T 1447/09 04-02-2014
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Verfahren zur Herstellung von pulverförmigen wasserlöslichen Cellulosederivaten
SE Tylose GmbH & Co.KG
Akzo Nobel N.V.
Ausreichende Offenbarung - Ausführbarkeit (ja)
Neuheit - (ja)
Vorlage an die Große Beschwerdekammer - (nein)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
I. Die Beschwerden der Einsprechenden richten sich gegen die am 15. Mai 2009 zur Post gegebene Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das Europäische Patent 1 127 895 (Anmeldenummer 01 103 518.5) in geänderter Fassung aufrechterhalten wurde. Der Entscheidung lagen als Hauptantrag das Patent in der erteilten Fassung und als Hilfsantrag die Patentansprüche des Patents wie erteilt mit einer geänderten Beschreibung zugrunde. Der einzige Anspruch des Streitpatents lautete:
"1. Verfahren zur Herstellung von pulverförmigen wasserlöslichen Cellulosederivaten, ausgewählt aus der Gruppe bestehend aus Methylhydroxyethylcellulose und Methylhydroxypropylhydroxyethylcellulose, dadurch gekennzeichnet, dass
a) ein aus der Reaktion von Cellulose mit einem Alkylierungs- oder Hydroxyalkylierungsmittel erhaltener Filterkuchen aus Cellulosederivat mit einem Wassergehalt von 40 bis 60 Gew.% eingesetzt wird und in insgesamt 65 bis 78 Gew.-% Wasser, bezogen auf das Gesamtgewicht, gequollen oder gelöst wird und anschließend
b) in einer sieblosen Hochdrehzahl-Prallmühle durch ein Wärmeträger- und Transportgas das Wasser, das sich im gequollenen oder gelösten Cellulosederivat befindet, in die Dampfphase und das gelöste oder gequollene Cellulosederivat in den Festkörperzustand in Form feinteiliger Partikel überführt wird,
c) die Partikel vom Wärmeträger- und Transportgas abgetrennt werden und
d) die abgetrennten Partikel gegebenenfalls getrocknet werden."
II. Die Einsprüche richteten sich gegen das Patent im gesamten Umfang und stützten sich auf die Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) (mangelnde Neuheit und mangelnde erfinderische Tätigkeit), 100 b) und 100 c) EPÜ. Die Einsprüche stützten sich unter anderen auf die Dokumente
D1 WO 98/31710,
D2 GB-A-2262527,
D3 WO 99/61157,
D4 EP-A-0 835 881 und
D6 US-A-4 044 198.
III. Gemäß der angefochtenen Entscheidung ging das Patent wie erteilt über den Gegenstand der Anmeldung in ihrer ursprünglicher Fassung hinaus. Der Grund dafür sei die Änderung der Einheit für die Rotorgeschwindigkeit der Mühle in den Beispielen. Die in den Beispielen der originalen Fassung angegebenen Geschwindigkeiten, die über der Schallgeschwindigkeit lagen, seien für den Fachmann offensichtlich nicht korrekt. Da aber die in den Beispielen des Patents wie erteilt vorgenommene Änderung der Einheit für die Rotorgeschwindigkeit nicht die einzig mögliche Korrektur sei, sei diese Änderung nicht zulässig (Artikel 123(2) EPÜ).
Zum Hilfsantrag mit einer geänderten Beschreibung, die die geänderten Beispiele nicht mehr enthielt, wurde festgestellt, dass der beanspruchte Gegenstand ausführbar sei (Artikel 83 EPÜ).
Weder die Lehren nach D1 oder D2, noch die der übrigen im Verfahren herangezogenen Dokumente hätten die Neuheit des beanspruchten Gegenstands vorweg genommen (Artikel 54 EPÜ).
Hinsichtlich der erfinderischen Tätigkeit wurde D1, insbesondere das Beispiel 3, als nächstliegender Stand der Technik betrachtet. Demgegenüber habe, im Hinblick auf die Beispiele und Vergleichsbeispiele des Streitpatents, die zwar gestrichen waren aber gutachterlich herangezogen werden könnten, die gelöste Aufgabe darin bestanden, Cellulosepulvern mit erhöhter Feinheit bereitzustellen. Weder das Verfahren aus D3, noch die übrigen zitierten Dokumente gäben, um diese Aufgabe zu lösen, eine Anregung, den Wassergehalt des Beispiels 3 von D1 von 80 Gew.-% auf den anspruchsgemäßen Wassergehalt zu reduzieren. Daher könne dem beanspruchten Gegenstand eine erfinderische Tätigkeit zuerkannt werden.
IV. Die Kammer hatte in einem Bescheid, der zu Vorbereitung der mündlichen Verhandlung erging, Fragen bezüglich der Aussagekraft der im Streitpatent beschriebenen Versuche aufgeworfen. Insbesondere wurde die Frage gestellt, ob ein Vergleich zwischen den Beispielen 16 und 17 einerseits und Beispiel 15 andererseits eine vorteilhafte Wirkung des Wassergehalts von 65 bis 78 Gew.% gegenüber 80 Gew.% zeigte. Mit Schreiben vom 20. Januar 2014 reichte die Beschwerdegegnerin einen ersten Hilfsantrag und mit Schreiben vom 27. Januar 2014 einen zweiten Hilfsantrag ein.
V. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerinnen können wie folgt zusammengefasst werden:
Ausführbarkeit
Der Begriff "sieblose Hochdrehzahl-Prallmühle" sei nicht definiert, so dass der Fachmann nicht wisse, welche Art von Mühle einzusetzen ist. Darüber hinaus ginge aus dem Streitpatent nicht hervor, bei welcher Drehzahl die Hochdrehzahl-Prallmühle zu verwenden ist. Insbesondere sei nicht bekannt, was "hoch" bedeute. Die Menge an Wasser die ausreichend sei, um eine Quellung bzw. Lösung zu bewirken, sei ebenfalls nicht klar definiert. Ein Teil der Cellulose könne gequollen und ein Teil gelöst sein. Auf Grund der damit unklar definierten Menge an Wasser im Gel und der unklar definierten Drehzahl des Rotors wisse der Fachmann nicht, wann er im verbotenen Schutzbereich der Ansprüche arbeiten würde und wann nicht. Wie aus dem Absatz [0033] des Streitpatents hervorgehe, hätten darüber hinaus das Molekulargewicht der Cellulose und der Veretherungsgrad des Cellulosederivates einen Einfluss auf das Ergebnis, das durch das vorliegende Verfahren zu erreichen sei. Der Fachmann könne deswegen nur durch Versuch und Fehler ermitteln, welche Rotorgeschwindigkeit, welches Cellulose-Ausgangsmaterial, welches Alkylierungs- oder Hydroalkylierungs-Reagenz und welche Etherifikationsbedingungen für die im Anspruch 1 definierte Menge an Wasser zu dem ersuchten Ergebnis führen. Die Beweislast dafür, dass das beanspruchte Verfahren ausführbar ist, würde daher im vorliegenden Fall auf die Patentinhaberin und Beschwerdegegnerin übergehen. Daher sei die Ausführbarkeit des beanspruchten Verfahrens nicht gegeben.
Neuheit
Das Verfahren gemäß Anspruch 1 sei nicht neu gegenüber D1, das in den Beispielen die jetzt beanspruchten Merkmale in Kombination miteinander offenbare. In "Beispiele zur Quellung bzw. Lösung von MC" auf Seite 14 von D1 seien zwei Methoden beschrieben. In der allgemeinen Angabe zur ersten Quellungsmethode, Zeilen 4 bis 11, sei ein Feststoffbereich von 20 bis 30 Gew.%, das heisst 70 bis 80 Gew.% Wasser, angegeben. Im Beispiel 3 der D1 werde, unter Verwendung dieser ersten Methode, eine wässrige Methylhydroxyethylcellulose (MHEC)-Paste mit einem Feststoffgehalt von 20 Gew.-% eingesetzt. Diese MHEC-Paste werde dann durch Mahltrocknung in einer sieblosen Hochdrehzahl-Prallmühle in feinteilige Partikel überführt. Der Wasseranteil der MHEC-Paste von 80 Gew.-% läge nur geringfügig über dem oberen Grenzwert von 78 Gew.-% vom Anspruch 1 des Streitpatents. Für den Fachmann sei es aufgrund der allgemeinen Angabe zur Quellungsmethode klar, dass in dem Verfahren gemäß Beispiel 3 von D1 jedes MHEC-Gel mit einem Wasseranteil von 70 bis 80 Gew.-% eingesetzt werden kann. Der Bereich für den Wasseranteil sei weitgehend deckungsgleich mit dem im Anspruch 1 des Streitpatents genannten Bereich von 65 bis 78 Gew.-%. Damit sei die Mahltrocknung einer wässrigen MHEC-Paste mit 70 bis 80 Gew.-% Wasseranteil in einer sieblosen Hochdrehzahl-Prallmühle offenbart.
Die Beschwerdeführerin/Einsprechende 2 betonte, dass gemäß Rechtsprechung der Beschwerdekammern, unter anderen gemäß Entscheidungen T 666/89, T 305/87 und T 332/87, der Offenbarungsgehalt einer Entgegenhaltung in ihrer Gesamtheit zu betrachten sei und somit einzelne Beispiele im Hinblick auf die restliche Beschreibung zu lesen seien. Daher sei Beispiel 3 aus D1 zusammen mit der zitierten Passage auf Seite 14 dieser Druckschrift zu lesen. Das streitpatentgemäße Verfahren sei damit durch D1 neuheitsschädlich vorweggenommen. Sollte die Kammer dieser Rechtsprechung nicht folgen, sollte folgende Rechtsfragen an die Große Beschwerdekammer vorgelegt werden:
"1. Under which circumstances can or cannot various parts of a reference be read in combination.
2. Does the answer to question 1 differ if the relevant parts of the reference relate to a particular process, especially if they relate to sequential pieces of said process.
3. Does the answer to question 2 differ if there are pointers linking said sequential pieces."
In D2 sei ein Verfahren zum Mahlen von Celluloseethern mit hohem Wassergehalt offenbart. Obwohl der Wassergehalt in den Beispielen von D2 unterhalb des im Anspruch 1 des Streitpatents genannten Bereichs von 65 bis 78 Gew.-% läge, sei der Offenbarungsgehalt der D2 jedoch nicht auf die Beispiele beschränkt. Gemäß der Beschreibung, Seite 5, Zeile 33, betrage der Wasseranteil im Celluloseether vor der Gelbildung allgemein 30 bis 80 Gew.-%, bezogen auf das Gesamtgewicht. Der Bereich umfasse daher den Bereich von 65 bis 78 Gew.-% vom Anspruch 1 des Streitpatents.
Darüber hinaus sei ein Feuchtegehalt des Celluloseether-Filterkuchens von 45 bis 55 Gew.-% Standard bei praktisch allen kommerziellen Verfahren zur Herstellung von Celluloseethern, wie zum Beispiel von D6 in der Spalte 1, Zeile 35ff. gezeigt werde. Im Absatz [0059] des Streitpatents sei ein Abkühlungsschritt für die Herstellung des Gels nicht beschrieben. Wenn ein solcher Schritt nicht beinhaltet ist, bedeute es gemäß Seite 8 von D2, dass Wasser in einer Menge von 70 Gew.-% vorhanden ist und daher im Hinblick auf den üblichen Wassergehalt im Filterkuchen nicht zugesetzt wurde. Folglich sei das Verfahren gemäß Anspruch 1 des Streitpatents gegenüber D2 nicht neu.
Erfinderische Tätigkeit
Die Druckschrift D1, insbesondere die Ausführungsform gemäß dem Beispiel 3, sei als Ausgangpunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit zu nehmen. Das beanspruchte Verfahren unterscheide sich von dem aus Beispiel 3 der D1 höchstens dadurch, dass ein Celluloseether mit einem geringeren Wasseranteil von 65 bis 78 Gew.-% verwendet sei.
Aus den Beispielen und Vergleichsbeispielen gehe nicht hervor, dass das beanspruchte Verfahren zu einer Verbesserung gegenüber D1 führt, auch nicht auf Basis von Vergleichsbeispiel 15 und Beispielen 16 und 17 im Streitpatent.
Im Vergleichsbeispiel 15 sei nicht erklärt worden, wie das Cellulosederivat vorbereitet wurde. Die Verwendung eines Filterkuchens mit einem Wassergehalt im Bereich von 40 bis 60 Gew.-% gemäß Schritt a) des Anspruchs 1 sei für diese Beispiele nicht angegeben und die Viskosität der Ausgangscellulose sei nicht bekannt. Weiterhin sei der Wassergehalt von 81 Gew.-% im Vergleichsbeispiel 15 höher als der, der im Beispiel 3 von D1 mit 80 Gew.-% verwendet wurde. Aus diesen Gründen stelle das Vergleichsbeispiel 15 des Streitpatents kein Analogon zu Beispiel 3 in D1 dar, d.h. der angebotene Vergleich sei nicht so angelegt, dass die Wirkung der Erfindung auf die Unterscheidungsmerkmale gegenüber dem Verfahren aus Beispiel 3 der D1 zurückzuführen ist, wie von der Rechtsprechung verlangt werde.
Beispiel 16 habe darüber hinaus keine Beweiskraft im Hinblick auf die im Absatz [0059] des Streitpatents angegebene Messgenauigkeit der Sieblinie. Der spezifische Celluloseether mit einem Wassergehalt im beanspruchten Bereich weise keine zufriedenstellende Sieblinie auf und der Durchsatz an Gel sei in einer unvorhersehbaren Weise von der Rotorgeschwindigkeit der Mühle abhängig. Daher sei die von der Einspruchsabteilung definierte objektive Aufgabe durch den anspruchsgemäßen Gegenstand nicht gelöst. Als gegenüber dem Verfahren gemäß D1 objektive Aufgabe ließe sich daher lediglich die Bereitstellung eines weiteren Verfahrens zu Herstellung von pulverförmigen wasserlöslichen Cellulosederivaten formulieren.
Im Beispiel 3 von D1 sei ein MHEC-Pulver erhalten worden, dessen Feinkornanteil höher als im Beispiel 5 des Streitpatents ist, welches Beispiel gemäß Absatz [0070] des Streitpatents zu sehr guten Ergebnissen bezüglich der Sieblinie führe. Daher könne keine Verbesserung gegenüber dem Beispiel 3 von D1 durch das beanspruchte Verfahren festgestellt werden.
Darüber hinaus sei im Streitpatent nicht angegeben, welche Art von Vorrichtung zur Bestimmung der Sieblinie benutzt wurde, obwohl der erhaltene Wert bei nicht kugelförmigen Partikeln wie Celluloseether-Partikeln von der verwendeten Messmethode abhinge.
Aus den Werten in der Tabelle auf Seite 12 des Streitpatents ließe sich entnehmen, dass die Viskosität einer wässrigen Lösung der MHEC gemäß dem Beispiel 15 unter der der Beispiele 16 und 17 läge. Dieser Rückgang der Viskosität wurde offenbar durch den Mahltrocknungsvorgang bewirkt.
In D3 (Seite 17, Zeilen 3-6) sei dagegen ausgeführt, dass die Viskosität der MHEC nicht durch das Verfahren beeinflusst wird.
In D1, Seite 14, werde die Mahltrocknung von MHEC mit 70 bis 80 Gew.-% Wasseranteil offenbart. Das Dokument führe daher den Fachmann, ausgehend von Beispiel 3, direkt zu dem streitpatentgemäßen Verfahren. Selbst wenn die Sieblinie des Produkts bei 75 oder 78 Gew.-% Wasseranteil im Ausgangsmaterial besser sein sollte als die eines Produkts aus einem Material mit 80 Gew.-% Ausgangsfeuchte, so wäre dies ein sich zwangsläufig einstellender "Bonus-Effekt", der eine erfinderische Tätigkeit nicht begründen könne. Eine solche Optimierung sei lediglich durch "Routine"-Arbeit zu erzielen. Dabei sei das Erhalten einer besseren Sieblinie durch den Zusatz von Wasser im Hinblick auf Seite 3, Zeilen 29-32 der D4 nahegelegt.
Es könne also gegenüber D1 keine erfinderische Tätigkeit anerkannt werden.
VI. Die Argumente der Beschwerdegegnerin, insofern sie für die vorliegende Entscheidung relevant sind, können wie folgt zusammengefasst werden:
Ausführbarkeit
Die Ausführbarkeit der vorliegenden Erfindung sei anhand des gesamten Offenbarungsgehalts des Streitpatents zu beurteilen. Ein Cellulosemolekül könne als solches nicht quellen. Gequollen oder gelöst im Sinne des Anspruchs 1 sei daher nur eine reine Zweckangabe, die den Stoff als solchen bezeichne. Die Bedeutung des Begriffes "hoch" für das Merkmal "Hochdrehzahl-Prallmühle" sei, wenn überhaupt, lediglich eine Frage der Klarheit. Des Weiteren gebe das Streitpatent in Paragraph [0060] ein eindeutiges Beispiel für eine solche Mühle. Somit werde der Fachmann durch den Begriff "Hochdrehzahl-Prallmühle" in keiner Weise daran gehindert, das anspruchsgemäße Verfahren durchzuführen. Der Wassergehalt sei im Anspruch 1 relativ eng definiert und die Beschreibung in Paragraph [0033] gebe darüber hinaus auch noch an, wie innerhalb des beanspruchten Bereichs der Wassergehalt in Abhängigkeit der Eigenschaften des Cellulosederivats zu variieren ist. Absatz [0033] des Streitpatents stelle keinen Beleg für mangelnde Ausführbarkeit dar, sondern im Gegenteil eine technische Lehre für den Fachmann, wie er den Wassergehalt innerhalb des beanspruchten Bereichs einstellen kann. Weiterhin hätten die Beschwerdeführerinnen keinen Versuch vorgelegt, aus dem ersichtlich ist, dass das beanspruchte Verfahren tatsächlich nicht ausgeführt werden kann. Daher gäbe es keinen Anhaltspunkt, dass das vorliegende Verfahren nicht ausführbar wäre.
Neuheit
Die einzige Offenbarung in D1 bezüglich des Wassergehalts eines Gels, das mit Hilfe einer sieblosen Hochdrehzahl-Prallmühle getrocknet wurde, sei im Beispiel 3 zu finden. Das Gel habe dort einen Wassergehalt von 80 Gew.-%, oberhalb des im vorliegenden Anspruch 1 definierten Bereichs. Dieses Beispiel stelle eine konkrete Ausführungsform der Lehre von D1 dar, die der Fachmann ohne Offenbarung diesbezüglich nicht modifizieren würde. Somit könne Beispiel 3 der D1 nicht neuheitsschädlich sein. Bezüglich der Frage, ob man bei der Prüfung der Neuheit verschiedene Passagen einer Entgegenhaltung kombinieren darf, sei die Rechtsprechung nicht widersprüchlich. Das Kriterium, das anzuwenden ist, sei, ob die Entgegenhaltung eine unmittelbare und eindeutige Offenbarung des beanspruchten Gegenstandes enthalte. Dies sei in D1 nicht der Fall.
D2 offenbare nicht, dass dem Filterkuchen Wasser zugesetzt wird. Des Weiteren sei der Wassergehalt des Cellulosederivats vor dem Gelieren weder im Ausführungsbeispiel, noch in der allgemeinen Offenbarung von D2 beschrieben. Somit sei die Neuheit gegenüber D2 gegeben.
Erfinderische Tätigkeit
Den nächstliegenden Stand der Technik bilde Beispiel 3 von D1, wobei sich der beanspruchte Gegenstand im Vergleich zu diesem Beispiel in dem Wassergehalt von 65 bis 78 Gew.-% für das Gel unterscheide.
Ausgehend vom nächstliegenden Stand der Technik läge dem Streitpatent die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren zur Herstellung pulverförmiger wasserlöslicher Cellulosederivate mit erhöhter Feinheit bereitzustellen, bei welchem der Durchsatz an Gel, das getrocknet wird, gleichzeitig erhöht wird. Dass diese Aufgabe erfolgreich gelöst wird, werde vom Vergleichsbeispiel 15 und den Beispielen 16 und 17 gezeigt. Diese unterschieden sich lediglich in dem Wassergehalt im Gel. Aus diesen Beispielen und im Hinblick auf die Paragraphen [0059] und [0072] der Patentschrift, ginge direkt und unmittelbar hervor, dass das Merkmal a) von Anspruch 1 des Streitpatents für alle drei Beispiele 15, 16 und 17 in identischer Weise verwirklicht wurde. Der Unterschied zwischen 80 Gew.-% Wasser im Beispiel 3 von D1 und 81 % für Beispiel 15 des Streitpatents sei marginal im Hinblick auf den deutlichen Unterschied zwischen den Ergebnissen in den Beispielen 15 und 16, der sowohl für die Sieblinie als für den Durchsatz am Gel zu beobachten sei. Es wurde auch noch darauf hingewiesen, dass die Veränderung der Sieblinie und des Durchsatzes am Gel zwischen den Beispielen 16 und 17 bei gleicher Zunahme des Wassergehalts geringer als zwischen den Beispielen 15 und 16 sei. Auch daraus sei ersichtlich, dass die beanspruchte Obergrenze von 78 % kritisch sei, um die erwünschten Effekte zu erzielen. Aus dem Vergleich der Beispiele 1 bis 8 sei ebenfalls ersichtlich, dass zumindest bei gleicher Rotordrehzahl die Sieblinie im anspruchsgemäßen Wassergehalt des Gels verbessert sei.
Weder Dokument D1 noch Dokument D2 gäbe dem Fachmann irgendeinen Hinweis, dass die Feinheit der Sieblinie vom Wassergehalt des Gels abhänge. In D2 werde der Zusatz von Wasser nicht mal gelehrt. Das beanspruchte Verfahren sei daher erfinderisch.
VII. Die Beschwerdeführerinnen (Einsprechenden 1 und 2) beantragten die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents. Außerdem beantragte die Beschwerdeführerin/Einsprechende 2 der Großen Beschwerdekammer gemäß Artikel 112(1) EPÜ die unter obigem Punkt V (Neuheit) genannten Fragen vorzulegen.
VIII. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte die Zurückweisung der Beschwerden, hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents in der Fassung gemäß dem ersten Hilfsantrag, eingereicht mit Schreiben vom 20. Januar 2014, oder, weiterhin hilfsweise, in der Fassung gemäß dem zweiten Hilfsantrag, eingereicht mit Schreiben vom 27. Januar 2014.
IX. Die Entscheidung der Kammer wurde am Ende der mündlichen Verhandlung verkündet.
1. Die Beschwerden sind zulässig.
2. Ausführbarkeit
2.1 Gemäß Artikel 83 EPÜ ist die Erfindung so deutlich und vollständig zu offenbaren, dass ein Fachmann sie ausführen kann. Nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist diese Vorschrift so zu verstehen, dass der im Anspruch definierte Gegenstand anhand der Lehre der Patentschrift und unter Mithilfe des allgemeinen Fachwissens ohne unzumutbaren Aufwand, wozu auch die Durchführung üblicher Versuche gehört, vollständig, d.h. innerhalb des gesamten beanspruchten Bereiches, ausführbar sein muss.
2.2 Im vorliegenden Fall wird das beanspruchte Verfahren zur Herstellung von pulverförmigen wasserlöslichen Cellulosederivaten lediglich durch Verfahrensschritten definiert, ohne das eine durch dieses Verfahren erzielte Wirkung bezüglich Durchsatz des Gels, Leistungsaufnahme der Mühle, Schüttgewicht oder Sieblinie, verlangt wird. Die Ausführungen der Beschwerdeführerinnen bezüglich dem Nicht-Erzielen dieser genannten Wirkung können nicht überzeugen, weil das Erzielen solcher Wirkungen kein Merkmal der beanspruchten Erfindung im Sinne der Regel 43(1) EPÜ bildet.
2.3 In Bezug auf die Ausführbarkeit rügte die Beschwerdeführerin 2, dass wegen angeblicher Unklarheiten des Begriffs "sieblose Hochdrehzahl-Prallmühle" und der zu verwendenden Menge an Wasser im Gel der Fachmann nicht wüsste, ob er im verbotenen Schutzbereich der Ansprüche arbeiten würde oder nicht. Das Wissen, ob man sich im "verbotenen" Schutzbereich befindet, hängt jedoch vielmehr mit der Frage der klaren Abgrenzung des Schutzbereichs zusammen, was in Artikel 84 EPÜ geregelt ist, dessen Anwendung im Hinblick auf die Ansprüche in der erteilten Fassung jedoch nicht zulässig ist. Für Artikel 83 EPÜ ist die Frage zu stellen, ob der Fachmann das beanspruchte Verfahren ausführen kann.
2.4 Selbst wenn der Begriff "hoch" in "Hochdrehzahl-Prallmühle" nicht deutlich definiert und abgegrenzt ist, würde dieses den Fachmann nicht davon abhalten, zu wissen, mit welcher Mühle er das beanspruchte Verfahren ausführen kann, da das Streitpatent in Paragraph [0060] ein eindeutiges Beispiel für eine solche Mühle gibt und die im Beispiel 3 der D1 verwendete Mühle von den Beschwerdeführerinnen selbst als eine "Hochdrehzahl-Prallmühle" bezeichnet wird. Darüber hinaus wird in den Paragraphen [0060] bis [0062] des Streitpatents detailliert beschrieben, wie die Mahltrocknung auszuführen ist. Die passende Drehzahl des Rotors, die über die Mühlensteuerung geregelt wird (Paragraph [0060]), kann an Hand der für die im Paragraph [0060] benannte Mühle möglichen Rotorzahlen ausprobiert werden.
2.5 Was die zu verwendende Menge an Wasser betrifft, kann der Fachmann bestimmen, wie viel Wasser in einem Cellulosederivat vorhanden ist. Dass dieses Derivat im Wasser, abhängig von seiner Beschaffenheit, entweder gelöst oder gequollen vorliegt, hindert den Fachmann nicht daran, die Wassermenge zu bestimmen. Selbst im hypothetischen Fall, dass ein Teil des Cellulosederivats gelöst und ein anderes Teil gequollen wäre, wie von der Beschwerdegegnerin 2 argumentiert wurde, könnte der Fachmann die gesamte Menge an Wasser trotzdem bestimmen. Das Argument, dass der Fachmann nicht wüsste, welcher Anteil des Cellulosederivats im gelösten, bzw. gequollenen Zustand vorliegt, ist irrelevant, da dieses im vorliegenden Anspruch 1 nicht verlangt wird.
2.6 Die Beschwerdeführerinnen haben weder experimentell gezeigt, noch substantiiert, weshalb der Fachmann auf ernsthafte Schwierigkeiten stoßen würde, wenn er versuchen würde, z.B. die Beispiele der Patentschrift nachzuarbeiten, um zum beanspruchten Gegenstand zu gelangen.
2.7 Aus diesen Gründen kann das Vorbringen der Beschwerdeführerinnen bezüglich der Ausführbarkeit des beanspruchten Gegenstands nicht überzeugen.
3. Neuheit
3.1 Die Beschwerdeführerinnen stützten ihren Einwand der mangelnden Neuheit des Gegenstandes von Anspruch 1 gegenüber D1 auf Beispiel 3 dieser Druckschrift, das ihrer Meinung nach, im Lichte der drei vor den Beispielen 1 bis 3 stehenden Absätze auf Seite 14 zu lesen sei. Beispiel 3 von D1 beschreibt ein Verfahren zu Herstellung einer pulverförmigen Methylhydroxyethylcellulose (MHEC) aus einer wässrigen Methylhydroxyethylcellulosepaste. Es offenbart die Behandlung einer Paste mit einem Feststoffgehalt von 20 Gew.-%, was einen Wassergehalt von 80 Gew.% bedeutet, was oberhalb der im vorliegenden Anspruch 1 festgelegte obere Grenze von 78 Gew.-% liegt. Andere Pasten werden im Beispiel 3 nicht erwähnt.
3.1.1 Die zwei ersten Absätze auf Seite 14 betreffen gemäß der bevorstehenden Überschrift Beispiele zur Quellung bzw. Lösung von von Methylhydroxyethylcellulose. Im ersten Absatz wird eine erste Variante beschrieben, bei der ein MHEC-Filterkuchen mit einem Feststoffanteil von 50 Gew.% bezogen auf das Gesamtgewicht, mit Wasser auf 20 bis 30 Gew.% Feststoffanteil eingestellt wird. Es wird weiter angegeben, dass "Die so erhaltene Suspension wurde auf 45°C abgekühlt. Hierdurch wurde ein wässriges Methylhydroxyethylcellulosegel (in folgendem gelförmig oder auch Paste genannt) erzeugt". Auf Grund sowohl der breiten Angabe für den Feststoffanteil von 20 bis 30 Gew.-% wie der Verwendung der Singularform bei der Beschreibung der erhaltenen Suspension und des erhaltenen Gels ist nicht eindeutig zu entnehmen, ob die erste Variante dieses Beispiels zur Quellung bzw. Lösung von MC die Herstellung von mehreren Methylhydroxyethylcellulosegelen mit variierten Feststoffanteilen von 20 bis 30 Gew.-% betrifft oder die eines einzigen Methylhydroxyethylcellulosegels, dessen Feststoffanteil zwischen 20 und 30 Gew.% liegen kann. Im zweiten Absatz wird eine Alternative beschrieben, bei der direkt Filterkuchen mit einem Feststoffanteil von 30 bis 50 Gew.-% erhalten werden.
3.1.2 Der dritte Absatz lautet "Die so hergestellten Methylhydroxyethylcellulosegele wurden in feinteilige Feststoffe überführt (Beispiele 1 bis 3)". Da aber der erste Absatz nicht eindeutig die Herstellung von mehreren Gelen nach der ersten Variante offenbart (siehe Punkt 3.1.1 oben), und der zweite Absatz ebenfalls die Herstellung von weiteren MHEC-Gelen beschreibt, kann sich die verwendete Pluralform in diesem dritten Absatz nicht unmittelbar und eindeutig auf MHEC-Gelen beziehen, die gemäß der ersten Variante mit variierten Feststoffanteil von 20 bis 30 Gew.-% hergestellt wurden.
3.1.3 Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Beispiele 1 und 2 so wie das Beispiel 3 jeweils die Behandlung einer einzigen spezifischen MHEC-Paste bzw. MHEC-Lösung beschreiben. Es wird in diesen Beispielen nicht beschrieben, dass das Verfahren gemäß einem der Beispiele 1 bis 3 mit verschiedenen Pasten, bzw. Lösungen, ausgeführt wird. Der dritte Absatz auf Seite 14 von D1 kann daher im Lichte dieser Beispiele nur dahin verstanden werden, dass jeweils nur eine einzelne Paste oder Lösung, die nach einer der auf Seite 14 erwähnten Methoden zur Quellung bzw. Lösung von MHEC hergestellt wurde, in Pulverform überführt wurden.
3.1.4 Es gibt somit keinen Anlass, anstatt den aktuell genannten Wert von 80 Gew.-% in Beispiel 3 einen Bereich von von 70 bis 80 Gew.-% für den Wassergehalt hineinzulesen.
3.1.5 Die Kammer kommt daher zur Schlussfolgerung, dass Beispiel 3 von D1, auch im Lichte der oben angedeuteten Passagen auf Seite 14, keine neuheitsschädliche Offenbarung darstellt.
3.2 D2 betrifft ein Verfahren zum Mahlen von Celluloseverbindungen, bei dem die Celluloseverbindung mit einem Wassergehalt von 30 bis 80 Gew.-% basiert auf der nassen Verbindung, bei einer Temperatur von 40 bis 120°C vergelt und zu einer Temperatur von -10 bis 100°C abgekühlt wird, und danach getrocknet und zermahlt wird (Anspruch 1). Die Celluloseverbindungen, z.B. Celluloseether, haben vor der Gelbildung einen Wassergehalt von 30 bis 80 Gew.-%, bezogen auf die nasse Verbindung, vorzugsweise von 30 bis 70 Gew.-%, insbesondere von 40 bis 60 Gew.-% (Seite 8, Zeilen 9-12).
3.2.1 D2 enthält keinen Hinweis, den Wassergehalt vor oder während der Gelierung (Quellung) zu erhöhen, was von den Beschwerdeführerinnen auch selbst angegeben wurde. Das Argument, dass bei praktisch allen kommerziellen Verfahren zur Herstellung von Celluloseethern ein Wassergehalt des Filterkuchens von 40 bis 70 Gew.-% Standard sei, kann nicht überzeugen. D6, Spalte 1, Zeile 35ff. beschreibt das Trocknen des gewaschenen Rohprodukts bis auf einen Wassergehalt von 50 Gew.-% und das Kneten mit Wasser bis es anfängt zu gelieren. Dort ist keineswegs die Rede von einer allgemeinen Angabe des Wassergehalts kommerzieller Produkte. Außerdem wird dem Argument durch D2 widersprochen, da in D2 auf Seite 8, Zeilen 3 bis 8 angegeben wird, dass der Wassergehalt des Filterkuchens 30 bis 80 Gew.-% beträgt. Es wird sogar angegeben, dass Ausgangsprodukte mit höheren Wassermengen zu trocknen sind, was unmissverständlich verdeutlicht, dass der Zusatz von Wasser nicht zwingend ist, um Ausgangscelluloseverbindungen mit einem Mindestgehalt an Wasser von 70 Gew.-% zu erhalten. Daher ist aus D2 auch nicht die Lehre abzuleiten, dass Wasser zugesetzt werden soll.
Da sich in D2 keinen Hinweis, weder explizit noch implizit, befindet, Wasser zu dem Cellulosederivat zuzusetzen, ist die Neuheit des beanspruchten Verfahrens gegenüber D2 anzuerkennen.
3.3 Die Kammer kommt folglich zum Schluss, dass das Vorbringen der Beschwerdeführerinnen gegen die Neuheit des beanspruchten Gegenstandes nicht überzeugt. Die Neuheit ist somit gegeben .
4. Vorlage an die Große Beschwerdekammer
4.1 Nach Artikel 112(1) a) EPÜ kann die Beschwerdekammer, bei der ein Verfahren anhängig ist, auf Antrag eines Beteiligten die Große Beschwerdekammer befassen, wenn sie, zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt, hierzu eine Entscheidung für erforderlich hält. Bei der von der Beschwerdeführerin (Einsprechende 2) gestellten Frage handelt es sich offensichtlich um eine Frage der einheitlichen Rechtsprechung, da ihrer Meinung nach die Beurteilung der Neuheit im Hinblick auf D1 im Widerspruch mit den Entscheidungen T 666/89, T 305/87 und T 332/87 stehe. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende 2) meinte, dass die Beurteilung der Neuheit nicht nur auf den konkreten Wortlaut von Beispiel 3 der D1 zu beschränken sei, sondern dass die Gesamtinformation der D1, insbesondere die Information auf Seite 14, Zeilen 4-20, zur Quellung bzw. Lösung von MC, in Betracht genommen werden sollte.
4.2 Mit Bezugnahme auf G 1/03 wurde in G 2/10 (siehe Nr. 4.6 der Entscheidungsgründe) betont, dass dasselbe Offenbarungskonzept für die Zwecke der Artikel 54 und 123 EPÜ zugrundezulegen ist, wobei der in G 3/89 und G 11/91 festgelegte Maßstab für die Beurteilung unter Artikel 123(2) EPÜ von der Großen Beschwerdekammer in G 2/10 bestätigt wurde (siehe Nr. 4.3 der Entscheidungsgründe). Bei der Prüfung der Neuheit gegenüber einer Entgegenhaltung ist daher die Frage zu beantworten, ob der Fachmann unter Heranziehung seines allgemeinen Fachwissens den beanspruchten Gegenstand explizit oder implizit, aber unmittelbar und eindeutig aus dem gesamten Offenbarungsgehalt dieser Entgegenhaltung als offenbart ansieht.
4.3 In der von der Kammer getroffenen Entscheidung über die Neuheit von Anspruch 1 gegenüber D1 - wobei festgestellt wurde, dass es aufgrund der offenbarten Informationen keinen Anlass gibt, unterschiedliche Passagen miteinander zu kombinieren -, wird das in G 2/10 bestätigte Offenbarungskonzept angewandt, so dass die vorliegende Entscheidung nicht im Widerspruch zur gängigen Rechtsprechung steht. Die Frage, ob der Befund, dass D1 keinen Anlass gibt, die verschiedenen Teile mit einander zu kombinieren, korrekt ist, betrifft keine Rechtsfrage, geschweige denn eine von grundsätzlicher Bedeutung, sondern lediglich eine Tatsachenfrage, mit der die Große Beschwerdekammer gemäß Artikel 112 (1) EPÜ nicht befasst werden kann (siehe auch T 845/90 vom 13. Dezember 1991, Nr. 2.3 der Entscheidungsgründe).
4.4 Dem Antrag der Beschwerdeführerin/Einsprechenden 2 zur Vorlage einer Rechtsfrage an die Große Beschwerdekammer wird daher nicht stattgegeben.
5. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 100 a) EPÜ)
5.1 Nächstliegender Stand der Technik
5.1.1 Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zur Herstellung von pulverförmigen wasserlöslichen Cellulosederivaten wie MHEC und Methylhydroxypropylhydroxyethylcellulose. Ein solches Verfahren ist aus D1, insbesondere aus Beispiel 3, bekannt, das alle Verfahrensbeteiligten sowie die Erstinstanz als nächstliegenden Stand der Technik betrachteten. Die Kammer sieht keinen Grund, hiervon abzuweichen.
5.1.2 Wie in Punkt 3.1 oben angegeben, offenbart Beispiel 3 der D1 die Herstellung von pulverförmiger MHEC aus einer wässrigen MHEC-Paste mit einem Feststoffgehalt von 20 Gew.-%. Aufgrund dieses Feststoffgehalts ist, im Hinblick auf den ersten Absatz von D1, Seite 14, implizit, dass in Beispiel 3 von D1 ein Filterkuchen mit einem Feststoffanteil von 50 Gew.-% als Ausgangsprodukt für die Herstellung der MHEC-Paste verwendet wird. Es ist nicht strittig, dass diese Paste den im Anspruch 1 des vorliegenden Hauptantrags definierten Verfahrensschritten b) und c) unterzogen wird. Somit unterscheidet sich das beanspruchte Verfahren nach Beispiel 3 von D1 lediglich dadurch, dass der Wassergehalt der MHEC-Paste nach Schritt a) und vor Schritt b) bei einem niedrigeren Wert zwischen 65 und 78 Gew.-% liegt.
5.2 Aufgabe und Lösung
5.2.1 Ausgehend von D1 als nächstliegendem Stand der Technik hat die Beschwerdegegnerin in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer die Aufgabe formuliert als das Bereitstellen eines Verfahrens zur Herstellung pulverförmiger wasserlöslicher Cellulosederivate mit erhöhter Feinheit, bei dem der Durchsatz an Gel, das getrocknet wird, gleichzeitig erhöht wird.
5.2.2 Zur Lösung dieser Aufgabe ist das Verfahren gemäß dem vorliegenden Anspruch 1 vorgeschlagen, das sich im Wesentlichen kennzeichnet durch das Quellen oder Lösen eines Cellulosederivat-Filterkuchens mit einem Wassergehalt von 40 bis 60 Gew.% in insgesamt 65 bis 78 Gew.-% Wasser, und das Trocknen und Zerkleinern des gequollenen/gelösten Cellulosederivats in einer sieblosen Hochdrehzahl-Prahlmühle.
5.2.3 Es bleibt zu untersuchen, ob die im obigen Punkt 5.2.2 erwähnte Aufgabe vom im Streitpatent beanspruchten Gegenstand tatsächlich gelöst wird.
5.2.4 Als Beleg für eine erfolgreiche Lösung dieser Aufgabe hat die Beschwerdeführerin auf die Experimente des Beispiels 15 (nun Vergleichsbeispiel) und der Beispiele 16 und 17 der Streitpatentschrift verwiesen. Diese Beispiele zeigen, dass, wenn der Wassergehalt des zu mahltrocknenden Gels von 81 Gew. % auf 78 reduziert wird, die Sieblinie feiner wird (der kumulierte Durchgang durch ein 0,063 mm Sieb nimmt von 40,4% auf 65,5% zu) und der Durchsatz des Gels höher (der Durchsatz in kg/h nimmt von 61 auf 140 zu). Bei einer weiteren Reduzierung des Wassergehaltes von 78 auf 75 (kumulierter Durchgang durch ein 0,063 mm Sieb von 69,2% und Durchsatz des Gels von 183) wird eine weitere Verbesserung dieser Eigenschaften erhalten. Eine solche Verbesserung der Sieblinie ist, in Hinsicht auf die im Absatz [0056] des Streitpatents genannte Messgenauigkeit von ± 5 Gew.%, aussagekräftig.
5.2.5 In den Beispielen 15, 16 und 17 wurden die gleiche MHEC (DS (Methyl) = 1,57 und MS (Hydroxyethyl) = 0,40) unter den gleichen Bedingungen (Drehzahl des Rotors der Mühle und Temperatur der Mühle) in einer sieblosen Hochdrehzahl-Mühle mahlgetrocknet. Der einzige Unterschied zwischen diesen Beispielen ist der Feststoffgehalt des Filterkuchens von jeweils 19% (Vergleichsbeispiel 15), 22% (Beispiel 16) und 25% (Beispiel 17), was einem Wassergehalt von jeweils 81, 78 und 75 Gew.-% entspricht, den es zu vergleichen galt. Daher sind diese Beispiele geeignet, den Effekt des Wassergehalts im Gel zu belegen.
5.2.6 Da die Beispiele 16 und 17 (Wassergehalt jeweils von 78 und 75 Gew.-%) eine kontinuierliche Verbesserung für die Sieblinie und den Durchsatz in Vergleich mit Vergleichbeispiel 15 (Wassergehalt von 81 Gew.-%) belegen, hat die Kammer keinen Anlass, zu bezweifeln, dass eine entsprechende Verbesserung im Vergleich mit einem Wassergehalt von 80 Gew.-% (Beispiel 3 von D1) ebenso erhalten wird.
5.2.7 Ein Effekt der Viskosität kann dabei außer Betracht bleiben. Die Beispiele im Streitpatent lassen sich in drei Gruppen unterteilen, die jeweils die Mahltrocknung einer MHEC unter gleichen Bedingungen betreffen. In den Beispielen 16 und 17, den Beispielen 9, 11 und 13 und den Beispielen 10, 12 und 14 ändert sich die Viskosität der getesteten MHEC im Bereich des im Anspruch 1 definierten Wassergehalts im Gel prozentual nur leicht. Somit ist die Viskosität als durch den Wassergehalt im Gel als unbeeinflusst zu bewerten.
5.2.8 Somit kommt die Kammer zur Schlussfolgerung, dass die Sieblinie des gemahlenen Gels und der Durchsatz an getrocknetem Gel, ausgehend vom Verfahren nach D1, Beispiel 3, durch die Auswahl des Wassergehalts im Gel von 65 bis 78 Gew.-%, positiv beeinflusst werden.
5.2.9 Des Weiteren sieht die Kammer keinen Hinweis darauf, dass weiter abnehmende Wassermengen im Gel innerhalb des im Anspruch 1 definierten Bereichs zu einer gröberen Sieblinie oder einem niedrigeren Durchsatz des Gels und somit zu einer Umkehr des Verbesserungstrends führen würden. Obwohl diese Frage im Bescheid der Kammer, der zur Vorbereitung der Ladung zur mündlichen Verhandlung erging, aufgeworfen wurde, wurde die Tendenz, die mit dem Vergleichsbeispiel 15 und den Beispielen 16 und 17 im Rahmen der dort verwendeten Bedingungen festgestellt wurde, von den Beschwerdeführerinnen nicht in Frage gestellt. Infolgedessen betrachtet die Kammer es als erwiesen, dass ein Wassergehalt im Gel von 65 bis 78 Gew.-% im Rahmen der Bedingungen, die in den Beispielen des Streitpatents verwendet werden, im Vergleich zu einem Gel mit einem Wassergehalt von 80 Gew.-% zu einem erhöhten Durchsatz des Gels und einer feineren Sieblinie führt.
5.2.10 Ein Vergleich zwischen Beispiel 5 des Streitpatents und Beispiel 3 der D1 vermag keinen Mangel an Wirkung des Unterscheidungsmerkmals des beanspruchten Gegenstand gegenüber D1 zu belegen. Diese beiden Verfahren unterscheiden sich nicht nur durch einen unterschiedlichen Wassergehalt im Gel, sondern ebenfalls durch weitere Merkmale, unter anderem durch die Verwendung einer unterschiedlichen Cellulose mit einem achtfachen Viskositätswert, und die Mahlbedingungen. Daher kann aufgrund dieses Vergleichs nicht gefolgert werden, dass die Reduktion des Wassergehalts des Gels keinen Effekt erziele.
5.2.11 Somit hat die Kammer keinen Anlass, am Erfolg der Lösung der Aufgabe durch das beanspruchte Verfahren zu zweifeln. Damit ist die durch den beanspruchten Gegenstand gelöste Aufgabe als das Bereitstellen eines Verfahrens zur Herstellung pulverförmiger wasserlöslicher Cellulosederivate mit erhöhter Feinheit, bei dem der Durchsatz an Gel, das getrocknet wird, gleichzeitig erhöht wird, zu sehen.
5.3 Naheliegend
5.3.1 Es bleibt zu untersuchen, ob der Stand der Technik dem Fachmann Anregungen bot, die genannte Aufgabe durch das anspruchsgemäße Verfahren zu lösen, nach dem der Wassergehalts des Gels in einem Bereich von 65 bis 78 Gew.-% einzustellen ist.
5.3.2 Dabei stellte sich die Frage, ob der Fachmann, ausgehend vom Beispiel 3 der D1, nicht lediglich durch Routinearbeit die Bedingungen dieses Verfahrens optimiert hätte, welche Optimierung ebenfalls die Menge an Wasser in Gel beinhaltet hätte. Die Optimierung des Bereichs für den Wassergehalt im Gel setzt im jetzigen Fall aber voraus, dass es im Stand der Technik Hinweise dafür gibt, dass die Feinheit des gemahlenen Pulvers, bei gleichzeitiger Erhöhung des Durchsatzes an getrocknetem Gel, durch die Reduktion des Wassergehalts des Gels bis in den beanspruchten Bereich, erhöht werden kann. Solche Hinweise gibt es jedoch im zitierten Stand der Technik nicht.
5.3.3 D1 enthält keine Angabe eines Effekts des niedrigeren Wassergehalts des zu trocknenden Gels, insbesondere nicht auf Seite 14.
5.3.4 D2, Seite 11 ab Zeile 9, sagt lediglich aus, dass die Schüttdichte der gemahlenen Celluloseverbindung durch den Gelierungsschritt erhöht wird, wobei der besonders bevorzugte Wassergehalt im Gel im Bereich von 40 von 60 Gew.-% (Seite 8, Zeilen 9-12 und Seite 9, Zeilen 9-14) also außerhalb des beanspruchten Bereichs liegt. Darüber hinaus findet der Fachmann keinen Hinweis in D2, dass der Durchsatz an getrocknetem Gel gleichzeitig erhöht werden könnte.
5.3.5 Dass es aus D4 (Seite 3, Zeilen 29-32) bekannt sei, dass die Zugabe von Wasser zu einer verbesserten Sieblinie führt, kann nicht überzeugen. D4 beschreibt ein Verfahren zur Herstellung von MHEC-Pulvern mit spezieller Sieblinie, wobei der Gehalt an Teilchen <0,063 mm 15-30 Gew.-% ist (Anspruch 1). Auf Seite 3, Zeilen 8-27 wird die zu zerkleinernde Celluloseether beschrieben mit einem Feuchtegehalt von 5 bis 15 Gew.-% und mit 1-10% Teilchen <0,063 mm. Die nachfolgenden Zeilen 29-32 sagen aus, dass das Ausgangsprodukt durch Zugabe von kaltem Wasser und anschließender Prallzerkleinerung durch das in D4 beschriebene Verfahren direkt zum gewünschten Endprodukt mit der geforderten Sieblinie führt. In den Zeilen 38-40 wird angegeben, dass auf 600 kg Ausgangprodukt 300 bis 400 l Wasser hinzugefügt wird. Diese Passagen in D4 und die dort festgestellte Verbesserung beziehen sich somit nicht auf ein gequollenes/gelöstes Produkt mit einem Wassergehalt von 80 Gew.-% wie in Beispiel 3 von D1, sondern auf das Ausgangsprodukt mit einem Feuchtegehalt von 5 bis 15 Gew.-% (Seite 3, Zeilen 15-16). Darüber hinaus bezieht sich die Lehre von D4 auf die Herstellung eines Produkt dessen Teilchen nur zu 15-30 % < 0,063 mm sind und nicht, wie im Streitpatent, zu über 65%.
Daher kann in den obengenannten Passagen der D4 kein Hinweis gesehen werden, ausgehend von Beispiel 3 von D1, den Wassergehalt auf den jetzt beanspruchten Bereich zu reduzieren um die oben gestellte Aufgabe zu lösen.
5.3.6 Die Kammer kommt in Anbetracht der obigen Feststellungen zum Ergebnis, dass der zitierte Stand der Technik dem Fachmann keine Anregung bietet, die unter Punkt 5.2.11 angegebene Aufgabe durch einen Wassergehalt des Cellulosederivats im Bereich von 65 bis 78 Gew.-% zu lösen.
5.4 Der Gegenstand des Anspruchs 1 und der der abhängigen Ansprüche 2 bis 7 beruht somit auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 52 (1) und 56 EPÜ.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die Beschwerden werden zurückgewiesen
2. Der Antrag der Beschwerdeführerin/Einsprechenden 2 auf Vorlage der in der mündlichen Verhandlung eingereichten Rechtsfragen an die Grosse Beschwerdekammer wird zurückgewiesen.