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T 0379/10 (Tiotropiumbromidmikronisat/BOEHRINGER) 05-03-2013
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Kristallines Mikronisat des Tiotropiumbromids
Verspätete Beweismittel - Zulässigkeit (teilweise verneint)
Hilfsanträge 1 und 2 - Zulässigkeit (ja)
Hauptantrag, Hilfsantrag 1 - Erfinderische Tätigkeit (nein): behauptete Verbesserung nicht belegt - naheliegende Alternative
Hilfsantrag 2 - Erfinderische Tätigkeit (ja): Verbesserung nachgewiesen, Lösung nicht nahegelegt
I. Die Patentinhaberin hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent Nr. 1 487 832 widerrufen wurde, Beschwerde eingelegt.
II. In der vorliegenden Entscheidung wird auf die folgenden Druckschriften Bezug genommen:
(1) WO 00/69468
(2) CA-A-2 368 583
(4) X.-M. Zeng et al., "Particle interactions in dry powder formulations for inhalation", Taylor & Francis, London and New York, 2001, 133-138
(7) WO 95/05805
(9) X.-M. Zeng et al., "Particle interactions in dry powder formulations for inhalation", Taylor & Francis, London and New York, 2001, 86-95
(11A) Erwiderung und Versuchsbericht vom 14. Oktober 2003, aus dem Prüfungsverfahren
(12) Versuchsbericht vom 30. Oktober 2009, eingereicht mit Brief vom 30. Oktober 2009
(14) S. Byrn et al., Pharm. Res., 1995, 12(7), 945-954
(21) Versuchsbericht vom 21. Juni 2012, eingereicht mit Brief vom 22. Juni 2012
(22) Eintrag für Tiotropiumbromid aus der 12. Ausgabe (1996) von "The Merck Index"
(23) WHO Drug Information, 1993, 7(3), 135-144
(24) EP-A-0 418 716
(25) WO 00/47200
(26) Versuchsbericht vom 29. November 2012, eingereicht mit Brief vom 4. Dezember 2012
(27) "Expert Report of Professor Graham Buckton", eingereicht mit Brief vom 21. Januar 2013
III. Der Einspruch stützte sich auf den Grund der mangelnden erfinderischen Tätigkeit (Artikel 100 (a) EPÜ).
IV. Die unabhängigen Ansprüche 1, 6 und 12 des Streitpatents in der erteilten Fassung lauten wie folgt:
"1. Kristallines Mikronisat von Tiotropiumbromid der Formel (I)
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
gekennzeichnet durch eine Partikelgröße X50 von zwischen 1,0 mym und 3,5 mym bei einem Wert Q(5,8) von größer 60%, durch einen spezifischen Oberflächenwert im Bereich zwischen 2 m**(2)/g und 5 m**(2)/g, durch eine spezifische Lösungswärme von größer 65 Ws/g sowie durch einen Wassergehalt von 1% bis 4,5%.
6. Verfahren zur Herstellung des kristallinen Tiotropiumbromid-Mikronisats nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, daß
a) kristallines Tiotropiumbromid-Monohydrat, welches bei der thermischen Analyse mittels DSC ein endothermes Maximum bei 230 ± 5ºC bei einer Heizrate von 10 K/min aufweist, welches durch ein IR-Spektrum gekennzeichnet ist, das unter anderen bei den Wellenzahlen 3570, 3410, 3105, 1730, 1260, 1035 und 720 cm**(-1)Banden aufweist und welches durch eine einfache monoklinische Zelle mit folgenden Dimensionen: a = 18.0774 Å, b = 11.9711 Å, c = 9.9321 Å, beta = 102.691º, V = 2096.96 Å**(3) gekennzeichnet ist, mikronisiert und
b) anschließend bei einer Temperatur von 15 - 40ºC Wasserdampf einer relativen Feuchte von wenigstens 40% für einen Zeitraum von wenigstens 6 Stunden ausgesetzt wird.
12. Kristallines Tiotropiumbromid-Mikronisat erhältlich nach einem Verfahren gemäß einem der Ansprüche 6 bis 11."
V. Die Grundlage der angefochtenen Entscheidung bildeten die erteilte Fassung als Hauptantrag und ein während der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereichter Hilfsantrag. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass der Gegenstand der Ansprüche 1 gemäß Haupt- und Hilfsantrag ausgehend von dem Dokument (2) als nächstliegendem Stand der Technik, in Kombination mit der Lehre der Dokumente (4) oder (7) nicht erfinderisch sei. Das Dokument (12) wurde von der Einspruchsabteilung als verspätet nicht zugelassen.
VI. Die Beschwerdeführerin reichte mit der Beschwerde begründung einen Hilfsantrag ein, der dem der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Hilfsantrag entsprach.
VII. Mit Schreiben vom 15. November 2010 brachte die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) Gegenargumente vor.
VIII. Mit Schreiben vom 22. Juni 2012 reichte die Beschwerdeführerin zwei weitere Hilfsanträge und einen Versuchsbericht (Dokument (21)) ein.
IX. Mit dem Bescheid vom 11. September 2012, der der Ladung für die mündliche Verhandlung vor der Kammer beigefügt war, wurden die Dokumente (22) bis (25) in das Verfahren eingeführt.
X. Mit Schreiben vom 4. Dezember 2012 reichte die Beschwerdeführerin zwei weitere Hilfsanträge und einen Versuchsbericht (Dokument (26)) ein.
XI. Mit ihrer Antwort vom 21. Januar 2013 legte die Beschwerdegegnerin ein Gutachten (Dokument (27)) vor. Des Weiteren beantragte sie die Dokumente (21) und (26) nicht in das Verfahren zuzulassen.
XII. Am 5. März 2013 fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.
Im Laufe der mündlichen Verhandlung legte die Beschwerdeführerin die neuen Hilfsanträge 1 und 2 vor und zog ihren bisherigen Hilfsantrag 1 zurück (siehe obigen Punkt VI).
Im Anspruch 1 gemäß dem neuen Hilfsantrag 1 wurde gegenüber dem Anspruch 1 gemäß Hauptantrag (vgl. obigen Punkt IV) der Wassergehalt auf "von 2.4% bis 4,1%" eingeschränkt.
Der neue Hilfsantrag 2 enthält nur Verfahrensansprüche, wobei der einzige unabhängige Anspruch 1 sich von dem erteilten Anspruch 6 dadurch unterscheidet, dass die Merkmale des erteilten Anspruchs 1 aufgenommen wurden (vgl. obigen Punkt IV).
XIII. Die Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich, soweit sie für die vorliegende Entscheidung relevant sind, wie folgt zusammenfassen:
Die Versuchsberichte (21) und (26) sollten in das Verfahren zugelassen werden. Der Versuchsbericht (21) sei als Entgegnung auf die von der Beschwerdegegnerin im Schreiben vom 15. November 2010 vorgebrachte Behauptung eingereicht worden, wonach sich bei der Mikronisierung des erfindungsgemäßen Tiotropium bromid monohydrats amorphe Bereiche bildeten. Auch sei der Versuchsbericht (26) als Reaktion auf den Bescheid der Kammer und das Einführen der Dokumente (24) und (25) anzusehen. Das Gutachten (27) zeige, dass die Beschwerdegegnerin ausreichend Zeit gehabt hatte, auf die Dokumente (21) und (26) zu reagieren.
Die Hilfsanträge 1 und 2 seien auch zuzulassen. Erst in der mündlichen Verhandlung sei erkennbar geworden, dass nach Meinung der Kammer das Dokument (25) als nächstliegender Stand der Technik zu betrachten sei. Vor diesem Hintergrund sei die Einschränkung des Wassergehalts im Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 erfolgt. Bezüglich des Hilfsantrags 2 machte die Beschwerdeführerin geltend, dass dieser in der Sache kein neuer Antrag sei, da gegenüber dem mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsantrag lediglich die Produkt- und Verwendungs ansprüche gestrichen wurden.
Bei ihrer Analyse der erfinderischen Tätigkeit des Gegenstands des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag bevorzugte die Beschwerdeführerin das Dokument (24) als nächstliegender Stand der Technik, da dieses als einzige der Entgegenhaltungen eine kristalline Form von Tiotropiumbromid einschließlich ihrer Herstellung offenbare. Das Dokument (25) unterstreiche die Einsetzbarkeit der aus dem Dokument (24) bekannten Form in Trockenpulvern zur Inhalation, und könne auch als geeigneter Ausgangspunkt angesehen werden. Das Dokument (2) komme dagegen nicht als nächstliegender Stand der Technik in Betracht, da dieses auf die Bereitstellung eines Kombinationspräparats gerichtet sei und nicht dem erfindungsgemäßen Zweck diene. Zudem offenbare das Dokument (2) nicht, wie von der Beschwerdegegnerin behauptet, kristallines Tiotropiumbromidmonohydrat. Der Fachmann hätte auch keinen Anlass gehabt, die nicht näher definierte Hydratform aus Dokument (2) als Ausgangspunkt in Erwägung zu ziehen.
Die zu lösende Aufgabe sei darin zu sehen, eine für die Inhalation geeignete, mikronisierte Form von Tiotropiumbromid mit einer verbesserten Lagerstabilität bereitzustellen. Diese Aufgabe werde durch das im Anspruch 1 definierte Mikronisat gelöst.
Ausgehend vom Dokument (24) wäre der Fachmann unter Berücksichtigung des allgemeinen Fachwissens im Bereich der Mikronisierung von Arzneistoffen, wie sie zum Beispiel auch im Dokument (25) für Tiotropiumbromid beschrieben werde, möglicherweise zu einem Mikronisat von Tiotropiumbromid mit einer für die Inhalation geeigneten Partikelgrößenverteilung gelangt. Wie die Vergleichs versuche gemäß Dokument (11A) allerdings zeigten, zeichne sich ein solches Mikronisat durch eine geringe Lagerstabilität aus. Dagegen werde durch die erfindungsgemäße Mikronisierung und nachfolgende Konditionierung von Tiotropiumbromidmonohydrat ein besonders vorteilhaftes, lagerstabiles Produkt erhalten.
Des Weiteren zeige der Versuchsbericht (21), dass die Stabilität des erfindungsgemäßen Mikronisats erst durch das optimale Verhältnis von Partikelgröße zu spezifischer Oberfläche gemäß Anspruch 1 des Streitpatents erreicht werde, und dass dieses nur durch die Mikronisierung und die nachfolgende Konditionierung von Tiotropiumbromidmonohydrat entsprechend dem erfindungsgemäßen Verfahren erreichbar sei. Zudem sei aus dem Dokument (21) zu entnehmen, dass es bei dem erfindungsgemäßen Konditionierungsschritt um die Glättung von Rissen, Kantenabbrüchen und Oberflächen rauhigkeiten, und nicht um die Kristallisation von amorphen Bereichen gehe.
Im Stand der Technik finde sich keinerlei Hinweis darauf, dass eine verbesserte Lagerstabilität durch die im Anspruch 1 aufgeführten Merkmalen erzielt werden könnte. Die Kombination dieser Merkmale sei aus dem Stand der Technik nicht zu entnehmen. Es treffe auch nicht zu, dass diese sich von selber bei der Herstellung von einem inhalierbaren Mikronisat zwingend einstellen würden. So werde zum Beispiel in dem Dokument (25) lediglich ein mittlerer Partikel durchmesser von 1 bis 5 mym und keine Partikelgrößen verteilung angegeben, und in den Dokumenten (4) und (9) gehe es ausschließlich um den aerodynamischen Durchmesser. Die spezifische Oberfläche sei auch keine bloße Folge der Partikelgröße. So könne die Oberfläche bei unregelmäßigen Partikeln sehr viel größer sein als bei Partikeln gleicher Größe mit perfekter Oberfläche. Entsprechendes gelte auch für den Wassergehalt. Auch die Lösungswärme hänge nicht allein davon ab, ob ein Material kristallin sei, sondern auch von der Anzahl an Fehlstellen und kristallinen Verzerrungen.
Mit der Einschränkung des Wassergehalts in Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 auf "von 2.4% bis 4,1%" sei der beanspruchte Gegenstand weiter gegenüber dem nächsten Stand der Technik abgegrenzt worden. Aus keiner der zitierten Entgegenhaltungen lasse sich ein Hinweis darauf entnehmen, dass für die Stabilisierung des Mikronisats eine Erhöhung des Wassergehalts wichtig sei.
Bezüglich des Hilfsantrags 2 brachte die Beschwerdeführerin vor, dass das Dokument (24) weiterhin als nächster Stand der Technik anzusehen sei. Die zu lösende Aufgabe liege darin, ein Mikronisierungs verfahren bereitzustellen, das ein lagerstabileres Tiotropiumbromidmikronisat liefere. Diese Aufgabe werde durch die beanspruchte Mikronisierung eines Tiotropium bromid monohydrats und nachfolgende Konditionierung gelöst, wie die in den Dokumenten (11A) und (21) beschriebenen Vergleichsversuche belegten. Im zitierten Stand der Technik seien die genannten Maßnahmen nicht offenbart und es finde sich auch sonst kein Hinweis auf diese Lösung der gestellten Aufgabe. Der Fachmann hätte gar keine Veranlassung gehabt, die Lehre der Dokumente (4) und (7) zu berücksichtigen, da diese lediglich die Entfernung von amorphen Bereichen mittels eines Konditionierungs schritts offenbarten. Dagegen werden bei der vorliegenden Konditionierung ausschließlich Risse, Kantenabbrüche und Oberflächenrauhigkeiten abgebaut.
XIV. Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin lässt sich, soweit es für diese Entscheidung relevant ist, wie folgt zusammenfassen:
Die Einspruchsabteilung habe zu Unrecht das Dokument (12) als verspätet nicht zugelassen, da dieses relevant sei und keinen neuen Sachverhalt in das Verfahren eingeführt habe. Dieses Dokument sollte wegen seiner Relevanz zugelassen werden.
Dagegen sollten die Versuchsberichte (21) und (26) nicht in das Verfahren zugelassen werden. Diese seien ohne überzeugende Begründung zu einem sehr späten Zeitpunkt im Beschwerdeverfahren eingereicht worden. Daher habe die Beschwerdegegnerin keine Zeit gehabt, angemessen auf diese Versuche zu reagieren. Außerdem seien die Angaben zu den Mikronisierungsbedingungen unvollständig und die Ergebnisse nicht als prima facie relevant anzusehen.
Die in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsanträge sollten als verspätet nicht zugelassen werden. Die Beschwerdeführerin habe zur Einreichung neuer Anträge schon reichlich Gelegenheit gehabt. Durch die Aufnahme von Merkmalen aus der Beschreibung in den Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 werde eine überraschende Situation für die Beschwerdegegnerin geschaffen. Dieser Hilfsantrag hätte auch früher eingereicht werden können, da bereits im Bescheid der Kammer auf das Dokument (25) aufmerksam gemacht wurde. Auch kamen die Streichungen im Hilfsantrag 2 unerwartet und warfen völlig neue Fragen auf. Da während des ganzen Einspruchs- und Beschwerdeverfahrens die erfinderische Tätigkeit der Stoffansprüche in Frage gestellt worden sei, hätte die Beschwerdeführerin diesen neuen Anspruchssatz bereits früher vorlegen müssen.
Zur erfinderischen Tätigkeit des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag trug die Beschwerdegegnerin vor, dass die Dokumente (2), (24) und (25) alle auf den gleichen Zweck wie das Streitpatent gerichtet seien, nämlich, die Bereitstellung einer geeigneten Form von Tiotropium bromid für die Inhalation. Allerdings offenbare das Dokument (2) als einziges das Tiotropium bromid monohydrat. Für den Fachmann sei klar zu erkennen, dass in der entsprechenden Offenbarung auf Seite 7, Zeilen 23 bis 26, ein offensichtlicher Schreibfehler in der Nomenklatur vorliege, der durch das Einfügen von "di" vor "2-thienyl" richtigzustellen sei. Die Beschwerdegegnerin argumentierte weiter, dass der Begriff "Monohydrat" implizit eine kristalline Substanz bezeichne, die ein Molekül Kristallwasser pro Molekül Tiotropiumbromid enthalte, und verwies dabei insbesondere auf das Dokument (14). Auf der Seite 10 des Dokuments (2) werde die Verabreichung dieses Material als inhalierbares Pulver sowie ein Beispiel einer entsprechenden Zusammensetzung offenbart. Dadurch sei die im Dokument (25) angegebene Partikelgröße von 1 bis 5 mym auch aus dem Dokument (2) implizit zu entnehmen. Das Dokument (9) bestätige das allgemeine Fachwissen, dass bei dieser Partikelgröße eine optimale Ablagerung in der Lunge erreicht werde. Aufgrund der größeren Anzahl gemeinsamer Merkmale mit dem beanspruchten Gegenstand sei das Dokument (2) als der nächstliegende Stand der Technik anzusehen.
Selbst wenn man jedoch vom Dokument (25) als nächstliegendem Stand der Technik ausgehe, würde der Fachmann ohne erfinderische Tätigkeit zum Gegenstand des Anspruchs 1 gelangen.
Aus den Vergleichsdaten gemäß Dokument (11A) gehe nicht glaubhaft hervor, dass die Einhaltung der beanspruchten Parameterbereiche zu einer verbesserten Stabilität führe. Folglich bestehe die Aufgabe nur darin, ein alternatives Mikronisat von Tiotropiumbromid bereitzustellen.
Bei den nun beanspruchten Bereichen für die Parameter handele es sich um übliche Werte, die durch gängige Mikronisierungs verfahren von kristallinen Wirkstoffen zu inhalierbaren Partikeln erhalten werden. So bringe die beanspruchte Größenverteilung lediglich zum Ausdruck, dass die Partikel für die Inhalation geeignet seien. Die spezifische Oberfläche sei eine Folge der Partikelgröße. Die Lösungswärme sei durch die Kristallinität und der Wassergehalt durch die Feuchtigkeit in den Proben und der Umgebung bedingt. Die willkürliche Auswahl zweckmäßiger Bereiche könne jedoch keine erfinderische Tätigkeit begründen.
Aus den gleichen Gründen sei auch der Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 nicht erfinderisch.
Bei dem Hilfsantrag 2 gelte um so mehr, dass das Dokument (2) als nächstliegender Stand der Technik gelten müsse, da das Tiotropium bromid monohydrat in Anspruch 1 explizit als Ausgangsstoff genannt werde.
Die zu lösende Aufgabe liege darin, das Monohydrat so zu behandeln, dass es für die Inhalation geeignet ist. Diese Aufgabe werde durch die Mikronisierung und Konditionierung des Tiotropium bromidmonohydrats gelöst. Aus dem Dokument (4) und aus dem Streitpatent gehe hervor, dass die Mikronisierung die übliche Maßnahme sei, um entsprechende inhalierbare Pulver herzustellen. Bezüglich des Konditionierungs schritts verwies die Beschwerdegegnerin auf die Dokumente (4) und (7). Darin werde beschrieben, dass sich bei der Mikronisierung von kristallinen Wirkstoffen amorphe Bereiche bildeten und dass sich diese durch eine Konditionierung in feuchter Atmosphäre beseitigen ließen. Es sei daher auch naheliegend gewesen, diesen zusätzlichen Schritt durchzuführen.
Schließlich argumentierte die Beschwerdegegnerin, dass ausgehend vom Dokument (25) die gleichen Überlegungen gelten würden, da durch das Dokument (11A) keinerlei Vorteile für das Produkt des vorliegenden gegenüber dem des bekannten Verfahrens glaubhaft gemacht wurden.
XV. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung (Hauptantrag), hilfsweise die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage eines der Hilfsanträge 1 und 2, eingereicht während der mündlichen Verhandlung vom 5. März 2013, oder auf der Grundlage eines der Hilfsanträge 3 und 4, eingereicht als Hilfsanträge 2 und 3 mit Schreiben vom 22. Juni 2012, oder auf der Grundlage eines der Hilfsanträge 5 und 6, eingereicht als Hilfsanträge 4 und 5 mit Schreiben vom 4. Dezember 2012.
Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
XVI. Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung der Kammer verkündet.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Zulassung der Versuchsberichte (12), (21) und (26)
2.1 Versuchsbericht (12)
Im vorliegenden Fall wurde von der Einspruchsabteilung gemäß Artikel 114(2) EPÜ der Versuchsbericht (12) als verspätet vorgebrachtes Beweismittel bewertet und nicht in das Einspruchsverfahren zugelassen.
Gemäß Artikel 12(4) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK, siehe ABl. EPA 2007, 536) hat die Kammer die Befugnis, Beweismittel nicht zuzulassen, die bereits im erstinstanzlichen Verfahren nicht zugelassen worden sind. Im Rahmen einer solchen Entscheidung sollte sich eine Beschwerdekammer nur dann über die Art und Weise, in der die erste Instanz ihr Ermessen ausgeübt hat, hinwegsetzen, wenn sie zu dem Schluss gelangt, dass die erste Instanz ihr Ermessen nach Maßgabe der falschen Kriterien, unter Nichtbeachtung der richtigen Kriterien oder in willkürlicher Weise ausgeübt hat (siehe T 640/91, ABl. EPA 1994, 918, Punkt 6.3 der Entscheidungsgründe).
In der angefochtenen Entscheidung wurde hervorgehoben, dass kein triftiger Grund für das späte Einreichen vorlag, und dass die Patentinhaberin der Möglichkeit beraubt wurde, die Ergebnisse zu diskutieren oder zu überprüfen (vgl. Seite 3, Punkt 2). Laut Protokoll über die mündliche Verhandlung vor der Einspruchsabteilung hatte die Einsprechende auch Gelegenheit ihre Auffassung zu der Relevanz des Versuchsberichts vorzutragen (Seite 1, Absätze 5 und 6).
Somit hat die Einspruchsabteilung die Kriterien der Relevanz und der Zumutbarkeit für die andere Partei auf das verspätete Dokument angewandt, wie sie die Prüfungsrichtlinien vorschlagen (siehe die Richtlinien für die Prüfung im Europäischen Patentamt, E-III 8.5 in der Fassung vom Dezember 2007).
Folglich hat die Einspruchsabteilung ihr Ermessen ausreichend begründet und die richtigen Kriterien angewandt.
Das weitere Argument der Beschwerdegegnerin, dass das Dokument (12) als eine angemessene Reaktion auf die Beschwerdebegründung angesehen werden soll, kann die Kammer nicht überzeugen. In der Beschwerdebegründung wurde bestritten, dass das Dokument (2) den nächstliegenden Stand der Technik darstelle. Die Kammer kann nicht erkennen, dass das Dokument (12) zur Klärung dieser Frage beiträgt. Das erneute Einführen von Dokument (12) kann daher nicht als angemessene Reaktion auf die Beschwerdebegründung betrachtet werden.
Folglich hat die Kammer entschieden das Dokument (12) nicht in das Verfahren zuzulassen.
2.2 Versuchsbericht (21)
Die Beschwerdeführerin hat in dem Versuchsbericht (21) weitere Daten bereitgestellt, mit der Absicht, die bereits im Dokument (11A) gezogenen Schlussfolgerungen weiter zu untermauern. Dadurch ist keine wesentlich neue, für die Beschwerdegegnerin überraschende Sachlage entstanden. Es trifft auch nicht zu, dass in dem Dokument (21) die Angaben zu den Mikronisierungs bedingungen unvollständig sind (siehe Verweis in dem 1. Satz auf das Streitpatent; siehe auch die Absätze [0045] und [0046] des Streitpatents). Außerdem wurde das Dokument (21) bereits am 22 Juni 2012 eingereicht, d.h. bevor eine mündliche Verhandlung vor der Kammer anberaumt wurde und über acht Monate bevor sie stattfand. Die Beschwerdegegnerin hatte daher ausreichend Zeit, sich mit dem Bericht auseinander zusetzen (vgl. auch das Gutachten (27), Absätze (11) bis (14), in dem zum Dokument (21) Stellung genommen wurde).
Unter diesen Umständen entschied die Kammer gemäß Artikel 13 VOBK, den Versuchsbericht (21) in das Verfahren zuzulassen.
2.3 Versuchsbericht (26)
Der Versuchsbericht (26) wurde von der Beschwerde führerin am 4. Dezember 2012 eingereicht, d.h. nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung vor der Kammer. Die Beschwerdeführerin berief sich darauf, dass das Dokument (26) als Reaktion auf den Bescheid der Kammer vom 11. September 2012 zu sehen sei. Dazu ist festzustellen, dass in diesem Bescheid die Dokumente (24) und (25) lediglich als Bestätigung dafür zitiert worden sind, dass Mikronisate, wie sie in dem Dokument (11A) als Vergleichssubstanz gewählt wurden, zum vorliegenden Prioritätszeitpunkt auch bekannt waren. Daher konnte der Bescheid der Kammer kein Anlass zur späten Einreichung weiterer Versuche geben.
Darüber hinaus hätte die Zulassung dieser spät eingereichten neuen Beweismittel zur Folge gehabt, dass die Beschwerdegegnerin, besonders unter Berücksichtung der arbeitsfreien Weihnachtszeit, nicht ausreichend Zeit gehabt hätte, beispielweise mit Gegenversuchen angemessen zu antworten. In diesem Kontext kann das Gutachten (27) (vgl. Absatz (16)) nur als erster Versuch gewertet werden, auf das Dokument (26) zu reagieren.
Die Kammer machte daher von ihrem Ermessen gemäß Artikel 13 VOBK Gebrauch und lehnte die Zulassung des Dokuments (26) in das Verfahren ab.
3. Zulassung der Hilfsanträge 1 und 2
Die Hilfsanträge 1 und 2 wurden erst in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereicht. Allerdings sind sie als Reaktion auf die Entwicklung des Verfahrens zu werten. So wurde erstmals in der mündlichen Verhandlung die erfinderische Tätigkeit ausgehend von Dokument (25) als nächstliegendem Stand der Technik in Frage gestellt. Die neu eingereichten Hilfsanträge sind als ein Versuch der Beschwerdeführerin zu sehen, diesen Einwänden zu begegnen.
Bei der Änderung im Hilfsantrag 1 handelt es sich um eine einfache Einschränkung des Wassergehalts im Anspruch 1, wodurch keine wesentlich neue, für die Beschwerdegegnerin überraschende Sachlage entstanden ist. In dem geänderten Hilfsantrag 2 sind im Vergleich zu dem mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsantrag lediglich Ansprüche gestrichen worden. Da das nun beanspruchte Verfahren im Einspruchs- und Beschwerdeverfahren hinsichtlich der erfinderischen Tätigkeit ausführlich diskutiert worden ist, wurden auch hier keine neuen Fragen aufgeworfen, deren Behandlung der Beschwerdegegnerin nicht zuzumuten wäre.
Aus diesen Gründen wurden die Hilfsanträge 1 und 2 gemäß Artikel 13 VOBK in das Verfahren zugelassen.
Anspruch 1 des Hauptantrags
4. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 52(1) und 56 EPÜ)
4.1 Anspruch 1 des Streitpatents betrifft ein kristallines Mikronisat von Tiotropiumbromid (vgl. obigen Punkt IV). Dieses Mikronisat wird in Inhalationspulvern als Anticholinergikum bei der Therapie von Asthma und chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) eingesetzt (vgl. z.B. Ansprüche 13 bis 26 des Streitpatents).
4.2 Während die Beschwerdeführerin das Dokument (24) oder alternativ das Dokument (25) als nächstliegend angesehen hat, war die Beschwerdegegnerin der Meinung, dass das Dokument (2) als nächstliegend betrachtet werden sollte.
4.2.1 Die im Streitpatent zitierte Basispatentanmeldung, Dokument (24), betrifft Thienylcarbonsäureester der allgemeinen Formel (I) (siehe Anspruch 1). Auf Seite 4, Zeilen 37 bis 54 wird die anticholinerge Wirksamkeit der Verbindungen sowie deren Verarbeitung mit bekannten Hilfs- und/oder Trägerstoffen zu gebräuchlichen galenischen Zubereitungen, wie zum Beispiel Inhalationspulvern, offenbart. Im Beispiel 4 wird Tiotropiumbromid offenbart, wobei ein kristallines Produkt unter wasserfreien Bedingungen erhalten wird (siehe Seite 11, Zeile 57, bis Seite 12, Zeile 31).
4.2.2 Das Dokument (2) befasst sich mit pharmazeutischen Zusammensetzungen, die ein langwirksames Anticholinergikum und ein langwirksames beta-Mimetikum enthalten, und deren Verwendung bei der Therapie von Atemwegserkrankungen (siehe Ansprüche 1, 14 und 15; Seite 1, Zeilen 6 bis 9). Als langwirksame Anticholinergika eignen sich grundsätzlich bereits aus dem Dokument (24) bekannte Verbindungen (siehe Anspruch 2; Seite 3, Zeilen 33 bis 37), wobei Tiotropiumbromid besonders bevorzugt wird (siehe Ansprüche 6, 10 und 11).
Die erfindungsgemäßen Wirkstoffkompositionen werden vorzugsweise in Form eines Dosierungsaerosols verabreicht (Seite 8, Zeile 24 bis Seite 10, Zeile 4), können aber auch in Form eines Pulvers inhaliert werden (Seite 10, Zeilen 6 bis 16). Für letztere Darreichungs form wird die folgende spezifische Zusammensetzung offenbart (siehe auch das Familienmitglied in deutscher Sprache, Dokument (1)):
| Bestandteile | Menge |
| | |
| | |
| Tiotropiumbromid Hydrat | 6 myg |
| | |
| | |
| Formoterolfumarat x 2 H2O | 6 myg |
| | |
| | |
| Lactose Monohydrat | ad 25 mg |
| | |
| | |
Die Argumente der Beschwerdegegnerin bezüglich des Offenbarungsgehalts von Dokument (2) können aus folgenden Gründen nicht überzeugen:
So kann sich die Kammer dem Argument der Beschwerde gegnerin, wonach im Dokument (2) das Tiotropium bromidmonohydrat eindeutig offenbart sei, nicht anschließen.
Der angeführte Absatz auf der Seite 7, Zeilen 23 bis 26, lautet wie folgt (Hervorhebung hinzugefügt):
"It is especially preferred that tiotropium salt especially tiotropium bromide [(1alpha,2beta,4beta,5alpha,7beta)-7-[(hydroxy-2-thienylacetyl)oxy]-9,9-dimethyl-3-oxa-9- azoniatricyclo[3.3.1.0**(2,4)]nonane bromide monohydrate abbreviated to tiotropium BR] is used as an anticholinergic."
Es ist unbestritten, dass zum Prioritätszeitpunkt des Dokuments (2) der Begriff "Tiotropiumbromid" als Internationaler Freiname (INN, Abkürzung vom englischen International Nonproprietary Name) eine eindeutige Bezeichnung für eine bestimmte chemische Struktur darstellte, nämlich, für (1alpha,2beta,4beta,5alpha,7beta)-7-[(Hydroxydi-2-thienylacetyl)oxy]-9,9-dimethyl-3-oxa-9-azoniatricyclo[3.3.1.0**(2,4)]nonan-bromid (vgl. die Dokumente (22) und (23)). Es ist anzunehmen, dass in dem oben zitierten Absatz die Angaben in den hervorgehobenen eckigen Klammern als nähere Erklärung für den unmittelbar davor stehenden Begriff "Tiotropiumbromid" gedacht sind. Der Fachmann würde jedoch sofort erkennen, dass der in den eckigen Klammern angegebene Name nicht Tiotropiumbromid entspricht, nicht nur wegen dem Fehlen der Silbe "di", sondern auch wegen der Bezeichnung als "Monohydrat". Deshalb wäre, entgegen den Ausführungen der Beschwerdegegnerin, durch das Einfügen von "di" vor "2-thienyl" die Unstimmigkeit nicht beseitigt. Darüber hinaus müsste "Monohydrat" entweder in den Klammern gestrichen oder vor den Klammern eingefügt werden. Daher kann nicht von einer eindeutigen und unmittelbaren Offenbarung des Tiotropium bromidmonohydrats ausgegangen werden.
Des weiteren offenbart nach Auffassung der Kammer die Passage auf der Seite 10, Zeilen 5 bis 16, des Dokuments (2) nicht implizit ein mikronisiertes, kristallines Tiotropiumbromidhydrat. Zum einen wird nicht spezifiziert, ob die Komponenten der offenbarten Zusammensetzung erst jeweils mikronisiert und dann vermischt werden, oder umgekehrt. Daher kann ein Mikronisat des Tiotropiumbromid-Bestandteils nicht implizit offenbart sein. Zum anderen bedeutet der Begriff "Hydrat" im breitesten Sinn erstmals lediglich, dass die entsprechende Verbindung Wasser enthält. In dem von der Beschwerdegegnerin zitierten Dokument (14) wird dieser Begriff in einem bestimmten Zusammenhang verwendet, um kristalline Wirkstoffe, die Kristallwasser enthalten zu bezeichnen; eine allgemeine Definition für "Hydrat" wird darin allerdings nicht angegeben (vgl. Seite 946, zweiter vollständiger Absatz). Auch gibt das in dem Dokument (2) zitierte Dokument (24) keinen weiteren Aufschluss über die genaue Struktur des offenbarten Tiotropiumbromid hydrats, da darin keine entsprechende Herstellung offenbart wird. Die Kammer kann daher der Auffassung der Beschwerdegegnerin, dass das offenbarte Hydrat zwangsläufig kristallin sein muss, nicht zustimmen.
Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass das Dokument (2) kein Mikronisat von kristallinem Tiotropiumbromid oder dessen Hydraten unmittelbar und eindeutig, sei es explizit oder implizit, offenbart.
4.2.3 Dokument (25) betrifft Kombinationen aus Formoterol und einem Tiotropiumsalz und deren Verwendung für die Behandlung entzündlicher oder obstruktiver Atemwegserkrankungen (siehe Seite 1, 1. Absatz und Anspruch 1). Auf der Seite 3, Zeilen 1 bis 4, wird offenbart, dass Tiotropiumbromid als Tiotropiumsalz bevorzugt wird. Bezüglich dessen Herstellung wird auf "US5610163" verwiesen (ein Familienmitglied von Dokument (24); vgl. obigen Punkt 4.2.1). Diesem Verweis ist zu entnehmen, dass das verwendete Tiotropiumbromid kristallin ist. Gemäß einer Ausführungsform werden die Zusammensetzungen in inhalierbarer Form als Trockenpulver verabreicht (siehe Seite 4). In den entsprechenden Beispielen 3 und 93 werden Formoterolfumaratdihydrat und Tiotropiumbromid jeweils in einer Luftstrahlmühle auf einen mittleren Teilchendurchmesser von 1 bis 5 mym vermahlen und dann mit Lactosemonohydrat vermischt.
4.2.4 Aus den obigen Ausführungen unter den Punkten 4.2.1 bis 4.2.3 geht hervor, dass das Dokument (25) als einziges der zur Auswahl stehenden Dokumente ein kristallines Mikronisat von Tiotropiumbromid offenbart. Demzufolge kommt die Kammer zu dem Schluss, dass das Dokument (25) den nächstliegenden Stand der Technik darstellt.
4.3 Ausgehend von diesem Stand der Technik soll laut Vortrag der Beschwerdeführerin die zu lösende Aufgabe darin gesehen werden, eine für die Inhalation geeignete, mikronisierte Form von Tiotropiumbromid mit einer verbesserten Lagerstabilität bereitzustellen.
4.4 Zur Lösung dieser Aufgabe wird gemäß Anspruch 1 des Streitpatents das Mikronisat vorgeschlagen, welches durch folgende Parameter gekennzeichnet ist:
i) eine Partikelgröße X50 von zwischen 1,0 mym und 3,5 mym bei einem Wert Q(5,8) von größer 60%;
ii) einen spezifischen Oberflächenwert im Bereich zwischen 2 m**(2)/g und 5 m**(2)/g;
iii) eine spezifische Lösungswärme von größer 65 Ws/g; und
iv) einen Wassergehalt von 1% bis 4,5%.
Der Kennwert X50 bezeichnet den Medianwert der Teilchengröße, unterhalb derer 50% der Teilchenmenge bezüglich der Volumenverteilung der einzelnen Teilchen liegt, und Q(5,8) die Teilchenmenge der Partikel, die bezogen auf die Volumenverteilung der Partikel unterhalb von 5,8 mym liegt (siehe Streitpatent, Absatz [0011]).
4.5 Zunächst ist zu beurteilen, ob die unter Punkt 4.3 definierte Aufgabe durch den beanspruchten Gegenstand glaubhaft gelöst wird. Diesbezüglich hat sich die Beschwerdeführerin auf die in den Dokumenten (11A) und (21) vorgelegten Versuche gestützt.
4.5.1 Im Dokument (11A) wurde das in den Absätzen [0035] bis [0044] des Streitpatents offenbarte Monohydrat und das nach dem bekannten Verfahren gemäß Dokument (24) (im Dokument (11A) als D1 bezeichnet) hergestellte Tiotropiumbromid unter identischen Versuchsbedingungen mittels einer Luftstrahlmühle mikronisiert. Die Kammer möchte an dieser Stelle anmerken, dass auch das Dokument (25) die Mikronisierung eines gemäß dem Dokument (24) hergestellten Tiotropiumbromids in einer Luftstrahlmühle offenbart (vgl. obigen Punkt 4.2.3). Die gemahlenen Proben wurden hinsichtlich ihrer Teilchengröße mit folgenden Ergebnissen analysiert:
Tabelle 1 (Ausgangsstoff gemäß Streitpatent):
|Charge | X(10) | X(50) | X(90) |Q(1,1) |Q(2,2) |Q(3,1) |
| | | | | | | |
| | | | | | | |
|Probe 1 | 0,70 | 1,65 | 3,47 | 28,93 | 67,24 | 85,74 |
| | | | | | | |
| | | | | | | |
|Probe 2 | 0,71 | 1,69 | 3,54 | 27,76 | 65,76 | 84,65 |
| | | | | | | |
| | | | | | | |
|Probe 3 | 0,72 | 1,74 | 3,60 | 26,34 | 64,14 | 83,62 |
| | | | | | | |
| | | | | | | |
| MW | 0,71 | 1,69 | 3,54 | 27,68 | 65,71 | 84,67 |
| | | | | | | |
| | | | | | | |
Tabelle 2 (Ausgangsstoff gemäß Dokument (24)):
|Charge | X(10) | X(50) | X(90) |Q(1,1) |Q(2,2) |Q(3,1) |
| | | | | | | |
| | | | | | | |
|Probe 1 | 0,68 | 1,55 | 3,18 | 31,37 | 71,45 | 89,26 |
| | | | | | | |
| | | | | | | |
|Probe 2 | 0,69 | 1,57 | 3,24 | 30,89 | 70,69 | 88,61 |
| | | | | | | |
| | | | | | | |
|Probe 3 | 0,69 | 1,58 | 3,25 | 30,36 | 70,32 | 88,53 |
| | | | | | | |
| | | | | | | |
| MW | 0,69 | 1,57 | 3,22 | 30,87 | 70,82 | 88,80 |
| | | | | | | |
| | | | | | | |
Die Proben wurden dann für einen Zeitraum von drei Tagen bei einer Temperatur von 40ºC einer relativen Luftfeuchtigkeit von 75% ausgesetzt. Anschließend wurde die Analyse der Teilchengröße mit folgenden Ergebnissen erneut durchgeführt:
Tabelle 3 (Ausgangsstoff gemäß Streitpatent):
|Charge | X(10) | X(50) | X(90) |Q(1,1) |Q(2,2) |Q(3,1) |
| | | | | | | |
| | | | | | | |
|Probe 1 | 0,79 | 1,91 | 3,61 | 20,76 | 59,64 | 82,29 |
| | | | | | | |
| | | | | | | |
|Probe 2 | 0,80 | 1,93 | 3,64 | 20,22 | 58,90 | 81,69 |
| | | | | | | |
| | | | | | | |
|Probe 3 | 0,77 | 1,86 | 3,56 | 22,13 | 61,26 | 83,37 |
| | | | | | | |
| | | | | | | |
| MW | 0,79 | 1,90 | 3,60 | 21,04 | 59,63 | 82,45 |
| | | | | | | |
| | | | | | | |
Tabelle 4 (Ausgangsstoff gemäß Dokument (24)):
|Charge | X(10) | X(50) | X(90) |Q(1,1) |Q(2,2) |Q(3,1) |
| | | | | | | |
| | | | | | | |
|Probe 1 | 1,16 | 2,37 | 4,17 | 8,41 | 44,30 | 71,34 |
| | | | | | | |
| | | | | | | |
|Probe 2 | 1,16 | 2,38 | 4,19 | 8,29 | 44,10 | 71,12 |
| | | | | | | |
| | | | | | | |
|Probe 3 | 1,15 | 2,36 | 4,12 | 8,54 | 44,88 | 72,11 |
| | | | | | | |
| | | | | | | |
| MW | 1,16 | 2,37 | 4,16 | 8,41 | 44,43 | 71,52 |
| | | | | | | |
| | | | | | | |
Diese Ergebnisse zeigen, dass während der feuchten Lagerung die Abnahme des Feinanteils bei dem Mikronisat, welches aus kristallinem Tiotropiumbromidmonohydrat erhalten wurde, geringer ist als bei dem Vergleichsprodukt gemäß dem Stand der Technik.
Jedoch ist im vorliegenden Anspruch 1 das Mikronisat nicht mit Hinweis auf einen bestimmten Ausgangsstoff mit einem bestimmten Wassergehalt definiert, sondern durch die unter dem obigen Punkt 4.4 gelisteten Parameter. In dem Dokument (11A) sind diese Parameter nicht vollständig angegeben. So fehlen jegliche Angaben zu den Parametern (ii) bis (iv).
Folglich sind diese Vergleichsversuche nicht geeignet, um glaubhaft zu belegen, dass die behauptete verbesserte Lagerstabilität ursächlich mit den anspruchsgemäßen Parameterwerten verknüpft ist.
4.5.2 In dem Versuchsbericht (21) werden weitere Messungen an Mikronisaten des Tiotropiumbromidmonohydrats vor und nach einem Konditionierungsschritt vorgestellt. Allerdings enthält dieses Dokument keine Vergleichsversuche gegenüber Dokument (25) als dem nächstliegenden Stand der Technik.
4.5.3 Zusammenfassend wird daher festgestellt, dass auf Basis der obengenanten Daten nicht beurteilt werden kann, ob gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik die unter Punkt 4.3 genannte Aufgabe durch den beanspruchten Gegenstand tatsächlich gelöst wird.
4.6 Folglich kann die zu lösende Aufgabe nur darin gesehen werden, ein weiteres Mikronisat von Tiotropiumbromid bereitzustellen.
4.7 Es bleibt nun zu untersuchen, ob die beanspruchte Lösung dieser umformulierten Aufgabe auf erfinderischer Tätigkeit beruht.
Wie bereits unter obigen Punkt 4.2.3 ausgeführt, wird in den Beispielen 3 und 93 gemäß Dokument (25) kristallines Tiotropiumbromid in einer Luftstrahlmühle auf einen mittleren Teilchendurchmesser von 1 bis 5 mym vermahlen. In der Beschreibung wird auch allgemein offenbart, dass bei einem für die Inhalation geeigneten Pulver ein mittlerer Teilchendurchmesser von 1 bis 5 mym bevorzugt einzustellen ist und dass die gewünschte Teilchengröße durch herkömmliche Verfahren eingestellt werden kann, wie beispielsweise durch Mahlen in einer Luftstrahlmühle (vgl. Seite 4, zweiter vollständiger Absatz).
Die im Anspruch 1 des Hauptantrags angegebenen Parameter zur Partikelgröße bewegen sich somit innerhalb des in dem Dokument (25) vorgeschlagenen Bereichs. Die Beschwerdeführerin hat nicht belegt, dass die restlichen Parameter im Anspruch 1 nicht innerhalb der üblichen Bereiche für kristalline Mikronisate liegen. Da im vorliegenden Fall nicht überzeugend gezeigt wurde, dass innerhalb der für die Parameter definierten Bereiche ein unerwarteter Effekt auftritt (vgl. obigen Punkt 4.5), werden die in dem Anspruch 1 angegebenen Bereiche als rein willkürlich angesehen. So kann der Fachmann, um zu der beanspruchten Lösung zu gelangen, im Rahmen der Lehre des Dokuments (25) ausgehend von der bekannten kristallinen Form des Tiotropium bromids die Mikronisierungs bedingungen durch routinenmäßige Versuche ändern und die erfindungsgemäßen Parameter einstellen, ohne dass es eines erfinderischen Zutuns bedarf.
4.8 Folglich beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Der Hauptantrag ist daher nicht gewährbar.
Anspruch 1 des Hilfsantrags 1
5. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 52(1) und 56 EPÜ)
Der Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 unterscheidet sich vom Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass der Wassergehalt "von 2.4% bis 4,1%" beträgt.
Wie unter obigen Punkt 4.5 dargelegt, sind die in den Dokumenten (11A) und (21) vorgelegten Versuche nicht dazu geeignet zu zeigen, dass der Wassergehalt in Kombination mit den restlichen festgelegten Parametern, unabhängig von der Struktur des Ausgangsstoffs und der Quelle des Wassers, zu einem vorteilhaften Effekt führt. Die Einschränkung des Wassergehalts im Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 ändert daran nichts. Damit gilt auch hier die unter Punkt 4.6 festgelegte Aufgabe.
Obwohl gemäß dem Dokument (25) der Ausgangsstoff unter wasserfreien Bedingungen hergestellt wird, wird nicht festgelegt, dass die Weiterverarbeitung unter Feuchtigkeitsausschluss erfolgt. Daher muss der nun beanspruchte Wassergehalt lediglich als ein weiterer willkürlicher Bereich gelten, der durch routinemäßige Versuche eingestellt werden kann.
Demgemäß kann der im Anspruch 1 eingeschränkte Bereich keine erfinderische Tätigkeit begründen, und die Ausführungen zum Hauptantrag gelten mutatis mutandis auch für den Hilfsantrag 1. Der Hilfsantrag 1 ist folglich ebenfalls nicht gewährbar.
Hilfsantrag 2
6. Änderungen (Artikel 123 EPÜ)
Die Zulässigkeit der Änderungen wurde von der Beschwerdegegnerin nicht bestritten. Da die Kammer diesbezüglich auch keinen Einwand erkennen kann, erübrigen sich weitere Ausführungen hierzu.
7. Erfinderische Tätigkeit (Artikel 52(1) und 56 EPÜ)
7.1 Der Hilfsantrag 2 unterscheidet sich vom Hauptantrag dadurch, dass er nur noch Verfahrensansprüche enthält (vgl. obige Punkten IV und XII). Der Anspruch 1 betrifft ein Verfahren zur Herstellung eines kristallinen Mikronisats von Tiotropiumbromid, bei dem eine bestimmte Kristallmodifikation von Tiotropiumbromidmonohydrat mikronisiert und anschließend Wasserdampf ausgesetzt wird (Konditionierungsschritt).
7.2 Die als nächstliegender Stand der Technik in Frage kommenden Dokumente (2), (24) und (25) sind bereits unter den obigen Punkt 4.2 abgehandelt worden. Da das Dokument (25) als einziges ein Verfahren zur Herstellung eines kristallinen Mikronisats von Tiotropiumbromid offenbart, kommt die Kammer wie beim Hauptantrag zu dem Schluss, dass dieses Dokument den nächstliegenden Stand der Technik darstellt.
Die Argumentation der Beschwerdegegnerin, wonach das Dokument (2) vorzuziehen sei, ist nicht überzeugend, da dieses Dokument unter anderem nicht Tiotropium bromid monohydrat und dessen Mikronisierung offenbart (vgl. obigen Punkt 4.2.2).
7.3 Gemäß den Ausführungen der Beschwerdeführerin liegt diesem Antrag die Aufgabe zugrunde, ein Mikronisierungs verfahren bereitzustellen, das ein lagerstabileres Tiotropiumbromidmikronisat liefere.
7.4 Zur Lösung dieser Aufgabe wird das im Anspruch 1 beanspruchte Verfahren vorgeschlagen, welches durch die Wahl des kristallinen Tiotropiumbromidmonohydrat als Ausgangsstoff und durch den Konditionierungsschritt gekennzeichnet ist.
7.5 Angesichts der in dem Dokument (11A) vorgelegten Vergleichsversuche, die bereits ausführlich oben in Punkt 4.5.1 abgehandelt worden sind, ist die Kammer überzeugt, dass die genannte Aufgabe durch das nun beanspruchte Verfahren tatsächlich gelöst wird.
Die Beschwerdegegnerin hat mit analogen Ausführungen wie für den Hauptantrag bestritten, dass das Dokument (11A) den behaupteten Vorteil glaubhaft machen würde. Dieses Argument kann allerdings nicht überzeugen. In dem Verfahrensanspruch 1 wird eine bestimmte Kristallmodifikation von Tiotropiumbromidmonohydrat als Ausgangsstoff definiert, die einer Mikronisierung und Konditionierung unter spezifischen Bedingungen ausgesetzt wird. Diese Merkmale wirken aber auch zwangsläufig einschränkend auf das resultierende Produkt. Deshalb können die Argumente, die für den Hauptantrag vorgebracht worden sind, nicht einfach analog gelten. Tatsächlich wird in den Versuchen gemäß Dokument (11A) die Lagerstabilität für das Produkt des vorliegenden Mikronisierungsverfahren gegenüber dem des bekannten Verfahren gemäß dem Dokument (25) unter feuchten Lagerungsbedingungen verglichen. Dabei wird erfindungsgemäß ein lagerstabileres Produkt erhalten. Somit hat die Kammer keinen Grund zu zweifeln, dass es sich hierbei um einen aussagekräftigen Vergleich handelt.
7.6 Es bleibt nun zu untersuchen, ob der Stand der Technik dem Fachmann Anregungen bot, die genannte Aufgabe durch die Bereitstellung des anspruchsgemäßen Verfahrens zu lösen.
In den von der Beschwerdegegnerin für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit angezogenen Dokumenten wird eine Kristallmodifikation des Tiotropiumbromid monohydrats gemäß dem vorliegenden Anspruch 1 nicht offenbart. Wie bereits oben in Punkt 4.2.2 ausgeführt wurde, hätte der Fachmann aus dem Dokument (2) keine verwertbare Lehre bezüglich der Herstellung eines Mikronisats von Tiotropiumbromidmonohydrat ziehen können. Vor allem findet sich keinerlei Hinweis im zitierten Stand der Technik, dass durch die Verwendung des erfindungsgemäßen Monohydrats anstatt der in dem Dokument (24) beschriebenen wasserfreien Form ein vorteilhafteres Mikronisat erhalten werden könnte. Aus den Dokumenten (4) und (7) ist zu entnehmen, dass unter Umständen eine Stabilisierung eines Mikronisats durch einen Konditionierungsschritt zu erzielen ist. Diese Dokumente enthalten aber keine Anregung, nach weiteren Kristallmodifikationen und Solvaten des Tiotropiumbromids als Ausgangsstoff zu suchen in der Erwartung, stabilere Mikronisate daraus herstellen zu können.
Die Kammer kommt daher zu dem Ergebnis, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags 2 dem Fachmann durch den Stand der Technik nicht nahegelegt wird und damit auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
Die abhängigen Ansprüche 2 bis 6 betreffen weitere Ausgestaltungen des Herstellungsverfahrens gemäß Anspruch 1 und werden von dessen Patentfähigkeit getragen.
8. Da der Hilfsantrag 2 die Erfordernisse des EPÜ erfüllt, kann diesem Antrag stattgegeben werden. Eine Entscheidung über die nachrangigen Hilfsanträge 3 bis 6 erübrigt sich somit.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent mit folgenden Ansprüchen und einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten:
Ansprüche Nr. 1 bis 6 des Hilfsantrags 2 eingereicht während der mündlichen Verhandlung vom 5. März 2013.