T 0205/87 14-06-1988
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Förderanlage für Blechbunde
Zurückverweisung an die Vorinstanz
Verspätetes Vorbringen
Remittal to the first instance
late submission
I. Auf den Gegenstand der am 22. Oktober 1981 angemeldeten europäischen Patentanmeldung Nr. 81890175.3, für die die Priorität einer früheren Anmeldung in Österreich vom 23. März 1981 in Anspruch genommen wird, ist am 16. Januar 1985 das sechs Patentansprüche umfassende europäische Patent Nr. 61 557 erteilt worden.
II. Gegen das erteilte Patent hat die Beschwerdeführerin Einspruch eingelegt und beantragt, das Patent zu widerrufen, da die Gegenstände der erteilten Patentansprüche 1 bis 6 nicht patentfähig seien. Zur Begründung hat die Beschwerdeführerin auf folgende Druckschriften verwiesen: - US-A- 3 221 668 (D1); - DE-B- 2 740 830 (D2); - DE-A- 2 348 066 (D3); - DE-A- 2 123 724 (D4); - rororo Techniklexikon, "Fertigungstechnik und Arbeitsmaschinen", Band 3; Juli 1972, Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, Reinbek (DE), Seiten 678 bis 682 (D5); - rororo Techniklexikon, "Feinwerktechnik", Band 1; Juni 1972, Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, Reinbek (DE), Seiten 25 und 26 (D6).
Die Beschwerdeführerin hat außerdem die offenkundige Vorbenutzung durch Lieferung von Förderanlagen mit Einrichtungen nach den erteilten Ansprüchen 3 bis 5 geltend gemacht. Hierfür hat sie einen Zeugen benannt und folgende Beweisstücke eingereicht: (D7) Schloemann-Siemag, Beschreibung Nr. 4/0 036 946 vom 17.02.1978, Seiten 1, 20 und 159 bis 161; (D8) Siemag, Beschreibung Nr. A53/2263 vom 12.04.1967, Seiten 16 bis 21 zum Auftrag Nr. 5027.00.
III. Durch Entscheidung vom 20. März 1987 hat die Einspruchsabteilung den Einspruch zurückgewiesen und das europäische Patent Nr. 61 557 in unveränderter Form aufrechterhalten, da der Gegenstand des Patentanspruchs 1 neu sei und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
IV. Gegen die Entscheidung hat die Beschwerdeführerin durch am 27. Mai 1987 brieflich bestätigtes Telex vom 22. Mai 1987 Beschwerde erhoben und beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent Nr. 61 557 in vollem Umfang zu widerrufen. Die vorgeschriebene Gebühr ist am 22. Mai 1987 und die schriftliche Begründung der Beschwerde ist am 22. Juli 1987 eingegangen.
Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, die Förderanlage für Blechbunde nach dem Patentanspruch 1 sei nicht patentfähig. Zur Begründung führt sie u.a. aus:
- der Horizontalantrieb des im Rahmen des Auftrages Nr. 5027.00 unter Nr. 5027.73 von der Beschwerdeführerin an die Firma Alu-Norf GmbH in Norf bei Neuss gelieferten Bundwagens weise ein angetriebenes Ritzel auf, das mit einer entlang der Förderstrecke verlegten Zahnstange kämme. Dazu werde ein weiterer Zeuge benannt, der ebenfalls mit den derzeitigen Lieferungen befaßt gewesen sei.
V. Mit Schreiben vom 11. August 1987 hat die Beschwerdeführerin am 13. August 1987 vier Pläne eingereicht, aus denen Einzelheiten des an die Firma Alu-Norf GmbH gelieferten Bundwagens mit angetriebem Ritzel hervorgingen, das mit einer entlang der Förderstrecke verlegten Zahnstange kämme. Diese Pläne tragen die Nummern - (D10) D36/4944 - (D11) 6547990 - (D12) C36/16927 - (D13) C36/16534 VI. Die Beschwerdegegnerin ist dem Vorbringen der Beschwerdeführerin entgegengetreten. Sie bestreitet die Vorbenutzung und beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen und das Patent aufrechtzuerhalten. Hilfsweise beantragt die Beschwerdegegnerin, falls die geltend gemachte Vorbenutzung eines Zahnstangenantriebes für einen Bundwagen entscheidungswesentlich sein sollte, die Frage der Patentfähigkeit der Gegenstände der Patentansprüche gegenüber dieser Vorbenutzung an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen, damit hinsichtlich der Beurteilung dieser Vorbenutzung kein Instanzverlust auftrete.
VII. In der mündlichen Verhandlung am 14. Juni 1988 hat die Beschwerdeführerin ihren Antrag aufrechterhalten und ebenfalls hilfsweise beantragt, die Sache an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen mit der Auflage, die Prüfung unter Berücksichtigung der Pläne D10 bis D13 und des am 29. April 1988 eingegangenen Dokuments DE-A-2 135 037 (D14) durchzuführen.
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie den Regeln 1 (1) und 64 EPÜ und ist somit zulässig.
2. Nach dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1 betrifft die Erfindung eine Förderanlage für Blechbunde mit einem entlang der Förderstrecke mit Hilfe eines Antriebes verfahrbaren Bundwagen, bei der entlang der Förderstrecke zur Lagenerfassung des Bundwagens dienende Vorrichtungen angeordnet sind. Eine solche Förderanlage wurde während des Prüfungs- und Einspruchsverfahren als bekannt vorausgesetzt.
3. Die Einspruchsabteilung hat zu Recht festgestellt, daß die im Einspruchsverfahren vorliegenden Unterlagen (Dokumente D7 und D8), die die angeblichen offenkundigen Vorbenutzungen beweisen sollten, keine Beschreibung des Antriebs des Bundwagens enthielten, und daß deswegen die Gegenstände dieser angeblichen offenkundigen Vorbenutzungen nicht über den vorliegenden Stand der Technik hinausgingen.
4. Die Beschwerdeführerin hat erst während des Beschwerdeverfahrens, also nach Ablauf der Einspruchsfrist, die angeblichen offenkundigen Vorbenutzungen weiter präzisiert, und versucht durch Pläne (Dokumente D10 bis D13) nachzuweisen, daß der Antrieb eines Bundwagens durch ein angetriebenes Ritzel, das mit einer entlang der Förderstrecke verlegten Zahnstange kämmt, bereits bekannt war. Obwohl diese Dokumente (D10 bis D13) zu spät - da durch keine veränderte Sachlage gerechtfertigt - vorgebracht worden sind, ist die durch sie dokumentierte angebliche offenkundige Vorbenutzung als möglicher nächstliegender Stand der Technik in Betracht zu ziehen.
Unter diesen veränderten, für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit wesentlichen Voraussetzungen erachtet es die Kammer als geboten, nach Art. 114 (1) EPÜ zu überprüfen, ob mit dieser Vorbenutzung die erfinderische Tätigkeit in Frage zu stellen ist und wenn ja, ob tatsächlich die geltend gemachte Benutzung der Öffentlichkeit nach Art. 54 (2) EPÜ zugänglich war.
5. Da die Vorinstanz aber die Dokumente D10 bis D13 noch nicht in Betracht ziehen konnte, ist zunächst der Einspruchsabteilung Gelegenheit zu geben, hierzu Stellung zu nehmen. Die Kammer berücksichtigt damit die auf Vermeiden eines Instanzverlusts gerichteten Anträge beider Parteien und macht von der ihr in Artikel 111 (1) EPÜ eingeräumten Möglichkeit Gebrauch, die Sache zur Fortsetzung des Einspruchsverfahrens an die erste Instanz zurückzuverweisen.
Die Kammer muß daher die erstinstanzliche Entscheidung aufheben, ohne die Stichhaltigkeit ihrer Begründung zu prüfen.
6. Das durch die Beschwerdeführerin nach Ablauf der Einspruchsfrist angeführte Dokument D14 ist bereits implizit im Verfahren berücksichtigt, weil es als Stand der Technik in Dokument D3 (Seite 1, letzter Absatz bis Seite 2, erster Absatz) erwähnt ist.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird wie folgt entschieden:
1. Die Entscheidung der Einspruchsabteilung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen mit der Maßgabe, die Prüfung mit den am 13.8.1987 von der Beschwerdeführerin eingereichten Plänen fortzusetzen.