T 0253/10 16-03-2012
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Herbizide Mittel für tolerante oder resistente Rapskulturen
Syngenta Limited, European Regional Centre
BASF SE
Zulassung verspätet eingereichter Anträge (nein) - nicht durch den Verfahrensverlauf veranlasst
Wiederzulassung des mit der Beschwerdeschrift eingereichten Haupt- und Hilfsantrag (ja)
Haupt- und Hilfsantrag: Neuheit (nein) - Gegenstand unmittelbar und eindeutig im Stand der Technik offenbart
Vorlage an die Große Beschwerdekammer (nein)
I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung das Europäische Patent Nr. 1 104 241 zu widerrufen Beschwerde eingelegt.
II. In der vorliegenden Entscheidung wird auf die folgenden Druckschriften Bezug genommen.
(1) Crop Protection with Chemicals 1998, Produktdatenblatt für "Liberty (glufosinate ammonium)"
(3) Crop Protection with Chemicals 1998, Produktdatenblatt für "Pursuit (imazethapyr)"
(25) GB 2 267 825
(42) Amendment approval letter and stamped labelling for Liberty®Herbicide
(48) WO 97/36488 A1
(58) WO 96/11573 A1
(60) European and Mediterranean Plant and Protection Organization, EPPO Bulletin, 26, 1996, 349-367
(62) WO 98/09525 A1
(66) EP 0 812 540 A
(70) Seed Production 1996, D.M. Gamroth et al., Herbicide Banding in Grass Seed Crops
(75) EP 0 431 545
(76) A. L. Darwent et al., Weed Technology, 1996, Vol. 10, 923-929
III. Mit den Einsprüchen der Beschwerdegegnerinnen I und II (Einsprechende I und II) war das Streitpatent in seinem gesamten Umfang wegen mangelnder Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Artikel 100(a) EPÜ) angegriffen worden.
IV. Im Einspruchsverfahren fand am 29. April 2009 eine erste mündliche Verhandlung statt, an deren Ende die Einspruchsabteilung zu dem Schluss kam, dass der mehrfach geänderte Hauptantrag sowie die geänderten Hilfsanträge 1 und 2 gegen Artikel 123(2) EPÜ bzw. Artikel 84 EPÜ verstießen. Gegen den dritten Hilfsantrag bestanden ihrer Ansicht nach keine Einwände bezüglich der Artikel 123(2), 84 und 83 EPÜ. Neuheit und erfinderische Tätigkeit wurden aus Zeitgründen nicht mehr diskutiert und die mündliche Verhandlung auf Antrag der Patentinhaberin, das Verfahren schriftlich fortzusetzen, vertagt. Nach erneuter Ladung fand am 1. Oktober 2009 eine zweite mündliche Verhandlung vor der Einspruchsabteilung statt, in der die von der Beschwerdeführerin neu eingereichten Hilfsanträge 1-4 diskutiert wurden, von denen der dritte Hilfsantrag während der Verhandlung mehrfach weitere Änderungen erfuhr, um Neuheit zu erzielen, und der vierte Hilfsantrag ebenfalls ersetzt wurde.
V. Der angefochtenen Entscheidung lagen der in der ersten mündlichen Verhandlung vom 29. April 2009 eingereichte Hauptantrag, die mit Schreiben vom 31. Juli 2009 (eingegangen am 4. August 2009, vorab per FAX am 31. Juli 2009) eingereichten Hilfsanträge 1 und 2 und die während der zweiten mündlichen Verhandlung am 1. Oktober 2009 eingereichten Hilfsanträge 3 und 4 zugrunde.
Die Einspruchsabteilung entschied, dass der Hauptantrag und die Hilfsanträge 1 und 2 gegen Artikel 123(2) EPÜ verstießen, da die in die unabhängigen Ansprüche 1-4 aufgesplitteten spezifizierten Kombinationen aus den Komponenten (A) und (B) eine neue, durch die ursprüngliche Anmeldung nicht gestützte Auswahl darstellten. Weiterhin entschied sie, dass der Hilfsantrag 3 die Erfordernisse der Artikel 123(2) und 84 EPÜ sowie der Regel 80 EPÜ erfülle, der Gegenstand der Ansprüche durch die vorgenommenen Streichungen nunmehr neu sei, aber nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Nach Auffassung der Einspruchsabteilung lag die technische Aufgabe in der Bereitstellung weiterer Herbizidkombinationen zur Anwendung in Rapskulturen, da der geltend gemachte Synergismus nicht über die ganze Breite belegt worden sei. Synergismus sei nicht vorhersehbar und könne nur dann anerkannt werden, wenn er für eine bestimmte Herbizidkombination auch tatsächlich nachgewiesen worden sei. Vor dem Hintergrund der Druckschrift (62) allein oder in Kombination mit den Druckschriften (58), (60) oder (66), die Herbizidmischungen von Glufosinat-ammonium, Glyphosat oder Imidazolinonen mit z.B. Metazachlor, Dimethachlor oder Quinmerac für Raps beschrieben, oder des allgemeinen Fachwissen sei dies jedoch Routinetätigkeit gewesen, die keiner erfinderischen Tätigkeit bedurfte. Die Einspruchsabteilung stellte weiterhin fest, dass der ihr vorliegende Hilfsantrag 4 nicht die Erfordernisse der Artikel 123(3) und 84 EPÜ erfülle und aus den gleichen Gründen wie Hilfsantrag 3 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
VI. Mit der Beschwerdebegründung reichte die Beschwerdeführerin einen neuen Hauptantrag sowie einen neuen Hilfsantrag ein. Der neue Hauptantrag basierte mit der Aufsplittung des erteilten Anspruchs 1 in drei unabhängige Ansprüche auf dem gleichen Format wie der Hauptantrag, welcher der angefochtenen Entscheidung zugrunde lag und von der Einspruchsabteilung wegen Verstoßes gegen Artikel 123(2) EPC zurückgewiesen worden war. Im Hilfsantrag wurde dieses Format nicht benutzt. Die Neuheitsschädlichkeit der von der Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung als vorbeschrieben angesehenen Kombinationen von Glufosinat-ammonium mit Clopyralid oder Clethodim, Glyphosat mit Metazachlor, Glufosinat mit Clomazon und Glyphosat mit Quizalofop (Druckschriften (42), (48), (70) und (76)) für die Verwendungsansprüche oder den Produktanspruch des Haupt- und Hilfsantrags wurde von der Beschwerdeführerin bestritten. Des Weiteren reichte die Beschwerdeführerin auch Versuchsergebnisse, die bereits der Einspruchsabteilung vorlagen, ergänzende Versuchsergebnisse sowie zusätzliche Druckschriften zur Stützung ihrer Argumentation hinsichtlich der Zulässigkeit der Aufsplittung des Anspruchs 1 des Streitpatents in drei unabhängige Ansprüche ein.
VII. Der Hauptantrag besteht aus 11 Ansprüchen. Die unabhängigen Ansprüche 1-3 lauten wie folgt:
"1. Verwendung von Herbizid-Kombinationen zur Bekämpfung von Schadpflanzen in Rapskulturen, dadurch gekennzeichnet, dass die jeweilige Herbizid-Kombination einen wirksamen Gehalt an
(A) einem breitwirksamen Herbizid aus der Gruppe der Verbindungen, welche aus
(Al) Verbindungen der Formeln (Al),
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
worin Z einen Rest der Formel -OH oder einen Peptidrest der Formel -NHCH(CH3)CONHCH(CH3)COOH oder
-NHCH(CH3)CONHCH[CH2CH(CH3)2]COOH bedeutet, und deren Estern und Salzen und anderen Phosphinothricin-derivaten,
besteht,
und
(B) einem Herbizid aus der Gruppe der Verbindungen, welche aus
(B1) Metazachlor, Clomazone und Dimethachlor,
(B2) Quinmerac, Clopyralid, Pyridate und Ethametsulfuron-methyl,
(B3) Quizalofop-P und dessen Ester, Fenoxaprop-P und dessen Ester, Fluazifop-P und dessen Ester, Haloxyfop und Haloxyfop-P und deren Ester und
(B4) Cycloxydim und Clethodim besteht,
aufweist und die Rapskulturen gegenüber den in der Kombination enthaltenen Herbiziden (A) und (B), gegebenenfalls in Gegenwart von Safenern, tolerant sind."
"2. Verwendung von Herbizid-Kombinationen zur Bekämpfung von Schadpflanzen in Rapskulturen, dadurch gekennzeichnet, dass die jeweilige Herbizid-Kombination einen wirksamen Gehalt an
(A) einem breitwirksamen Herbizid aus der Gruppe der Verbindungen, welche aus
(A2) Verbindungen der Formel (A2) und deren Salzen,
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
vorzugsweise Glyphosate und dessen Alkalimetallsalzen oder Salzen mit Aminen, besteht,
und
(B) einem Herbizid aus der Gruppe der Verbindungen, welche aus
(B1) Metazachlor, Clomazone und Dimethachlor,
(B2) Quinmerac,
(B3) Quizalofop-P und dessen Ester, Fenoxaprop-P und dessen Ester, Fluazifop-P und dessen Ester, Haloxyfop und Haloxyfop-P und deren Ester, und
(B4) Cycloxydim besteht,
aufweist und die Rapskulturen gegenüber den in der Kombination enthaltenen Herbiziden (A) und (B), gegebenenfalls in Gegenwart von Safenern, tolerant sind."
"3. Verwendung von Herbizid-Kombinationen zur Bekämpfung von Schadpflanzen in Rapskulturen, dadurch gekennzeichnet, dass die jeweilige Herbizid-Kombination einen wirksamen Gehalt an
(A) einem breitwirksamen Herbizid aus der Gruppe der Verbindungen, welche aus
(A3) Imidazolinonen und deren Salzen besteht,
und
(B) einem Herbizid aus der Gruppe der Verbindungen, welche aus
(B1) Metazachlor, Clomazone und Dimethachlor,
(B2) Clopyralid und Ethametsulfuron-methyl,
(B3) Quizalofop-P und dessen Ester, Fenoxaprop-P und dessen Ester, Fluazifop-P und dessen Ester, und
(B4) Clethodim besteht,
aufweist und die Rapskulturen gegenüber den in der Kombination enthaltenen Herbiziden (A) und (B), gegebenenfalls in Gegenwart von Safenern, tolerant sind."
Als weitere unabhängige Ansprüche 7, 10 und 11 enthält der Hauptantrag einen Anspruch, der auf die Verwendung spezifischer Herbizid-Kombination (A) und (B) mit synergistisch wirksamen Gehalt in toleranten Rapskulturen gerichtet ist, einen Verfahrenanspruch zur Bekämpfung von Schadpflanzen in Rapskulturen mittels der Herbizid-Kombination gemäß den Ansprüchen 1-7 und einen Sachanspruch, der auf Herbizid-Kombinationen mit Glufosinat-ammonium und spezifischen Herbiziden (B1'), (B2'), (B3') und (B4') mit jeweils synergistisch wirksamen Gehalt gerichtet ist.
Der Hilfsantrag besteht aus 9 Ansprüchen. Der unabhängige Anspruch 1 lautet wie folgt:
"1. Verwendung von Herbizid-Kombinationen zur Bekämpfung von Schadpflanzen in Rapskulturen, dadurch gekennzeichnet, dass die jeweilige Herbizid-Kombination einen wirksamen Gehalt an
(A) einem breitwirksamen Herbizid aus der Gruppe der Verbindungen, welche aus
(Al) Verbindungen der Formeln (Al),
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
worin Z einen Rest der Formel -OH oder einen Peptidrest der Formel -NHCH(CH3)CONHCH(CH3)COOH oder
-NHCH(CH3)CONHCH[CH2CH(CH3)2]COOH bedeutet, und deren Estern und Salzen und anderen Phosphinothricin-derivaten,
(A2) Verbindungen der Formel (A2) und deren Salzen,
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
vorzugsweise Glyphosate und dessen Alkalimetallsalzen oder Salzen mit Aminen, und
(A3) Imidazolinonen und deren Salzen
besteht,
und
B) einem Herbizid aus der Gruppe der Verbindungen, welche aus
(B1) Metazachlor, Clomazone und Dimethachlor, und
(B3) Quizalofop-P und dessen Ester, Fenoxaprop-P und dessen Ester, und Fluazifop-P und dessen Ester, besteht,
aufweist und die Rapskulturen gegenüber den in der Kombination enthaltenen Herbiziden (A) und (B), gegebenenfalls in Gegenwart von Safenern, tolerant sind."
Als weitere unabhängige Ansprüche enthält der Hilfsantrag den Verwendungsanspruch 4 und den Sachanspruch 9, die mit den Ansprüchen 7 und 11 des Hauptantrags identisch sind.
Als weitere unabhängige Ansprüche 3, 5 und 8 enthält der Hilfsantrag zwei Verwendungsansprüche, die auf synergistisch wirksame Herbizid-Kombinationen von Glufosinat-ammonium bzw. Glyphosat-isopropylammonium mit spezifischen Herbiziden (B1), (B2), (B3) und (B4) gerichtet ist und einen Verfahrensanspruch zur Bekämpfung von Schadpflanzen in Rapskulturen mittels Herbizid-Kombinationen gemäß der Ansprüche 1-5.
VIII. In ihrer Antwort auf die Beschwerdebegründung bemängelte die Beschwerdegegnerin I, dass der Hauptantrag gegen Artikel 123(2) EPÜ verstoße, unter anderem weil der Gegenstand der Ansprüche 1-3 eine unzulässige Auswahl aus zwei Listen darstelle. Sie erhob weiterhin Einwände unter Artikel 123(3) EPÜ gegen die Streichung des Disclaimers, unter Artikel 84 EPÜ im Hinblick auf das Merkmal "synergistisch wirksamer Gehalt" der beiden Komponenten gemäß Anspruch 11 und unter Regel 80 EPÜ gegen die Streichung des Begriffs "oder mehrere". Des Weiteren bestritt die Beschwerdegegnerin I die Neuheit unter Hinweis auf die Druckschrift (48) sowie die Druckschriften (1) und (3). Bezüglich erfinderischer Tätigkeit sah sie zwei Teilprobleme: die Bekämpfung von Schadpflanzen und die Vermeidung von Schäden an der Kulturpflanze. Letzteres sei offensichtlich durch den Einsatz von gegenüber dem breitwirksamen Herbizid tolerantem Raps gelöst. Diese Toleranz würde der Fachmann auch beim Einsatz der beanspruchten Kombinationen des breitwirksamen Herbizides mit einem weiteren selektiven Herbizid erwarten. Bezüglich des ersten Teilproblems teilte die Beschwerdegegnerin I die Auffassung der Einspruchsabteilung im Hinblick auf die zu lösende technische Aufgabe, deren Lösung sie darüber hinaus im Hinblick auf die Druckschriften (60), (1), (75) oder (25) sowie weiterer von ihr mit der Antwort auf die Beschwerdebegründung eingereichter Druckschriften als naheliegend ansah. Synergismus war ihrer Ansicht nach trotz der zusätzlichen Versuchsergebnisse der Beschwerdeführerin nicht über die ganze Breite belegt. Darüber hinaus konnte aus ihrer Sicht ein solcher Effekt, selbst wenn er anzuerkennen war, im Hinblick auf die Druckschriften (62), (60) und (25) die erfinderische Tätigkeit nicht stützen. Die gleichen Einwände erhob sie auch gegen den Hilfsantrag.
IX. Auch die Beschwerdegegnerin II erhob in ihrer Antwort auf die Beschwerdebegründung Einwände unter Artikel 123(2) EPÜ gegen den Hauptantrag, da ihrer Ansicht nach ursprünglich nicht offenbarte Kombinationen beansprucht würden. Des Weiteren erhob sie Einwände unter Artikel 84 EPÜ gegen den Begriff "synergistisch" im Produktanspruch 11 und unter Regel 80 EPÜ gegen die Streichung des Begriffs "oder mehrere" aus den Ansprüchen 1, 2, 3 und 11. Bezüglich Neuheit verwies sie auf die Druckschriften (42), (48) und (70) sowie (1) und (3). Das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit wurde für Ansprüche, die sich nicht auf synergistische Kombinationen bezogen, im Hinblick auf die Druckschrift (42), für synergistische Kombinationen im Hinblick auf die Druckschrift (62) bestritten. Auch die Beschwerdeführerin II verwies darauf, dass Synergismus über den gesamten beanspruchten Bereich belegt sein müsse. Die gleichen Einwände wurden auch gegen den Hilfsantrag erhoben.
X. In einem Bescheid der Kammer, der der Ladung vom 12. Dezember 2011 als Anlage beigefügt war, teilte die Kammer den Parteien die in der Verhandlung zu diskutierenden Punkte mit. Sie verwies auf die bereits von den Beschwerdegegnerinnen erhobenen Einwände unter Artikel 123(2), 84, 54 und 56 EPÜ sowie Regel 80 EPÜ und die in diesem Zusammenhang zu klärenden Fragen. Darüber hinaus äußerte die Kammer Bedenken gegen die Einführung neuer abhängiger und neuer unabhängiger Ansprüche unter Regel 80 EPÜ und Artikel 123(2) EPÜ.
XI. Mit Schreiben vom 15. Februar 2012, knapp einen Monat vor der mündlichen Verhandlung, reichte die Beschwerdeführerin einen neuen Hauptantrag ein, mit dem sie den alten Hauptantrag ersetzte, sowie vier Serien A-D mit je 1-7 Hilfsanträgen. Der ursprüngliche Hilfsantrag wurde zurückgenommen. Bezüglich des Hauptantrags wurden die Änderungen sowie die Zulässigkeit der Aufsplittung in mehrer unabhängige Ansprüche mit jeweils unterschiedlichen Kombinationen nochmals erläutert, wobei die Beschwerdeführerin auf die Entscheidung T 888/08, auf die Entscheidung der Kammer 3.3.01 in anderer Besetzung vom 23. Januar 2012 in der Beschwerdesache T 371/10, deren Protokoll sowie die dort eingereichten Anspruchssätze beigeheftet waren, sowie auf die Entscheidungen der Prüfungsabteilung in zwei weiteren Fällen Bezug nahm. Bezüglich der Neuheit des Hauptantrags argumentierte die Beschwerdeführerin, dass diese durch die vorgenommenen Änderungen hergestellt wurde. Des Weiteren brachte sie weitere Argumente im Hinblick auf die erfinderische Tätigkeit vor, die sie durch zusätzlich eingereichte Druckschriften stützte. Bezüglich der Hilfsanträge wurde lediglich knapp erläutert, welche Änderungen vorgenommen wurden. Eine Rechtfertigung, warum die Anträge erst zu diesem Zeitpunkt eingereicht wurden, enthielt das Schreiben nicht.
XII. Ebenfalls mit Schreiben vom 15. Februar 2012 brachte die Beschwerdegegnerin II weiter Argumente zu ihren bisherigen Einwänden vor, die sie durch gleichzeitig eingereichte weitere Druckschriften stützte.
XIII. Am 15. und 16. März 2012 fand die mündliche Verhandlung vor der Kammer statt. Im Verlauf dieser Verhandlung wurde zunächst die Zulassung der Anträge der Beschwerdeführerin vom 15. Februar 2012 diskutiert. In dieser Diskussion gab die Kammer zu bedenken, dass im Ladungsbescheid vom 12. Dezember 2011 die Einwände der Beschwerdegegnerinnen I und II als zu erörternde Punkte aufgegriffen worden seien, und dass ein solcher Ladungsbescheid sowie auch die vorläufige Auffassung einer Kammer nicht als Aufforderung angesehen werden könne, geänderte Ansprüche einzureichen. Die Kammer warf sodann ein, dass die Einwände im Ladungsbescheid, insbesondere zur Neuheit bereits seit langem im Verfahren gewesen seien und die Beschwerdeführerin keine objektive Veranlassung für das späte Einreichen der neuen Anträge dargetan hätte. Des Weiteren stellte die Kammer fest, dass in den geänderten Anspruchsätzen neue Einwände hinzugekommen seien, die prima facie gegen Regel 80 EPÜ zu verstoßen schienen. Nachdem die Kammer entschieden hatte, die Anträge vom 15. Februar 2012 nicht in das Verfahren zuzulassen, reichte die Beschwerdeführerin einen neuen Hauptantrag ein, der nach Diskussion mit den Parteien von der Kammer ebenfalls nicht in das Verfahren zugelassen wurde. Diese Ablehnung wurde von der Beschwerdeführerin unter Regel 106 EPÜ in Verbindung mit Artikel 112a(2)c EPÜ als schwerwiegende Verletzung ihres rechtlichen Gehörs gerügt. Die Beschwerdeführerin zog sich in der Folge auf den mit der Beschwerdeschrift eingereichten Haupt- und Hilfsantrag zurück, die sie als noch im Verfahren befindlich ansah, beziehungsweise deren Wiederzulassung sie hilfsweise beantragte. Nach Diskussion mit den Parteien wurde der Einwand der Beschwerdeführerin unter Regel 106 EPÜ zurückgewiesen und die mit der Beschwerdeschrift eingegangenen Anträge wieder in das Verfahren zugelassen. Anschließend wurde die Neuheit dieser Anträge im Hinblick auf die Druckschrift (1) diskutiert. Als Reaktion auf die Schlussfolgerung der Kammer, dass die Anträge nicht neu waren, reichte die Beschwerdeführerin zwei weitere Hilfsanträge ein, gegen deren Nichtzulassung in das Verfahren durch die Kammer sie jeweils einen zweiten und dritten Einwand unter Regel 106 EPÜ in Verbindung mit Artikel 112a(2)(c),d) EPÜ erhob, die von der Kammer nach Diskussion mit den Parteien zurückgewiesen wurden. Im Laufe der mündlichen Verhandlung stellte die Beschwerdeführerin ebenfalls einen Antrag auf Vorlage von Rechtsfragen an die große Beschwerdekammer.
XIV. Die Argumente der Beschwerdeführerin, soweit sie für die vorliegende Entscheidung relevant sind, lassen sich wie folgt zusammenfassen:
- Zulassung der Anträge
Das Einreichen der Anträge vom 15. Februar 2012 sei gerechtfertigt durch den Ladungsbescheid der Kammer und die mündlichen Verhandlung, die in der Beschwerdesache T 371/10 am 23. Januar 2012 stattgefunden habe (im folgenden Reis-Fall genannt). Deren Ergebnis habe man aus verfahrensökonomischen Gründen abwarten wollen, um dann passende Anträge vorzulegen. Ferner seien die durchgeführten Änderungen sehr begrenzt und gäben keinen Anlass zu Fragen oder Probleme, die den Beschwerdegegnerinnen nicht bereits bekannt waren. Die Zahl der Anträge sei zwar hoch, ihr Komplexitätsgrad jedoch gering. Solche Anträge einen Monat vor der mündlichen Verhandlung einzureichen sei kein unübliches oder unzumutbares Vorgehen und werde von den meisten Kammern akzeptiert. Im Hinblick auf die Änderungen bezüglich der Einführung der Glyphosat-sulfosate und des neuen Anspruchs 4, die von der Kammer unter Regel 80 EPÜ beanstandet wurden, sei Ersteres das Resultat der mündlichen Verhandlung im Reis-Fall und Letzteres eine Reaktion auf den Neuheitseinwand gegenüber der Druckschrift (48).
Bezüglich des Hauptantrags vom 15. März 2012 seien die von den Beschwerdegegnerinnen geltend gemachten Einwände mangelnder Klarheit und mangelnder Neuheit durch einfache Streichungen behoben wurden. Ferner sei die gegenüber den Anträgen vom 15. Februar 2012 geltend gemachte Komplexität ausgeräumt worden. Im Übrigen ergebe sich mit dem Ladungsbescheid für die Patentinhaberin in aller Regel noch einmal eine Gelegenheit, sich mit den im Ladungszusatz angesprochenen Einwänden zu befassen. Daraufhin erfolgende Änderungen nicht mehr zuzulassen nehme der Beschwerdeführerin jegliche Möglichkeit auf den Ladungsbescheid zu reagieren und entspreche nicht dem Gebot der Fairness.
Die mit der Beschwerdeschrift am 9. April 2010 eingereichten Anträge seien noch im Verfahren, da die Anträge vom 15. Februar 2012 und der Hauptantrag vom 15. März 2012 nicht zugelassen worden seien und die Anträge vom 9. April daher auch nicht ersetzen konnten. Hilfsweise werde deren Wiederzulassung beantragt.
Der Hilfsantrag vom 15. März 2012 sei ausschließlich als direkte Reaktion auf die vorausgegangene Diskussion der Neuheit gegenüber der Druckschrift (1) eingereicht worden. Mit der Streichung einer Komponente sei der Komplexitätsgrad der Änderung gering und eine Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht erforderlich. Die Änderung sei zudem geeignet den erhobenen Neuheitseinwand zu beheben. Ein solcher Antrag sei im Hinblick auf die Artikel 13(1) und (3) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) zuzulassen.
Der Hilfsantrag vom 16. März 2012 sei zuzulassen, da er prima facie gewährbar sei. Alle Einwände bezüglich Neuheit, Klarheit, Regel 80 EPÜ seien durch Änderungen in den Ansprüchen 1 und 2 und die Streichung der Ansprüche 3-7 und 11 überwunden, ebenso der Einwand unter Artikel 123(2) EPÜ. Der beanspruchte Gegenstand werde durch die ursprünglichen Ansprüche und die ursprüngliche Beschreibung gestützt. Darüber hinaus lägen im Hinblick auf die erfinderische Tätigkeit für alle beanspruchten Kombinationen Wirkungsnachweise vor.
- Neuheit
Die Druckschrift (1) sei nicht neuheitsschädlich für den Gegenstand des mit der Beschwerdeschrift eingereichten Hauptantrags, da aus dieser Druckschrift nicht unmittelbar und eindeutig die Anwendung der registrierten Mischung von Liberty und Venture 25DG in tolerantem Raps hervorgehe.
- Rügen unter Regel 106
Die Nichtzulassung ihrer Anträge vom 15. Februar 2012, 15. März 2012 und 16. März 2012 verletze das rechtliche Gehör der Beschwerdeführerin und werde unter Regel 106 EPÜ aus folgenden Gründen gerügt:
Rüge nach Regel 106 vom 15. März 2012
Nach Art. 113 (1) EPÜ dürfen Entscheidungen des Europäischen Patentamts nur auf Gründe gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.
Anträge der Patentinhaberin mit denen neue Ansprüche eingereicht werden stellen solche Äußerungen der Beteiligten dar. Lehnt es das Europäische Patentamt ab, sachgerechte Anträge zuzulassen und stützt es die Entscheidung folglich auf Gründe, die solche Anträge nicht berücksichtigen, so ist Art. 113 (1) EPÜ verletzt.
Vorliegend hat die Patentinhaberin einen ersten Satz Anträge mit der Beschwerdebegründung eingereicht. Die Ladung zur mündlichen Verhandlung erging am 12. Dezember 2011. Mit Schriftsatz vom 15. Februar 2012 wurden neue Anträge eingereicht, die es den Beteiligten ermöglichen sollten, sich im Vorfeld der mündlichen Verhandlung mit den denkbaren Anträgen zu befassen, mit denen die Patentinhaberin auf mögliche Entwicklungen und Vortrag der Beschwerdegegnerinnen in der mündlichen hätte reagieren wollen.
Die Beschwerdekammer hat der Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung vom 15. März 2012 die Möglichkeit verwehrt, die am 15. Februar 2012 eingereichten Anträge zu verfolgen. Die Begründung der Patentinhaberin, dass die Einreichung vom 15. Februar 2012 als Reaktion auf die Ladung vom 12. Dezember 2011 sachgerecht gewesen sei hat, die Kammer mit der Begründung abgelehnt, dass die Ladung nichts enthalten habe, was nicht schon zuvor von einer der Einsprechenden vorgetragen worden sei.
Dabei hat die Kammer außer Acht gelassen, dass die Patentinhaberin nach Kenntnis der Position der Kammer zum Vortrag der Einsprechenden Gelegenheit hätte haben müssen, angemessen zu reagieren.
Die Beschwerdekammer hat der Patentinhaberin in der mündlichen Verhandlung vom 15. März 2012 ferner die Möglichkeit verwehrt, die am 15. Februar 2012 eingereichten Anträge aus Gründen der Berücksichtigung der Erkenntnisse aus einer ca. 7 Wochen vor der mündlichen Verhandlung ergangenen Beschwerdekammerentscheidung in einer rechtlich betrachtet nahezu identischen Sache verfolgen zu können. Die Kammer hat sich zur Ablehnung dieser Begründung nicht geäußert.
Die Beschwerdekammer hat der Patentinhaberin schließlich die Möglichkeit verwehrt, in der mündlichen Verhandlung auf die überraschende Rechtsauffassung der Beschwerdekammer zur Verspätung der Anträge wie oben dargestellt, in der mündlichen Verhandlung mit einem neuen Antrag zu reagieren, mit dem die umfassenderen Anträge, die am 15. Februar 2012 vorgelegt worden waren abgelehnt worden waren. Auch dieser Antrag wurde als verspätet zurückgewiesen.
Im Ergebnis hat die Beschwerdekammer der Patentinhaberin somit die Möglichkeit verwehrt, Tatsachen, die sich aus dem Ladungszusatz ergeben haben (Auffassung der Kammer zu dem Vortrag der Parteien), sowie Tatsachen, die sich aus der mündlichen Verhandlung in der Parallelsache am 23. Januar 2012 ergeben haben, Rechnung zu tragen bzw. sich dazu in Form von begründeten Anträgen zu äußern, weil diese Äußerung als verspätet zurückgewiesen wurde.
Die Einsprechenden waren weder durch die Anträge vom 15. Februar 2012 noch durch den in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag über Gebühr belastet. Die Anträge vom 15. Februar 2012 waren zwar zahlreich, aber ein Studium des Inhalts zeigt sofort, dass es sich überwiegend um Rückzugslinien handelt, die entweder bereits im Verfahren diskutiert worden waren oder Einwände der Beschwerdegegnerin aus den Parallelverfahren antizipiert haben und somit den Verlauf der mündlichen Verhandlung erleichtern sollten.
Die Praxis des Europäischen Patentamts schließt nicht per se die Einreichung von Anträgen während der mündlichen Verhandlung aus. Dieselbe Kammer in anderer Besetzung hat in der Verhandlung am 23. Januar 2012 eine sachgerechte Reaktion der Patentinhaberin auf die Rechtsauffassung der Kammer und den Vortrag der Einsprechenden in Form verschiedener Hilfsanträge zugelassen, wie dies auch die Praxis anderer Beschwerdekammern ist.
Die Nichtzulassung der Anträge verletzt zusätzlich zu Art. 113 (1) EPÜ die Grundsätze der Verfahrensökonomie und das Recht auf ein faires Verfahren.
Rüge nach Regel 106 EPÜ (Art. 112 (2) c), d) vom 16. März 2012
Nach Art. 113 (1) EPÜ dürfen Entscheidungen des Europäischen Patentamts nur auf Gründe gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.
Anträge der Patentinhaberin, mit denen neue Ansprüche eingereicht werden, stellen solche Äußerungen der Beteiligten dar. Lehnt es das Europäische Patentamt ab, sachgerechte Anträge zuzulassen und stützt es die Entscheidung folglich auf Gründe, die solche Anträge nicht berücksichtigen, so ist Art. 113 (1) EPÜ verletzt.
Vorliegend wurde der Hauptantrag vom 9. April 2010 in der mündlichen Verhandlung am 15. März 2012 im Hinblick Art. 54 EPÜ ausgiebig erörtert. Die Beschwerdekammer kam nach Beratung zu dem Ergebnis, dass das Dokument D1 den Gegenstand des Anspruchs 1 des neuen Hauptantrags neuheitsschädlich vorwegnehme, weil das Dokument D1 innerhalb der verschiedenen Kombinationen des Anspruchs 1 die Kombination Gluphosinate-Ammonium mit Fluazifop offenbart. Die Beschwerdeführerin reichte daraufhin einen Hilfsantrag ein, der diesem Einwand Rechnung trug, in dem das Merkmal "Fluazifop" gestrichen war.
Die Beschwerdekammer wies den Hilfsantrag als verspätet zurück.
Damit hat die Beschwerdekammer gegen Art. 113 (1) EPÜ verstoßen.
Die Parteien haben im Verfahren vor dem Europäischen Patentamt ein durch die Verfassungen der Mitgliedsstaaten geschütztes Recht, Anträge zu stellen, die es ihnen erlauben, den jeweiligen Beanstandungen Rechnung zu tragen. Dieses Recht ist in Art. 113 EPÜ niedergelegt. Dieses Recht findet seine Grenze in der Verfahrensökonomie und den Rechten der anderen Beteiligten.
Die VOBK kodifiziert diese Grundsätze in Art. 13 VOBK und weist die Grenzen des rechtlichen Gehörs auf. Nach Art. 13 (1) VOBK steht es im Ermessen der Kammer, Änderungen des Vorbringens eines Beteiligten nach Einreichung seiner Beschwerdebegründung oder Erwiderung zuzulassen und zu berücksichtigen. Bei der Ausübung des Ermessens werden insbesondere die Komplexität des neuen Vorbringens, der Stand des Verfahrens und die gebotene Verfahrensökonomie berücksichtigt.
Nach Art. 13 (3) VOBK werden Änderungen des Vorbringens nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung nicht zugelassen, wenn sie Fragen aufwerfen, deren Behandlung der Kammer oder dem bzw. den anderen Beteiligten ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht zuzumuten ist.
Es ist daher hinsichtlich der Zulässigkeit eines Hilfsantrags in der mündlichen Verhandlung zu prüfen, ob der Hilfsantrag komplex ist und Fragen aufwirft deren Behandlung der Kammer oder dem bzw. den anderen Beteiligten ohne Verlegung mündliche Verhandlung nicht zuzumuten wäre.
Vorliegend hat die Beschwerdekammer den Antrag auf der Grundlage des Zeitmoments hätte früher eingereicht werden können ohne weitere Prüfung der in der VOBK niedergelegten Maßstäbe zurückgewiesen. Damit hat sie entgegen der VOBK und der Praxis der Beschwerdekammern (siehe z.B. T 2085/10), insbesondere derselben Kammer in anderer Besetzung das rechtliche Gehör in schwerwiegender Weise verletzt. Denn die Unzulässigkeit des Hilfsantrags betrifft ein Grundrecht der Patentinhaberin und war für die Zurückweisung der Beschwerde kausal.
Bei einer solchen Prüfung wäre aufgrund der einfachen Streichung eines Merkmals, welches lediglich ein neuheitsschädlich vorweggenommenes Kombinationselement entfernte nur der Schluss möglich gewesen, dass die Komplexität äußerst gering ist und die Behandlung des ansonsten seit dem 9. April 2010 unveränderten Anspruchs der Kammer und den anderen Beteiligten ohne Verlegung mündliche Verhandlung zuzumuten gewesen wäre.
Die VOBK ist nach Art. 23 VOBK für die Beschwerdekammern verbindlich, soweit sie nicht zu einem mit dem Geist und Ziel des Übereinkommens unvereinbaren Ergebnis führt. Eine solche Unvereinbarkeit ist vorliegend nicht erkennbar.
Die Beschwerdeführerin durfte auch darauf vertrauen, dass sie mit derselben Auslegung der VOBK rechnen darf, wie sie dieselbe Kammer in anderer Besetzung 7 Wochen zuvor zu erkennen gegeben hatte und einen Hilfsantrag einreichen darf, wenn dieser nicht gegen die in der VOBK Art. 13 niedergelegten Grundsätzen steht.
Rüge nach Regel 106 EPO (Art. 112 (2) c), d) vom 16. März 2012
Nach Art. 113 (1) EPÜ dürfen Entscheidungen des Europäischen Patentamts nur auf Gründe gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.
Anträge der Patentinhaberin mit denen neue Ansprüche eingereicht werden, stellen solche Äußerungen der Beteiligten dar. Lehnt es das Europäische Patentamt ab, sachgerechte Anträge zuzulassen und stützt es die Entscheidung folglich auf Gründe, die solche Anträge nicht berücksichtigen, so ist Art. 113 (1) EPÜ verletzt.
Vorliegend wurde der in der mündlichen Verhandlung gestellte Hilfsantrag vom 16. März 2012, 12:30 Uhr von der Beschwerdekammer nicht zugelassen. Daher ist Art. 113 (1) EPÜ verletzt.
Hiermit wird die Nichtzulassung nach Regel 106 gerügt.
Eine Begründung hierzu liegt der Beschwerdeführerin nicht vor, so dass auf die konkreten Gründe nicht eingegangen werden kann. Vorsorglich wird auf die Begründung zu den bereits im Verfahren befindlichen Rügen nach Regel 106 EPÜ Bezug genommen.
Die Nichtzulassung ist für die Beschwerdeführerin nicht nachvollziehbar da der Hilfsantrag im Rahmen einer für 2 Tage anberaumten mündlichen Verhandlung um 12:30 Uhr des zweiten Tages vorgelegt wurde und die Beschwerdeführerin bis zu diesem Zeitpunkt durchgehend versucht hat, die von derselben Kammer in anderer Besetzung abweichende Handhabung der Antragszulässigkeit zu verstehen und dieser Handhabung Rechnung zu tragen.
- Vorlage an die Große Beschwerdekammer
Im Hinblick auf die überraschende Rechtsauffassung der Kammer hinsichtlich der Zulassung verspäteten Vorbringens, sei es angebracht, die nachfolgenden Rechtsfragen der Großen Beschwerdekammer vorzulegen. Die Fragen 3) und 4) seien angeknüpft an die Bemerkungen des Vorsitzenden hinsichtlich der Berücksichtigung neuer Anspruchsätze als Folge des Ladungsbescheid oder der Schlussfolgerung der Kammer.
Antrag zur Vorlage zur Großen Beschwerdekammer Vorlagefragen
1. Ist es für die Ablehnung eines Hilfsantrags des Patentinhabers zur Verteidigung des Patents durch eine Beschwerdekammer ausreichend, dass der dem Hilfsantrag zugrundeliegende Einwand bereits zu einem früheren Zeitpunkt in das Verfahren eingeführt wurde und der Hilfsantrag daher hätte früher eingereicht werden können?
2. Ist bei der Frage der Zulassung eines Hilfsantrags des Patentinhabers zur Verteidigung des Patents durch eine Beschwerdekammer nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung allein die Frage maßgeblich, ob dieser Antrag hätte früher eingereicht werden können?
3. Ist ein Anlass für einen Hilfsantrag der sich aus der Ladung ergibt ausreichend, um die Zulässigkeit des Hilfsantrags zu bejahen?
4. Ist ein Anlass für einen Hilfsantrag, der sich in der mündlichen Verhandlung ergibt, ausreichend, um die Zulässigkeit des Hilfsantrags zu bejahen?
5. Kann für die Beantwortung der Fragen 3 und 4 ein solcher Anlass in der erstmaligen Äußerung der Kammer zu einem früher vorgetragenen Einwand der Einsprechenden liegen?
6. Hat die Beschwerdekammer für den Fall, dass Frage 1 zu verneinen ist, die in Art. 13 (1) und Art. 13 (3) VOBK niedergelegten Auslegungsmaßstäbe bei der Ausübung ihres Ermessens, insbesondere auch die Frage der Verfahrensverzögerung und der Komplexität zu berücksichtigen?
XV. Die Argumente der Beschwerdegegnerin I, soweit sie für die vorliegende Entscheidung relevant sind, lassen sich wie folgt zusammenfassen:
- Zulassung der Anträge
Die Anträge vom 15. Februar 2012 seien verspätet, komplex und keine Reaktion auf den Ladungsbescheid, da die angesprochenen Punkte im Prinzip bereits Gegenstand der angefochtenen Entscheidung gewesen seien. Darüber hinaus würde durch das Aufwerfen neuer Fragen, insbesondere im Hinblick auf den neuen Anspruch 4, und Widersprüchlichkeiten zwischen den nach Aussagen der Beschwerdeführerin in den Hilfsanträgen vorgenommenen Änderungen und den tatsächlichen durchgeführten Änderungen die Komplexität des Falles erhöht. Im Übrigen werde in den neuen Anträgen weder die unter Artikel 123(2) EPÜ bereits erhobenen Einwände noch die eigentlichen Kernpunkte, die sich aus dem Reis-Fall ergeben hätten, berücksichtigt.
Der Hauptantrag vom 15. März 2012 entspreche dem bereits als verspätet abgelehnten Hauptantrag vom 15. Februar 2012. Mit seiner Zulassung lägen alle Vorteile bei der Beschwerdeführerin, während die Beschwerdegegnerinnen benachteiligt würden.
Der mit der Beschwerdebegründung am 9. April 2010 eingereichte Haupt- und Hilfsantrag seien nicht mehr im Verfahren. Wie aus dem Schreiben der Beschwerdeführerin vom 15. Februar 2012 klar hervorgehe, sei der Hauptantrag in einer bewussten und an keine Bedingung geknüpften Entscheidung ersetzt und der Hilfsantrag zurückgezogen worden.
Der Hilfsantrag vom 15. März 2012 sei hinsichtlich der bereits bestehenden Einwände prima facie schon nicht gewährbar. Indem sie lediglich auf einen Einwand reagiere, obwohl ihr die weiteren Einwände bewusst seien, missbrauche die Beschwerdeführerin das Argument der Zweckdienlichkeit. Diese Taktik, die die Beschwerdeführerin bereits früher eingesetzt hat, sei nicht verfahrensförderlich.
Der Hilfsantrag vom 16. März 2012 sei extrem verspätet und weise eine komplexe Verflechtung aus Änderungen und Streichungen auf. Ein solcher Antrag hätte bereits viel früher eingereicht werden können. Darüber hinaus bestünden weiterhin Zweifel an der Neuheit und erfinderischen Tätigkeit.
- Neuheit
Der Gegenstand des Anspruchs 1 des mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hauptantrags ist nicht neu gegenüber der Druckschrift (1). Diese lehre klar und eindeutig die Verwendung von Glufosinat-ammonium in Kombination mit dem Butylester von Fluazifop-P zur Bekämpfung von Schadpflanzen in tolerantem Raps.
- Rügen unter Regel 106 EPÜ
Das rechtliche Gehör der Beschwerdeführerin sei nicht verletzt worden. Vielmehr seien die Beschwerdegegnerinnen durch das Vorgehen der Beschwerdeführerin benachteiligt worden. Ihnen müsse die gleiche Möglichkeit eingeräumt werden, auf geändertes Vorbringen zu reagieren, wie es die Beschwerdeführerin für sich in Anspruch nimmt.
- Vorlage an die Große Beschwerdekammer
Einer Vorlage an die Große Beschwerdekammer bedürfe es im Hinblick auf die bereits vorliegende umfangreiche Rechtsprechung, die die jeweiligen Umstände eines Falles berücksichtige, nicht. Darüber hinaus ständen die Fragen 3)-5) in keinem Zusammenhang mit dem Sachverhalt des vorliegenden Falls.
XVI. Die Argumente der Beschwerdegegnerin II, soweit sie für die vorliegende Entscheidung relevant sind, lassen sich wie folgt zusammenfassen:
- Zulassung der Anträge
Die Anträge vom 15. Februar 2012 seien ein komplexes Konvolut von Anträgen. Das zeige sich schon allein an den unterschiedlichen Serien A bis D umfassend jeweils Hilfsanträge 1-7, die ohne Entschuldigung viel zu spät eingereicht wurden. Die Einwände seien bekannt gewesen, der Ladungsbescheid fügte dem nichts hinzu. Entsprechend angepasste Hilfsanträge hätten daher, auch aus Gründen der Verfahrensökonomie, bereits viel früher eingereicht werden können. Zudem würden mit dem neuen Anspruch 4 neue Fragen aufgeworfen. Es sei auch nicht erkennbar, dass Ergebnisse aus dem Reis-Fall berücksichtigt worden seien, da es dort in erster Linie um einen Verstoß gegen Artikel 123(2) EPÜ ging. In diesem Punkt ließen die Anträge jedoch keine Änderungen erkennen.
Der Hauptantrag vom 15. März 2012 sei grundlos verspätet. Darüber hinaus habe der Anspruch 1 mehrfache Änderungen erfahren, wobei es für die Beschwerdegegnerin II nicht mehr ersichtlich sei, ob diese immer durch einen Einspruchsgrund veranlasst seien. Der Antrag sei damit prima facie schon nicht zulässig.
Hinsichtlich der mit der Beschwerdebegründung vom 9. April 2012 eingereichten Anträge schließe man sich der Beschwerdeführerin I an. Diese Anträge seien nicht mehr im Verfahren.
Der Hilfsantrag vom 15. März 2012 sei grundlos verspätet. Die Beanstandung stehe schon lange im Raum. Darüber hinaus sei dieser Antrag wie die Beschwerdeführerin I bereits ausgeführt habe prima facie nicht gewährbar. So verstoße beispielsweise der Anspruch 6 gegen die Regel 80 EPÜ. Es sei von der Beschwerdeführerin zu erwarten, dass sie zumindest die formalen Erfordernisse erfülle. Das Vorgehen der Beschwerdeführerin sei im Grunde genommen ein Versuch, wieder bei bereits als verspätet abgelehnten Anträgen anzugelangen und damit nicht verfahrensförderlich.
Der Hilfsantrag vom 16. März 2012 sei extrem spät vorgelegt worden. Das Vorgehen der Beschwerdeführerin grenze hier schon an Verfahrensmissbrauch. Die Änderungen seien komplex und würden wahrscheinlich eine Vertagung der mündlichen Verhandlung notwendig machen. Darüber hinaus sei auch dieser Antrag lediglich ein weiterer Versuch der Beschwerdeführerin bei einem Antrag anzugelangen, der bereits als verspätet abgelehnt worden sei.
- Neuheit
Anspruch 1 des mit der Beschwerdeschrift eingereichten Hauptantrags mangle es im Hinblick auf die Druckschrift (1) an Neuheit. Hier schließe sich die Beschwerdegegnerin II der Auffassung der Beschwerdegegnerin I an. Die Druckschrift (1) richte sich an den Fachmann, der ihr klare Anweisungen bezüglich des Einsatzes von Liberty in tolerantem Raps bis ins frühe Blattstadium entnehme. Das gleiche Einsatzgebiet gelte auch für die genannte Liberty enthaltende Mischung.
- Rügen unter Regel 106
Die Beschwerdegegnerin II sei der Auffassung, dass die Beschwerdeführerin ausreichend Zeit und Gelegenheit hatte, Anträge rechtzeitig vorzulegen. Sie habe diese Möglichkeit aber nicht genutzt. Darüber hinaus habe sich kein neuer Sachverhalt ergeben, der eine weitere Gelegenheit erforderlich gemacht hätte. Ihr rechtliches Gehör sei daher nicht verletzt.
- Vorlage an die Große Beschwerdekammer
Zu den Fragen 1), 2) und 6) gebe es bereits gefestigte Rechtsprechung. Es bedürfe daher keiner Vorlage. Die Fragen 3) - 5) seien rein theoretischer Natur, die keinen Bezug zum vorliegenden Fall haben.
XVII. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Streitpatent in geänderter Form auf Basis eines der folgenden Anspruchsätze:
- des Hauptantrags oder eines der Hilfsanträge 1-7 der Serie A, B, C oder D, alle eingereicht mit Schreiben vom 15. Februar 2012, oder
- des in der mündlichen Verhandlung am 15. März 2012 eingereichten Hauptantrags, oder
- des Hauptantrags oder Hilfsantrags datierend vom 9. April 2010, oder
- des in der mündlichen Verhandlung am 15. März 2012 eingereichten Hilfsantrags, oder
- des an der mündlichen Verhandlung am 16. März 2012 eingereichten Hilfsantrags.
Weiter beantragte die Beschwerdeführerin gestützt auf Artikel 112 EPÜ, der Grossen Beschwerdekammer Fragen vorzulegen.
XVIII. Die Beschwerdegegnerinnen beantragten die Beschwerde zurückzuweisen.
XIX. Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung der Kammer verkündet.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Haupt- und der Hilfsanträge 1-7 der Serien A-D vom 15. Februar 2012
2. Zulassung
2.1 Von der Beschwerdeführerin wurde in einem sehr späten Stadium, nämlich knapp einen Monat vor der mündlichen Verhandlung und mehr als 17 beziehungsweise 21 Monate nach Erwiderung der Beschwerdegegnerinnen auf die Beschwerdebegründung, ein neuer Hauptantrag sowie vier Serien (A-D) mit jeweils 7 Hilfsanträgen, d.h. insgesamt 29 Anträge, eingereicht. Rechtfertigende Gründe für das verspätete Einreichen wurden von der Beschwerdeführerin in ihrem beigefügten Schreiben nicht angegeben. Die Beschwerdegegnerinnen rügten diese Anträge als verspätet und beantragten sie nicht in das Verfahren zuzulassen.
2.2 Entsprechend der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern liegen dem Beschwerdeverfahren die Beschwerdebegründung sowie die Erwiderung darauf zugrunde. Die Beschwerdebegründung und die Erwiderung müssen dabei den vollständigen Sachvortrag der Beteiligten enthalten (Artikel 12(2) der VOBK). Sie sollen neben allen Tatsachen, Argumenten und Beweismitteln auch alle Anträge enthalten. Der für das Beschwerdeverfahren maßgebende Streitstoff ergibt sich mithin aus der Beschwerdebegründung und der Erwiderung hierauf. Nachträgliche Änderungen des Vorbringens sind nicht gänzlich ausgeschlossen. Doch stellt die Verfahrensordnung die Zulassung von Änderungen des Vorbringens nach Einreichung der Beschwerdebegründung und der Erwiderung ausdrücklich in das Ermessen der Kammern (Artikel 13(1) VOBK). Nach Anberaumung einer mündlichen Verhandlung sind Änderungen des Vorbringens indes nicht mehr zuzulassen, wenn sie Fragen aufwerfen, deren Behandlung der Kammer oder den anderen Beteiligten ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht zuzumuten sind (Artikel 13 (3) VOBK). Der entscheidenden Kammer räumt diese Bestimmung mithin kein Ermessen ein.
Aus Artikel 13 VOBK folgt insgesamt, dass kein Rechtsanspruch auf eine nachträgliche Änderung des Vorbringens gegenüber dem einleitenden Schriftwechsel besteht. Aus dem systematischen Zusammenhang der Artikel 12 und 13 VOBK geht zudem hervor, dass Änderungen des Vorbringens durch eine Partei nach Einreichung der Beschwerdeschrift sowie der Erwiderung nicht zum Streitstoff des Beschwerdeverfahrens gehören, sondern der Zulassung in das Verfahren bedürfen, um berücksichtigt zu werden. Eine Partei, die ihr Vorbringen nach dem einleitenden Schriftwechsel ändern möchte, kann folglich nicht davon ausgehen, dass etwaige Änderungen berücksichtigt werden, sondern muss auf eine Zulassung des geänderten Vorbringens durch die Kammer hinwirken.
2.3 Die in Artikel 13 (1) VOBK beispiel haft aufgezählten Kriterien für die Ermes sensausübung (Komplexität des späten Vorbrin gens, Stand des Ver fah rens und Verfahrensökonomie) stellen keine abschließenden Voraussetzungen dar, die kumulativ erfüllt sein müssen, damit nach träglich ge ändertes Vorbringen unberücksichtigt bleiben kann (R 16/09, Punkt 2.2.4 der Entscheidungs gründe). Die Kammern berücksichtigen dementsprechend in ihrer Rechtsprechung weitere Gesichtspunkte wie namentlich den Grund zu Änderung sowie deren Umfang. Die Kammern lassen im Allgemeinen Änderungen zu, wenn sie in Erwiderung auf Einwände oder Beweismittel eingereicht werden, die nicht Teil der angefochtenen Entscheidung sind, sondern erstmals im Beschwerdeverfahren vorgebracht wurden. Wie die Große Beschwerdekammer festgestellt hat, steht es im Ermessen der Kammer, welchem Kriterium sie aufgrund der Umstände des Einzelfalls vorrangige Bedeutung beimisst (R 16/09, Punkt 2.2.11 der Entscheidungs gründe). Dabei kann auch allein der späte Zeitpunkt der Änderung des Vorbringens die übrigen Kriterien an Bedeutung überwiegen und bei der Ermessensausübung den Ausschlag geben (R 16/09, Punkt 2.2.12 der Entscheidungs gründe).
2.4 Das Argument der Beschwerdeführerin, dass die Vorlage geänderter Anspruchssätze als eine angemessene und sachdienliche Reaktion auf Einwände der Beschwerdegegnerinnen gerechtfertigt ist, verfängt nach Auffassung der Kammer im vorliegenden Fall nicht. Bereits auf der Grundlage der angefochtenen Entscheidung, jedenfalls aber auf der Grundlage der Erwiderungen auf die Beschwerdebegründung wäre es der Beschwerdeführerin möglich und zumutbar gewesen, ihre Rückzugspositionen zu formulieren, die sie in Anbetracht der erhobenen Einwände für erforderlich erachtete. Die Beschwerdeführerin hat keine stichhaltigen Gründe dafür nennen können, weshalb sie mit der Vorlage der geänderten Anspruchssätze, für die sie alleine die Verantwortung trug, so lange zuwartete. Insbesondere gaben weder der Verlauf des Verfahrens noch das Verhalten der Beschwerdegegnerinnen Anlass zu einer Reaktion der Beschwerdeführerin.
2.5 Die Beschwerdeführerin rechtfertigte das verspätete Einreichen ihrer Anträge mit der Reaktion auf den Ladungsbescheid, auf den sie innerhalb der üblichen, nicht unzumutbaren Frist von einem Monat vor der mündlichen Verhandlung reagiert habe, sowie mit dem Hinweis auf den ähnlich gelagerten Reis-Fall, der auf die Bekämpfung von Schadpflanzen in einer anderen toleranten Kulturpflanze gerichtet sei und am 23. Januar 2012 vor der Kammer mit den gleichen Parteien verhandelt worden war. Dieser Fall wies ihrer Ansicht nach gewisse Parallelen zu dem vorliegenden Fall auf, insbesondere bezüglich der Aufsplittung des erteilten Anspruchs 1 in mehrere unabhängige Ansprüche. Man wollte daher aus Gründen der Verfahrensökonomie erst die Entscheidung im Reis-Fall abwarten. Auch die Aufnahme des Glyphosat-sulfosats sei ein Ergebnis aus dem Reis-Fall, insbesondere der dort geführten Diskussion über Artikel 123(2) EPÜ. Wie im Reis-Fall, in dem die Aufsplittung der Ansprüche im übrigen als zulässig angesehen worden sei, sei im vorliegenden Fall der Umfang der Ansprüche auf die in der ursprünglichen Beschreibung bevorzugten Verbindungen der Gruppe (A1), (A2) und (A3) beschränkt worden. Unter diesen befinde sich für die Gruppe (A2) eben das genannte Sulfosat. Bezüglich des Einwandes gegen den neuen unabhängigen Anspruchs 4 argumentierte die Beschwerdeführerin, dass dieser Anspruch eine Reaktion auf den Neuheitsweinwand bezüglich der Druckschrift (48) gegen den Anspruch 1 darstelle. Es werde versucht diesem Neuheitseinwand zu begegnen und gleichzeitig das zu beanspruchen, was als schutzwürdig anzusehen ist.
Im Übrigen war die Beschwerdeführerin der Auffassung, dass die vorgenommenen Änderungen nur sehr begrenzt seien. Es tauchten keine neuen Fragen oder Probleme auf, die den Beschwerdegegnerinnen nicht bereits aus dem vorliegenden Verfahren bzw. auch aus dem Reis-Fall bekannt waren. Die Anzahl der vorgelegten Anträge sei daher zwar groß, ihre Komplexität jedoch gering. So unterschieden sich die Serien A und B bzw. C und D jeweils nur in der An- bzw. Abwesenheit des Anspruchs 7.
2.6 Die Argumente der Beschwerdeführerin können die Kammer nicht überzeugen.
2.6.1 Der Ladungsbescheid fasste die an der mündlichen Verhandlung zu diskutierenden Punkte zusammen, die sich aus der angefochtenen Entscheidung, der Beschwerdebegründung und der Antworten der Beschwerdegegnerinnen auf die Beschwerdebegründung ergaben. Das waren insbesondere Einwände unter Artikel 123(2) EPÜ bezüglich der Aufsplittung des erteilten Anspruchs 1, Einwände mangelnder Neuheit gegenüber den Druckschriften (1), (3), (42), (48) und (70) und mangelnde erfinderischen Tätigkeit, beispielsweise im Hinblick auf die Frage, ob der geltend gemachte Synergismus über die gesamte Breite belegt war. Der Ladungsbescheid kann daher nicht als Anlass für die nachträglich geänderten Anträge angesehen werden, mit denen die Beschwerdeführerin nach eigener Aussage auf die Einwände der Beschwerdegegnerinnen reagierte. Der Beschwerdeführerin waren die Einwände, insbesondere zur Neuheit und erfinderischen Tätigkeit von Anfang an bekannt. Sie hatte somit ausreichend Zeit, ihre Rückzugspositionen zu überdenken und entsprechend geänderte Ansprüche rechtzeitig einzureichen, soweit solche aus ihrer Sicht notwendig waren. Dies wäre im Hinblick auf die Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Verfahren, das die Parteien verpflichtet alle Tatsachen, Beweismittel, Argumente und Anträge so frühzeitig und vollständig wie möglich einzureichen, und auch aus Gründen der Fairness gegenüber den Beschwerdegegnerinnen, für die so rechtzeitig wie möglich ersichtlich sein soll, in welchem Umfang die Beschwerdeführerin die Aufrechterhaltung des Streitpatents beabsichtigt und welches die Gründe dafür sind, geboten gewesen. Davon abgesehen durfte die Beschwerdeführerin den Ladungsbescheid nicht als Aufforderung verstehen, die Beschwerdesache nochmals neu aufzurollen, um ihr durch geändertes Vorbringen eine Wendung zu geben. Eine dahingehende Ansicht steht im Widerspruch zur Verpflichtung aller Verfahrensbeteiligten, den gesamten Sachvortrag, d.h. alle Angriffs- und Verteidigungsmittel, mit der Beschwerdebegründung und der Erwiderung darauf vorzulegen. Eine solche Sichtweise trägt auch der Bedeutung der mündlichen Verhandlung, die in den Verfahren nach dem EPÜ am Ende steht und daher auch das Beschwerdeverfahren abschließt, unzureichend Rechnung.
2.6.2 Die Ansicht der Beschwerdeführerin, dass eine Frist von einem Monat eine übliche Frist sei, innerhalb der geändertes Vorbringen noch akzeptiert werde, teilt die Kammer nicht. Zunächst einmal konnte die Beschwerdeführerin auf Nachfrage durch die Kammer keine rechtliche Grundlage für ihre Ansicht angeben. Sie berief sich hier lediglich auf eine Usanz. Eine solche ist nach Auffassung der Kammer nicht gegeben und mit Artikel 13 VOBK nicht vereinbar. Der Vertreterin der Beschwerdeführerin musste auf Grund ihrer Kenntnis der Rechtsprechung und der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern vielmehr bewusst gewesen sein, dass die Zulassung geänderter Anträge im Ermessen der Kammer steht, das in Abwägung der Umstände des jeweiligen Falls ausgeübt wird (R 5/11, Punkt 4.2 der Entscheidungsgründe). In Anbetracht des Umfangs der Änderungen musste sie auch mit der Anwendung von Artikel 13 (3) VOBK rechnen, dessen zwingende Rechtsfolge unabhängig von den Gründen für die nachträgliche Änderung ist. Die Beschwerdeführerin durfte daher nicht darauf vertrauen, dass ihre 29 neuen Anspruchssätze, mit denen sie den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens weniger als einen Monat vor der mündlichen Verhandlung modifizierte, in das Verfahren zugelassen und berücksichtigt würden.
2.6.3 Im Hinblick auf den von der Beschwerdeführerin angezogenen ähnlich gelagerten Reis-Fall, zu dem im übrigen an der mündlichen Verhandlung im vorliegenden Fall noch keine schriftliche Entscheidung vorlag, ist festzustellen, dass das EPÜ für Entscheidungen, die von der gleichen oder einer anderen Kammer, in Bezug auf einen anderen Fall getroffenen wurden, keine Bindungswirkung vorsieht, selbst wenn die Diskussionspunkte die gleichen sind. Dies wurde von der Beschwerdeführerin auf Nachfrage durch die Kammer auch eingeräumt. Dessen ungeachtet ist die Kammer auch der Auffassung, dass die Entscheidung der Beschwerdekammer in diesem vorgeblich ähnlich gelagerten Fall, der eine andere Erfindung betrifft, für die Frage der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit im vorliegenden Fall ohne Bedeutung ist, da deren Beurteilung allein von dem im vorliegenden Verfahren befindlichen Tatsachen und Beweismitteln, d.h. dem konkreten Stand der Technik, den vorgelegten Vergleichsdaten, den beanspruchten Gegenstand, etc., abhängt. Dass diese in beiden Fällen identisch sind wurde von der Beschwerdeführerin nicht geltend gemacht. Aus den gleichen Gründen kann auch die Entscheidung T 888/08 die Argumente der Beschwerdegegnerin nicht stützen.
Nach Auffassung der Kammer bestand daher kein schützenswertes Interesse und daher auch keine Veranlassung der Beschwerdeführerin, die mündliche Verhandlung im Reis-Fall abzuwarten, um Anträge einzureichen, die seit langem bestehenden und für den vorliegenden Fall spezifischen Einwänden Rechnung tragen.
2.6.4 Auch das Argument der Beschwerdeführerin, dass im vorliegenden Fall die Einführung des Sulfosats durch das Ergebnis der Diskussion im Reis-Fall gerechtfertigt sei, ist nicht überzeugend. Nach Angaben der Beschwerdeführerin gründet sich dessen Einführung auf die im Reis-Fall geführte Diskussion unter Artikel 123(2) EPÜ. Im vorliegenden Fall wurden Einwände unter Artikel 123(2) EPÜ bezüglich der Aufsplittung des Anspruchs 1 des Streitpatents und daraus resultierender, spezifischer Kombinationen geltend gemacht. Eine derartige Aufsplittung wurde nach Angaben der Beschwerdeführerin im Reis-Fall nicht als Verstoß gegen Artikel 123(2) EPÜ angesehen. Die Einführung von Sulfosat im Reis-Fall hängt damit ganz offensichtlich nicht mit diesem im vorliegenden Fall wesentlichen Einwand zusammen.
2.6.5 Die Kammer kann auch nicht erkennen, dass eine von der Beschwerdeführerin geltend gemachte starke Verwobenheit der Erfordernisses des Artikels 123(2) EPÜ mit dem Erfordernis der Neuheit es der Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall unmöglich gemacht hätte, rechtzeitig geeignete Rückzugspositionen in Form geänderter Anspruchsätze zu formulieren. Die Kammer verkennt dabei nicht, dass derartige Anspruchsätze unter Umständen mit wesentlichen Einschränkungen des Gegenstandes des Streitpatents einhergehen könnten. Solche Einschränkungen mögen nicht im Interesse der Beschwerdeführerin liegen, bedeuten aber nicht, dass es der Beschwerdeführerin unmöglich war, geänderte Ansprüche, die sowohl neu als auch durch die ursprüngliche Anmeldung gestützt sind, frühzeitig im Verfahren zu formulieren, sofern sie nicht ihre beiden mit der Beschwerde eingereichten Anträge als ausreichend erachtete, um den bekannten Einwänden zu begegnen.
2.6.6 Die Kammer teilt auch nicht die Auffassung der Beschwerdeführerin, dass der neue Anspruch 4 durch den Neuheitseinwand bezüglich der Druckschrift (48) gerechtfertigt sei und somit keinen Verstoß gegen Regel 80 EPÜ darstelle. Die Druckschrift (48) offenbart lediglich die Verwendung von Glyphosat und Metazachlor in tolerantem Raps und war der Grund für die Streichung dieser Kombination aus dem Anspruch 2, der sich auf Kombinationen der Verbindung (A2) bezieht. Der Anspruch 4 bezieht sich auf die Verwendung von Verbindungen der Formel (A1), der Formel (A2), die unter anderem Glyphosat umfasst, und der Formel (A3) in Kombination mit Herbiziden der Formel (B1), die unter anderem Metazachlor umfasst, und der Formel (B3) im Nachauflaufverfahren. Der zusätzliche Anspruch 4 als Reaktion auf die Neuheitsschädlichkeit einer spezifischen neuheitsschädlicher Kombination ist nach Ansicht der Kammer weder eine notwendige noch eine angemessene Reaktion. Darüber hinaus fällt dieser Anspruch, obwohl unabhängig formuliert, fast vollständig unter die unabhängigen Ansprüchen 1-3, die alle Aufbringungsverfahren (Vorauflauf, Nachauflauf, Vor- und Nachauflauf) einschließen, und entspricht damit, mit der Ausnahme der in der Druckschrift (48) beanspruchten spezifischen Kombination, dem Gegenstand eines abhängigen Anspruchs. Das Hinzufügen neuer, abhängiger Ansprüche ist jedoch laut gefestigter Rechtsprechung weder erforderlich noch sachdienlich um einen Einspruchsgrund auszuräumen (siehe z.B. T 674/96, Punkt 3.10 der Entscheidungsgründe).
2.6.7 Hinsichtlich der Komplexität des Vorbringens der Beschwerdeführerin ist die Kammer der Auffassung, dass allein die Anzahl der Anträge die Komplexität des Falles deutlich erhöhte. Dies wurde weiter dadurch verstärkt, dass die Änderungen in den Hilfsansprüchen 1-7 in den Sätzen A-D, wie von der Beschwerdeführerin II vorgebracht, teilweise durchaus in unterschiedliche Richtungen zu zielen schienen und von der Beschwerdeführerin hinsichtlich der zu überwindenden Einwände und der Stützung der Änderungen in den ursprünglichen Unterlagen nahezu kommentarlos eingereicht wurden. Die Beschwerdeführerin überließ es damit der Kammer und den Beschwerdegegnerinnen sich über die Änderungen in den Hilfsanträgen und deren Rechtfertigung ein Bild zu verschaffen.
2.7 Die Kammer entschied daher, die Anträge vom 15. Februar 2012 nicht in das Verfahren zuzulassen (Artikel 13 (1) VOBK).
Hauptantrags vom 15. März 2012
3. Zulassung
3.1 Dieser Antrag basiert auf dem Hauptantrag vom 15. Februar 2012 und wurde von der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung eingereicht, nachdem die Kammer entschieden hat, die Anträge vom 15. Februar 2012 nicht in das Verfahren zuzulassen. Vom Hauptantrag des 15. Februars 2012 unterscheidet sich dieser Antrag dadurch, dass Glyphosat-sulfosat aus dem Anspruch 2 sowie der Anspruch 4 ersatzlos gestrichen wurden. Die nachfolgenden Ansprüche wurden entsprechend umnummeriert. Die Beschwerdegegnerinnen beantragten, den neuen Hauptantrag der Beschwerdeführerin als verspätet nicht in das Verfahren zuzulassen.
3.2 Die Beschwerdeführerin machte geltend, dass die Einwände der Beschwerdegegnerinnen bezüglich Neuheit und Klarheit berücksichtigt worden seien. Darüber hinaus sei der geltend gemachte besondere Komplexitätsgrad ausgeräumt worden. Der vorliegende Antrag könne daher nicht mehr als unangemessene Reaktion angesehen werden. Die Beschwerdeführerin wies auch darauf hin, dass mit der Beschwerdebegründung ein neuer Hauptantrag eingereicht worden sei und dass sich für die Patentinhaberin erfahrungsgemäß mit dem Ladungszusatz nochmals eine Gelegenheit ergebe, sich mit den Einwänden zu befassen. Dies sei zumindest im quasi-identischen Reis-Fall so gehandhabt worden. Im Übrigen handle es sich lediglich um Streichungen, die den Streitgegenstand eingrenzten. So wurden auch im Hinblick auf den Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit weitere Streichungen durchgeführt. Eine Zurückweisung des Antrags durch die Kammer sei zu strikt, da der Beschwerdeführerin dabei keine Gelegenheit mehr gegeben werde, auf Einwände zu reagieren, obwohl es doch immer um die gleichen Punkte auch aus dem Reis-Fall gehe, der zudem mit den gleichen Parteien geführt wurde. Es könne nicht erwartet werden, dass die Patentinhaberin im Voraus im Hinblick auf sämtliche Einwände Rückzugspositionen festlege.
3.3 Wie die Beschwerdegegnerinnen einwandten, beruht der neue Hauptantrag auf dem Hauptantrag vom 15. Februar 2012. Die Zulassung des neuen Hauptantrags würde die Nichtzulassung der Anträge vom 15. Februar 2012 unterlaufen. In der Tat hat der Einwand gegen die Zulassung der Anträge vom 15. Februar 2012, dass sie bei sorgfältiger Verfahrensführung bereits zu einem früheren Zeitpunkt hätten vorgebracht werden können und müssen, auch gegenüber dem neuen Hilfsantrag vom 15. März 2012 Bestand. Die Neuheits- und Klarheitseinwände der Beschwerdegegnerinnen gegenüber den mit der Beschwerdebegründung eingereichten Anträgen waren der Beschwerdeführerin bekannt. Ebenso stand bereits die für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit wesentliche Frage im Raum, ob der geltend gemachte Synergismus über die gesamte Breite belegt sei. Dem wurde im Ladungsbescheid nichts hinzugefügt. Die Beschwerdeführerin hatte daher ausreichend Zeit rechtzeitig geeignete Rückzugspositionen in Form geänderter Ansprüche einzureichen. Sie hat diese Möglichkeit nicht genutzt. Dieses Versäumnis versucht sie nun zum Nachteil der Gegenseite, die sich noch einen Monat vor der mündlichen Verhandlung begrenzten Verteidigungsmitteln gegenüber sah, mit einer Änderung ihres Vorbringens zu beheben. Die Kammer ist indessen der Auffassung, dass es in einem mehrseitiges Beschwerdeverfahren einer effizienten und fairen Verfahrensdurchführung widerspricht, wenn sich die Patentinhaberin erst nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung mit Einwänden auseinandersetzt, die bereits seit langem im Raum stehen, um ihnen danach durch geänderte Anspruchsätze Rechnung zu tragen. Dies gilt für den Hauptantrag vom 15. März 2012 ebenso wie für die Anträge vom 15. Februar 2012. Die Kammer unterstreicht, dass diese Situation verschieden ist von Fallgestaltungen, in denen geänderte Anspruchssätze in Erwiderung auf Einwände oder Beweismittel eingereicht werden, die nicht Teil der angefochtenen Entscheidung sind, sondern erstmals im Beschwerdeverfahren vorgetragen (und gegebenenfalls in das Verfahren zugelassen) wurden.
3.4 Das Argument der Beschwerdeführerin hinsichtlich der geringen Komplexität ihres neuen Antrags, bewog die Kammer nicht zu einer anderen Gewichtung der Umstände bei der Ermessensausübung. Die Komplexität des späten Vorbringens wird, neben dem Stand der Verfahrens und der gebotenen Verfahrensökonomie, in Artikel 13(1) VOBK als beispielhaftes Kriterium für die Ausübung des Ermessens genannt. Diese Kriterien müssen jedoch nicht kumulativ erfüllt sein. Es steht auch im Ermessen der Kammer, zu entscheiden, welchem Kriterium sie unter den gegebenen Umständen den Vorrang einräumt (siehe oben Punkt 2.3; R 16/09, Punkt 2.2.4, 2.2.11 und 2.2.12 der Entscheidungsgründe). Im vorliegenden Fall ist es, wie bereits im vorstehenden Absatz erläutert, für die Kammer entscheidend, dass keine triftigen Gründe vorlagen, die die späte Änderung des Vorbringens gerechtfertigt hätten. Der Anspruch auf eine angemessene Möglichkeit zum Vortrag der eigenen Sache (Artikel 113 (1) EPÜ) schließt nach Auffassung der Kammer keinen voraussetzungslosen Anspruch ein, zu Verfahrensbeginn mögliche und gebotene Verfahrenshandlungen wie namentlich die Vorlage von Anspruchssätzen, die den Streitgegenstand modifizieren, kurz Abschluss des Verfahrens nachzuholen. Im abschließenden Verfahrensabschnitt gewinnt die Zielsetzung, das Verfahren im Interesse der Rechtssicherheit zu einem Abschluss zu bringen, an Bedeutung und überwiegt die anderen Kriterien der Ermessensausübung bei der Zulassung geänderten Vorbringens. Die von der Beschwerdeführerin beanspruchte Möglichkeit, losgelöst von nachträglichen Änderungen des Streitstoffs geänderte Anspruchssätze als Verteidigungsmittel in das Verfahren einzuführen, ist nach Ansicht der Kammer zudem mit dem Gebot der Gleichbehandlung der Parteien in einem streitigen Verfahren wie dem Verfahren inter partes nicht zu vereinbaren.
3.5 Des Weiteren teilt die Kammer auch nicht die Auffassung der Beschwerdeführerin, dass der im vorliegenden Fall ergangene Ladungsbescheid als Aufforderung oder als Gelegenheit anzusehen ist, Anträge einzureichen (siehe dazu auch unten Punkt 7.3.1). Der Zweck einer Mitteilung nach Artikel 15(1) der VOBK ist es auf Punkte von besonderer Bedeutung hinzuweisen und den Parteien zu helfen in der mündlichen Verhandlung ihre Argumente auf das Wesentliche zu konzentrieren.
3.6 Hinsichtlich der vorgeblich unterschiedlichen Handhabung bei der Zulassung verspätet eingereichter Anträge durch die Beschwerdekammern, insbesondere dieser Kammer im Reis-Fall, stellt die Kammer fest, dass die Zulassung solcher Anträge stets von den konkreten Umständen des Einzelfalles bestimmt wird. Abweichungen in der Zulassung von Anträgen sind der Ausdruck der Ermessensausübung der Kammern im Hinblick auf solche konkreten Umstände. Die Kammer ist jedoch der Auffassung, dass auch in ähnlich gelagerten Fällen aufgrund des spezifischen Verfahrensverlaufs die Zulassung verspätet eingereichter Anträge unterschiedlich beurteilt werden kann, ohne dass dafür von einer unterschiedlichen Auslegung der VOBK ausgegangen werden muss, wie die Beschwerdeführerin geltend machte.
3.7 Die Kammer entschied daher, den von der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hauptantrag nicht in das Verfahren zuzulassen (Artikel 13 (1) VOBK).
Haupt- und Hilfsantrag vom 9. April 2010
4. Wiederzulassung
4.1 Die Beschwerdeführerin war der Auffassung, dass durch die Nichtzulassung ihrer bisherigen Anträge der mit der Beschwerdebegründung eingereichte Haupt- und Hilfsantrag sich noch im Verfahren befänden. Alternativ beantragte sie die Wiederzulassung dieser Anträge.
4.2 Die Kammer teilt die Auffassung der Beschwerdeführerin nicht, dass die mit der Beschwerdebegründung eingereichten Anträge, die durch die Anträge vom 15. Februar 2012 ersetzt bzw. zurückgenommen wurden (siehe Punkt XI supra) sich infolge der Nichtzulassung der bisherigen Anträge automatisch im Verfahren befanden. Sie ließ diese Anträge jedoch wieder in das Verfahren zu, da sie der Auffassung war, dass die Beschwerdegegnerinnen dadurch nicht benachteiligt wurden, da ihnen diese Anträge bereits seit dem Beginn des Beschwerdeverfahrens bekannt waren und sie dementsprechend hinreichend Gelegenheit hatten, sich auf die Diskussion dieser Anträge vorzubereiten. Es kann von daher von den Beschwerdegegnerinnen erwartet werden, zu diesen Anträgen Stellung zu nehmen.
Hauptantrag vom 9. April 2010
5. Neuheit
5.1 Anspruch 1 des Hauptantrags bezieht sich auf die Verwendung von Herbizidkombinationen zur Bekämpfung von Schadpflanzen in toleranten Rapskulturen, die eine Verbindung der Formel (A1), darunter Glufosinat-Salze, und ein Herbizid aus der Gruppe der Verbindungen (B1), (B2), (B3) und (B4) aufweisen (siehe Punkt VII supra). Unter den Verbindungen der Gruppe (B3) wird unter anderem Fluazifop-P und dessen Ester genannt.
5.2 Die Druckschrift (1) offenbart auf Seite 162 die Anwendung von Liberty (= Glufosinat-ammonium) zur Bekämpfung von Schadpflanzen ("weeds"), darunter "volunteer barley". Zur Bekämpfung dieser Schadpflanze wird das Herbizid Venture in Mengen von 40-80 g/ac mit den empfohlenen Hilfsstoffen zugesetzt. Venture bezieht sich auf die auf Seite 161 genannte Verbindung Venture 25DG und entspricht dem Butylester von Fluazifop-P. Als Anwendungsgebiet für Liberty werden in der Druckschrift (1) gegen Liberty tolerante Rapssorten angegeben (Seite 161, Punkt 3). Die Anwendung erfolgt in der Cotyledon-Phase bis in eine frühe Wachstumsphase ("early bolting stage") von Raps (Seite 161, Punkt 6). Folglich offenbart die Druckschrift (1) bereits ein Verfahren mit allen technischen Merkmalen des Anspruchs 1 des Hauptantrags.
Die Druckschrift (1) wurde von der Einspruchsabteilung im Hinblick auf die vorgelegten Beweise in der ersten mündlichen Verhandlung als Stand der Technik gemäß Artikel 54(2) EPÜ angesehen. Die Beschwerdeführerin hat dies nicht bestritten. Auch die Kammer sieht keinen Grund von dieser Auffassung abzuweichen.
5.3 Nach Ansicht der Beschwerdeführerin geht die Anwendung von einer Mischung aus Glufosinat-ammonium und Fluazifop-P-butyl in tolerantem Raps (Hervorhebung durch die Kammer) aus der Druckschrift (1) nicht unmittelbar und eindeutig hervor. Zwar werde unter Punkt 2 der Druckschrift (1) eine registrierte Mischung mit Venture 25DG beschrieben, es stehe aber an keiner Stelle, dass diese in toleranten Rapskulturen eingesetzt werde. Punkt 3 der Druckschrift (1), der sich auf die Anwendung in tolerantem Raps, sowie Punkt 6, der sich auf den Anwendungszeitpunkt beziehe, erwähnten lediglich Liberty nicht aber eine Mischung aus Liberty und Venture. Auch in Punkt 7 werde lediglich auf die Anwendung von Liberty verwiesen. Darüber hinaus werde auch in diesem Punkt nicht eindeutig und unmittelbar die Anwendung in Raps offenbart. Das angegebene Blattstadium beziehe sich auf die Schadpflanze. Den Punkt 7 mit dem Rest der Druckschrift (1) zu kombinieren hielt die Beschwerdeführerin für nicht statthaft.
5.4 Die Kammer teilt die Auffassung der Beschwerdeführerin nicht. Die Druckschrift (1) bezieht sich auf das Herbizid Liberty und seinen Einsatz. Es offenbart alle für diesen Einsatz erforderlichen Informationen und notwendigen Maßnahmen, einschließlich der zu behandelnden Kulturpflanze, d.h. toleranten Raps, der Art der zu bekämpfenden Schadpflanzen, des Anwendungszeitpunkts, der Ausbringungsweise, aber auch der Wirkungsweise, der Toxizität, der Vorsichtsmaßnahmen etc. Diese Maßnahmen und Informationen gelten nach Einschätzung der Kammer auch für die in diesem Zusammenhang genannte registrierte Mischung des Herbizids Liberty mit Venture. Des Weiteren wird, wie bereits in Punkt 5.2 supra erwähnt, auf Seite 162 der Druckschrift (1) eine Mischung von Liberty und Venture zur Bekämpfung einer Schadpflanze beschrieben. Dass diese Mischung im Hinblick auf das einzig offenbarte Anwendungsgebiet von Liberty, nämlich tolerantem Raps im der Cotyledon- und der frühen "bolting"-Phase, nicht den Einsatz in Rapskulturen unmittelbar und eindeutig offenbaren soll, ist für die Kammer nicht nachvollziehbar. Die Lehre Glufosinat-ammonium, ein Herbizid der Formel (A1) in Kombination mit Fluazifop-P-butyl, einem Herbizid der Formel (B3) zur Bekämpfung von "volunteer barley", einer Schadpflanze, in tolerantem Raps einzusetzen, geht aus Sicht der Kammer unmittelbar und eindeutig aus der Druckschrift (1) hervor.
5.5 Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass der Anspruch 1 des Hauptantrags gegenüber der Offenbarung der Druckschrift (1) nicht neu ist im Sinne des Artikels 54 EPÜ.
Hilfsantrag vom 9. April 2010
6. Neuheit
6.1 Anspruch 1 des Hilfsantrags bezieht sich auf die Verwendung von Herbizid-Kombinationen aus einem Herbizid (A1), (A2) und (A3) und einem Herbizid (B1) und (B3) zur Bekämpfung von Schadpflanzen in tolerantem Raps (siehe Punkt VII supra). Da das Herbizid (A1) die Verbindung Glufosinat-ammonium und das Herbizid (B3) die Verbindung Fluazifop-P-butyl umfasst, gelten für den Hilfsantrag die gleichen Überlegungen und Schlussfolgerungen wie für den Hauptantrag. Folglich ist auch der Hilfsantrag im Hinblick auf Artikel 54 EPÜ nicht gewährbar.
Hilfsantrag vom 15. März 2012
7. Zulassung
7.1 Dieser Antrag wurde von der Beschwerdeführerin eingereicht, nachdem die Kammer den Parteien ihre Schlussfolgerung bezüglich der Neuheit der mit der Beschwerdeschrift eingereichten Anträge mitgeteilt hatte. Der Antrag unterscheidet sich von dem mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hauptantrag dadurch, dass in Anspruch 1 sowie in Anspruch 11 in der Gruppe (B3) bzw. (B3') die Verbindung Fluazifop-P und dessen Ester gestrichen wurde. Die Beschwerdegegnerinnen rügten diesen Hilfsantrag als verspätet und nicht gerechtfertigt, da er nur einen bereits seit lange im Raum stehenden Einwand ausräume, und darüber hinaus als nicht zweckdienlich, da er prima facie nicht gewährbar sei.
7.2 Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass sie diesen Antrag als Reaktion auf die vorausgegangene Diskussion über die Neuheit sowie die Schlussfolgerung der Kammer einreiche. Die Änderung sei geeignet diesen Einwand zu überwinden. Sie betreffe nur die Streichung einer einzigen Komponente, der Grad der Änderung sei daher gering und nicht unzumutbar. Eine Verlegung der mündlichen Verhandlung sei nicht erforderlich. Die Beschwerdeführerin war weiter der Auffassung, dass es im Hinblick auf die Artikel 13 (1) und (3) VOBK, die bei der Ausübung des Ermessens zu berücksichtigen sind, unzulässig sei, diesen Antrag allein aufgrund des Zeitpunktes seiner Einreichung abzulehnen.
7.3 Die Kammer teilt die Auffassung der Beschwerdeführerin nicht.
7.3.1 Wie bereits unter Punkt 3.4 supra ausgeführt, müssen für die Nicht-Zulassung von nachträglich geändertem Vorbringen die in Artikel 13 (1) VOBK beispielhaft genannten Kriterien nicht kumulativ erfüllt sein. Es ist auch Teil der Ermessensentscheidung der Kammer, welchem Gesichtspunkt sie unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände Vorrang einräumt. Im vorliegenden Fall ist es für die Kammer ausschlaggebend, dass der Einwand bezüglich mangelnder Neuheit gegenüber der Druckschrift (1) bereits seit langem im Verfahren ist und es nicht gerechtfertigt war, die abschließende Meinung der Kammer zu einer Streitfrage abzuwarten, um in Kenntnis dieser Meinung ihre Anträge anzupassen. Wie sich aus der Rechtsprechung der Grossen Beschwerdekammer im Überprüfungsverfahren ergibt, besteht kein Anspruch darauf, dass eine Kammer den Beteiligten vor der schriftlichen Niederlegung ihrer Entscheidung im Einzelnen die absehbaren Gründe insgesamt oder auch bloß teilweise darlegt, aufgrund derer die Kammer ihre abschließende Meinung bildet (siehe dazu R 6/11, Punkt 8.2 der Entscheidungsgründe mit weiteren Hinweisen auf die ständige Rechtsprechung). Daher kann eine Partei auch nicht erwarten, dass ihr vor Verkündung der Entscheidung die Meinung der Kammer zu einzelnen Streitfragen mitgeteilt wird, um neue Anträge zu stellen. Folglich kann die Mitteilung der Meinung der Kammer im Verlauf der mündlichen Verhandlung nicht als objektive Veranlassung zu geänderten Anträgen gesehen werden. Wie die Grosse Beschwerdekammer festgestellt hat (R 12/09 vom 15. Januar 2010, Punkt 11 der Beschwerdegründe mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung) steht jeder Partei frei, wie sie ihren Fall vorbringen will, während es der Kammer obliegt, auf der Grundlage der Vorbringen der Parteien zu entscheiden. Dabei sollte eine Kammer in inter partes Verfahren nicht einseitig einer Partei helfen, indem sie ihr vorab entsprechende Hinweise gibt, sei es in der mündlichen Verhandlung oder in einer Mitteilung. Nun würde die Kammer aber die von ihr geforderte Objektivität und Unparteilichkeit aufgeben, wenn sie ihre Meinung zu einer seit Beginn des Verfahrens streitigen Frage mitteilt und dadurch derjenigen Partei, die mit ihrem Standpunkt unterliegt, eine Hilfestellung bieten würde, insofern als dieser Partei die Möglichkeit zur Reaktion durch Änderung ihres Vorbringens gegeben werden müsste (vgl. R 15/10, Punkt 9 der Entscheidungsgründe mit weiteren Hinweisen).
Wie die Grosse Beschwerdekammer weiter festgestellt hat, hat sich eine Partei, die eine Entscheidung zu ihren Gunsten anstrebt, aktiv am Verfahren zu beteiligen und auf eigene Initiative alles rechtzeitig vorzubringen, was ihre Position stützt. Dabei gehört es zum Beruf von zugelassenen Vertretern, dass sie selbständig - d.h. ohne Mithilfe einer Kammer - entscheiden, wie sie ihre Fälle führen (R 12/09 vom 15. Januar 2010, Punkt 11 der Beschwerdegründe mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung; R 16/11, Punkt 2.6 der Entscheidungsgründe). Dementsprechend hat sie auch die Stichhaltigkeit der Argumente der Gegenseite sorgfältig zu prüfen und frühzeitig darauf zu reagieren, namentlich auch durch die Festlegung geeigneter Rückzugspositionen.
Davon abgesehen stimmt die Kammer der Auffassung der Beschwerdegegnerin II zu, die die Vorgehensweise der Beschwerdeführerin bezüglich des am 15. März 2012 eingereichten Hilfsantrags als einen Versuch ansieht, wieder bei einem Antrag anzukommen, der von der Kammer bereits als verspätet nicht zugelassen wurde, und damit die Ermessensentscheidung der Kammer bezüglich der Ansprüche vom 15. Februar 2012 zu unterlaufen. Die Kammer ist der Ansicht, dass diese Vorgehensweise, mit der die Beschwerdeführerin zu ihrem alleinigen Vorteil versucht, schrittweise auf die seit langem bestehenden Einwände der Beschwerdegegnerinnen zu reagieren, den Beschwerdegegnerinnen gegenüber unbillig wäre.
7.3.2 Auch der aus Artikel 13 (3) VOBK gezogene Umkehrschluss der Beschwerdeführerin überzeugt nicht und konnte daher nicht als Rechtfertigung einer Zulassung dieses Antrags verfangen. Artikel 13 (3) VOBK sieht vor, dass geändertes Vorbringen nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung nicht zugelassen wird, wenn es die Verlegung der mündlichen Verhandlung erforderlich macht. Er statuiert also die Voraussetzungen, unter denen die Nichtzulassung eine zwingende Rechtsfolge und damit dem Ermessen der Kammer entzogen ist, berührt darüber hinaus aber nicht das der Kammer gemäß Artikel 13 (1) VOBK zugestandene Ermessen.
7.3.3 Weiter bestehen wie von der Beschwerdegegnerin II vorgebracht prima facie Zweifel an der Gewährbarkeit dieses Anspruchssatzes z.B. unter Regel 80 EPÜ im Hinblick auf den gegenüber dem Streitpatent neuen abhängigen Anspruch 6.
7.4 Die Kammer entschied daher, diesen Antrag nicht in das Verfahren zuzulassen (Artikel 13 (1) VOBK).
Hilfsantrag vom 16. März 2012
8. Zulassung
8.1 Dieser Hilfsantrag basiert auf dem mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hauptantrag. Durch weitgehende Beschränkungen und Streichungen in den Ansprüchen 1 und 2 sowie der Streichung der Ansprüche 3-7 und 11 wurden nach Auffassung der Beschwerdeführerin nunmehr alle bestehenden Einwände ausgeräumt. Die Beschwerdegegnerinnen rügten diesen Antrag als viel zu spät.
8.2 Mit diesem Antrag wird - ebenso wie mit dem Haupt- und Hilfsantrag vom 15. März 2012 - versucht, prinzipiell wieder bei einem Antrag anzugelangen, der von der Kammer bereits als verspätet nicht in das Verfahren zugelassen wurde. Der Antrag wurde daher auf Grund der gleichen Überlegungen und Schlussfolgerungen zurückgewiesen wie der Haupt- und Hilfsantrag vom 15. März 2012 (siehe Punkte 3.3, 3.4, 7.3.1 - 7.3.2 supra).
9. Rüge unter Regel 106 EPÜ in Verbindung mit Artikel 112a(2)(c)
9.1 Die Beschwerdeführerin hat während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer nach der Entscheidungen, den Hauptantrag vom 15. März 2012 sowie die beiden Hilfsanträge vom 15. bzw. 16. März 2012 nicht zuzulassen, jeweils einen Einwand unter Regel 106 EPÜ erhoben (siehe Punkt XIV supra), da sie der Auffassung war, dass ihr rechtliches Gehör verletzt worden sei.
9.2 Die Beschwerdeführerin wurde zur Frage der Zulassung ihrer Anträge in allen Fällen gehört und konnte diesbezüglich ihre Argumente uneingeschränkt vorbringen. Ihr Anspruch auf rechtliches Gehör in Bezug auf die Frage der Zulassung des nachträglich geänderten Vorbringens war daher nicht eingeschränkt. Dies wurde von der Beschwerdeführerin auch nicht bestritten. Ihr Einwand richtet sich vielmehr gegen die Ermessensentscheidung der Kammer, die verspätet eingereichten Anträge nicht in das Verfahren zuzulassen, Durch diesen Ausschluss werde der Anspruch der Beschwerdeführerin auf rechtliches Gehör, das ihr gemäß Artikel 113 (1) EPÜ zustehe, verletzt.
9.3 Die Kammer ist jedoch der Auffassung, dass die Beschwerdeführerin aus dem ihr zustehenden Anspruch auf rechtliches Gehör keinen Anspruch ableiten kann, Anträge zu jedem beliebigen Zeitpunkt des Verfahrens einreichen zu können.
Die Parteien sind in ihrer Ver fahrensführung nicht gänzlich frei, sondern gewissen Grenzen unterworfen, die sich im zweiseitigen (streitigen) Verfahren namentlich aus dem Prinzip der Fairness gegenüber der anderen Partei sowie generell aus den Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Verfahren er geben (T 1685/07, Punkt 6.1 der Ent scheidungsgründe). Insbesondere trifft die Parteien im zweiseitigen Verfahren auch eine Pflicht zur sorg fältigen und beförderlichen Verfahrensführung. Dazu gehört es, alle relevanten Tatsachen, Beweismittel, Argumente und Anträge so früh und so vollständig wie möglich vorzulegen (T 1685/07, Punkte 6.1 und 6.2 der Entscheidungsgründe, T 2102/08, Punkt 4.3.1 der Entscheidungsgründe). Artikel 13 VOBK sanktioniert eine Verletzung dieser Pflicht, d.h. eine bis zu einem bestimmten Verfahrenszeitpunkt gebotene, aber unterbliebene Mitwirkung der Parteien. Ziel ist es, das Parteivorbringen auf ein frühes Verfahrensstadium zu konzentrieren. Das Verfahren soll dadurch berechenbar sein und innerhalb einer angemessenen Verfahrensdauer zu einer sachgerechten Entscheidung führen.
Die Pflicht zur Verfahrensbeförderung trifft die Einsprechenden (in Bezug auf die Vorlage der Angriffsmittel) und den Patentinhaber (in Bezug auf die Verteidigungsmittel) gleichermaßen. Dafür, dass die Kammer gegenüber der einen Seite eine größere Toleranz zu üben hätten als gegenüber der anderen, sei es etwa um dem Erfinder seinen gerechten Lohn zu sichern oder sei es um den Fortbestand eines ungültigen Rechtstitels zu verhindern, gibt es im EPÜ und im Verfahrensrecht der Beschwerdekammern keine Stütze. Eine solche Auffassung wäre im Gegenteil mit der im Einspruchsbeschwerde verfahren als streitigem Gerichtsverfahren (G 10/91, ABl. EPA 1993, 420, Punkt 2 der Erwägungsgründe) geforderten Objektivität und Unparteilichkeit der Beschwerdekammern unvereinbar.
Artikel 13 VOBK steht dabei nicht im Widerspruch zum Anspruch der Parteien auf rechtliches Gehör gemäß Artikel 113 EPÜ, selbst wenn das nachträglich geänderte Vorbringen einer Partei im weiteren Verfahren nicht berücksichtigt wird. Denn es steht dem Gesetzgeber anerkanntermaßen offen, im Interesse der Verfahrensbeschleunigung das rechtliche Gehör zu begrenzen, indem der Sachvortrag einer Partei, die gegen ihre Pflicht zur Prozessbe förderung verstoßen hat, ganz oder teilweise außer Betracht gelassen wird. Vorausgesetzt ist, dass der betroffenen Partei in angemessener Weise die Gelegenheit geboten wurde, ihre Sache vorzutragen, die Partei es aber aus von ihr zu vertretenden Gründen versäumt hat, die gegebene Möglichkeit zur Äußerung zu nutzen. Zudem erfordert in zweiseitigen (streitigen) Verfahren das Gebot der Waffengleichheit, dass den Parteien die Möglichkeit zur Äußerungen unter vergleichbaren Bedingungen gewährt wird. Die Zulassung nachträglicher Änderungen des Vorbringens einer Partei darf daher nicht dazu führen, dass die Gegenseite in ihrem Recht auf Stellungnahme (Artikel 13 (2) VOBK) benachteiligt ist, etwa weil sie dieses Recht in der zur Verfügung stehenden Zeit nur unzureichend wahrnehmen kann.
Soweit also nach Artikel 13 VOBK in zulässiger Weise kein Rechtsanspruch auf Zulassung nachträglicher Änderungen des Vorbringens besteht, kann die Ausübung des zugebilligten Ermessens durch die Kammer nur dann den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzen, wenn sie das Ermessen willkürlich ausübt. Einen dahingehenden Einwand hat die Beschwerdeführerin aber nicht erhoben und noch viel weniger substantiiert.
9.4 Wenn es die Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall in Anbetracht der von den Beschwerdegegnerinnen erhobenen Einwände gegen den Rechtsbestand des Streitpatents für notwendig erachtete, zur Verteidigung ihrer Rechtsposition Rückzugpositionen in Form geänderter Anspruchssätze zu definieren, dann hatte sie auch die Pflicht, diese zum frühest möglichen Zeitpunkt einzureichen, d.h. in unmittelbarer Erwiderung auf die Eingaben der Beschwerdegegnerinnen, in denen der relevante Einwand nachvollziehbar erhoben wurde. Sie darf damit nicht bis zu einem späten Verfahrensstadium zum Nachteil der Beschwerdegegnerinnen zuwarten. Unterlässt sie es, ihren verfahrensrechtlichen Obliegenheiten nachzukommen, so trägt sie die Folgen ihrer Vorgehensweise.
9.5 Wie bereits mehrfach festgestellt, hatte die Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall hinreichend Gelegenheit, den seitens der Beschwerdegegnerinnen in ihren Antworten zur Beschwerdebegründung vorgebrachten Einwänden, insbesondere der mangelnden Neuheit, mit entsprechend formulierten Rückzugspositionen zu begegnen. Sie kann damit, wie die Beschwerdeführerin argumentiert hat, nicht warten bis sie "die Position der Kammer zum Vortrag der Einsprechenden kennt". Es ist allein Sache der Beschwerdeführerin alle für die Verteidigung ihrer Rechtsposition notwendigen Maßnahmen, einschließlich der Formulierung geeigneter Anspruchsätze, frühzeitig zu ergreifen. Dabei gehört es zum Beruf der zugelassenen Vertreter, dass sie selbstständig, d.h. ohne Mithilfe der Kammer, entscheiden wie sie ihre Fälle führen (siehe bereits oben, Punkt 7.3.1 unter Hinweis auf R 12/09 vom 15. Januar 2010, Punkt 11 der Entscheidungsgründe). Dass eine Kammer dem Sachvortrag der Gegenseite in der Folge zustimmt, stellt keine neue Tatsache dar. Sie ist eine Möglichkeit mit der eine Partei rechnen muss. Die Formulierung geeigneter Rückzugsposition zum frühest möglichen Zeitpunkt ist auch nicht Ausdruck "vorauseilenden Gehorsams", wie seitens der Beschwerdeführerin geltend gemacht wurde. Als nachrangige Hilfsanträge formuliert, sind solche Rückzugspositionen kein Zugeständnis an die Gegenseite, sondern eine Absicherung gegen Fehleinschätzungen der Sach- und Rechtslage und damit Ausdruck einer umsichtigen Verfahrensführung. Der Patentinhaberin bleibt vor allem unbenommen, mit dem Hauptantrag den Erfindungsgegenstand in einer Breite zu verteidigen, die nach ihrer Einschätzung sachlich und rechtlich vertretbar erscheint.
9.6 Die Beschwerdeführerin hat auch nicht hinreichend dargetan, welche neuen, für den vorliegenden Fall relevanten Tatsachen sich aus der mündlichen Verhandlung im Reis-Fall ergeben haben und inwiefern diese die nachträglich geänderten Anspruchssätze bedingten. Die Beschwerdeführerin hat mit ihren verspätet vorgebrachten Anträgen lediglich auf die im vorliegenden Fall bestehenden Einwände, die von den Beschwerdegegnerinnen bereits in ihren Erwiderungen auf die Beschwerdeschrift vorgebracht worden waren und für das verfahrensgegenständliche Streitpatent spezifisch sind, insbesondere der Neuheit und der erfinderischen Tätigkeit, reagiert.
9.7 Die von der Beschwerdeführerin genannte Entscheidung T 2085/10 bezieht sich auf einen ex-parte Fall. Schon allein aus diesem Grund unterscheidet sich diese Entscheidung von den konkreten Umständen, die die Kammer im vorliegenden Fall dazu veranlasste, die verspäteten Anträge der Beschwerdeführerin nicht zu berücksichtigen.
9.8 Die weiteren von der Beschwerdeführerin in ihren Rügen vorgebrachten Argumente sind identisch mit den von ihr vorgebrachten Argumenten in der Diskussion über die Zulassung der verspätet eingereichten Anspruchsätze. Sie werden in den Punkten 2, 3, 7 und 8 dieser Entscheidung erörtert und brauchen daher an dieser Stelle nicht wiederholt zu werden.
9.9 Da die Beschwerdeführerin Gelegenheit hatte, zu allen Fragen der Zulassung ihrer verspätet eingereichten Anträge ihre Argumente vorzubringen, bevor die Kammer über deren Zulassung entschied, war nach Auffassung der Kammer, das rechtliche Gehör der Beschwerdeführerin nicht verletzt. Der Einwand unter Regel 106 EPÜ wurde daher zurückgewiesen.
10. Antrag auf Vorlage von Rechtsfragen an die Große Beschwerdekammer (siehe Punkt XIV supra)
10.1 Gemäß Artikel 112(1) EPÜ liegt es im Ermessen der Beschwerdekammern, zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsanwendung oder wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt, von Amts wegen oder auf Antrag eines Beteiligten die Große Beschwerdekammer zu befassen.
10.2 Der Antrag der Beschwerdeführerin bezieht sich in seiner Gesamtheit auf Fragen der Zulassung verspätet eingereichter Hilfsanträge zu der die Grosse Beschwerdekammer im Zeitpunkt der Entscheidung bereits in grundsätzlicher Hinsicht Stellung genommen hatte (siehe R 10/09, Punkte 2.2 und 2.3 der Entscheidungsgründe; R 16/09, Punkt 2.2 der Entscheidungsgründe; R 11/11, Punkte 6 und 8 der Entscheidungsgründe). Die Kammer weicht mit ihrer Entscheidung nicht von der Rechtsprechung ab, wie aus den vorstehend genannten Gründen (siehe Punkte 2.2, 2.3. 2.6, 3.3, 7.3, 8.2 und 9.3 supra) ersichtlich ist. Darüber hinaus ist zu beachten, dass eine Vorlage nicht erforderlich ist, selbst wenn eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist, wenn sie die Kammer ohne Zweifel selbst entscheiden kann (Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 6. Auflage, VII.E.14.2). Die vorliegenden Fragen werfen keine Zweifel auf, sondern sind aus der Sicht der Kammer eindeutig zu beantworten, wie sich aus den vorstehend genannten Punkten dieser Entscheidung ergibt.
10.3 Die Kammer sah daher keine Veranlassung für die Vorlage von Rechtsfragen und wies den diesbezüglichen Antrag der Beschwerdeführerin zurück.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Der Antrag auf Vorlage an die Grosse Beschwerdekammer wird zurückgewiesen.