T 0727/14 (Simulationen in einer erweiterten Realität/SIEMENS) 16-10-2018
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System und Verfahren zur Durchführung und Visualisierung von Simulationen in einer erweiterten Realität
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag (nein)
Spät eingereichte Hilfsanträge - zugelassen (nein)
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die europäische Patentanmeldung 04804510.8, die ursprünglich als internationale Anmeldung PCT/EP2004/052783 eingereicht worden und als WO 2005/045729 A1 veröffentlicht worden ist, zurückzuweisen.
In der angefochtenen Entscheidung wurde unter anderem auf die folgenden Druckschriften verwiesen:
D4: Azuma, R. T.: "A Survey of Augmented Reality", Presence: Teleoperators and Virtual Environments Bd. 6, Nr. 4, August 1997, Seiten 1 bis 48;
D6: Raghavan, V. et al.: "Interactive Evaluation of Assembly Sequences Using Augmented Reality", IEEE Transactions on Robotics and Automation, IEEE, Bd. 15, Nr. 3, Juni 1999;
D7: Dixon, K. et al.: "RAVE: A Real and Virtual Environment for Multiple Mobile Robot Systems", Proceedings of the IEEE/RSJ International Conference on Intelligent Robots and Systems, IROS '99, Kyongju, Südkorea, 17 bis 21 Oktober 1999, IEEE, Bd. 3, Seiten 1360 bis 1367.
Die Prüfungsabteilung entschied unter anderem, dass die Ansprüche des Hauptantrags nicht den Erfordernissen des Artikels 84 EPÜ 1973 genügen und dass die Gegenstände der unabhängigen Ansprüche des Hauptantrags und der drei Hilfsanträge im Hinblick auf Dokument D7 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen.
II. In ihrer Beschwerdebegründung beantragte die Beschwerdeführerin die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Erteilung eines Patents auf der Grundlage des Hauptantrags, über den die Prüfungsabteilung entschieden hatte.
III. In ihrem Ladungsbescheid erhob die Beschwerdekammer für die Gegenstände der unabhängigen und abhängigen Ansprüche Einwände zur erfinderischen Tätigkeit im Hinblick auf entweder Dokument D4 oder D7 als relevantem Stand der Technik.
IV. Mit ihrer Antwort vom 17. August 2018 reichte die Beschwerdeführerin Anspruchssätze eines geänderten Hauptantrags sowie eines ersten, zweiten und dritten Hilfsantrags ein.
Bezüglich der Grundlage für die geänderten Ansprüche als auch der Begründung für deren Patentierbarkeit in Bezug auf den im Verfahren genannten Stand der Technik verwies die Beschwerdeführerin auf ihre Eingabe vom 7. August 2013 im erstinstanzlichen Verfahren. In dieser Eingabe wurde argumentiert, warum weder das Dokument D6 noch das Dokument D7 sowohl für sich genommen als auch in Kombination die damaligen Patentansprüche, die später von der Prüfungsabteilung entschieden wurden, nahelegten.
V. Mit ihrem Schreiben vom 11. Oktober 2018 teilte die Beschwerdeführerin mit, dass sie an der Verhandlung nicht teilnehme. Hinsichtlich ihrer Anträge und Argumente für die mündliche Verhandlung verwies sie auf ihre Antwort vom 17. August 2018.
VI. Die Beschwerdeführerin beantragte schriftlich, die Entscheidung über die Zurückweisung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage der mit Schreiben vom 17. August 2018 gemäß Hauptantrag beziehungsweise gemäß der Hilfsanträge 1 bis 3 eingereichten Patentansprüche zu erteilen.
VII. Die mündliche Verhandlung fand am 16. Oktober 2018 in Abwesenheit der Beschwerdeführerin statt. Am Ende der Verhandlung verkündete die Vorsitzende die Entscheidung der Kammer.
VIII. Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt:
"System (1) zur Darstellung von Informationen, insbesondere Augmented-Reality Informationen, für mindestens einen Anwender (2) mit
- mindestens einer Prozessanbindung (17), welche die Veränderung und die Erfassung des aktuellen Zustands eines realen Prozesses erlaubt,
- einer Anwendungssteuerung (14), die zur Ansteuerung des realen Prozesses vermittels der Prozessanbindung (17) ausgebildet und eingerichtet ist, sowie
- mindestens einer Erfassungseinheit (3) zur Erfassung einer Umgebung und zur Generierung entsprechender Umgebungsinformationen (4), die eine Position und/oder eine Ausrichtung des Systems (1) in Bezug auf die Umgebung kennzeichnen, dadurch gekennzeichnet,
- dass das System (1) mindestens ein Simulationssystem (7) zur Generierung von Simulationsdaten (12) und
- mindestens eine Verarbeitungseinheit(8) zur Verknüpfung der Umgebungsinformationen (4) und auf Basis der Simulationsdaten (12) kontinuierlich modifizierter und in einem ersten Speichermedium (5) abgelegter Bildinformationen (6) zur Visualisierung der Simulationsdaten im Kontext mit der erfassten Umgebung, aufweist,
- wobei das Simulationssystem (7) zur Beeinflussung einer laufenden Simulation durch den erfassten aktuellen Zustand des realen Prozesses und weiterhin
- zur Beeinflussung des realen Prozesses vermittels der Prozessanbindung (17) ausgebildet und eingerichtet ist."
IX. Anspruch 1 des ersten Hilfsantrags unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass am Ende des Anspruchs folgender Text hinzugefügt wurde:
", und
- wobei die Anwendungssteuerung (14) weiterhin auch zur Ansteuerung des Simulationssystems (7) ausgebildet und eingerichtet ist.".
X. Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags dadurch, dass folgendes Merkmal nach dem Text "eines realen Prozesses erlaubt," hinzugefügt wurde:
"- einem zweiten Speichermedium (13), in dem aktuelle Zustandswerte des realen Prozesses abgelegt sind,"
und die letzten zwei Merkmale durch die folgenden Merkmale ersetzt wurden:
"- wobei das Simulationssystem (7) derart ausgeführt ist, dass der Ablauf einer Simulation durch die im zweiten Speichermedium (13) abgelegten Zustandswerte kontinuierlich beeinflusst werden kann und
- die im zweiten Speichermedium (13) abgelegten Zustandswerte durch das Simulationssystem (7) modifiziert werden können."
XI. Anspruch 1 des dritten Hilfsantrags unterscheidet sich von Anspruch 1 des zweiten Hilfsantrags dadurch, dass am Ende des Anspruchs folgender Text hinzugefügt wurde:
", und
- wobei die Anwendungssteuerung (14) weiterhin auch zur Ansteuerung des Simulationssystems (7) ausgebildet und eingerichtet ist.".
1. Die Beschwerde genügt den in Regel 101 EPÜ genannten Bestimmungen und ist somit zulässig.
2. Da die ordnungsgemäß geladene Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung nicht anwesend war, wird sie so behandelt, als stütze sie sich lediglich auf ihr schriftliches Vorbringen (Artikel 15(3) VOBK).
Die Erfindung
3. Die Erfindung betrifft ein System und ein Verfahren innerhalb eines Augmented-Reality (erweiterte Realität) Systems zur Visualisierung von Simulationsergebnissen in einer gemischt virtuellen realen Umgebung (Beschreibung der internationalen Veröffentlichung, Seite 13, Zeilen 10 bis 23).
Das System bzw. Verfahren ermöglicht es Anwendern Simulationsprozesse im Kontext einer realen Umgebung, insbesondere im Bereich der industriellen Automatisierungstechnik, durchzuführen und deren statische und dynamische Ergebnisse im Kontext der realen Umgebung zu visualisieren. In der realen Umgebung ablaufende Prozesse werden mittels einer Prozessanbindung erfasst und mit der Simulation synchronisiert. Mit Hilfe einer Steuerungseinheit wird eine wechselseitige Beeinflussung realer Prozesse mit der Simulation ermöglicht.
Hauptantrag
4. Erfinderische Tätigkeit - Artikel 56 EPÜ 1973
4.1 Die angefochtene Entscheidung sieht das Dokument D7 als nächstliegenden Stand der Technik an. Die Beschwerdeführerin hat dies nicht angegriffen.
4.2 Das Dokument D7 beschreibt eine Software zur Bereitstellung einer realen und virtuellen Umgebung für den Einsatz mehrerer heterogener mobiler Roboter. Eine Gruppe realer und virtueller Roboter kann durch eine erweiterte Realität, also eine reale Umgebung mit virtuellen Elementen wie beispielsweise virtuellen Hindernissen, gesteuert werden oder eine solche Steuerung kann simuliert werden (D7, Zusammenfassung, Abschnitt 3.1, Abbildung 3).
Zur Wahrnehmung der erweiterten Realität verfügen die Roboter über reale und/oder virtuelle Sensoren (D7, Abbildungen 1 und 4). Die von realen und virtuellen Sensoren gelieferten Daten können zu Daten eines hybriden Sensors zusammengefasst werden, d.h. eine integrierte Sicht auf die erweiterte Realität mit Daten realer und virtueller Objekte liefern (D7, Abbildung 1, Abschnitte 3.1 und 4.1). Ein Entscheidungsprozess verwendet die Sensordaten als Eingabe und erzeugt Steuerungsbefehle für die Aktuatoren (Antriebselemente) des Roboters (D7, Abschnitte 4.2 und 4.3, Abbildung 4).
Eine Umgebungsverwaltung (D7, Abbildung 3: Environment Manager und Abschnitt 3.2) erhält alle relevanten Änderungen des Zustands der erweiterten Realität, insbesondere die Positionen aller Roboter und virtuellen Hindernisse. Eine Zustandsänderung der erweiterten Realität wird von der Umgebungsverwaltung an alle virtuellen und realen Roboter verteilt (D7, Abschnitte 3.2 und 3.4).
Als graphische Benutzerschnittstelle sieht die D7 eine Beobachtungsschnittstelle (in D7 "Observer" genannt) zur Anzeige der erweiterten Realität im sogenannten World View Panel (D7, Abbildungen 2 und 3 sowie Abschnitt 3.3) vor. Es werden dabei die Positionen von Robotern und virtuellen Hindernissen in der Umgebung angezeigt. Eine Kommandoschnittstelle (D7: "Commander") kann zusätzlich Kommandos an Gruppen von Robotern übermitteln.
4.3 Im Hinblick auf das System gemäß Anspruch 1 offenbart das Dokument D7 bereits einige Merkmale.
4.3.1 D7 offenbart ein System zur Darstellung von Informationen einer erweiterten Realität (D7, Abbildungen 2 und 7) für mindestens einen Anwender.
4.3.2 Die Sensoren und Aktuatoren der Roboter in D7 stellen Prozessanbindungen dar, die die Erfassung und Veränderung des aktuellen Zustands eines realen Prozesses (des vom Umgebungsmanager verwalteten, in Veränderung befindlichen Weltausschnitts einschließlich der realen mobilen Roboter) erlauben.
4.3.3 Der Entscheidungsprozess und die Steuerungskomponente (D7, Abbildung 4: Controller) sind eine Anwendungssteuerung im Sinne des Anspruchs 1.
4.3.4 Da alle Roboter ihre Positionen an die Umgebungsverwaltung übermitteln, sind aus Dokument D7 Erfassungseinheiten, die eine Position des Systems in Bezug auf die Umgebung als Umgebungsinformation bereitstellen, bekannt.
Die Beschwerdeführerin bestritt dies in ihrer Antwort auf den Ladungsbescheid, da D7 zwar verschiedenste interne Relativ-Positionen ermittele und erfasse, allerdings keine "System-Position", welche eine Position/Ausrichtung des Systems in Bezug auf eine reale Umgebung beschreibe.
Dieser Einwand überzeugt die Kammer jedoch nicht, da die Positionen der Roboter sehr wohl eine Position des Systems in Bezug auf die reale Umgebung darstellen. Das in D7 offenbarte System besteht aus mehreren Komponenten, insbesondere den verschiedenen Robotern. Daher ist die Position eines Roboters als eine Position des Systems anzusehen. Auch beschreibt D7 nicht Relativpositionen der Roboter zueinander, sondern Positionen in Bezug auf die reale Umgebung. Beispielsweise erwähnt D7 GPS-Sensoren in Abschnitt 3.1 und GPS-Wegpunkte in Abschnitt 5. Dies geht implizit auch aus der in Abschnitt 5 und Figur 7 der D7 beschriebenen Anwendung einer kollaborativen Kartierung hervor. Hierbei erstellen die Roboter unabhängig voneinander jeweils lokale Karten ihrer Umgebung. Der Kartenserver fragt die lokalen Karten ab und setzt aus diesen eine globale Karte zusammen. Dies spricht gegen die Verwendung von Relativpositionen der Roboter zueinander wie von der Beschwerdeführerin behauptet.
Die Beschwerdeführerin argumentierte außerdem, dass eine Position/Ausrichtung des Systems in Bezug auf eine reale Umgebung bei Systemen zur Implementierung einer erweiterten Realität benötigt werde, bei denen es um die Darstellung virtueller Bildinformationen innerhalb von real erfassten Bildinformationen gehe. Das Dokument D7 offenbare jedoch kein solches System, da keine realen, beispielsweise von einer Kamera erfassten, Bildinformationen offenbart seien.
Allerdings enthält Anspruch 1 kein Merkmal, das diese Argumentation stützen könnte, da eine Erfassung von Bildinformationen mit einer Kamera nicht beansprucht ist. Folglich kann dem Argument der Beschwerdeführerin nicht zugestimmt werden.
4.3.5 Da das aus Dokument D7 bekannte System sowohl reale als auch virtuelle mobile Roboter unterstützt, sind die virtuellen Roboter Teil eines Simulationssystems für Roboter, welches unter anderem Positionsdaten (aber auch andere Daten wie lokale Karten: siehe D7, Abschnitt 5, insbesondere Seite 1365, rechte Spalte, letzter Absatz und Abbildung 7) als Simulationsdaten generiert.
4.3.6 Das Dokument D7 beschreibt einen GUI-Server als Verarbeitungseinheit (D7, Abschnitt 3.2), die Umgebungsinformationen (in D7 beispielsweise Positionsdaten der realen Roboter) mit den auf Basis der laufenden Simulationsdaten (beispielsweise Positionen der virtuellen Roboter) aktualisierten Bildinformationen zur Visualisierung der Simulationsdaten im Kontext mit der erfassten Umgebung verknüpft (siehe D7, Abbildungen 2 und 7; Abschnitt 3.3, insbesondere Seite 1362, rechte Spalte, dritter Absatz). Dies entspricht der Verarbeitungseinheit gemäß Anspruch 1. Es ist hierbei für den Fachmann aus der D7 implizit entnehmbar, dass das World View Panel der Abbildungen 2 und 7 auf in einem Speichermedium abgelegten Bildinformationen beruht, da der Fachmann weiß, dass derartige Daten für die Anzeige im Rechner in einem Speichermedium gespeichert werden.
Nach Ansicht der Beschwerdeführerin offenbart D7 keine in einem Speichermedium abgelegte Bildinformation, da die Bilder der Figuren 2 und 7 lediglich unmittelbar zur Darstellung erzeugte Bilder offenbare.
Diesem Einwand kann die Beschwerdekammer jedoch nicht folgen. Da der Anspruch weder die Art der Bilderzeugung noch die Art der Speicherung der Bildinformationen näher definiert und somit unmittelbar zur Darstellung erzeugte Bilder nicht ausschließt, sind die in den Figuren 2 und 7 dargestellten Bilder als anspruchsgemäße Bildinformationen anzusehen.
4.4 Die zwei letzten Merkmale des Systems gemäß Anspruch 1 sind zwar nicht aus D7 bekannt, wurden dem Fachmann aber von D7 am Prioritätsdatum nahegelegt: Da, wie bereits oben dargelegt, im aus D7 bekannten System die Positionen der realen und virtuellen Roboter sowie der virtuellen Hindernisse jeweils an alle Roboter übermittelt werden, war die Verwendung dieser Positionsinformationen zur Vermeidung von Kollisionen zwischen Robotern naheliegend. Eine solche Vermeidung von Kollisionen war eine offensichtliche Maßnahme, beispielsweise um Beschädigungen an Robotern zu verhindern. Da die virtuellen Roboter reale Roboter simulieren, war diese Maßnahme auch in Bezug auf virtuelle Roboter offensichtlich. Folglich ist eine gegenseitige Beeinflussung von virtuellen und realen Robotern eine für den Fachmann offensichtliche Weiterbildung der D7.
Laut der Beschwerdeführerin offenbart D7 kein Simulationssystem zur Beeinflussung des realen Prozesses. Der sogenannte "Commander" stelle zwar möglicherweise eine Prozessanbindung dar, jedoch erfolge keine Beeinflussung der realen Roboter über diese Schnittstelle.
Das Dokument D7 offenbart jedoch explizit, dass die realen und virtuellen Roboter über die "Commander" Schnittstelle angesteuert werden (Figur 3, Abschnitt 3.4: "Control commands are sent directly to the robots; the two robots on the right are controlled by one Commander, the leftmost by a second Commander."). Außerdem verlangt Anspruch 1 keine Steuerung, sondern lediglich eine Beeinflussung des realen Prozesses durch die Prozessanbindung. Da die aus D7 bekannten Roboter sich zur Vermeidung von Kollisionen gegenseitig ausweichen müssen, ist eine wechselseitige Beeinflussung von Simulation und realem Prozess in dem aus D7 bekannten System für den Fachmann offensichtlich.
4.5 Da alle Merkmale des beanspruchten Systems explizit oder implizit aus D7 bekannt sind oder sich für den Fachmann am Prioritätsdatum in naheliegender Weise aus D7 ergaben, beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit nach Artikel 56 EPÜ 1973.
Hilfsanträge
5. Zulässigkeit - Artikel 13 (1) VOBK
5.1 Gemäß Artikel 12 (2) VOBK müssen die Beschwerdebegründung und die Erwiderung den vollständigen Sachvortrag eines Beteiligten enthalten. Sie sollen neben allen Tatsachen, Argumenten und Beweismitteln auch alle Anträge enthalten (T 764/03 vom 10. Februar 2005, Punkt 6.7 der Entscheidungsgründe). Nach Artikel 13 VOBK steht es im Ermessen der Kammer, Änderungen des Vorbringens zu berücksichtigen, die nach der Beschwerdebegründung vorgenommen wurden. Ein wichtiges Ziel der Artikel 12 und 13 VOBK ist, dafür zu sorgen, dass sich das Vorbringen der Parteien auf ein möglichst frühes Verfahrensstadium konzentriert, damit es bei der Behandlung der Sache möglichst vollständig vorliegt (T 1315/08 vom 31. Mai 2012, Punkt 3 der Entscheidungsgründe; Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 8. Auflage 2016, IV.E.4.2 und die dort zitierten Entscheidungen).
Nach Artikel 13 (1) VOBK hat die Kammer bei der Ausübung des Ermessens auch die gebotene Verfahrensökonomie, das heißt die Notwendigkeit, das Verfahren rasch zum Abschluss zu bringen und Rechtssicherheit zu schaffen, zu berücksichtigen. Aus dem systematischen Zusammenhang der Artikel 12 und 13 VOBK geht zudem hervor, dass Änderungen des Vorbringens durch eine Partei nach Einreichung der Beschwerdebegründung sowie der Erwiderung nicht zum Streitstoff des Beschwerdeverfahrens gehören, sondern der Zulassung in das Verfahren bedürfen, um berücksichtigt zu werden (vgl. T 253/10 vom 16. März 2012, Punkt 2.2 der Entscheidungsgründe). Aufgrund des Stands des Verfahrens in Verbindung mit dem Grundsatz der Verfahrensökonomie müssen die Parteien Anträge so früh wie möglich einreichen, wenn diese zugelassen und berücksichtigt werden sollen.
5.2 Im vorliegenden Verfahren hat die Beschwerdeführerin bei Einlegen der Beschwerde und in ihrer Beschwerdebegründung die von der Prüfungsabteilung entschiedenen drei Hilfsanträge nicht aufrecht erhalten, sondern ausschließlich den von der Prüfungsabteilung entschiedenen Hauptantrag weiterverfolgt. Mit ihrer Antwort auf den Ladungsbescheid der Beschwerdekammer überreichte die Beschwerdeführerin die drei gegenwärtigen Hilfsanträge mit dem Kommentar, dass diese Anträge "im Wesentlichen den Anträgen, welche zur mündlichen Verhandlung am 18.09.2013" vor der Prüfungsabteilung überreicht wurden, entsprächen. Die jeweiligen Ansprüche seien nur geändert worden, um die im Ladungsbescheid der Beschwerdekammer erhobenen formalen Mängel auszuräumen. Bezüglich der Grundlage für die Ansprüche und der Begründung der Patentierbarkeit verwies die Beschwerdeführerin lediglich auf ihre Eingabe vom 7. August 2013 im erstinstanzlichen Verfahren.
5.3 Damit führt die Beschwerdeführerin effektiv die bereits von der Prüfungsabteilung entschiedenen Hilfsanträge verspätet in das Beschwerdeverfahren ein. Eine Begründung, warum es der Beschwerdeführerin trotz der gebotenen Verfahrensökonomie erlaubt sein sollte, die in der Beschwerdebegründung zunächst nicht eingeführten Hilfsanträge nach der Ladung zur mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer verspätet einzuführen, fehlt jedoch.
Da die Beschwerdeführerin für die vorliegenden Hilfsanträge lediglich auf ihre Argumente bei der erstmaligen Einreichung der damaligen Hilfsanträge im Verfahren vor der Prüfungsabteilung verweist, hat sie zudem nicht dargelegt, aus welchen Gründen die angefochtene Entscheidung der Prüfungsabteilung hinsichtlich der damaligen Hilfsanträge, die sich in der Sache nicht wesentlich von den vorliegenden Hilfsanträgen unterscheiden, aufzuheben ist. Die vorliegenden Hilfsanträge sind daher im Beschwerdeverfahren nicht ausreichend substantiiert worden.
5.4 Die Beschwerdekammer hat in ihrem Ladungsbescheid erstmals einen Einwand der mangelnden erfinderischen Tätigkeit hinsichtlich des Dokuments D4 erhoben. Diese Verfahrensentwicklung hätte ein Grund für die Zulassung neuer Anträge als Erwiderung auf den von der Beschwerdekammer neu erhobenen Einwand sein können (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 8. Auflage 2016, IV.E.4.4.3 und die dort zitierten Entscheidungen).
Allerdings liegt bis auf das Argument, der Offenbarungsgehalt der D4, Abschnitt 2.4 sei unklar, keine detaillierte Auseinandersetzung der Beschwerdeführerin mit dem Einwand der Kammer auf Grundlage der D4 vor. Die Beschwerdeführerin hat nicht dargelegt, warum die vorliegenden Hilfsanträge als Reaktion auf den erstmals von der Kammer im Ladungsbescheid erhobenen Einwand zugelassen werden sollten. Insbesondere hat sie nicht begründet, warum die gemäß den Hilfsanträgen beanspruchten Gegenstände auf einer erfinderischen Tätigkeit im Hinblick auf Dokument D4 beruhen. Auch hat sie keine anderweitigen Gründe für die Zulässigkeit der Hilfsanträge angegeben.
5.5 Damit sind die drei vorliegenden Hilfsanträge, die von der Sache her die bereits von der Prüfungsabteilung entschiedenen Hilfsanträge verspätet in das Beschwerdeverfahren einführen, jedoch weder bezüglich ihrer Zulässigkeit noch bezüglich ihrer Patentierbarkeit ausreichend substantiiert. Im Licht der gebotenen Verfahrensökonomie übt die Beschwerdekammer daher das ihr nach Artikel 13 (1) VOBK eingeräumte Ermessen dahingehend aus, dass die drei Hilfsanträge nicht zugelassen werden.
Schlussfolgerung
6. Da keiner der Anträge der Beschwerdeführerin auf Erteilung eines Patents gewährbar ist, ist die Beschwerde zurückzuweisen.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.