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T 2455/13 (Überwachung von Kapitalunterlegungshöhen bei Risikoereignissen/SWISS RE) 29-01-2020
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SYSTEM UND VERFAHREN ZUR RÜCKGEKOPPELTEN, DYNAMISCHEN ÜBERWACHUNG VON UNTERLEGUNGSHÖHEN BEI RISIKOEREIGNISSEN
Zurückverweisung an die erste Instanz (nein)
Zurückverweisung an die erste Instanz - kein Vorliegen besonderer Gründe
Erfinderische Tätigkeit (nein)
Erfinderische Tätigkeit - Mischung technischer und nichttechnischer Merkmale
Erfinderische Tätigkeit - Technische Merkmale aus dem Stand der Technik vorbekannt
Erfinderische Tätigkeit - Naheliegende Implementierung der nicht-technischen geschäftsbezogenen Unterschiede
Auch der nicht-technische Fachmann hat Kenntnis von den Möglichkeiten einer Realisierung von geschäftsbezogenen Konzepten auf netzwerkbasierten Computersystemen. Er kannte zum Prioritätszeitpunkt eine Vielzahl von rechner- und netzwerkgestützten geschäftlichen Prozessen (z.B. im Bereich der Zahlungsprozesse, Materialwirtschaft und auch der Versicherungswirtschaft), um eine Vorstellung davon zu haben, was konzeptionell auf einer abstrakten Meta-Ebene realisierbar ist. Was der nicht-technische Fachmann jedoch nicht weiß ist, wie genau eine Implementierung auf dem Computer erfolgt. Dies liegt in der Sphäre des Programmierers, des technischen Fachmanns, und ist bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit zu berücksichtigen (vgl. T 1082/13, Entscheidungsgründe 4.8).
Sind Merkmale lediglich auf einer abstrakten Meta-Ebene als Module spezifiziert und repräsentieren Funktionen, wie sie der nicht-technische Fachmann in seinem Konzept zugrunde legen würde, so gibt dieser damit auch keine technischen Merkmale vor. Erst durch die Angabe von tatsächlichen Implementierungsschritten im Anspruch werden diese Module zu technischen Merkmalen qualifiziert (vgl. Entscheidungsgründe 3.10 bis 3.12).
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung auf Zurückweisung der europäischen Patentanmeldung Nr. 05762958.6 mangels erfinderischer Tätigkeit gemäß Artikel 56 EPÜ. Dabei wurde auf folgende Druckschrift Bezug genommen:
D1: EP 1 457 884 A1.
II. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent zu erteilen auf der Grundlage des als Anhang A/B mit der Beschwerdebegründung vorgelegten Patentbegehrens (Hauptantrag) oder "in geändertem Umfang gemäss dem [sic] Merkmalen der Ansprüche 2 und/oder 3" (Hilfsantrag). Hilfsweise wurde beantragt, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.
III. Die Kammer hat in einem Bescheid zur mündlichen Verhandlung geladen und ihre vorläufige Meinung zu der Beschwerde dargelegt. Die Kammer stellte fest, dass die Antragslage nicht klar sei. Bezüglich des Hilfsantrags stellte die Kammer fest, dass entsprechend der Formulierung "und/oder" 3 Alternativen möglich seien, weshalb es den Anschein habe, dass tatsächlich Hilfsanträge 1 bis 3 damit verbunden sind. Jedoch bliebe dabei die Rangfolge unklar. Die Beschwerdeführerin wurde gebeten, die Anträge zu präzisieren. Auf der Grundlage insbesondere von D1 wurden Einwände wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit erhoben und die Gründe dafür dargelegt.
IV. Mit Schreiben vom 27. Dezember 2019 reichte die Beschwerdeführerin neue Anträge ein. Es wurden außerdem weitere Argumente im Hinblick auf die erfinderische Tätigkeit übermittelt.
V. Am 29. Januar 2020 fand eine mündliche Verhandlung statt, in deren Verlauf alle vorgetragenen Argumente diskutiert wurden.
VI. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Zurückverweisung der Angelegenheit an die Prüfungsabteilung zur weiteren Prüfung auf der Grundlage der Patentansprüche gemäß Anhang A, eingereicht mit Schreiben vom 27. Dezember 2019 (Hauptantrag). Hilfsweise beantragte sie die Erteilung eines Patents auf der Grundlage der Patentansprüche gemäß Anhang A (1. Hilfsantrag) oder Anhang B, ebenfalls eingereicht mit Schreiben vom 27. Dezember 2019 (2. Hilfsantrag).
VII. Der unabhängige Anspruch 1 gemäß dem Anhang B ist gerichtet auf ein:
"1. Überwachungsverfahren zur rückgekoppelten, dynamischen Überwachung und dynamischen Anpassung von Unterlegungshöhen von technischen Anlagen, und zum Aktiveren betriebsspezifischer Anlagemittel (202, 211, 222) mittels einer Kontrolleinheit (14) basierend auf der überwachten und dynamisch angepassten Unterlegungshöhe, dadurch gekennzeichnet,
dass mittels einer Filtereinheit (12) für unterschiedliche Betriebsarten jeweils eine Parametrisierung (30) basierend auf erfassten betriebsartenspezifischen Daten dynamisch bestimmt wird und über einer Lookup Table der entsprechenden Betriebsart zugeordnet abspeichert wird, wobei die Filtereinheit (12) zum Erfassen der betriebsartenspezifischen Daten mittels eines Netzwerkinterface mit Quelldatenbanken (40,41) verbundenen Netzwerknodes über ein Netzwerk (50) zugreifbar verbunden ist und die Daten über eine Kommunikationseinheit der Filtereinheit (12) von den Quelldatenbanken (40/41) über das Netzwerk (50) aggregiert werden,
dass zur dynamischen Erzeugung der Parametrisierung (30) für die Unterlegungshöhe Schwellwerte für technische Relevanz im Prozess und monetäre Schwellwerte betreffend Kostenrelevanz gesetzt werden, wobei die Parametrisierung basierend auf Prozessschritten (1,...,9) oder Anlagen (61,...,69) in Abhängigkeit der Schwellwerte für technische Relevanz und Kostenrelevanz dynamisch erzeugt wird,
dass mittels eines statistischen Analysemodul (10) [sic] mit einem Interface betriebsspezifischen Messdaten (31) über das Netzwerk (50) aggregiert und analysiert werden, welche Messdaten (31) mittels der Lookup Table mindestens einem spezifischen Parameter der Parametrisierung (30) zugeordnet abgespeichert werden,
dass mittels des Analysemoduls (10) basierend auf den kumulierten betriebsspezifischen Messdaten (31) entsprechende Unterlegungshöhen (32) bestimmt werden, wobei die Unterlegungshöhen (32) mindestens lokalisierte Kostenparameter basierend auf der Parametrisierung (30) umfassen,
dass basierend auf einem Request und/oder einem bestimmbaren Zeitintervall mittels einer Kontrolleinheit (14) die entsprechende Unterlegungshöhe (32) dynamisch angepasst wird und bei Überschreiten eines definierbaren Deviationswertes zu bereits abgespeicherten Messdaten betriebsspezifische Anlagemittel (202, 212, 222) aktiviert werden."
Der Wortlaut entspricht Anspruch 1 des erstinstanzlich zurückgewiesenen Hauptantrags.
Der unabhängige Anspruch 1 nach Anhang A weist demgegenüber folgende weitere Merkmale auf:
"wobei entsprechende Kontrollfunktionen zur Aktivierung der Anlagemittel (202, 211, 222) durch die Unterlegungshöhe bestimmt sind und eine entsprechende Rekonstruktion der technischen Anlage zur Risikoüberstehung beim Auftreten von Natur- und Umweltkatastrophen mindestens umfassend Erdbeben oder Überflutungen oder Wirbelstürme oder Trockenheit/Dürre oder Brandkatastrophen erlaubt durch die die Unterlegungshöhe bestimmt ist," und
"dass mittels einem Gewichtungsmodul der Filtereinheit (12) die Parameter normiert und mittels entsprechenden Gewichtungsfaktoren gegenseitig gewichtet werden, wobei die Gewichtungsfaktoren den Parameter zugeordnet abgespeichert sind, wobei periodisch die Gewichtung des Filtermoduls (12) aktualisiert wird, und wobei die Parametrisierung dynamisch unterschiedlichen Regionen entsprechend lokalisierter betriebsartenspezifischer Daten angepasst wird".
VIII. Am Ende der mündlichen Verhandlung verkündete die Kammer ihre Entscheidung.
Hauptantrag
1. Zurückverweisung
Gemäß Artikel 111(1) EPÜ kann die Beschwerdekammer entweder direkt eine Entscheidung treffen oder sie verweist den Fall an die erste Instanz zurück. Zwar ist eine rechtliche Überprüfung der angefochtenen erstinstanzlichen Entscheidung das primäre Ziel des Beschwerdeverfahrens (Artikel 12(2) VOBK 2020), jedoch gibt es kein Recht für die Partei auf zwei Instanzen.
Gemäß Artikel 11 VOBK 2020 kann die Beschwerdekammer den Fall an die Instanz zurückverweisen, die die angefochtene Entscheidung erlassen hat, sofern besondere Gründe dafür vorliegen.
Solche besonderen Gründe wurden von der Beschwerdeführerin nicht überzeugend dargelegt. Die Kammer kann insbesondere keinen schwerwiegenden Verfahrensfehler in der angefochtenen Entscheidung erkennen. Der von der Beschwerdeführerin kritisierte Prüfungsansatz, der von der Prüfungsabteilung angewandt wurde (vgl. z.B. Punkt 3.5 unten), ist aus Sicht der Kammer nicht zu bemängeln. Auch kann die Kammer im vorliegenden Fall selbst eine Entscheidung treffen. Dem Antrag auf Zurückverweisung wird daher nicht stattgegeben.
2. Im folgenden wird zu dem mit Anhang A / B beanspruchten Gegenstand Stellung genommen.
Die vorliegende Erfindung betrifft ein System und Verfahren zur rückgekoppelten, dynamischen Bestimmung, Anpassung und/oder Überwachung von Unterlegungshöhen von technischen Anlagen (vgl. Beschreibung, Seite 1, Zeilen 3 bis 5). Damit sind die nötigen Kapitalunterlegungshöhen gemeint, die bestimmt werden müssen, um den Wiederbeschaffungswert (monetärer Neuwertfaktor) zu ermitteln (vgl. Seite 2, Zeilen 7 bis 11). Dahinter steht das Problem eines Risikomanagements und der Handhabung von Risikoereignissen. Darauf aufbauend sollen dann Kontrollfunktionen angewendet werden. Eine dynamische Ermittlung der Kapitalunterlegungshöhen, d.h. Kostenberechnungen, berücksichtigt dabei eine Vielzahl von Parametern, darunter länderspezifische wie Lohnkosten, zeitlich veränderbare monetäre Parameter wie Inflation oder Wirtschaftsentwicklung sowie betriebsartspezifische Parameter. Die Auswahl geeigneter Parameter wird anmeldungsgemäß als Parametrisierung bezeichnet.
Dabei ist von Bedeutung, auf welche Weise bzw. in Abhängigkeit wovon eine Aktivierung betriebsspezifischer Anlagemittel erfolgen soll, vor allem vor dem Hintergrund, dass eine Parametrisierung von monetären Unterlegungshöhen abhängig ist. Hier ist unter anderem vorstellbar, dass eine technische Anlage erst dann in Gang gesetzt wird, wenn ein ausreichender Versicherungsschutz vorliegt. Die Kammer hat Zweifel, dass es sich dabei um eine technische Aufgabenstellung handelt.
1. Hilfsantrag gemäß Anhang A
3. Artikel 56 EPÜ - Erfinderische Tätigkeit
Die Prüfungsabteilung betrachtete den beanspruchten Gegenstand des Anspruches 1 des Hauptantrages als naheliegende Umsetzung eines administrativen Verfahrens in einem verteilten Informationssystem, was als notorisch bekannt angesehen wurde, unter Vorgabe nicht-technischer Randbedingungen über die Erstellung und Verteilung von Finanzinformationen ("Verwendung eines .. Netzwerkrechners und modularer Softwareimplementierung der abstrakten nicht-technischen Geschäftsfunktion"). Aus den gleichen Gründen wurde der beanspruchte Gegenstand als nicht erfinderisch ausgehend von dem Stand der Technik nach D1 angesehen.
3.1 Die Beschwerdeführerin argumentiert im wesentlichen, die Prüfungsabteilung habe das Ziel der Erfindung nicht richtig erfasst und technische Merkmale ausgeklammert und nicht berücksichtigt. Insbesondere liege eine technische Wirkung darin, mittels des beanspruchten Überwachungsverfahrens "industrie-standard übergreifend Unterlegungshöhen technischer Anlagen" zu überwachen (vgl. S. 11, Abs. 3 der Beschwerdebegründung), wobei das beanspruchte Verfahren bei der Erfassung der relevanten Messdaten selbst-adaptiv die Parametrisierung anpasse bzw. beim ersten Mal ohne menschliche Interaktion erzeuge. Daraus leitet die Beschwerdeführerin als Aufgabe eine automatisierte, dynamisch angepasste Erfassung von technischen Anlagen und die Überwachung von deren Unterlegungshöhen zum automatischen Triggern zugeordneter Anlagemittel ab (vgl. S. 11, Abs. 4 der Beschwerdebegründung).
3.2 Die vorgebrachten Argumente der
Beschwerdeführerin vermögen die Kammer nicht zu
überzeugen.
Zunächst sind die Unterlegungshöhen, wie eingangs dargelegt, monetäre Daten und somit keine technischen Parameter. Diese können dem beanspruchten Gegenstand keinen technischen Charakter verleihen und tragen auch nicht zu einem solchen bei.
Die Messdaten sind so weit gefasst, dass darunter ohne weiteres auch finanzmathematische Parameter fallen, ebenfalls nicht-technischer Art (z.B. länderspezifische Lohnkosten). Die Bezeichnung "industrie-standard übergreifend" ist auch anhand der Beschreibung nicht näher erläutert und damit ohne zugrunde liegende technische Eigenschaft.
So verleiht das Sammeln und das Auswerten von Daten im Rahmen eines betriebswirtschaftlichen Verfahrens nach ständiger Rechtsprechung (vgl. T 154/04) dem Verfahren keinen technischen Charakter, es sei denn, diese Schritte tragen zur technischen Lösung einer technischen Aufgabe bei. Für letzteres sieht die Kammer jedoch keine Anhaltspunkte.
Die geltend gemachte selbsttätige Parametrisierung ist lediglich aufgabenhaft beansprucht, jedoch fehlen nähere Erläuterungen wie genau dies erfolgt. Ohne nähere technische Lehre mit technischen Merkmalen, wie dies im einzelnen erreicht wird, ist das entsprechende Merkmal lediglich ein desideratum. Es bleibt vage, woraus sich anspruchsgemäß die "technische Relevanz" und entsprechende Schwellwerte dafür ergeben, oder wie dies "basierend auf Prozesschritten .. oder Anlagen" erfolgen soll. In diesem Zusammenhang helfen auch das in den Anmeldungsunterlagen erwähnte statistische Analysemodul 10 (vgl. S. 10, Z. 22ff) oder die Filtereinheit 12 mit einem Gewichtungsmodul nicht weiter, da deren technischer Aufbau selbst nicht im Detail erläutert wird. Diese Merkmale sind lediglich auf einer abstrakten Meta-Ebene als Module definiert.
3.3 Wie aus der Beschreibung hervorgeht, sind die jeweiligen Module über gängige Technik miteinander verbunden, so z.B. vernetzte Computer sowie Netzwerk- und Kommunikationsstandards wie GSM, UMTS, LAN etc. (vgl. S. 11). Aus Sicht der Kammer waren diese dem Fachmann ohne weiteres geläufig. Die technische Infrastruktur aus Computern, auf der die jeweiligen Funktionen über abstrakte Module implementiert sind, stellen technische Merkmale dar, die dem beanspruchten Gegenstand technischen Charakter verleihen. Jedoch erfordert eine erfinderische Tätigkeit einen erfinderischen technischen Beitrag, für den die Kammer keine Grundlage sieht.
3.4 Die Beschwerdeführerin argumentiert, die Selektion der Messparameter sei ein technischer Vorgang. Jedoch bleibt offen, welche Parameter selektiert werden (umfasst sind ja auch finanzmathematische Größen) und wie genau dies geschieht, was erforderlich wäre, um einen technischen Effekt anzuerkennen.
3.5 Die Beschwerdeführerin kritisiert weiter, in der angefochtenen Entscheidung sei eine Beurteilung der Anspruchsmerkmale isoliert von ihrem Zusammenwirken erfolgt (vgl. S. 3, 2. Abs. der Beschwerdebegründung sowie in der mündlichen Verhandlung vorgetragen). Jedoch bleibt die Beschwerdeführerin selbst eine genaue Darstellung schuldig, worin dieses Zusammenwirken besteht und welche technischen Effekte dadurch erzielt werden.
3.6 Vielmehr ist die Kammer der Auffassung, dass es sich um ein abstraktes Konzept zur dynamischen Anpassung von Kapital-Unterlegungshöhen mit Hilfe von Finanzdaten und eventuell unter Einbeziehung von einigen physikalischen Parametern handelt, welches auf einer herkömmlichen technischen Infrastruktur implementiert ist. Welche technischen Parameter sich wie auf die Anpassung auswirken und wie diese verknüpft werden, bleibt spekulativ. Jedoch ist die Kammer der Auffassung, dass es sich in keinem Fall um funktionelle Daten handelt, da ein Defekt solcher Daten nicht die Funktion bzw. den Ablauf des Überwachungsverfahrens in Frage stellt, sondern allenfalls falsche Werte für die Kapital-Unterlegungshöhen generiert. Insofern besitzen die verwendeten Messwerte kognitiven Charakter (vgl. T 1194/97 Data structure product/PHILIPS) und stellen keine inhärenten technischen Merkmale dar.
3.7 Die Kammer stimmt der angefochtenen Entscheidung zu, dass D1 die technischen Merkmale des Anspruchs 1 offenbart, insbesondere vor dem Hintergrund der abstrakten Formulierung des Anspruchswortlauts. Darüber hinaus sind auch zahlreiche nicht-technische Merkmale, die nicht zur erfinderischen Tätigkeit beitragen, aus D1 bekannt. So erlaubt D1 eine Parametrisierung komplexer Systeme, indem funktionelle Beziehungen mittels einer solchen Parametrisierung erreicht werden. Abgegebene Signale werden erfasst und überwacht und es wird eine Entscheidung generiert, ob betriebsspezifische Anlagemittel aktiviert/deaktiviert werden (z.B. ein Kraftwerk abgeschaltet werden soll, vgl. Figur 3 von D1).
Die Kammer stimmt mit der angefochtenen Entscheidung (vgl. Punkt 1.3.3.1) überein, dass D1 im einzelnen offenbart (Fundstellen bezogen auf D1):
ein Überwachungsverfahren zur rückgekoppelten, dynamischen Überwachung von Unterlegungshöhen von technischen Anlagen (Abb.3, par. 55, 56; par. 3 - control purposes, applicable tooperate and control functions, complex System; par. 50-54 - wiederholte Bestimmung der "replacement values" einer Anlage),
wobei mittels einer Kontrolleinheit (Abb. 3 - CPU 10 als Kontrolleinheit) basierend auf aggregierten und analysierten Messdaten (par. 45-47 - "value Signals" erhalten durch Messung, Sensorik) betriebsspezifische Anlagemittel aktivierbar sind, (par. 3 - zur Betriebssteuerung, Kontrolle; par. 58-59 - Steuerung komplexer Systeme, Anlagendeaktivierung),
wobei für unterschiedliche Betriebsarten jeweils eine Parametrisierung basierend auf erfassten entsprechend lokalisierten, betriebsartenspezifischen Daten dynamisch bestimmbar und über einen Lookup Table der entsprechenden Betriebsart zugeordnet abspeicherbar ist, (par. 46, 47 - parametric Signals relating to value Signals are defined, for allowing to adapt value Signals to changing conditions; applying a functional relationship on the original provided value Signals, functional relationship is defined by the parametric values. The parametric Signals establish a mapping scheme on the basis of which the defined basic value Signals are mapped to value Signals; par. 40, 45, 52, 56 - storage component to store and retrieve the electronic data),
wobei zum Erfassen der betriebsartenspezifischen Daten mittels eines Netzwerkinterface mit Quelldatenbanken verbundenen Netzwerknodes über ein Netzwerk zugreifbar verbunden ist, und die Daten über eine Kommunikationseinheit von den Quelldatenbanken über das Netzwerk aggregierbar sind, (par. 10 - receiving signal communicated via an interface component/receiving signals from a storage component; par. 41, 45 - receiving value Signals via a data communication connection established via a communication interface, a receiving value Signals from a storage medium, a storage medium/component, a mass storage etc. The value Signals may be obtained by a previous measurement, sensing or determination Operation; fig. 3, par. 57 - Signals for performing the method received through the data communicationnetwork 60 via the data communication interface 50),
wobei der Inhalt der Daten analysierbar und als gefilterte Daten und/oder als basierend auf den Daten generierten Metadaten abspeicherbar und aggregierbar sind, (par. 40, 45, 52, 56 - elektronische Datenextraktion von "storage component" sowie Speicherung elektronischer Daten im "storage component")
und wobei die Daten mindestens einen definierbaren Schwellwert umfassen, (par. 37 pre-defined threshold value) und basierend auf dem mindestens einen Schwellwert und den erfassten betriebsartenspezifischen Daten die relevanten Parameter filterbar und einer jeweiligen Betriebsart zugeordnet abspeicherbar sind, (par. 37 - rating performed on the basis of the value Signals assigned to the components; comparing of the value Signals with a threshold value which may be pre-defined or which may be derived fromthe value Signals which are compared (means value etc.); par. 40, 45, 52, 56 elektronische Daten sind in "storage component" abspeicherbar),
dass eine statistische Analyse mit einem Interface zum Aggregieren und Analysieren betriebsspezifischen Messdaten über das Netzwerk erfolgt, (par. 45-47 receiving value Signals via data Communications connection obtained by measurement, sensing, determination Operation; par. 37 - derived value Signals are compared, e.g. "means value" etc.),
welche Messdaten mittels der Lookup Table mindestens einer spezifischen Parametrisierung zuordenbar sind, dass mittels basierend auf den kumulierten betriebsspezifischen Messdaten entsprechende Unterlegungshöhen bestimmbar sind, wobei die Unterlegungshöhen statistisch basierend auf der Parametrisierung lokalisiert (par. 10, 13, 46, 47, 59, Ansprüche 3, 6, 10 - parameter Signal to modify the individual Signals by applying the parameter Signal to an individual data Signal; par. 37 rating based on value Signals of components and elements; parametric Signals establish a mapping scheme on the basis of which the defined basic value Signals are mapped to value Signals; par. 19 - determining of replacement data may comprise the determining of replacement values which constitute and represent approximate cost of replacing individual components or total components of a System after failure or destruction; par. 37 - rating performed on the basis of the value Signals assigned to the components ispreferably a comparing of the value Signals with a threshold value which may be predefined or which may be derived from the value Signals which are compared (means value etc.) und die Parameter umgebungsspezifisch gewichtet werden (par.46,59 - parametric Signals relating to value Signals adapt the value Signals to changing conditions, i.e. environmental influences)
und dass eine Kontrolleinheit mit einem Interface vorgesehen ist (Abb. 3, CPU 10 als Kontrolleinheit mit Interfaces),
wobei basierend auf einem Request und/oder einem bestimmbaren Zeitintervall mittels der Kontrolleinheit die entsprechende Unterlegungshöhe dynamisch basierend auf den betriebsspezifischen Messdaten anpassbar ist (par.54 - replacement value determination is to be performed again, renewed determination).
3.8 Außerdem offenbart D1 auch das im Beschwerdeverfahren hinzugefügte Merkmal, dass entsprechende Kontrollfunktionen zur Aktivierung der Anlagemittel durch die Unterlegungshöhen vorgesehen sind (vgl. D1, par. 58 - The overall replacement value may be dedicated to serve a signal for security issues such that the signal may be monitored to decide to switch off the power plant in case the risk assessment being based on the overall replacement value and the signal suggest the termination, respectively).
Im Gegensatz zur angefochtenen Entscheidung (vgl. Seite 10, Punkt II) ist die Kammer weiter der Auffassung, dass D1 auch die Verwendung eines Lookup table implizit offenbart (vgl. D1, par. 47 - the parametric signals may establish a mapping scheme on the basis of which the defined basic value signals are mapped to value signals).
Sogar der Grundgedanke der Parametrisierung in Abhängigkeit von der technischen Relevanz ist aus D1 vorbekannt (vgl. D1, par. 58 - the total number of the components illustrated on the basis of the power plant example have been reduced to a selection of components which are assumed to be relevant to the determination of the overall replacement value. The selection of the components is obtained from a rating of signal values assigned to the components of the system). Damit verbunden ist auch eine Filterung der Parameter im Sinne einer Gewichtung mit Null oder Eins.
3.9 Damit sind die technischen Merkmale des Anspruchs 1 aus D1 vorbekannt und es verbleiben als Unterschiede gegenüber der Lehre von D1 nur abstrakte Schritte, die dem administrativen Konzept und damit der Sphäre des Versicherungsfachmanns zuzuordnen sind. Dies sind Gewichtungsfaktoren für Parameter, deren Normierung, Anpassbarkeit, Datenzuordnungen und Aggregation nach Betriebsarten, sowie Inhalte von Daten wie länderspezifische Informationsinhalte.
Die Kammer stimmt mit der angefochtenen Entscheidung überein, dass sich diese Merkmale direkt aus einer zugrundeliegenden nicht-technischen finanzmathematischen Berechnungsmethode ergeben. Die dynamische Anpassung der Parametrisierung an unterschiedliche Regionen umfasst (siehe Seite 9 der Beschreibung) unterschiedliche Lohnkosten in unterschiedlichen Regionen (Polen, Deutschland, Schweiz) zu berücksichtigen, was auf rein nicht-technischen, geschäftlichen Überlegungen beruht. Eine Normierung dieser Kostenparameter auf eine einheitliche Währung und eine Gewichtung, z.B. nach aktuellen Währungskursen, stellen rein nicht-technische Überlegungen dar.
3.10 Die Grundidee, eine Bestimmung von Unterlegungshöhen für eine Vielzahl unterschiedlichster Anlagemittel (betriebsart-spezifisch) mit einem einheitlichen Kostenermittlungsansatz zu ermöglichen sowie das Konzept dafür, ist dem nicht-technischen Fachmann zuzuordnen. Anders als von der Beschwerdeführerin behauptet, ist es nicht der Programmierer als technischer Fachmann, der mit diesem Konzept zur Ermittlung von Kapitalunterlegungshöhen an den Versicherungsfachmann herantritt. Auch der nicht-technische Fachmann hat Kenntnis von den Möglichkeiten einer Realisierung von geschäftsbezogenen Konzepten auf netzwerkbasierten Computersystemen. Er kannte zum Prioritätszeitpunkt eine Vielzahl von rechner- und netzwerkgestützten geschäftlichen Prozessen (z.B. im Bereich der Zahlungsprozesse, Materialwirtschaft und auch der Versicherungswirtschaft - siehe D1), um eine Vorstellung davon zu haben, was konzeptionell auf einer abstrakten Meta-Ebene realisierbar ist. Was der nicht-technische Fachmann jedoch nicht weiß ist, wie genau eine Implementierung auf dem Computer erfolgt. Dies liegt in der Sphäre des Programmierers, des technischen Fachmanns, und ist bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit zu berücksichtigen (vgl. T 1082/13, Entscheidungsgründe 4.8).
3.11 Nach gängiger Rechtsprechung (vgl. T 641/00 - COMVIK) sind bei einer Erfindung, die wie im vorliegenden Fall aus einer Mischung technischer und nicht-technischer Merkmale besteht und als Ganzes technischen Charakter aufweist, in Bezug auf die Beurteilung des Erfordernisses der erfinderischen Tätigkeit alle Merkmale zu berücksichtigen, die zu diesem technischen Charakter beitragen, wohingegen Merkmale, die keinen solchen Beitrag leisten, das Vorliegen erfinderischer Tätigkeit nicht stützen können. Wie voranstehend dargelegt wurde, bestehen jedoch lediglich Unterschiede zu D1, die keinen technischen Beitrag leisten und sich direkt aus einer zugrundeliegenden nicht-technischen finanzmathematischen Berechnungsmethode ergeben, die dem technischen Fachmann zur Implementierung vorgegeben werden würden.
Weder der Anspruch 1 noch die Anmeldungsunterlagen als Ganzes geben Aufschluss darüber, wie eine technische Implementierung erfolgen soll, welche die Grundlage für einen erfinderischen technischen Beitrag leisten könnte. So sind Filtereinheit und Gewichtungsmodul, Datenbanken sowie Analysemodul lediglich auf einer abstrakten Meta-Ebene als "Module" spezifiziert, ohne dass deren technischer Aufbau im Detail erläutert wird. Diese Merkmale repräsentieren rein abstrakte Funktionen, wie sie der nicht-technische Fachmann in seinem Konzept zugrunde legen würde. Damit gibt der nicht-technische Fachmann auch keine technischen Merkmale vor, denn auch eine Datenbank ist auf dieser abstrakten Ebene nicht zwangsläufig als technisches Merkmal anzusehen, sondern beschreibt lediglich eine Organisation und Ablage von Daten, die im vorliegenden Fall monetäre Daten umfassen und damit kognitiven Charakter besitzen (vgl. Punkt 3.6 oben). Gleiches gilt für Filtereinheit und Gewichtungsmodul oder Analysemodul, welche mathematische Operationen auf monetären Daten repräsentieren.
Was die tatsächliche Implementierung betrifft, wodurch diese "Module" erst zu technischen Merkmalen qualifiziert werden, so sind technische Details dazu im Anspruch nicht spezifiziert. Die Anmelderin geht anscheinend selbst davon aus, dass solche "Module" dem technischen Fachmann zum Anmeldezeitpunkt verfügbar waren und eine technische Implementierung keiner näheren Erläuterung in den Anmeldungsunterlagen bedurfte.
3.12 Für die Implementierung des abstrakten Konzepts zur dynamischen Anpassung von Kapital-Unterlegungshöhen, worin die objektive technische Aufgabe gegenüber der Lehre von D1 zu sehen ist, sind keine besonderen technischen Hürden ersichtlich, zumindest sind weder technische Schwierigkeiten noch besondere Maßnahmen zu deren Überwindung aus den Anmeldungsunterlagen zu entnehmen und wurden auch von der Beschwerdeführerin nicht dargelegt. Eine Implementierung liegt aus Sicht der Kammer im Rahmen des allgemeinen Fachwissens und trägt nicht zu einem eventuellen erfinderischen Schritt im Sinne von Artikel 56 EPÜ bei. Der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Anhang A beruht daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
2. Hilfsantrag gemäß Anhang B
4. Anspruch 1 nach Anhang B ist breiter gefasst als in Anhang A. Damit gilt das Voranstehende sinngemäß auch für diesen Antrag. Der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Anhang B beruht daher ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
5. Die Kammer stimmt damit der angefochtenen Entscheidung im Ergebnis zu, dass keine erfinderische Tätigkeit vorliegt (Artikel 56 EPÜ).
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.