T 0987/01 15-06-2004
Download und weitere Informationen:
Verwendung von Zackenschnittmessern zum Längsschneiden von Selbstklebebändern
3M Innovative Properties Company Office of Intellectual
Property Counsel
Änderung (bejaht)
Erfinderische Tätigkeit (bejaht)
verspätet vorgebrachte Tatsachen und Beweismittel - Zulässigkeit der Dokumente
Entscheidung in mündlicher Verhandlung auf Basis neuer Ansprüche in Abwesenheit einer Partei - rechtliches Gehör (ja)
I. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat gegen die am 5. Juli 2001 zur Post gegebene Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Zurückweisung des Einspruchs gegen das europäische Patent Nr. 0 628 387 am 5. September 2001 Beschwerde eingelegt und am gleichen Tag die Beschwerdegebühr entrichtet. In der Beschwerdebegründung, die am 15. November 2001 eingereicht wurde, wurde erstmals auf den durch die Dokumente
D6: US-A-3 491 877;
D7: US-A-2 779 851;
D8: US-A-2 687 978;
D9: "Handbook of pressure-sensitive adhesives", D. Satas, New York, USA, 1982, Seite 691;
D11: US-A-2 889 038
bekannten Stand der Technik Bezug genommen.
II. In ihrer Entscheidung war die Einspruchsabteilung der Meinung, der Gegenstand des europäischen Patents gehe nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglichen eingereichten Fassung hinaus und der Gegenstand des Anspruchs 1 sei neu und erfinderisch. Ausgehend von einem Verfahren nach dem Oberbegriff des Anspruchs 1 ergebe sich die Merkmalskombination dieses Anspruchs nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik, selbst in Anbetracht der aus den Dokumenten
D1 : JP-A-0559334 und zugehörige Übersetzung;
D2 : US-A-4 851 064;
D3 : GB-A-1 188 344
bekannten Maßnahmen, weil der Patentanspruch 1 eine besondere Auswahl aus den im Stand der Technik bekannten Möglichkeiten zur Verbesserung der Kanteneinreißbarkeit darstelle, welche zusätzlich eine Verringerung der Kantenklebrigkeit der Rolle bewirke.
III. In einer der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung teilte die Beschwerdekammer den Parteien mit, daß die Frage der unzulässigen Erweiterung (Artikel 100 c) EPÜ) zu diskutieren sei, und daß bei der Frage der erfinderischen Tätigkeit zuerst untersucht werden sollte, ob die Entscheidung der Einspruchsabteilung ohne Berücksichtigung des verspäteten Vorbringens aufgehoben werden sollte. Wenn nicht, dann sei zu diskutieren, ob das verspätet vorgelegte Material hinsichtlich seiner Relevanz zum Verfahren zugelassen werden sollte (Artikel 114 (1) und (2) EPÜ).
IV. Am 15. Juni 2004 wurde vor der Kammer mündlich verhandelt.
Wie schriftlich angekündigt, erschien die Beschwerdeführerin nicht zu der mündlichen Verhandlung. Die Verhandlung wurde gemäß Regel 71 (2) EPÜ ohne sie fortgesetzt. Sie beantragte schriftlich die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, das Patent in geänderter Fassung auf der Basis der in der mündlichen Verhandlung eingereichten Unterlagen aufrechtzuerhalten.
V. Der einzige Anspruch des Patents lautet wie folgt:
"Herstellung einer Rolle eines doppelseitig klebenden Teppich-Fixes mit einem biaxial gereckten PP-Träger, wobei das Teppich-Fix einseitig mit einem Trennpapier vor dem Aufwickeln zur Rolle eingedeckt ist, dadurch gekennzeichnet, daß vor dem Aufwickeln zur Rolle unter Verwendung von makroskopischen Zackenschnittmessern das eingedeckte Teppich-Fix in seiner Längsrichtung sowohl durch das Teppich-Fix als auch durch das Trennpapier geschnitten wird, zwecks Kanteneinreißbarkeit und Verringerung der Kantenklebrigkeit der Rolle, wobei die Zacken des Zackenschnittmessers eine Zackenhöhe von 0,3 bis 6 mm, ganz besonders 0,5 mm aufweisen".
VI. Bezugnehmend auf das Patent in der erteilten Fassung hat die Beschwerdeführerin im wesentlichen folgendes schriftlich vorgetragen:
Der Patentanspruch 1 sei durch die Aufnahme des Begriffes "Teppich-Fix" unzulässig erweitert worden (Artikel 100 c) EPÜ). In der ursprünglich eingereichten Anmeldung sei dieser Begriff nur im Anspruch 3 und in dem einzigen Ausführungsbeispiel erwähnt. Im Anspruch 3 werde jedoch kein Merkmal des Teppich-Fixes offenbart, sondern ein Selbstklebeband, welches "nach Art eines Teppich-Fixes" zur Rolle aufgewickelt sei. Darüber hinaus sei die Aufnahme des einzelnen technischen Merkmals "Teppich-Fix" aus der Beschreibung des Ausführungsbeispiels in den Patentanspruch nach Artikel 123 (2) EPÜ nicht zulässig, weil dieses Merkmal mit den anderen dort offenbarten Merkmalen, insbesondere der Dicke und der Art der Klebschicht, in einem technischen Zusammenhang stehe.
Das dem Patent zugrundeliegende Problem der Verbesserung der Handabreißbarkeit sei bereits in D2 sowohl für einseitige als auch für doppelseitige Klebebänder mit einem Träger aus Kunststoff angesprochen. Zwar werde in D2 ein Trennpapier nicht explizit erwähnt. Der Fachmann lese ein Trennpapier jedoch aufgrund seines Fachwissens ohne weiteres mit, da das Aufwickeln zweiseitiger Klebebänder in der Regel die Anwesenheit von mindestens einem Trennpapier erfordere. Figur 4 der D2 zeige ein Beispiel für ein Klebeband, welches einseitig eine kontinuierliche Aufeinanderfolge von Zacken aufweise. Die Kerben hätten eine Höhe von mindestens 0,3 mm und könnten auch, bevor das Band zur Rolle aufgewickelt werde, angebracht werden. Der Zackenschnitt könne demnach nur so erfolgen, daß auch durch das Trennpapier hindurchgeschnitten werde. Dies werde in der
D4: Entscheidung des Bundespatentgerichtes vom 22. Februar 1999,
mit der das zum Streitpatent korrespondierende deutsche Patent 43 18 277 widerrufen wurde, bestätigt.
Da die Verwendung des Klebebandes als Teppich-Fix, welche in D2 nicht explizit erwähnt sei, für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht relevant sei, könne D2 als nächstliegender Stand der Technik angesehen werden. Da D6 sich mit der gleichen Aufgabe wie das Streitpatent beschäftige und ferner offenbare, daß der Träger aus PP bestehen könne und daß die Kantenklebrigkeit der Rolle durch die Zacken reduziert werde, was an sich lediglich als ein "angenehmer Nebeneffekt" anzusehen sei, würde der Fachmann unter Anwendung der Lehre von D6 ohne weiteres zum Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents gelangen.
Darüber hinaus sei der Gegenstand des Anspruchs 1 durch die Kombination von D7 und D1 nahegelegt: beide Dokumente beschäftigten sich mit der gleichen Aufgabe wie das Streitpatent. D7 offenbare einseitig und doppelseitig klebende Klebebänder, die in Längsrichtung mit Kerben versehen seien. D1 offenbare Klebebänder mit biaxial gerecktem PP-Träger und Kerben mit einer Tiefe von 0,2 bis 1,5 mm.
Es sei auch möglich, von einem Verfahren gemäß dem Oberbegriff des Anspruchs 1 des Streitpatents auszugehen. Ferner sei der Gegenstand des Anspruchs 1 auch durch die Kombination von D1 und D2, oder D2 und D3 nahegelegt.
VII. Die Beschwerdegegnerin trug im wesentlichen vor:
Der Fachmann erkenne ohne weiteres, daß das in dem Ausführungsbeispiel des Streitpatents beschriebene "Teppich-Fix" nicht exakt die dort offenbarten Parameter aufweisen müsse. Wichtig sei, daß das Teppich-Fix die dem Fachmann bekannten Anforderungen an ein Teppichverlegeband, wie vergleichsweise große Dicken und kräftiges Trennpapier, erfülle. Ferner sei der Beschreibung des Streitpatents zu entnehmen, daß für ein Teppich-Fix auch andere als die spezifisch angegebenen Werte der Zackenhöhen und der Zackenspitzenwinkel in Frage kämen.
In D2 seien doppelseitige Klebebänder erwähnt, allerdings nur in den Erläuterungen zum Stand der Technik. In der eigentlichen Beschreibung der Klebebandes von D2 sei kein Hinweis zu finden, daß das erfindungsgemäße Klebeband nach D2 beidseitig mit Klebemasse ausgerüstet sei. Ein Trennpapier werde auch nicht erwähnt. In D2 sei daher kein doppelseitig klebendes, im Randbereich gekerbtes Klebeband offenbart. Es fehle ein Hinweis, das Klebeband als Teppich-Fix zu verwenden. D2 sei daher nicht als nächstliegender Stand der Technik anzusehen. Das gleiche gelte für D1 und D3, deren Offenbarungsgehalt nicht über den von D2 hinausgehe. Der nächstliegende Stand der Technik sei im Oberbegriff des Patentanspruchs zu finden, und der Gegenstand des Patentanspruchs beruhe auf erfinderischer Tätigkeit aus den in der angefochtenen Entscheidung angegebenen Gründen.
Da prima facie eine besondere Relevanz der verspätet vorgebrachten Dokumente D6 bis D8 für den geltenden Anspruch 1 nicht zu erkennen sei, sollten diese Dokumente zum Verfahren nicht zugelassen werden. Dokumente D9 und D11 könnten jedoch insoweit berücksichtigt werden, als sie zum Nachweis allgemein gültigen Fachwissens dienten.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Änderungen
2.1. Der auf die Herstellung einer Rolle eines Teppich-Fixes gerichtete Patentanspruch 1 umfaßt alle Merkmale der Ansprüche 1 bis 5 der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung, die auf die Verwendung von Zackenschnittmessern zum Längsschneiden von doppelseitig klebenden Selbstklebebändern gerichtet sind. Er enthält zusätzlich folgende Merkmale:
a) das Selbstklebeband ist ein Teppich-Fix,
b) welches vor dem Aufwickeln zur Rolle mit dem Trennpapier eingedeckt und geschnitten wird,
c) die Zackenschnittmesser sind makroskopisch,
d) der Schnitt erfolgt (auch) zwecks Verringerung der Kantenklebrigkeit der Rolle.
2.1.2. Das Merkmal a) findet sich in keinem der ursprünglichen Ansprüche. Zwar wird ein Teppich-Fix im Anspruch 3 erwähnt; dort wird jedoch kein Teppich-Fix an sich beansprucht oder näher definiert. Es wird lediglich angegeben, daß das Selbstklebeband "nach Art eines Teppich-Fixes aufgewickelt ist". Merkmal a) ist eigentlich nur in der Beschreibung des einzigen konkreten Ausführungsbeispiels der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen offenbart. Gemäß diesem Ausführungsbeispiel weist das Teppich-Fix spezifische Merkmale auf, nämlich einen 50 µm PP-Träger, eine 100 g/m2 Beschichtung von Kautschuck-Selbstklebemasse und ein silikonisiertes Trennpapier. Darüber hinaus wird in dem Ausführungsbeispiel beschrieben, daß auch die zur Herstellung des Teppich-Fixes verwendeten Zackenschnittmesser spezifische Merkmale aufweisen, nämlich eine Zackenhöhe von 0,5 mm und einen Spitzenwinkel von 90°. Unter diesen Umständen stellt sich die Frage, ob sich bei Aufnahme des Merkmals "Teppich-Fix" in den Patentanspruch, das nur in einem bestimmten technischen Zusammenhang offenbart worden ist, eine Kombination technischer Merkmale ergibt, die der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung eindeutig zu entnehmen ist und die in ihrer technischen Funktion zur Lösung einer bestimmten Aufgabe beiträgt (siehe dazu T 284/94, Abl. EPA 1999, 464).
Es ist dem Fachmann klar, daß es sich bei einem Teppich- Fix um eine besondere Art von Selbstklebebändern handelt, die für die angestrebten Funktion, einen Teppich mit dem Untergrund zu verkleben (siehe auch D4, Seite 4, 3. Absatz), bestimmte technische Merkmale aufweisen müssen, wie z. B. das Vorhandensein einer ausreichenden Dicke der Klebemasse und eines kräftigen Trennpapiers. Es ist jedoch dem Fachmann auch klar, daß diese Funktion keine spezifische Dicke und Art der Klebeschicht sowie des Trennpapiers erfordert, insbesondere weil es unterschiedliche Klebstoffe und verschiedene Arten von Teppichen und Untergründen gibt; wichtig ist nur, daß die Dicke und die Art der Klebeschicht sowie des Trennpapiers aus den zu Verfügung stehenden Möglichkeiten so ausgewählt werden, daß die angestrebten Funktion ermöglicht werden. Aus den Anmeldungsunterlagen in der eingereichten Fassung geht daher für den Fachmann zweifelsfrei hervor, daß ein Teppich-Fix auch ohne die in dem Ausführungsbeispiel spezifisch angegebenen Merkmale bezüglich der Dicke des PP-Trägers, der Art und Dicke der Selbstklebemasse und die Art des Trennpapiers, zur Lösung der dem Streitpatent zugrundeliegende Aufgabe führen kann, nämlich die Kantenabreißbarkeit des Teppich-Fixes von Hand zu ermöglichen (Spalte 2, Zeilen 4. bis 11 des Streitpatents).
Darüber hinaus wird in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen beschrieben, daß das Ausführungsbeispiel die Erfindung "beispielhaft erläutern" soll, "ohne diese damit unnötig einzuschränken" (siehe Seite 4, letzter Absatz, der ursprünglich eingereichten Unterlagen), und daß eine Zackenhöhe von 0,5 mm und ein Spitzenwinkel von 90° bei den Zackenmessern für die Herstellung von Selbstklebebändern besonders bevorzugt aber nicht zwingend sind (Seite 3, letzter Absatz - Seite 4, 1. Absatz, der ursprünglichen Unterlagen). Der Fachmann entnimmt somit eindeutig der Beschreibung, daß eine Zackenhöhe von 0,5 mm und ein Spitzenwinkel von 90° auch für den Sonderfall, bei dem das Selbstklebeband ein Teppich-Fix ist, nicht zwingend sind und daß auch mit hiervon abweichenden Werten die im Streitpatent genannte Aufgabe bei einem Teppich-Fix gelöst werden kann.
2.1.3. In dem Ausführungsbeispiel wird weiterhin angegeben, daß der Träger biaxial gereckt ist, daß ein Trennpapier vorhanden ist (nicht ein Trennpapier "oder dergleichen" wie im erteilten Anspruch 1) und daß die Zackenschnittmesser makroskopisch sind (Merkmal c) oben). Diese Merkmale, die für die Lösung der dem Streitpatents zugrundeliegenden Aufgabe wesentlich sind, wurden dementsprechend während der mündlichen Verhandlung dem Anspruch 1 hinzugefügt, wobei die Angabe "makroskopisch" durch die Aufnahme der Merkmale des ursprünglichen Anspruchs 5 spezifiziert wurde.
Die restlichen Merkmale des Herstellungsverfahren nach dem Ausführungsbeispiel (wie z. B. die Schneidgeschwindigkeit von 100 m/min) sind offensichtlich für die Lösung der gestellten Aufgabe nicht wesentlich.
2.1.4. Die obengenannten Merkmale b) und c), die explizit auf Seite 4 (2. Absatz) und Seite 3 (3. Absatz) für ein Selbstklebeband offenbart sind, gelten ebenfalls offensichtlich auch für den besonderen Fall, in dem das Selbstklebeband ein Teppich-Fix ist.
2.2. Die geltende Beschreibung ist dem geänderten Patentbegehren angepaßt.
2.3. Somit sind die Voraussetzungen des Artikels 123 (2) EPÜ erfüllt.
2.4. Da die gegenüber dem erteilten Anspruch 1 zusätzlich eingefügten Merkmale eine Einschränkung des Schutzbereiches bedeuten, geben die vorgenommenen Änderung keinen Anlaß zu Beanstandungen hinsichtlich Artikel 123 (3) EPÜ.
3. Neuheit
Die Neuheit des Gegenstands des Anspruchs in Bezug auf die im Einspruchsverfahren genannten Entgegenhaltungen ist nicht bestritten worden, so daß sich Ausführungen hierzu erübrigen.
4. Erfinderische Tätigkeit
4.1. Das Streitpatent geht von einem Stand der Technik nach dem Oberbegriff des Patentanspruchs aus und stellt sich die Aufgabe (siehe Spalte 2, Zeilen 4 bis 11, des Streitpatents), die Kantenabreißbarkeit des Teppich- Fixes von Hand zu ermöglichen, ohne eine Schere oder ein Messer benützen zu müssen.
4.2. Der Stand der Technik gemäß dem Oberbegriff des Patentanspruchs 1 kommt tatsächlich der beanspruchten Herstellung am nächsten, weil sich keines der Dokumente D1 bis D3 auf die Herstellung eines doppelseitig klebenden Teppich-Fixes bezieht.
Die Beschwerdeführerin hat ausgeführt, die Verwendung des Klebebandes als Teppich-Fix sei für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht relevant, so daß auch z. B. D2 als nächstliegender Stand der Technik angesehen werden könnte.
Bei der Wahl des nächstliegenden Stand der Technik kommt es aber zunächst darauf an, daß seine Lösung auf den gleichen Zweck gerichtet ist wie die Erfindung (siehe z. B. T 606/89). Wie bereits oben ausgeführt, handelt es sich bei einem Teppich-Fix um eine besondere Art von Selbstklebebändern, die für die angestrebte Funktion, einen Teppich mit dem Untergrund zu verkleben, bestimmte technische Merkmalen aufweisen müssen. An keiner Stelle der Dokumente D1 bis D3 ist jedoch offenbart, daß die bekannten Klebebändern solche bestimmte Merkmale aufweisen, aufgrund derer sie sich als Teppich-Fix eignen würden.
4.3. Dokument D2 offenbart die Herstellung einer Rolle eines Klebebandes, wobei das Klebeband vor dem Aufwickeln zur Rolle (Spalte 3, Zeilen 19 bis 21) zwecks Kanteneinreißbarkeit mit randseitig fortlaufenden Einkerbungen versehen wird (Spalte 1, Zeilen 50 bis 60). Nach der Lehre von D2 können die Einkerbungen unterschiedlich ausgestaltet werden, z. B. in Form von Schlitzen (Figuren 1 bis 3), oder es kann sich um solche handeln, die durch Schleifen eingebracht werden (Spalte 3, Zeilen 32 bis 42; Anspruch 1). Gemäß dem Ausführungsbeispiel von Figur 4 werden V-förmige Einkerbungen, welche den Zacken gemäß dem Streitpatent entsprechen, in den Rand eingeschnitten (Spalte 3, Zeilen 14 bis 16 und 20).
D2 schlägt daher verschiedene Alternativen zur Erzielung einer Kantenabreißbarkeit von Hand vor. Für den Fachmann gibt es jedoch keinen Grund, sich bei seiner Suche nach der Lösung der obengenannten Aufgabe auf die Ausführungsform der Figur 4 zu konzentrieren, weil D2 keinen Hinweis gibt, daß die Ausführungsform der Figur 4 für ein Teppich-Fix oder auch ein doppelseitig beschichtetes Selbstklebeband mit Trennpapier besonders geeignet wäre. In der Tat werden alle Alternativen in ihrer Funktion als äquivalent dargestellt. Darüber hinaus ist dem Dokument D2 nicht eindeutig zu entnehmen, daß die dort gezeigten Ausführungsbeispiele auch für den Fall gedacht sind, in dem das Klebeband doppelseitig beschichtet ist und ein Trennpapier aufweist. Zwar werden in D2 doppelseitig beschichtet Klebebänder als bekannt vorausgesetzt (Spalte 1, Zeilen 25, 26). Abweichend von der Auffassung des Bundespatentgerichts (siehe D4, Seite 5), ist die Beschwerdekammer jedoch der Meinung, daß, aufgrund der Darstellung der in D2 offenbarten Erfindung, der Fachmann die in D2 offenbarten Maßnahmen zur Erzielung einer Kantenabreißbarkeit nur mit einseitig beschichteten Klebebändern in Verbindung bringt. Tatsächlich fehlt in der Beschreibung der Ausführungsbeispiele jeglicher Hinweis auf ein Trennpapier, welches bei doppelseitig beschichteten Klebebändern in der Regel vorhanden ist, was insbesondere durch die von der Beschwerdeführerin eingereichten Dokumente D9 und D11 nachgewiesen wird.
Die Verwendung der Alternative nach Figur 4 von D2 zur Lösung der obengenannten Aufgabe bei einem Teppich-Fix ist daher als eine Auswahl aus den mehreren offenbarten Möglichkeiten anzusehen. Da aber diese Auswahl die zusätzliche Wirkung der Verringerung der Kantenklebrigkeit mit sich bringt, kann sie nicht als naheliegend angesehen werden (siehe z. B. T 192/82, Abl. EPA 1984, 415, Punkt 16).
4.4. D1 offenbart die Herstellung einer Rolle eines einseitig klebenden Klebebandes mit PP-Träger (Seite 9, Beispiel 3), wobei zwecks Kanteneinreißbarkeit vor dem Aufwickeln zur Rolle entweder Löcher oder Einkerbungen entlang der Bandkanten eingebracht werden (siehe Ansprüche 1 und 2). D1 bezieht sich nicht auf doppelseitig beschichtet Klebebänder, welche einseitig mit einem Trennpapier oder dergleichen vor dem Aufwickeln zur Rolle eingedeckt sind. Gemäß einer besonderen Ausführungsform (siehe Seite 5, par. 0007, letzter Satz) sind V-förmige Einkerbungen in den Bandkanten vorgesehen. Auch hier gibt es für den Fachmann keinen Grund, bei seiner Suche nach der Lösung der obengenannten Aufgabe sich auf diese besondere Ausführungsform zu konzentrieren. Darüber hinaus wird in D1 nicht offenbart, wie die V-förmigen Einkerbungen eingebracht werden (siehe auch die Entscheidung des Bundespatentgerichts, Seite 5, 2. Absatz: "allerdings werden dort die Einkerbungen nicht durch ein gewöhnliches Messer eingebracht") und in welcher Reihenfolge. Daher würde der Fachmann auch unter Heranziehung der Lehre von D1 nicht in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1 geführt.
D3 offenbart ebenfalls die Herstellung einer Rolle eines einseitig klebenden Bandes mit PP-Träger. Dort werden keine makroskopischen Zacken in den Bandkanten angebracht, sondern Mikro-Einkerbungen, die mit dem bloßen Auge nicht sichtbar sind (Seite 1, 2. Absatz und Zeilen 73 bis 83).
D9 und D11 offenbaren doppelseitig beschichtete Selbstklebebänder, die keine Einkerbung in den Bandkanten aufweisen.
4.5. Nach alledem kommt die Kammer zum Schluß, daß die Merkmalskombination der beanspruchten Herstellung einer Rolle eines doppelseitig klebenden Teppich-Fixes nicht in naheliegender Weise aus dem im Einspruchsverfahren genannten Stand der Technik herleitbar ist.
5. Verspätetes Vorbringen - Dokumente D6 bis D9 und D11
5.1. Die erstmals mit der Beschwerdebegründung von der Beschwerdeführerin vorgelegten Dokumente D6 bis D9 und D11 sind im Sinne von Artikel 114 (2) EPÜ als verspätet vorgebracht anzusehen (siehe z. B. T 326/87, ABl. EPA 1992, 522).
5.2. Da die Dokumente D9 und D11 die angefochtene Entscheidung nicht in Frage stellen, sondern lediglich das allgemein gültige Fachwissen dokumentieren, und ihre Zulassung von der Beschwerdegegnerin nicht abgelehnt wird, werden sie im Verfahren berücksichtigt.
5.3. Demgegenüber wurden die Dokumente D6 bis D8 eingereicht, um den Einspruchsgrund unter Artikel 100 a) EPÜ weiter zu substantiieren. Gemäß der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern sollen im Verfahren vor den Beschwerdekammern neue Tatsachen, Beweismittel und diesbezügliche Argumente, die über die gemäß Regel 55 c) EPÜ in der Einspruchsschrift anzugebenden "Tatsachen und Beweismittel" zur Stützung der geltend gemachten Einspruchsgründe hinausgehen, nur in ausgesprochenen Ausnahmefällen und nur dann zum Verfahren zugelassen werden, wenn die neuen Unterlagen prima facie insofern hochrelevant sind, als sie mit gutem Grund eine Änderung des Verfahrensausgangs erwarten lassen, also höchstwahrscheinlich der Aufrechterhaltung des europäischen Patents entgegenstehen (siehe z. B. T 1002/92, Abl. EPA 1995,605).
5.4. Die Kammer ist der Auffassung, daß die Dokumente D6 bis D8 weniger relevant sind als die bereits im Verfahren befindlichen Dokumente. Keines der D6 bis D8 bezieht sich nämlich auf die Herstellung einer Rolle eines Teppich-Fixes oder offenbart die Verwendung von makroskopischen Zackenschnittmessern: In D6 werden Mikroeinkerbungen in das Klebeband eingebracht (vgl. Figur 2), in D7 werden Einkerbungen mittels Hitzeeinwirkung eingeschnitten (vgl. Anspruch 1) und in D8 werden Schlitze in die Bandkanten eingebracht. Daher erfüllt das verspätet vorgelegte Material das Erfordernis ausreichender Relevanz nicht. D6 bis D8 werden daher nicht berücksichtigt (Artikel 114 (2) EPÜ).
5.5. Der Vollständigkeit halber sei noch bemerkt, daß das mit der Beschwerdebegründung eingereichte und mit D10 bezeichnete Dokument EP-A1-0 628 387 eine Kopie der Offenlegungsschrift der Patentanmeldung darstellt, auf der das Streitpatent basiert. Sie entspricht den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen und stellt daher nichts Neues dar.
6. Zusammenfassend kommt die Kammer zu dem Ergebnis, daß der von der Beschwerdeführerin genannte Stand der Technik den Gegenstand des neuen Schutzbegehrens nicht in naheliegender Weise vorwegnimmt und daher dieser auf erfinderischer Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ beruht.
7. Schließlich ist festzustellen, daß die Kammer am Ende der mündlichen Verhandlung auch in Abwesenheit der Beschwerdeführerin auf der Grundlage der erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgelegten, geltenden Ansprüche eine Entscheidung treffen konnte. Dies steht nicht in Widerspruch zur Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G 4/92 (vgl. ABl. EPA 1994, 149), nach der es einer Partei, die bei einer mündlichen Verhandlung nicht vertreten ist, ermöglicht werden muß zu neuen Tatsachen und Beweismitteln Stellung zu nehmen (vgl. Artikel 113 (1) EPÜ). Im vorliegenden Fall konnte die Beschwerdeführerin als abwesende Partei von den neuen, eingeschränkten Ansprüchen nicht überrascht werden, da sich die zur Anspruchsänderung führenden Einwände allein aus der Beschwerdebegründung ergaben, einem Sachverhalt also, der nicht erst in der mündlichen Verhandlung eingeführt worden ist.
Überdies war den Parteien von der Kammer eine Erörterung der Frage des Einspruchsgrundes nach Artikel 100 c) EPÜ in der Anlage zur Ladung angekündigt worden (vgl. oben, Punkt III). Da mithin für die ordnungsgemäß geladene, aber nicht erschienene Beschwerdeführerin nach dem Verfahrensstand diese Erörterung in der mündlichen Verhandlung zu erwarten war und ihr die entsprechenden relevanten Tatsachen bekannt waren, konnte die Kammer am Ende der mündlichen Verhandlung ihre Entscheidung treffen, ohne gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs nach Artikel 113 (1) EPÜ zu verstoßen (siehe z. B. T 788/92).
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtenen Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:
Anspruch 1 und Beschreibung Spalten 1 bis 3, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung.