T 0482/09 (Waschmittelformkörper/HENKEL) 14-07-2011
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Verfahren zur Herstellung mehrphasiger Wasch- und Reinigungsmittelformkörper
UNILEVER N.V. / UNILEVER PLC
Reckitt Benckiser (UK) Limited
Zulässigkeit der Beschwerde (ja)
Ausreichende Offenbarung (ja)
Zulässigkeit der Änderungen (ja)
Neuheit - Hauptantrag (nein)" "Neuheit - zweiter Hilfsantrag (ja)
Erfinderische Tätigkeit - zweiter Hilfsantrag (ja)
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung zur Aufrechterhaltung des europäischen Patents Nr. 1 157 090 in geänderter Form auf der Grundlage der mit Schreiben vom 24. Oktober 2008 als Hauptantrag eingereichten Patentansprüche 1 bis 26.
II. Der einzige unabhängige Anspruch des Hauptantrages hatte folgenden Wortlaut:
"1. Verfahren zur Herstellung mehrphasiger Wasch- und Reinigungsmittelformkörper, gekennzeichnet durch die Schritte
a) Verpressen eines teilchenförmigen Vorgemischs zu
Formkörpern,
b) Aufbringen eines oder mehrerer Haftvermittler
enthaltend eine oder mehrere Substanzen aus der
Gruppe der Wachse oder konzentrierte Salzlösungen
oder Lösungen bzw. Suspensionen von wasserlöslichen
bzw. -dispergierbaren Polymeren auf eine oder mehrere
Flächen der Formkörper,
c) Aufbringen weiterer Aktivsubstanz in fester,
hochviskoser oder plastischer Form,
d) optionale Nachbehandlung (Nachformung) der auf die
Oberfläche des Formkörpers aufgebrachten
Aktivsubstanzen,
wobei die Viskosität der hochviskosen Aktivsubstanz im Schritt c) oberhalb 1 Pa·s liegt."
Die abhängigen Ansprüche 2 bis 26 betreffen bevorzugte Varianten des Verfahrens nach Anspruch 1.
III. Zwei Einsprechende hatten wegen unzulässiger Änderung (Artikel 100c) und 123(2) EPÜ), mangelnder Offenbarung (Artikel 100b) und 83 EPÜ) sowie mangelnder Neuheit und erfinderischer Tätigkeit (Artikel 100a), 54 und 56 EPÜ) Einspruch erhoben. Sie stützten sich dabei auch auf folgende Entgegenhaltungen:
D6 GB-A-2 327 949 und
D7 EP-A-0 481 547.
IV. In ihrer Entscheidung war die Einspruchsabteilung zur Auffassung gelangt, dass die geänderten Ansprüche den Bedingungen des EPÜ genügten und insbesondere, dass der beanspruchte Gegenstand gegenüber dem aus Dokument D7 bekannten Stand der Technik neu sei, weil dort keine Haftvermittler im Sinne des Streitpatents offenbart seien, nämlich solche Stoffe, die den Formkörperober-flächen ausreichend Haftung verleihen, damit nachfolgend aufgebrachte Substanzen dauerhaft an diesen Flächen haften. Das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit wurde damit begründet, dass es für einen Fachmann nicht nahegelegen habe, zum Zweck der Einsparung von Haftvermittler diesen auf den verpressten Formkörper aufzubringen anstatt auf die nicht-verpresste Aktivsubstanz. Denn Dokument D6 beschreibe mehrere Methoden zur Verbindung von verpresstem Formkörper und Aktivsubstanz.
V. Gegen diese Entscheidung haben die Einsprechenden (Beschwerdeführerinnen) Beschwerde eingelegt und im Laufe des Beschwerdeverfahrens unter anderem die Dokumente
D10 EP-A-0 055 100,
D11 US-A-5 015 513 und
D12 GB-A-1 456 592
eingereicht.
VI. Die Patentinhaberin, nunmehr Beschwerdegegnerin, hat geänderte Anspruchssätze in sieben Hilfsanträgen eingereicht.
Dabei unterscheidet sich Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrages von Anspruch 1 des Hauptantrages durch Ersatz der Wortfolge "in fester, hochviskoser oder plastischer Form" durch den Ausdruck "in Form eines verpressten Formkörpers", durch Streichung des Merkmals "wobei die Viskosität der hochviskosen Aktivsubstanz im Schritt c) oberhalb 1 Pa s liegt" und durch den Einschub "in Form von Haftvermittlerpunkten oder -linien" in Schritt b) zwischen den Ausdrücken "Polymeren" und "auf eine oder". Ferner wurden im zweiten Hilfsantrag die abhängigen Ansprüche 13 bis 15, 19 und 21 gestrichen sowie die Ansprüche 16 bis 18, 20 und 22 bis 26 entsprechend als Ansprüche 13 bis 15, 16 und 17 bis 21 umnummeriert.
VII. Ferner hat die Beschwerdegegnerin geltend gemacht, dass die Beschwerde der Beschwerdeführerin II wegen fehlender Begründung unzulässig sei.
VIII. Mit Bescheid vom 4. März 2011 hat die Kammer den Parteien die Gründe mitgeteilt, aus denen die Beschwerde der Beschwerdeführerin II zulässig zu sein scheine.
IX. Am 14. Juli 2011 fand eine mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer statt, an der die Beschwerdeführerin I - wie mit Schreiben vom 11. Juli 2011 angekündigt - nicht teilnahm und in deren Verlauf die Beschwerdegegnerin den ersten Hilfsantrag fallen ließ.
X. Die Beschwerdeführerinnen haben sich unter anderem auf folgende Argumente gestützt:
- Merkmal b) von Anspruch 1 des Hauptantrags und zweiten Hilfsantrags erfülle nicht die Erforder nisse von Artikel 123(2) EPÜ, weil die nunmehr definierte neue Gruppe von Haftvermittlern sowie der Einsatz mehrerer Substanzen aus der Gruppe der Wachse ursprünglich nicht offenbart seien. Ferner seien Wachse nur mit einem Schmelzpunkt im Bereich von 40 bis 75ºC als wesentliches Merkmal offenbart.
- Das beanspruchte Verfahren sei nicht ausreichend offenbart, weil nicht angegeben sei unter welchen Bedingungen der Parameter der Viskosität zu messen ist. Nach allgemeinem Fachwissen hänge der Messwert der Viskosität aber erheblich von der Messtemperatur und vom Schergefälle ab. Daher wisse der Fachmann nicht, wann er im Schutzbereich der Ansprüche des Streitpatents arbeitet. Mangelnde Ausführbarkeit sei auch deshalb gegeben, weil eine Newton'sche Flüssigkeit bei Raumtemperatur eine Viskosität oberhalb 1 Pa·s haben könne und daher vom Formkörper absorbiert oder ablaufen würde, so dass keine mehrphasige Waschmitteltablette gebildet würde.
- Der Gegenstand nach Anspruch 1 des Hauptantrages sei nicht neu, beispielsweise gegenüber Dokument D7.
- Er beruhe auch nicht auf erfinderischer Tätigkeit, weil es für den Fachmann naheliegend sei, ausgehend von Dokument D6 den Haftvermittler flächig oder punktuell auf dem zu einem Formkörper verpressten Vorgemisch aufzubringen anstatt auf der nicht-verpressten weiteren Aktivsubstanz, um die Aktivsubstanz auf dem Formkörper zu fixieren.
- Ferner sei der Gegenstand nach Anspruch 1 durch Dokument D10 in Verbindung mit Dokument D11 oder D12 nahegelegt. Denn die Lehre von Dokument D10 unterscheide sich vom Gegenstand nach Anspruch 1 nur dadurch, dass kein konkreter Haftvermittler genannt ist. Geeignete Haftvermittler würde der Fachmann aber in den Dokumenten D11 und D12 finden.
- Daher sei das Verfahren nach Anspruch 1 des Haupt- und zweiten Hilfsantrages nicht erfinderisch.
XI. Die Beschwerdegegnerin hat alle Einwände der Beschwerdeführerinnen zurückgewiesen.
- Zur Neuheit des Verfahrens nach Anspruch 1 des Hauptantrages gegenüber Dokument D7 hat sie im Wesentlichen vorgetragen, dass dort zwar PEG 8000 als Sperrschicht verwendet würde, jedoch nicht als Haftvermittler im Sinne des Streitpatents. Danach müsse nämlich der Haftvermittler der Formkörper-oberfläche eine Klebrigkeit verleihen und daher in entsprechender Form aufgetragen werden. Dokument D7 offenbare auch keinen punktuellen oder linienförmigen Auftrag des PEG 8000, so wie in Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrages gefordert.
- Der Gegenstand des Streitpatents sei durch den genannten Stand der Technik auch nicht nahegelegt.
Insbesondere mit dem Verfahren nach Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrages würde gegenüber der Lehre von Dokument D6 nämlich nicht nur die Stabilität erhöht und eine kostengünstigere Herstellung, insbesondere eine Einsparung an Haftvermittler, erreicht, sondern auch die Löslichkeit des Waschmittelformkörpers beschleunigt. Einen Hinweis auf die anspruchsgemäße Lösung dieser technischen Aufgabe gebe weder Dokument D6 noch der übrige verfügbare Stand der Technik.
In Dokument D10 werden sogar überhaupt keine Kleber benötigt. Daher hatte der Fachmann auch keine Veranlassung in den Dokumenten D11 und D12 nach geeigneten Klebemitteln zu suchen.
XII. Die Beschwerdeführerinnen beantragen, die angefochtene Entscheidung aufzuheben, und das Patent zu widerrufen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen, hilfsweise, das Patent im Umfang der mit Schreiben vom 15. April 2011 eingereichten Hilfsanträge 2 bis 7 aufrechtzuerhalten.
1. Begründetheit der Beschwerde der Beschwerdeführerin II
Gemäß Artikel 108 EPÜ ist die Beschwerde innerhalb von vier Monaten nach Zustellung der Entscheidung nach Maßgabe der Ausführungsordnung zu begründen. Die Anforderungen zum Inhalt der Beschwerdebegründung sind in Regel 99(2) EPÜ festgelegt. Danach hat der Beschwerdeführer in der Beschwerdebegründung darzulegen, aus welchen Gründen die angefochtene Entscheidung aufzuheben oder in welchem Umfang sie abzuändern ist und auf welche Tatsachen und Beweismittel er seine Beschwerde stützt.
Die Beschwerdegegnerin hat geltend gemacht, dass die Beschwerde der Beschwerdegegnerin II wegen fehlender Begründung unzulässig sei, weil sie keine Auseinander-setzung mit den in der angefochtenen Entscheidung aufgeführten Entscheidungsgründen, folglich auch keine Angaben darüber enthalte, aus welchen rechtlichen und tatsächlichen Gründen die Beschwerde aufzuheben sei.
Diese Auffassung wird von der Kammer nicht geteilt. Die Beschwerde der Beschwerdegegnerin II richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das Patent auf der Basis geänderter Ansprüche gemäß Hauptantrag aufrechterhalten wurde. Die Einspruchsabteilung hat dabei unter anderem entschieden, dass der beanspruchte Gegenstand im Lichte der damals zitierten Entgegenhaltungen D1 bis D8 neu und erfinderisch sei.
Zwar hat sich die Einsprechende II in ihrer Beschwerdebegründung nicht mit den tragenden Gründen der Zwischenentscheidung auseinandergesetzt. Sie hat aber erstmals neue Entgegenhaltungen D9 bis D12 vorgelegt und unter Beibehaltung der bisherigen Einspruchsgründe Neuheit und erfinderische Tätigkeit des Streitgegen-standes allein auf Basis dieser Dokumente angegriffen.
Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts ist eine solche Vorgehensweise unter Artikel 108 EPÜ und Regel 99(2) EPÜ nicht zu beanstanden (siehe auch Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 6. Auflage 2010, Kapitel VII.E.7.6, insbesondere Kapitel VII.E.7.6.2.c)).
Die Beschwerde der Beschwerdeführerin II ist daher im Sinne von Regel 99(2) EPÜ ausreichend begründet und nach Artikel 108 EPÜ zulässig.
Irrelevant im Hinblick auf die Zulässigkeit der Beschwerde ist dagegen die Tatsache, dass nun neue Entgegenhaltungen vorliegen, die vor der Erstinstanz noch keine Rolle gespielt haben. Denn es liegt nach Artikel 111(1) EPÜ im Ermessen der Beschwerdekammer im Rahmen der ersten Instanz tätig zu werden. Entgegen der Meinung der Beschwerdegegnerin ist die Funktion einer Beschwerdekammer also nicht darauf beschränkt, Entscheidungen der Vorinstanz auf ihre Richtigkeit zu überprüfen.
2. Ausreichende Offenbarung der Erfindung (Artikel 83 EPÜ)
2.1 Die Beschwerdeführerinnen haben ein wesentliches Problem darin gesehen, dass für die beanspruchte Viskosität der Aktivsubstanz im Streitpatent keine Messmethode angegeben ist. Da abhängig von Messtemperatur und Schergefälle unterschiedliche Ergebnisse resultierten, wisse ein Fachmann nicht, wann er im verbotenen Schutzbereich arbeitet.
Daher sei die Erfindung in Anlehnung an die Entscheidungen T 252/02 und T 256/87 nicht im gesamten beanspruchten Bereich ausführbar und nicht mit den Bedingungen der Artikel 83 und 100(b) EPÜ vereinbar.
Es mag sein, dass ein Mangel an Offenbarung der Erfindung dann vorliegen kann, wenn ein wesentliches Merkmal der Erfindung darin besteht, dass ein neuer oder unüblicher Parameter einen bestimmten Wert annimmt, eine geeignete Messmethode aber weder in der Fachwelt bekannt noch im Patent beschrieben ist (Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 6. Auflage 2010, Kapitel II.A.3.d), erster Absatz). Dies war in der Entscheidung T 252/02 der Fall (vgl. Gründe Nr. 2.2.1).
Im vorliegenden Fall hingegen handelt es sich um die Viskosität einer Substanz, also einen durchaus üblichen Parameter, zu dessen Bestimmung unbestritten auch Standardmessmethoden bekannt sind. Das Argument der Beschwerdeführerinnen zielt vielmehr darauf ab, dass es dem Wert des Parameters an Bestimmtheit fehlt, weil unterschiedliche Messmethoden zu unterschiedlichen Ergebnissen führen.
Nach Ansicht der Kammer stellt die Verwendung eines unbestimmten Begriffs in den Ansprüchen aber nicht ein Problem unter Artikel 83 EPÜ dar, sondern unter Artikel 84 EPÜ (siehe auch T 1886/06), welcher unter anderem fordert, dass die Patentansprüche den Gegenstand angeben, für den Schutz begehrt wird.
Die Beschwerdeführerinnen haben sich wie im Fall der Entscheidung T 1886/06 auf die Entscheidung T 256/87 berufen. Danach besteht eines der Kriterien für ausreichende Offenbarung darin, dass ein Fachmann nach der Lektüre der Patentschrift die Erfindung in allen wesentlichen Teilen ausführen kann und weiß, wann er im verbotenen Schutzbereich der Ansprüche arbeitet. Dies kann nach Ansicht der Kammer aber nicht bedeuten, dass eine Erfindung zwangsläufig nicht ausführbar im Sinne von Artikel 83 EPÜ ist, wenn in den Ansprüchen ein nach Artikel 84 EPÜ vager Begriff verwendet wird und aufgrund der Beschreibung oder dem Fachwissen keine Konkretisierung möglich ist.
Die Frage, ob ein Wettbewerber wissen kann, wann er im verbotenen Schutzbereich arbeitet, ist daher allenfalls eine Frage, ob die Patentansprüche diejenige Deutlichkeit aufweisen, die erforderlich ist, um Artikel 84 EPÜ zu genügen.
Vom Schutzbereich der Patentansprüche bzw. des Patents ist in Artikel 83 EPÜ dagegen nicht die Rede. Denn diese Vorschrift verlangt nur, dass die Erfindung im Patent so deutlich und vollständig zu offenbaren ist, dass sie von einem Fachmann ausgeführt werden kann.
Die Verwendung eines unbestimmten Ausdrucks im Anspruch führt vielmehr im Einspruchs- und Einspruchsbeschwerde-verfahren dazu, dass zum Zwecke der Prüfung von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit Stand der Technik im Umfang sämtlicher technisch sinnvoller Deutungsmöglichkeiten dieses Ausdrucks zu berücksichtigen ist, weil der Schutzbereich der Ansprüche durch diesen Begriff nicht abgrenzbar ist. Wenn einem solchen Ausdruck überhaupt keine konkrete Bedeutung zukommt, verliert er gegenüber dem in Betracht zu ziehenden Stand der Technik seine beschränkende Wirkung sogar gänzlich.
2.2 Des Weiteren sei nach Meinung der Beschwerdeführerinnen das Verfahren nach Anspruch 1 auch deshalb nicht vollständig offenbart, weil es Flüssigkeiten gäbe, die bei Raumtemperatur eine Viskosität oberhalb 1 Pa s haben und daher vom Formkörper absorbiert oder davon ablaufen würden, so dass sich keine mehrphasige Waschmittel-tablette bilden könne.
Dieses Argument überzeugt schon deshalb nicht, weil solche Verfahren von Anspruch 1 nicht umfasst sind, sondern nur diejenigen, welche tatsächlich zu mehr-phasigen Wasch- und Reinigungmittelformkörpern führen.
2.3 Aus diesen Gründen ist die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass der Einwand der mangelnden Offenbarung unbegründet ist. Die Bedingungen des Artikels 83 EPÜ sind daher als erfüllt anzusehen.
3. Hauptantrag
3.1 Zulässigkeit der Änderungen (Artikel 123 EPÜ)
Der von den Beschwerdeführerinnen schriftlich vorgebrachte Einwand richtet sich gegen Merkmal b) von Anspruch 1, das folgenden Wortlaut hat:
"b) Aufbringen eines oder mehrerer Haftvermittler
enthaltend eine oder mehrere Substanzen aus der
Gruppe der Wachse oder konzentrierte Salzlösungen
oder Lösungen bzw. Suspensionen von wasserlöslichen
bzw. -dispergierbaren Polymeren auf eine oder
mehrere Flächen der Formkörper".
Im ursprünglichen Anspruch 1 hieß es dagegen:
"b) optionales Aufbringen eines oder mehrerer
Haftvermittler auf eine oder mehrere Flächen der Formkörper".
Die Beschwerdeführerinnen meinen, dass der neue Wortlaut eine neue, ursprünglich nicht offenbarte Gruppe von Haftvermittlern beinhalte, der Einsatz mehrerer Substanzen aus der Gruppe der Wachse ursprünglich nicht offenbart sei und Wachse nur im Zusammenhang mit einem Schmelzpunkt im Bereich von 40 bis 75ºC als wesentliches Merkmal offenbart seien.
Dem stimmt die Kammer nicht zu. Denn durch die Verwendung des Wortes "oder" stellt der Ausdruck "Substanzen aus der Gruppe der Wachse oder konzentrierte Salzlösungen oder Lösungen oder Suspensionen von wasserlöslichen bzw. -dispergierbaren Polymeren" nicht etwa eine einzige neue Gruppe von Haftvermittlern dar, sondern drei unterschiedliche Gruppen: die der Wachse, die der konzentrierten Salzlösungen und die der wasser-löslichen bzw. -dispergierbaren Polymeren. Diese drei Gruppen sind ursprünglich auch als mögliche Varianten unabhängig voneinander offenbart. So werden auf Seite 34 der ursprünglichen Anmeldung, vorletzter Absatz, Satz 1, allgemein Wachse als geeignet erwähnt. Auf Seite 40, in den letzten beiden Absätzen heißt es dann, dass noch andere Substanzen als Haftvermittler aufgebracht werden können, nämlich konzentrierte Salzlösungen oder auch Lösungen oder Suspensionen von wasserlöslichen bzw. -dispergier-baren Polymeren (siehe auch ursprüngliche Ansprüche 12 und 13).
Ferner wird auf Seite 37, letzter vollständiger Absatz, allgemein darauf hingewiesen, dass die Haftvermittler Reinsubstanzen oder Substanzgemische sein können. Damit kommen auch mehrere Substanzen aus der Gruppe der Wachse in Frage.
Wie bereits ausgeführt, werden Wachse auf Seite 34 der ursprünglichen Anmeldung ganz allgemein erwähnt. Daher ist es für die ursprüngliche Offenbarung unschädlich, wenn es auf Seite 34 auch heißt, dass unter Wachsen Stoffe verstanden werden, die "in der Regel" über 40ºC schmelzen, oder ob nach ursprünglicher Offenbarung "bevorzugte" Haftvermittler Substanzen mit einem Schmelzbereich von 40 bis 75ºC sind ( Ansprüche 10 und 11 sowie Seiten 33 und 34, jeweils zweiter, vollständiger Absatz).
Weitere Einwände unter Artikel 123 EPÜ wurden nicht vorgebracht. Da auch die Kammer hierzu keinerlei Anlass sieht, sind die Bedingungen von Artikel 123 EPÜ als erfüllt anzusehen.
3.2 Neuheit
3.2.1 Die Neuheit des beanspruchten Verfahrens wurde von den Beschwerdeführerinnen unter anderem im Hinblick auf Dokument D7 angegriffen.
In diesem Dokument ist eine mehrphasige Reinigungs-mitteltablette beschrieben, welche dadurch hergestellt wird, dass
- ein erstes Vorgemisch zu einem Formkörper verpresst wird,
- um diesen Formkörper herum eine zweite Mischung gepresst wird, welche eine als Sperrschicht geeignete Komponente enthält, um ein Zwischenprodukt aus Formkörper und Sperrschicht zu erhalten, und schließlich
- um das Zwischenprodukt herum eine dritte Mischung gepresst wird, die mindestens eine Aktivkomponente enthält (Seite 14, Zeilen 38 bis 55).
Dabei wird zumindest der überwiegende Anteil an Inhaltsstoffen in Teilchenform, nämlich als Granulat, eingesetzt (Seite 15, Zeilen 13 bis 18).
Zu den als Sperrschicht bevorzugten Komponenten zählt PEG 8000, ein Polyethylenglykol mit mittlerem Molekulargewicht zwischen 7000 und 9000 (Seite 7, Zeilen 14 bis 24, Seite 15, Beispiele 1 und 2). Dieses PEG gehört unbestritten zu den Substanzen, die sich laut Streitpatent als Haftvermittler eignen (Paragraph 119 der Streitpatentschrift).
Damit unterscheidet sich das Verfahren nach Anspruch 1 des Hauptantrages von der in Dokument D7 offenbarten Variante mit PEG 8000 als Sperrschicht nur dadurch, dass in Schritt b) nicht PEG 8000, sondern allgemein ein Haftvermittler aufgebracht wird.
3.2.2 Unter Verweis auf Absatz 97 des Streitpatents vertrat die Beschwerdegegnerin die Auffassung, dass der Ausdruck "Haftvermittler" grundsätzlich eine Komponente beschreibe, welche Klebrigkeit verleiht. Daher würde Schritt b) von Anspruch 1 das Aufbringen von PEG 8000 nur in Form einer Schmelze umfassen. Festes PEG 8000 würde nämlich keinerlei Klebrigkeit verleihen.
Jede andere Definition des Begriffs "Haftvermittler" würde im Widerspruch zur Beschreibung stehen.
3.2.3 Die Kammer stellt fest, dass eine bestimmte Definition eines Begriffs in der Beschreibung den Schutzbereich eines Anspruchs, in dem dieser Begriff verwendet wird, nicht beschränken kann, wenn der Anspruchswortlaut weitere logische Definitionen des Begriffs umfasst, und keine Anhaltspunkte dafür existieren, dass in dem relevanten technischen Gebiet nur eine bestimmte Definition gültig ist.
Die Beschwerdegegnerin hat dafür keinerlei Beweismittel vorgelegt.
Auch ist ein bestimmter Begriff nur dann anhand der Beschreibung auszulegen, wenn er im Anspruch nicht präziser ausgedrückt werden kann. Dies wäre im vorliegenden Fall anhand der Erläuterungen in Paragraph 97 des Streitpatents beziehungsweise der entsprechenden Passage der ursprünglichen Anmeldung (Seite 33, erster vollständiger Absatz) aber durchaus möglich gewesen.
Die Kammer ist daher der Auffassung, dass dem Ausdruck "Haftvermittler" eine umfassendere Bedeutung zukommt, nämlich die einer Substanz, welche in der Lage ist, eine Haftung zwischen zwei Objekten zu vermitteln, im vorliegenden Fall zwischen Formkörper und Aktivsubstanz.
Dies ist in Dokument D7 der Fall. Durch die dort angegebenen Drücke beim Verpressen der verschiedenen Schichten (vgl. Beispiel 2) kann nicht bezweifelt werden, dass eine Haftung zwischen der PEG 8000-Sperrschicht mit dem innen liegenden Formkörper einerseits und mit der äußeren Aktivsubstanzschicht andererseits bewirkt wird und zwar auch ohne dass die Sperrschicht notwendiger- weise klebrige Eigenschaften annimmt. Die Sperrschicht wirkt dann als Vermittler einer Haftung zwischen Innen- und Außenschicht.
Die Kammer kommt daher zu dem Ergebnis, dass das Verfahren nach Anspruch 1 des Hauptantrages durch die PEG 8000-Variante des in Dokument D7 beschriebenen Verfahrens neuheitsschädlich vorweggenommen ist.
Daran würde sich selbst dann nichts ändern, wenn dem Ausdruck "Haftvermittler" allein die Bedeutung einer Substanz, die Klebrigkeit verleihen kann, zukäme. Denn Anspruch 1 des Hauptantrages verlangt nicht, dass der Haftvermittler in klebrigem Zustand aufgebracht wird, solange es möglich ist, einen mehrphasigen Waschmittel-formkörper herzustellen. Dies aber ist in Dokument D7 gezeigt.
3.2.4 Der Gegenstand nach Anspruch 1 des Hauptantrages erfüllt daher nicht die Voraussetzungen der Artikel 52(1) und 54(2) EPÜ.
4. Zweiter Hilfsantrag
4.1 Zulässigkeit der Änderungen (Artikel 123 EPÜ)
Die im zweiten Hilfsantrag vorgenommenen Änderungen basieren auf dem Inhalt der ursprünglichen Beschreibung (Seite 46, erster vollständiger Absatz bis Seite 47, erster Absatz, Seite 53, letzter Absatz bis Seite 54, Zeile 8 und Seite 71, Absätze 2 und 3) und beschränken den Schutzumfang der Ansprüche in der erteilten Fassung. Sie sind daher nach Artikel 123(2) und (3) EPÜ zulässig.
4.2 Neuheit
Die Kammer hat sich davon überzeugt, dass ein Aufbringen von Haftvermittler auf den Formkörper in Form von Haftvermittlerpunkten oder -linien im zitierten Stand der Technik nicht offenbart ist. Dies wurde von den Beschwerdeführerinnen auch nicht vorgetragen.
Der Gegenstand nach Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrages erfüllt daher die Voraussetzungen der Artikel 52(1) und 54(2) EPÜ.
4.3 Erfinderische Tätigkeit
Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zur Herstellung mehrphasiger Waschmittelformkörper, wobei die einzelnen Phasen unterschiedliche Zusammensetzungen aufweisen können (Absatz 1 der Patentschrift]).
Solche Verfahren sind an sich bekannt, beispielsweise aus den Dokumenten D6 und D10 (vgl. Streitpatentschrift, Absätze 7 bis 11), welche von den Beschwerdeführerinnen als beste Ausgangspunkte für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit gesehen wurden.
4.3.1 In Dokument D10 werden Verfahren beschrieben, bei denen eine Bleichmitteltablette in einen Formkörper gebettet oder an diesen gehaftet wird, indem sie während des Formgießens integriert, in eine Mulde eines Presslings oder gegossenen Formkörpers eingebracht beziehungsweise an frische Formkörperextrudate gepresst wird (Dokument D10, Spalte 4, Zeile 16 bis Spalte 5, Zeile 60). Bei diesen Verfahren ist die Verwendung eines Haftver-mittlers nicht grundsätzlich notwendig und auch nicht offenbart, geschweige denn in Form von Haftvermittler-punkten oder -linien.
Insofern ist Dokument D10 auch nicht geeignet als Ausgangspunkt bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit.
Ferner hätte der Fachmann ausgehend von der Lehre in Dokument D10 wegen der dort fehlenden Offenbarung eines Haftvermittlers von vorneherein keinerlei Veranlassung gehabt, in den Dokumenten D11 und D12 nach geeigneten Haftvermittlern zu suchen, um beispielsweise ein weiteres Verfahren zur Herstellung von mehrphasigen Waschmittelformkörpern zu schaffen.
4.3.2 Bei dem aus Dokument D6 bekannten Verfahren werden die Aktivsubstanzpartikel über eine haftvermittelnde Beschichtung auf zumindest einem Teil der Partikel auf dem verpressten Formkörper fixiert. Hierzu werden die Partikel dem Pressling zugeführt und erst dann derart mit einer Beschichtung versehen, dass diese eine Haftung der Partikel auf dem Pressling bewirkt (Dokument D6, Ansprüche 1, 10, 11, und 15 sowie Seite 9, Zeilen 17 bis 19, Seite 10, Zeilen 9 bis 13, Seite 13, Zeile 27 bis Seite 14, Zeile 22, und Seite 17, Zeilen 6 bis 10). Dabei kann die Beschichtung den gesamten Waschmittel-formkörper einkapseln (Seite 14, Zeilen 24 bis 26).
Die Kammer stimmt der Beschwerdegegnerin daher zu, dass Dokument D6 allenfalls eine Flächenverklebung offenbart, jedoch keine Verklebung über Haftvermittlerpunkte oder -linien. Insofern unterscheidet sich das beanspruchte Verfahren von dem aus Dokument D6 bekannten.
4.3.3 Die Beschwerdegegnerin argumentierte, dass gegenüber diesem Stand der Technik die technische Aufgabe gelöst werde, nicht nur an Haftvermittler zu sparen, sondern auch die Löslichkeit der Klebeschicht und damit die Desintegrationsfähigkeit des gesamten Waschmittelform-körpers zu verbessern, so wie das in den Absätzen 152 bis 154 der Streitpatentschrift dargestellt ist.
Dort wird überzeugend ausgeführt, dass Haftvermittler-punkte oder -linien dem Wasserzutritt sofort ausgesetzt sind, so dass sich die beiden Formkörper schneller voneinander lösen als bei der Flächenverklebung, bei der ein Wasserzutritt zum Klebstoff zunächst nur an den Kanten des Formkörpers möglich ist und die Verbindung erst dann gelöst werden kann, wenn ein Teil des Gesamtformkörpers aufgelöst ist.
4.3.4 Bei diesem Sachverhalt genügt es nicht, wenn die Beschwerdeführerin nur bezweifelt, dass diese technische Aufgabe durch den Streitgegenstand tatsächlich gelöst wird und argumentiert, die punktuelle Auftragung des Haftvermittlers hätte dem Fachmann offengestanden. Die Beschwerdeführerinnen hätten zumindest ihre Zweifel begründen müssen, und erklären müssen, warum ein Fachmann ausgehend von Dokument D6 eine solche punktuelle Auftragung des Haftvermittlers ins Auge gefasst hätte. Denn immerhin ist dem gesamten zitierten Stand der Technik kein entsprechender Hinweis zu entnehmen (vgl. Punkt 4.2).
Daher ist schon aus diesem Grund erfinderische Tätigkeit anzuerkennen.
Im Übrigen ist auch zu erwähnen, dass dem Fachmann Mittel zur Verbesserung der Löslichkeit der in Dokument D6 beschriebenen Formkörper zur Verfügung standen, beispielsweise durch die Zumischung eines Sprengmittels, was bekanntermaßen zur Beschleunigung der Desintegration solcher Formkörper führt (Dokument D6, Seite 14, Zeilen 18 bis 19 und Zeile 28 bis Seite 15, Zeile 16) oder - wie in Dokument D10 im Zusammenhang mit einem Schutzüberzug auf der Bleichmitteltablette beschrieben ist - durch die Wahl eines Materials mit geeigneten Löslichkeitseigenschaften bzw. der Dicke des Überzugs (Spalte 3, Zeilen 24 bis 37).
4.3.5 Die Kammer ist daher der Auffassung, dass ein Fachmann zur Lösung der technischen Aufgabe, gegenüber dem aus Dokument D6 bekannten Verfahren eine verbesserte Auflösung der Klebeschicht zu erreichen, aus dem Stand der Technik keine Anregung erhält, die Formkörper nicht über Flächen, sondern nur über Linien oder Punkte zu verkleben.
4.3.6 Infolgedessen wird das Verfahren nach Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrages durch den Stand der Technik nicht nahe gelegt, sondern beruht auf der gemäß Artikel 56 EPÜ erforderlichen erfinderischen Tätigkeit.
Dies gilt aus gleichem Grund für die in den abhängigen Ansprüchen 2 bis 21 definierten bevorzugten Varianten des Verfahrens nach Anspruch 1.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen mit dem Auftrag ein Patent auf der Basis des zweiten Hilfsantrages zu erteilen, mit einer anzupassenden Beschreibung.