, Zeilen 28 und 48) und daß die Isocyanatkomponenten B) im Streitpatent und b) in D2 identisch sind (Streitpatent: Seite 5, Zeile 38 bis Seite 6, Zeile 30; D2: Seite 5, Zeilen 2 bis 55).
6.2.2. Sowohl in D2 als auch im Streitpatent wird in der Beschreibungseinleitung dargelegt, daß es seinerzeit Schwierigkeiten gab, wäßrige Beschichtungsmittel zur Verfügung zu stellen, die freie Isocyanatgruppen aufweisende organische Polyisocyanatkomponenten enthalten. Diese ursprünglichen Schwierigkeiten wurden ausweislich Seite 2, Zeilen 19 bis 21 des Streitpatents erstmals durch den Gegenstand von DE-OS 3 829 587 gelöst, welche die prioritätsbegründende Erstanmeldung von D2 war.
6.2.3. Die Polyolkomponente in Komponente a) von D2 besteht aus mindestens einem Hydroxylgruppen aufweisenden Polymerisat von olefinisch ungesättigten Verbindungen. Die beiden Komponenten a) und b) werden in solchen Mengen eingesetzt, daß ein NCO/OH-Äquivalentverhältnis von 0,5: 1 bis 5:1 vorliegt (Anspruch 1).
6.2.4. Ausweislich Seite 2, Zeilen 30 bis 34 sind in D2 Zweikomponenten-Polyurethanlacke zur Verfügung gestellt worden, die Topfzeiten von mehreren Stunden aufweisen und zu hochwertigen, vernetzten Filmen aushärten, die bezüglich ihres Eigenschaftsniveaus den bislang aus lösungsmittelhaltigen Zweikomponenten-Polyurethanlacken erhaltenen Lackfilmen vergleichbar sind. In den Beispielen werden eine mehrstündige Verarbeitungszeit (in einem Fall ca. 4 Stunden), hoher Glanz, durch das Mischverhältnis steuerbare Pendelhärte und Lösungsmittelbeständigkeit beschrieben (Seite 9, Zeilen 12, 34 und 55; Seite 10, obere Tabelle; Seite 11, obere Tabelle und Zeile 43; Seite 12, Zeile 3 und die Tabelle). Auf den Seiten 2 und 3 von D8 wurde von der damaligen und jetzigen BF in Übereinstimmung mit diesen Ergebnissen der Gegenstand von D2 als Pioniererfindung auf diesem Gebiet dargestellt.
6.3. In ihrer Beschwerdebegründung und in der mündlichen Verhandlung hat die BF dargelegt, daß der Patentgegenstand zum einen eine nicht naheliegende Alternative zu den wäßrigen Lacken von D2 darbieten solle. Unter Hinweis auf Seite 2, Zeilen 14 bis 21 der Patentschrift hat sie zum anderen als den dem Streitpatent zugrundeliegenden anspruchsvolleren Aspekt der Aufgabe die Bereitstellung eines Zwei-Komponenten-Polyurethanlackes formuliert, der verbesserte Gelier- und Standzeiten aufweisen soll. Diese beiden Aspekte der Aufgabe würden durch den Einsatz der in Anspruch 1 definierten Komponente A) tatsächlich gelöst, wie in den Beispielen 1 und 7 bis 9 gezeigt worden sei (Seite 10, Zeilen 14 bis 21 und Seite 13, Zeile 55).
Die BG haben in der mündlichen Verhandlung demgegenüber herausgestellt, daß in D2 und im Streitpatent hinsichtlich Verarbeitbarkeit und Lackeigenschaften verschiedene Begriffe verwendet würden: Topfzeit, Verarbeitungszeit, Standzeit und Gelierzeit. Es sei fraglich, ob diese Begriffe direkt miteinander vergleichbar seien. Eine genaue Definition eines jeden dieser Begriffe sei nicht verfügbar und auch nicht offenbart. Die Unterschiede zwischen den Verarbeitungszeiten von ca. vier bzw. von mehreren Stunden in den Beispielen von D2 und den Standzeiten auf Seite 13, Zeile 55 des Streitpatents könnten beispielsweise auf unterschiedlichen Meßmethoden beruhen.
6.4. Die Kammer kann sich den von den BG vorgebrachten Argumenten zur Formulierung der Aufgabe und ihrer Lösung aus folgenden Gründen nicht verschließen:
6.4.1. In der allgemeinen Beschreibung des Streitpatents spricht die BF selbst nur im Zusammenhang mit dem ursprünglichen Stand der Technik von nicht praxisgerechten Werten der Standzeit, der Verarbeitungszeit und der Qualität der Überzüge, d. h. sie macht selbst einen Unterschied zwischen Stand- und Verarbeitungszeit (Seite 2, Zeilen 14 bis 18).
6.4.2. Die Gelierzeit (Seite 10, Zeile 14) wurde von der BF selbst in der mündlichen Verhandlung als ein davon verschiedenes Merkmal bezeichnet, ohne eine genauere Definition zu geben.
6.4.3. Dokument DE-A-3 829 587, dessen Priorität von D2 beansprucht wird und das sich vom Streitpatent allein durch seine Komponente a) von der Komponente A) des Streitpatents unterscheidet, hat gemäß Seite 2, Zeilen 19 bis 21 des Streitpatents in Verbindung mit Anspruch 1 von DE-A-3 829 587 (bzw. D2) eine erste Lösung für die vorstehend angesprochenen Probleme der Stand- und der Verarbeitungszeiten beschrieben. In der Beschreibung der Streitpatentschrift ist also nicht von einer Verbesserung der Stand- oder der Verarbeitungszeit gegenüber D2 die Rede.
6.4.4. Zeitangaben in den Versuchen und Beispielen sind nur dann aussagekräftig, wenn sie sowohl auf tatsächlich miteinander vergleichbaren Rezepturen beruhen, als auch eindeutig dasselbe Merkmal betreffen. Wie schon im Zusammenhang mit der Frage der Zulässigkeit der nachgereichten Versuche der BF und mit der Einleitung der Beschreibung des Streitpatents dargelegt, ist beides hier offenbar nicht der Fall (siehe die obigen Punkte 2.5 und 6.4.1).
6.4.5. In der mündlichen Verhandlung wurde das Fehlen eindeutiger Definitionen der Stand- und der Verarbeitungzeiten auch von der BF zugegeben. Diese Zeitangaben können daher von der Kammer unter den gegebenen Umständen nicht als gleichbedeutend angesehen werden. Daraus folgt, daß auch die in den Beispielen 7 bis 9 des Streitpatents angegebenen Standzeiten nicht als Nachweis für Verbesserungen der Verarbeitungseigenschaften gegenüber den Verarbeitungszeiten in den Beispielen von D2 anerkannt werden können.
6.4.6. Die Vorteile, auf die sich die BF gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik beruft, sind demzufolge nicht hinreichend belegt und können bei der Ermittlung der dem Streitgegenstand zugrundeliegenden Aufgabe und damit für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht in Betracht gezogen werden (T 20/81, ABl. EPA 1982, 217). Folglich kann der von der BF formulierte anspruchsvollere Aspekt der Aufgabe nicht als gelöst angesehen werden.
6.4.7. Aus diesen Gründen kann die Kammer die Aufgabe, die durch den Patentgegenstand Erfindung gelöst werden sollte, nur darin sehen, eine alternative Lösung zu D2, d. h. einen anderen wäßrigen Polyurethanlack, zur Verfügung zu stellen.
Auch die BG haben nicht bestritten, daß diese als Bereitstellung einer Alternative formulierte Aufgabe durch den Patentgegenstand glaubhaft gelöst wird.
7. Naheliegen (Hilfsanträge 6 bis 9)
Es bleibt zu entscheiden, ob sich die gefundene Lösung aus dem von den Beschwerdegegnerinnen herangezogenen Stand der Technik für den Fachmann in naheliegender Weise ergibt.
7.1. D2 befaßt sich mit der Kombination einer Polyolkomponente a) aus mindestens einem Hydroxylgruppen ausweisenden Polymerisat von olefinisch ungesättigten Verbindungen mit einer Polyisocyanatkomponente b), die der vorliegenden Komponente B) entspricht, in demselben NCO/OH-Verhältnis wie beim Streitgegenstand.
7.1.1. Wie die BF selbst festgestellt hat (vgl. D8), kann und muß D2 als Pioniererfindung auf diesem Gebiet angesehen werden. Das Dokument stellt eine Lösung für wäßrige Lacke zur Verfügung, worin die vormaligen Probleme einer Isocyanat-Wasser-Reaktion zu Harnstoff und Kohlendioxid überwunden worden sind und stattdessen eine selektive Reaktion zwischen dem Polyisocyanat und dem in Wasser gelösten bzw. dispergierten Hydroxylgruppen aufweisenden Polymerisat stattfindet (D2: Seite 2, Zeilen 30 bis 36). Als für den Erfolg kritische Komponente ist folglich das dortige Polyisocyanat zu betrachten.
In diesem Zusammenhang ist zu beachten, daß gemäß D2 von der Polymerisat-Komponente auf der Basis olefinisch ungesättigter Verbindungen in Bezug auf Funktionalität nur verlangt ist, daß sie Hydroxylgruppen enthält und als wäßrige Lösung oder Dispersion vorliegt.
Zusammenfassend stellt man fest, daß D2 als nächstliegender Stand der Technik eindeutig lehrt, daß die Dispersion der Polyisocyanatkomponente b) in einer in Wasser dispergierten oder gelösten Polyolkomponente auf der Basis hydroxylgruppenhaltiger Polymeren zu gut verarbeitbaren Polyurethan-Lacken mit einem erhöhten Eigenschaftsprofil führt (siehe Seite 6, Zeilen 13 bis 21. und die Tabellen in den Beispielen, die die Eigenschaften der Lackierungen wiederspiegeln).
7.1.2. Die von der BF geltend gemachte erfinderische Auswahl kann nicht anerkannt werden, da der Streitpatentschrift für keine der explizit offenbarten Ausführungsformen gemäß einem der in Rede stehenden Hilfsanträge technische Effekte oder Eigenschaften zu entnehmen sind, die diese überzeugend in signifikanter und erfinderischer Weise vom nächstliegenden Stand der Technik D2 abheben würden. Solche Effekte oder Eigenschaften wurden von der BF auch nicht geltend gemacht.
7.2. In der mündlichen Verhandlung beruhte die Argumentation der BG hinsichtlich der Frage der erfinderischen Tätigkeit neben D2 im wesentlichen auf Entgegenhaltung D4.
7.2.1. Dieses Dokument beschreibt wäßrige Dispersionen eines nicht-gelierten, in Abwesenheit eines zugesetzten Emulgators dispergierbaren Polyurethans, welche als solche oder mit einem zugesetzten Härter (Vernetzer) für das Polyurethan zur Herstellung elastomerer bis harter, glatter, gebrochen weißer bis glänzender Überzüge eingesetzt werden können (Ansprüche 1 und 13 [Ansprüche 1 und 5], sowie die Beispiele).
Als Härter oder Vernetzungsmittel werden für Ein- oder Zwei-Komponentensysteme eine Reihe von mehr oder weniger reaktionsfähigen Verbindungen genannt (Seite 44/vorletzte Zeile bis Seite 46/Zeile 6 [Spalte 14/Zeile 38 bis Spalte 15/Zeile 9]), darunter organische Polyisocyanate unter Einschluß freier und blockierter Isocyanate (45/8 bis 9 [14/47 bis 49]). Die Verbindungen mit blockierter Isocyanatgruppe müssen hier im Hinblick auf die Feststellungen zu D2 außer Betracht bleiben.
Das damit härtbare Polyurethan wird gemäß Anspruch 1 erhalten durch die Umsetzung (A) eines [anionische] Salzgruppen (25/Absatz 3 und 26/Absatz 1 [8/28 bis 56]) und NCO-Gruppen haltigen Präpolymeren aus einem organischen Polyisocyanat und einer Polyolkomponente (B) in wäßrigem Medium mit einer aktiven Wasserstoff enthaltenden Verbindung, die schneller mit NCO-Gruppen reagiert als das Wasser (Kettenverlängerer).
Die relevante Lehre zur Herstellung des Präpolymeren findet sich insbesondere an den folgenden Stellen: (12/5 bis 8, 13/9 bis 6 von unten und 18/letzter Absatz [4/56 bis 60 und 6/52 ff.]). Als Polyolkomponente werden niedrigmolekulare Hydroxylverbindungen sowie Polyesterpolyole, Polyetherpolyole, und Hydroxylgruppen enthaltende Acrylestermischpolymere genannt (Seite 21, letzter Absatz in Verbindung mit Seite 18, letzter Absatz [Spalte 6, Zeilen 59 bis 63], sowie Seite 22, letzter Absatz [Spalte 7, Zeilen 66 bis 68]).
Die Präpolymeren werden mit Kettenverlängerern umgesetzt, die zusätzlich funktionelle Gruppen in das Gefüge des polymeren Endproduktes einführen und dieses reaktionsfähiger mit Materialien wie Härtern machen (ab 41/letzter Absatz [ab 13/5]; insbesondere 43/letzter Absatz [Spalte 13, Zeilen 61 ff.]).
7.2.2. Die BF erhob gegen D4 den Einwand, darin sei eine so breite Offenbarung zu jeder Komponente enthalten, daß die daraus sich ergebenden möglichen Kombinationen eine Unzahl von Alternativen ergäben. Es wären Tausende von Versuchen notwendig, um zu einer bestimmten, demzufolge dann auch erfinderischen Auswahl zu kommen. Es sei nicht einmal der Zusatz von Härter zwingend, auch seien weder Hinweise auf ein Zwei-Komponenten-Polyurethansystem, noch auf Standzeiten offenbart.
7.2.3. Die Kammer kann dieser Argumentation der BF nicht folgen, da D2 für wäßrige Lacke der angestrebten Art eindeutig die spezielle Art des Härters (Vernetzers) vorgibt. Damit wird die in Betracht zu ziehende Offenbarung von D4 deutlich eingegrenzt.
7.2.4. Hinsichtlich der mit dem Isocyanat zum Präpolymeren umzusetzenden Polyolkomponente werden in D4 neben niedermolekularen Verbindungen im wesentlichen vier Polymere vorgeschlagen, von denen Polyesterpolyol im ursprünglichen Anspruch 4 deutlich hervorgehoben ist.
Die sich daraus aufbauende in D4 hervorgehobene Polyolkomponente beschreibt folglich ein Polyesterharz, welches Urethan-, Carboxylat- und Hydroxylgruppen ausweist.
7.3. Da ein wesentlicher Schritt der Lehre in D3 in der Blockierung der Isocyanatgruppen der Polyisocyanatkomponente besteht, kann dieses Dokument für die hier zu entscheidende Frage nicht näher in Betracht kommen.
7.4. Aus den vorstehenden Gründen werden die in den Ansprüchen 1 der Hilfsanträge 6 bis 9 beanspruchten Gegenstände als Alternativen zur Lehre von D2 angesehen, die sich in naheliegender Weise aus dem Dokument D4 ergeben. Diese Ansprüche beruhen folglich nicht auf erfinderischer Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).
Bei dieser Sachlage, insbesondere im Hinblick auf die Fassungen der Ansprüche 1 der Hilfsanträge 7 bis 9, erübrigt sich eine nähere Betrachtung der abhängigen Ansprüche, da sie innerhalb ihres Antrags das Schicksal des unabhängigen Anspruchs teilen.
7.5. Aus den vorstehenden Gründen kommt die Kammer zum Schluß, daß der Hauptantrag sowie Hilfsantrag 1 nicht die Erfordernisse des Artikels 54, die Hilfsanträge 6 bis 9 in ihrer während der mündlichen Verhandlung geänderten Fassung nicht die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ erfüllen.
8. Somit erfüllt keiner der Anträge der BF die Erfordernisse des EPÜ.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.