T 0641/97 (Chinacridonpigmente/CLARIANT) 17-10-2000
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Chinacridon-Pigmente, Verfahren zu ihrer Herstellung und ihre Verwendung
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die am 10. April 1997 verkündete und am 22. April 1997 schriftlich begründete Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Patent wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit gegenüber den Lehren der Dokumente
(1) EP-A-0 009 720 und
(2) DE-A-3 106 906
zu widerrufen.
II. Vor der Beschwerdekammer fand am 17. Oktober 2000 eine mündliche Verhandlung statt, in der die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) als Hauptantrag einen Satz von 6 Ansprüchen und als Hilfsantrag einen Satz von 4 Ansprüchen einreichte.
Die unabhängigen Ansprüche gemäß dem Hauptantrag lauteten:
"1. Verfahren zur Herstellung von 2,9-Dimethylchinacridon-Pigmenten die durch die Form ihrer kristallinen Teilchen mit einem mittleren Verhältnis von Länge zu Breite von < 2:1 und eine mittlere Teilchengröße von < 0,4 µm charakterisiert sind, dadurch gekennzeichnet, daß man bei der Hydrolyse einer sauren Lösung des 2,9-Dimethylchinacridons oder einer Lösung des 2,9-Dimethylchinacridons zusammen mit den ggf. substituierten Chinacridonen in sauren Lösungsmitteln bei Temperaturen von 0° bis 150°C und/oder zur Finishsuspension vor dem Finish der entsprechenden Rohchinacridone der genannten Chinacridone in Lösungsmittelgemischen bei Temperaturen von 60 bis 200°C, jeweils eine Verbindung der allgemeinen Formel(I)
Q[A-Y]n (I)
in einer Menge von etwa 1 bis etwa 20 Gew.-% zusetzt, wobei in der genannten Formel (I) Q einen Chinacridonrest darstellt,
A das Brückenglied -SO2-, -NR1- oder -CR²R³-, oder eine chemisch sinnvolle Kombination davon;
Y der Rest -NR4R5
und R1 bis R5 unabhängig voneinander je ein Wasserstoffatom und/oder eine Alkyl- oder Alkylengruppe von 1 bis 22 C-Atomen bedeuten und n eine Zahl von 1 bis 4 ist."
"3. 2,9 Dimethylchinacridon-Pigmente gekennzeichnet durch die Form ihrer kristallinen Teilchen mit einem mittleren Verhältnis von Länge : Breite von < 2:1 und eine mittlere Teilchengröße von < 0,4 µm, und durch einen Gehalt an etwa 1 bis 20 Gew.-% einer Verbindung der allgemeinen Formel (I)
Q[A-Y]n (I)
in welcher Q einen Chinacridonrest darstellt, A das Brückenglied -SO2-, -NR1- oder -CR²R³-, oder eine chemisch sinnvolle Kombination davon;
Y der Rest -NR4R5
und R1 bis R5 unabhängig voneinander je ein Wasserstoffatom und/oder eine Alkyl- oder Alkylengruppe von 1 bis 22 C-Atomen bedeuten und n eine Zahl von 1 bis 4 ist."
"5. Verwendung der Chinacridon-Pigmente nach mindestens einem der Ansprüche 3 und 4 zum Pigmentieren von natürlichen oder synthetischen Materialien."
"6. Verwendung der Chinacridon-Pigmente nach mindestens einem der Ansprüche 3 und 4 zum Pigmentieren von Lacksystemen."
Die unabhängigen Ansprüche gemäß dem Hilfsantrag lauteten:
"1. Verfahren zur Herstellung von 2,9-Dimethylchinacridon-Pigment das durch die Form seiner kristallinen Teilchen mit einem mittleren Verhältnis von Länge zu Breite von < 2:1 und eine mittlere Teilchengröße von < 0,4 µm charakterisiert ist, dadurch gekennzeichnet, daß man zur Finishsuspension vor dem Finish des entsprechenden Rohchinacridons in Lösungsmittelgemischen bei Temperaturen von 60 bis 200°C, jeweils eine Verbindung der allgemeinen Formel (I)
Q[A-Y]n (I)
in einer Menge von 1 bis 20 Gew.-% zusetzt, wobei in der genannten Formel (I) Q einen nichtsubstituierten Chinacridonrest darstellt,
A-Y die Bedeutung -SO2NH(CH2)3N(CH3)2 hat und n = 2 ist."
"2. 2,9 Dimethylchinacridon-Pigment gekennzeichnet durch die Form seiner kristallinen Teilchen mit einem mittleren Verhältnis von Länge: Breite von < 2:1 und eine mittlere Teilchengröße von < 0,4 µm, und durch einen Gehalt an 1 bis 20 Gew.-% einer Verbindung der allgemeinen Formel (I)
Q[A-Y]n (I)
in welcher Q einen nichtsubstituierten Chinacridonrest darstellt,
A-Y die Bedeutung -SO2NH(CH2)3N(CH3)2 hat und n = 2 ist."
"3. Verwendung der Chinacridon-Pigmente nach Anspruch 2 zum Pigmentieren von natürlichen oder synthetischen Materialien."
"4. Verwendung der Chinacridon-Pigmente nach Anspruch 2 zum Pigmentieren von Lacksystemen."
III. Die Beschwerdeführerin hat geltend gemacht, aus den im Prüfungsverfahren mit Schreiben vom 30. Juli 1993 und den im Beschwerdeverfahren mit Schreiben vom 9. August 2000 eingereichten Vergleichsversuchen gehe hervor, daß mit den aus dem Dokument (1) bekannten Pigmentdispergatoren das erfindungsgemäße Länge-Breite-Verhältnis der Pigmentteilchen nicht erreicht werde, jedoch mit den erfindungsgemäßen Pigmentdispergatoren überraschenderweise eine höhere Transparenz, einen höheren Glanz, eine niedrigere Viskosität und eine bessere Rheologie zu erzielen sei.
Schließlich hat die Beschwerdeführerin vorgetragen, daß während der mündlichen Verhandlung die Parteien durch die Entscheidung der Einspruchsabteilung überrascht worden seien; dies stelle einen wesentlichen Verfahrensmangel dar, der die Rückzahlung der Beschwerdegebühr rechtfertige.
IV. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) hat die Aussagekraft der im Prüfungsverfahren und im Beschwerdeverfahren eingereichten Vergleichsversuche bestritten und vorgetragen, daß der beanspruchte Gegenstand gegenüber den Lehren der Dokumente (1) und (2) nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.
V. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents gemäß Ansprüchen 1 - 6 nach dem in der mündlichen Verhandlung überreichten Hauptantrag bzw. gemäß Ansprüchen 1 - 4 nach Hilfsantrag, wie in der mündlichen Verhandlung überreicht, weiters die Rückzahlung der Beschwerdegebühr.
Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde der Patentinhaberin.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Hauptantrag
2.1. Artikel 123 (2) und (3) EPÜ
Die Kammer hat Zweifel, ob die Ansprüche 1 und 3 die Erfordernisse des Artikels 123 (2) und (3) EPÜ erfüllen, da nach dem Wortlaut der Ansprüche 1 und 3 in einer Verbindung der Formel (I) Q jeden Chinacridonrest bedeuten kann, während nach der ursprünglichen Fassung der Anmeldung Q nur einen nichtsubstituierten oder einen mit bestimmten Gruppen substituierten Chinacridonrest darstellen kann.
Da jedoch die Kammer zum Ergebnis gekommen ist, daß der Gegenstand des Produktanspruchs 3 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht, braucht auf diese Erfordernisse nicht weiter eingegangen zu werden.
2.2. Neuheit
Da die beanspruchten 2,9-Dimethylchinacridon-Pigmente nirgends als vorbeschrieben erscheinen und somit nicht als Stand der Technik i.S. von Artikel 54 EPÜ gelten, ist der Gegenstand der Ansprüche 1 bis 6 als neu anzusehen. Dies wurde auch weder von der Einspruchsabteilung noch von der Beschwerdegegnerin in Frage gestellt.
2.3. Erfinderische Tätigkeit
2.3.1. Es ist unbestritten, daß für die beanspruchten 2,9-Dimethylchinacridon-Pigmente das auf Seite 2, Zeile 29 des Streitpatents zitierte Dokument (1) den nächstliegenden Stand der Technik darstellt.
Aus Dokument (1) sind Gemische von Dimethylchinacridonen, insbesondere 2,9-Dimethylchinacridon, mit Chinacridonen bekannt, in denen die beiden äußeren anellierten Benzolkerne mit Mono- oder Dialkylaminocarbonylgruppen substituiert sind. Weiterhin ist diesem Dokument zu entnehmen, daß solche Gemische als Pigmente verwendet werden können und daß sie sich durch eine hohe Farbstärke und Transparenz der Lackierungen und hervorragende rheologische Eigenschaften, wie niedrige Viskosität in Lacksystemen, auszeichnen (siehe Ansprüche 1 und 4; Seite 1, Zeile 1 bis Seite 2, Zeile 4; Seite 4, Zeile 35. bis Seite 5, Zeile 1; und Seite 5, Zeilen 8 bis 13). Auch sind durch eine gemeinsame Cyclisierung von 2,5-Di-(4'-methylphenylamino)-terephthalsäure mit 1 bis 20. Gew.-% Di-carbamoylphenylamino)-terephthalsäure erhältliche Gemische u.a. in den Beispielen 4, 6 und 12 beschrieben. Unstreitig werden durch eine solche gemeinsame Cyclisierung Gemische aus 2,9-Dimethylchinacridon und 1 bis 20 Gew.-% Chinacridonen, in denen die beiden äußeren anellierten Benzolkernen mit Mono- oder Dialkylaminocarbonylgruppen substituiert sind, erhalten.
2.3.2. Aus dem Streitpatent geht hervor, daß der Zusatz von Pigmentderivaten, wie Chinacridoncarbonamiden, zu 2,9-Dimethylchinacridon-Pigment, wie im Dokument (1) offenbart, bei der Herstellung oder Konditionierung von Lacken zwar zu einer teilweisen Verbesserung der rheologischen und coloristischen Eigenschaften führt, daß aber eine gute Rheologie mit einwandfreier Coloristik in hochtransparenten Lackierungen nicht erreicht werden kann (Seite 2, Zeilen 28 bis 32 und 37. bis 41).
Ausgehend hiervon bestand die Aufgabe, 2,9-Dimethylchinacridonpigmente bereitzustellen, die sich durch vorteilhafte Oberflächeneigenschaften und anwendungstechnische Eigenschaften auszeichnen (Seite 2, Zeilen 6 bis 8, des Streitpatentes).
2.3.3. Zur Lösung dieser Aufgabe werden die in Anspruch 3 definierten 2,9-Dimethylchinacridon-Pigmente vorgeschlagen.
Die Beschwerdeführerin war der Meinung, es sei mit den im Prüfungsverfahren und im Beschwerdeverfahren eingereichten Vergleichsversuchen (siehe Punkt III) glaubhaft gemacht, daß die beanspruchten 2,9-Dimethylchinacridon-Pigmente eine höhere Transparenz, einen höheren Glanz, eine niedrigere Viskosität und eine bessere Rheologie als die 2,9-Dimethylchinacridon-Pigmente gemäß Dokument (1) bewirken.
In diesen Vergleichsversuchen werden das Verhältnis Länge zu Breite, die Rheologie, die Viskosität, der Glanz und die Coloristik von erfindungsgemäßen Pigmenten, die neben 2,9-Dimethylchinacridon auch N-(3'-Diethyl-aminopropyl)-chinacridon-bis-sulfonsäureamid enthalten mit Pigmenten gemäß dem Dokument (1), die neben 2,9-Dimethylchinacridon auch 2,9-Bis-diethyl-carbamoyl-chinacridon enthalten, verglichen.
2.3.4. Da jedoch die erfindungsgemäßen Testergebnisse lediglich solche Pigmente betreffen, die als Chinacridonderivat ein N-(3'-Diethyl-aminopropyl)-chinacridon-bis-sulfonsäureamid enthalten kann die Kammer das Argument der Beschwerdeführerin nicht gelten lassen, die Vergleichsversuche seien ein geeigneter Nachweis dafür, daß alle im Anspruch 3 definierten Chinacridonderivate eine höhere Transparenz, einen höheren Glanz, eine niedrigere Viskosität und eine bessere Rheologie bewirken würden.
Nach einem allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz soll der Umfang des durch ein Patent verliehenden Ausschließungsrechtes dem technischen Beitrag zum Stand der Technik entsprechen und durch diesen begründet sein (T 939/92, ABl. EPA 1996, 309, Punkte 2.4. bis 2.6 der Entscheidungsgründe). Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin selbst nachgewiesen, daß eine höhere Transparenz, einen höheren Glanz, eine niedrigere Viskosität und eine bessere Rheologie nicht mit allen Chinacridonderivaten bewirkt werden können. Aus den im Prüfungsverfahren und im Beschwerdeverfahren vorgelegten Vergleichsversuchen geht nämlich hervor, daß die betreffenden besseren Eigenschaften dann nicht erreicht werden, wenn 2,9-Bis-diethyl-carbamoyl-chinacridon als Chinacridonderivat verwendet wird. Da kein Grund für die Annahme besteht, 2,9-Bis-diethyl-carbamoyl-chinacridon sei das einzige Chinacridonderivat, mit dem die betreffenden besseren Eigenschaften nicht bewirkt werden, war aus der einzigen weiteren Kenntnis, daß N-(3'-Diethyl-aminopropyl)-chinacridon-bis-sulfonsäureamid als Chinacridonderivat die betreffenden besseren Eigenschaften bewirkt, für den Fachmann nicht mehr die Erwartung abzuleiten, daß alle Verbindungen der Formel (I) gemäß Anspruch 1 solche bessere Eigenschaften bewirken würden. Allgemein ausgedrückt, erlaubt es das Wissen, daß eine bestimmte Verbindung eine bessere Wirkung hat, eine strukturell ähnliche Verbindung jedoch nicht, dem Fachmann ohne zusätzliche Anhaltspunkte nicht, eine solche bessere Wirkung auch allen anderen Verbindungen einer beanspruchten Klasse zuzuschreiben. In einer solchen Situation bietet die betreffende Wirkung einer Verbindung keine Grundlage dafür, das Vorliegen eines verallgemeinerungsfähigen technischen Konzepts anzuerkennen (Entscheidung T 930/94, Punkt 3.2.7 der Entscheidungsgründe. Daraus folgt für Anspruch 3, daß er auf einer unbegründeten Verallgemeinerung der besseren Wirkung einer einzelnen Verbindung beruht.
2.3.5. Daraus folgt, daß die zu lösende Aufgabe gegenüber Dokument (1) lediglich darin gesehen werden kann, weitere 2,9-Dimethylchinacridon-Pigmente mit ähnlicher Wirkung als die dort beschriebenen 2,9-Dimethylchinacridon-Pigmente zur Verfügung zu stellen.
2.3.6. Es bleibt somit zu untersuchen, ob der Stand der Technik dem Fachmann Anregungen bot, diese Aufgabe durch die im Anspruch 3 definierten 2,9-Dimethylchinacridon-Pigmente zu lösen.
2.3.7. Die Beschwerdeführerin argumentierte, eine solche Anregung sei dem Stand der Technik nicht zu entnehmen. Insbesondere vertrat sie die Meinung, ein Fachmann würde die Lehre des Dokumentes (2) nicht in Betracht ziehen, da dieser Patentschrift die Aufgabe zugrunde liegt, Pigmentzusammensetzungen mit guten rheologischen Eigenschaften zur Verfügung zu stellen, wie sie für Offset- und Tiefdruckfarben benötigt werden. Da es bei Pigmentzusammensetzungen für Offsetdruckfarben auf Transparenz in der Regel nicht ankommt und daher das Problem einer hohen Transparenz in Dokument (2) nicht angesprochen wird, hätte kein Fachmann dieses Patentschrift zu Rate gezogen um das vorliegende technische Problem zu lösen.
2.3.8. Dokument (2) betrifft Pigment-Zusammensetzungen, die ein beliebeges Pigment und 0.3 bis 30 Gew.-% einer färbenden Verbindung der Formel Q{X-NR(CH2)n-NR1R2}m enthalten, wobei das Pigment ein Chinacridonpigment und die Radikale Q und X in der färbenden Verbindung Chinacridon beziehungsweise -SO2- oder -CO- sein können (Seite 10, letzter Absatz; Seite 11, erster und dritter Absatz; Seite 15, dritter Absatz und letzter Absatz). Weiterhin ist dieser Patentschrift nicht nur zu entnehmen, daß solche Pigmentzusammensetzungen überlegen in ihren Eigenschaften des Nicht-Ausflockens und der Kristallstabilität sind, aber auch, daß sie gedruckte Erzeugnisse, Formen oder Filme mit einem guten Farbton und Glanz versehen (Seite 11, zweiter Absatz; Seite 17, erster Absatz). Ferner geht aus dem Beispiel 64 hervor, daß eine Pigmentzusammensetzung, die 15 Gew.-% einer färbenden Verbindung der Formel Q{X-NR(CH2)n-NR1R2}m enthält, in der Q ein Chinacridonradikal ist, bei Anwendung für bedruckte Materialien eine bessere Klarheit des Farbtons, eine bessere Farbstärke und bessere Transparenz ergibt.
Zwar betrifft Beispiel 64 nicht eine Offset-Druckfarbe, in der das Pigment ein Chinacridonpigment ist, jedoch konnte ein Fachmann diesem Beispiel entnehmen, daß eine färbende Verbindung der FormelQ{X-NR(CH2)n-NR1R2}m , in der Q ein Chinacridonradikal ist, bei Pigmenten eine bessere Farbstärke und bessere Transparenz bewirken könnte. Somit kann die Kammer dem Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht folgen, in Dokument (2) sei das Problem einer hohen Transparenz nicht angesprochen.
Im übrigen sind die 2,9-Chinacridon-Pigmente gemäß dem Streitpatent, die eine hohe Flockungsstabilität und hervorragende rheologische Eigenschaften besitzen, nicht nur zur Herstellung von Lackierungen, sondern auch zum Drucken geeignet (Streitpatent, Seite 5, Zeilen 21 bis 23). Auch deshalb würde ein Fachmann die Lehre des Dokumentes (2) in Betracht ziehen.
2.3.9. Da gemäß Dokument (2) das Radikal X sowohl -CO- als -SO2- sein kann, konnte ein Fachmann, ausgehend von der Lehre des Dokumentes (1), für Chinacridonpigmente, die ein carbamid- substituiertes Chinacridonderivat enthalten, eine ähnliche Transparenz und Farbstärke erwarten wie für solche, die sulfonsäureamid-substituierte Chinacridonderivate enthalten.
2.3.10. Die Beschwerdeführerin hat weiter vorgetragen, daß die beanspruchten Pigmente sich vom Stand der Technik durch einen anderen Zeitpunkt der Zugabe der färbenden Verbindung unterscheiden.
Da jedoch in Anspruch 3 die 2,9-Chinacridon-Pigmente als solche beansprucht sind, ohne daß der Zeitpunkt der Zugabe als Unterscheidungsmerkmal erwähnt wird, kann der Zugabezeitpunkt nicht als ein dem Stoff zuzuschreibendes Merkmal betrachtet werden.
2.3.11. Schließlich hat die Beschwerdeführerin geltend gemacht, daß das Kristallwachstum gemäß dem erfindungsgemäßen Verfahren gezielt in Richtung kubischer Kristalle mit einem Länge-Breite-Verhältnis von < 2:1 gesteuert werden kann und sich dabei überraschenderweise die Farbstärke und insbesondere die Transparenz des Pigments gegenüber dem Stand der Technik signifikant verbessern.
Da jedoch eine Verbesserung der Farbstärke und Transparenz für den gesamten beanspruchten Gegenstand nicht glaubhaft gemacht wurde (siehe Punkt 2.3.4 oben), muß diese bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit außer Betracht bleiben.
2.3.12. Daraus ergibt sich, daß der Gegenstand von Anspruch 3 das Erfordernis der erfinderischen Tätigkeit nicht erfüllt.
3. Hilfsantrag
3.1. Artikel 123 (2) und (3) EPÜ
Die Ansprüche 1 bis 4 stützen sich auf die ursprünglich eingereichten Ansprüche 1, 3, 5 und 6, in denen die Verbindung der allgemeinen Formel (I) das im Beispiel der ursprünglichen Fassung der Anmeldung (3'-Dimethylaminopropyl)-chinacridon-bissulfonamid ist. Somit sind keine Einwände nach Artikel 123 (2) oder (3) EPÜ zu erheben.
3.2. Neuheit
Da die Kammer keinen Anhaltspunkt dafür hat, daß die beanspruchten 2,9-Dimethylchinacridon-Pigmente bereits Stand der Technik i.S. von Artikel 54 EPÜ waren, ist der Gegenstand der Ansprüche 1 bis 4 als neu anzusehen. Dies wurde auch weder von der Einspruchsabteilung noch von der Beschwerdegegnerin in Frage gestellt.
3.3. Erfinderisch Tätigkeit
3.3.1. Der nächstliegende Stand der Technik sowie die Aufgabestelling stimmen mit denen in den Punkten 2.3.1 und 2.3.2 aufgeführten überein.
3.3.2. Zur Lösung dieser Aufgabe werden die im Anspruch 2 definierten Gemische aus 2,9-Dimethylchinacridon und N-(3'-Dimethylaminopropyl)-chinacridon-bis-sulfonsäureamid vorgeschlag en.
Die Beschwerdeführerin vertrat die Meinung, es sei mit den im Prüfungsverfahren und im Beschwerdeverfahren eingereichten Vergleichsversuchen (siehe Punkt III, oben) glaubhaft gemacht, daß die beanspruchten 2,9-Dimethylchinacridon-Pigmente eine höhere Transparenz, einen höheren Glanz, eine niedrigere Viskosität und eine bessere Rheologie als die 2,9-Dimethylchinacridon-Pigmente gemäß Dokument (1) bewirken.
Da die vorgelegten Testergebnisse lediglich Pigmente betreffen, die als Chinacridonderivat ein N-(3'-Diethyl-aminopropyl)-chinacridon-bis-sulfonsäureamid enthalten, jedoch der vorliegende Anspruch 2 nur Pigmente umfaßt, die N-(3'-Dimethyl-aminopropyl)-chinacridon-bis-sulfonsäureamid als Verbindungen der allgemeinen Formel (I) enthalten, sind solche Vergleichsversuche nicht als Nachweis geeignet, daß das einzig anspruchsgemäße N-(3'-Dimethyl-aminopropyl)-chinacridon-bis-sulfonsäureamid, d. h. eine andere als die getestete Verbindung, eine höhere Transparenz, einen höheren Glanz, eine niedrigere Viskosität und eine bessere Rheologie bewirkt.
3.3.3. Daraus folgt, daß die zu lösende Aufgabe gegenüber Dokument (1) lediglich darin gesehen werden kann, weitere 2,9-Dimethylchinacridon-Pigmente mit ähnlicher Wirkung als die dort beschriebenen 2,9-Dimethylchinacridon-Pigmente zur Verfügung zu stellen.
3.3.4. Es bleibt somit zu untersuchen, ob der Stand der Technik dem Fachmann Anregungen bot, die streitpatentgemäße Aufgabe durch die im Anspruch 2 definierten 2,9-Dimethylchinacridon-Pigmente zu lösen.
3.3.5. Die Beschwerdeführerin argumentierte, solche Anregungen seien dem Stand der Technik nicht zu entnehmen. Insbesondere würde ein Fachmann die Lehre des Dokumentes (2) aus den im Punkt 2.3.7 beschriebenen Gründen nicht in Betracht ziehen.
3.3.6. Die Kammer ist dagegen zum Schluß gekommen, daß ein Fachmann das Dokument (2) aus den im Punkt 2.3.8 dargelegten Gründen in Betracht ziehen würde.
Aus dem zweiten Absatz auf der Seite 11 und dem ersten Absatz auf der Seite 17 des Dokumentes (2) geht hervor, daß die dort beschriebenen Pigmentzusammensetzungen gedruckte Erzeugnisse, Formen oder Filme mit einem guten Farbton und Glanz versehen. Weiterhin ist dem Beispiel 23 zu entnehmen, daß Pigmentzusammensetzungen aus einem Chinacridonpigment und N-(3'-Diethyl-aminopropyl)-chinacridon-bis-sulfonsäureamid Aminoalkydharz-Filme mit einer ausgezeichneten Klarheit der Farbe, Farbstärke und Glanz versehen.
Nirgendwo im Dokument (2) gibt es einen Hinweis, daß das im Beispiel 23 des Dokumentes (2) beschriebene Gemisch aus N-(3'-Diethyl-aminopropyl)-chinacridon-bis-sulfonsäureamid und Chinacridon nicht repräsentativ für jedes Gemisch aus einem beliebigen N-(3'-Dialkyl-aminopropyl)-chinacridon-bis-sulfonsäureamid und einem Chinacridonpigment wäre.
Somit konnte ein Fachmann, ausgehend von der Lehre des Dokumentes (1), für Pigmentzusammensetzungen aus einem Chinacridonpigment und N-(3'-Dimethyl-aminopropyl)-chinacridon-bis-sulfonsäureamid eine ähnliche Transparenz und Farbstärke erwarten wie für Chinacridonpigmente, die ein Chinacridonderivat gemäß Dokument (1) enthalten.
3.3.7. Daraus folgt, daß der Gegenstand des Anspruchs 2 des Hilfsantrags das Erfordernis der erfinderischen Tätigkeit nicht erfüllt.
4. Beschwerdegebühr
Voraussetzung für die Rückzahlung der Beschwerdegebühr gemäß Regel 67 EPÜ ist, daß der Beschwerde stattgegeben wird. Das ist hier nicht der Fall, so daß schon aus diesem Grunde die von der Beschwerdeführerin beantragte Rückzahlung dieser Gebühr nicht angeordnet werden kann.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird abgewiesen.