T 0755/14 21-05-2015
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Bodenabtragsvorrichtung
Einheitlichkeit der Erfindung - a posteriori festgestellte mangelnde Einheitlichkeit (nein)
Einheitlichkeit der Erfindung - berechtigte Aufforderung zur Zahlung weiterer Gebühren (nein)
Einheitlichkeit der Erfindung - Rückerstattung der zusätzlich entrichteten Recherchengebühr (ja)
Rückzahlung der Beschwerdegebühr - (nein)
I. Die europäische Patentanmeldung Nr. 07001768.6 (im Folgenden: Anmeldung) betrifft eine Bodenabtrags-vorrichtung, insbesondere in Form eines Schlitzwand-greifers, zur Herstellung eines Schlitzes im Boden.
II. Die Beschwerde der Anmelderin (im Folgenden: Beschwerdeführerin) richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Prüfungsabteilung, mit welcher ihr Antrag auf Rückzahlung der gezahlten weiteren Recherchengebühren zurückgewiesen wurde.
III. Die Juristische Beschwerdekammer hat in ihrer Entscheidung J 21/09 (ABl. EPA 2012, 276) die Zulässigkeit der Beschwerde bejaht (Gründe Nr. 1) und eine Rechtsfrage der Großen Beschwerdekammer vorgelegt. Die Große Beschwerdekammer hat in ihrer Entscheidung G 1/11 (ABl. EPA 2014, A122) entschieden, dass für den vorliegenden Fall eine Technische Beschwerdekammer zuständig ist. Aufgrund dieser Entscheidung hat die Juristische Beschwerdekammer den Fall an die zuständige Technische Beschwerdekammer abgegeben.
IV. Der Ablauf des Prüfungsverfahrens lässt sich, soweit er für diese Entscheidung relevant ist, wie folgt zusammenfassen:
Mit dem teilweisen Recherchenbericht nach Regel 64 (1) EPÜ (im Folgendem: Teilrecherchenbericht) vom 7. August 2007 wurde die Einheitlichkeit der Anmeldung a posteriori beanstandet und die Anmelderin aufgefordert, vier weitere Recherchengebühren zu entrichten.
Die Beanstandung der mangelnde Einheitlichkeit war damit begründet, dass nach Wegfall des ursprünglichen Anspruchs 1 wegen mangelnder Neuheit sich eine a posteriori Uneinheitlichkeit für die direkt von diesem Anspruch abhängigen Ansprüche 2, 4, 8, 9 und 10 ergebe, die unterschiedliche potentielle besondere technische Merkmale mit unterschiedlichen resultierenden technischen Wirkungen aufweisen und/oder zur Lösung von unterschiedlichen objektiven technischen Aufgaben dienen. Demnach enthalte die Anmeldung die folgenden fünf Erfindungsgruppen, die nicht auf einer einzigen allgemeinen erfinderischen Idee beruhen:
- Erfindungsgruppe 1 - Ansprüche 2 und 3:
Eine Bodenabtragsvorrichtung, dessen Linearantrieb einen Stellzylinder aufweist, an dessen Kolbenstange ein flexibles Element des Getriebes angebracht ist.
- Erfindungsgruppe 2 - Ansprüche 4 bis 7:
Eine Bodenabtragsvorrichtung, dessen Seil- oder Kettengetriebe ein Stellrad aufweist, an dem zumindest ein flexibles Element angelenkt und von diesem zumindest teilweise umschlungen ist.
- Erfindungsgruppe 3 - Anspruch 8:
Eine Bodenabtragsvorrichtung, wobei ein flexibles Element ein Stahlseil ist.
- Erfindungsgruppe 4 - Anspruch 9:
Eine Bodenabtragsvorrichtung, wobei Anschlüsse für Hydraulikfluide an der Lagereinrichtung vorgesehen sind.
- Erfindungsgruppe 5 - Anspruch 10:
Ein Trägergerät mit einem Mast, an dem eine Hubeinrichtung angebracht ist, an dessen unterem Ende die Bodenabtragsvorrichtung angeordnet ist.
Am 24. August 2007 hat die Anmelderin die vier weiteren Recherchengebühren unter Vorbehalt bezahlt und gleichzeitig ihre Rückzahlung beantragt. Diesen Antrag hat sie begründet.
Der erweiterte Recherchenbericht nach Regel 62 (1) EPÜ, der sich aus dem Recherchenbericht und der Stellungnahme zur Recherche zusammensetzt, wurde der Anmelderin mit einer Mitteilung vom 6. Februar 2008 zugestellt. Die Stellungnahme behandelte die Einheitlichkeit der Anmeldung und bestätigte den im Teilrecherchenbericht erhobenen Einwand der mangelnden Einheitlichkeit.
Mit Schreiben vom 29. August 2008 hat die Anmelderin ihren Antrag auf Rückzahlung der entrichteten vier weiteren Recherchengebühren wiederholt und eingehend begründet.
Nach einer telefonischen Rücksprache am 27. Februar 2009 hat die Prüfungsabteilung mit einer Mitteilung vom 5. März 2009 die Rückzahlung der gezahlten zwei weiteren Recherchengebühren für die Erfindungsgruppen 3 und 5 angekündigt.
Daraufhin hat die Anmelderin mit Eingabe vom 24. März 2009 hinsichtlich der gezahlten zwei weiteren Recherchengebühren für die Erfindungsgruppen 2 und 4 einen Antrag auf eine beschwerdefähige Entscheidung gestellt.
Die Prüfungsabteilung hat am 25. Mai 2009, also noch vor der Erteilung des europäischen Patents, eine Zwischenentscheidung erlassen, mit welcher der Antrag auf Rückzahlung der zwei weiteren Recherchengebühren (Regel 64 (2) EPÜ) zurückgewiesen und die Beschwerde gegen diese Entscheidung für statthaft erklärt wurde (Artikel 106 (2) EPÜ).
V. Gegen diese Zwischenentscheidung wendet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde.
VI. Die Beschwerdeführerin beantragte:
- die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Rückzahlung der gezahlten zwei weiteren Recherchengebühren für die Erfindungsgruppen 2 und 4;
- die Rückzahlung der Beschwerdegebühr gemäß Regel 103 (1) EPÜ; und
- hilfsweise die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung.
VII. In einer Mitteilung gemäß Artikel 17 (2) VOBK erklärte die Kammer ihre Absicht, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Rückzahlung der gezahlten zwei weiteren Recherchengebühren anzuordnen. Außerdem teilte die Kammer ihre vorläufige Meinung mit, dass der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr zurückzuweisen sei.
VIII. Mit Schriftsatz vom 18. Mai 2015 erklärte die Beschwerdeführerin, dass sie mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden sei, sofern die Kammer an ihrer erklärten Absicht festhalte, die zwei weiteren Recherchengebühren zurückzuzahlen. Die Beschwerdeführerin stellte klar, dass sie ihren Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung nicht aufrechterhalte, sollte diese sich ausschließlich mit der Frage der Rückzahlung der Beschwerdegebühr befassen.
IX. Ansprüche in der ursprünglichen Fassung
a) Der unabhängige Anspruch 1 lautet folgendermaßen:
"1. Bodenabtragsvorrichtung, insbesondere Schlitzwandgreifer, mit
- einem Grundkörper (32), welcher mit einem Trägergerät (12) verbindbar ist,
- einer Arbeitseinheit (20), an welcher Bodenbearbeitungswerkzeuge (22) angeordnet sind und welche am Grundkörper (32) über eine Lagereinrichtung (30) verdrehbar gelagert ist, und
- einer Verdreheinrichtung (40) zum Verdrehen der Arbeitseinheit (20) gegenüber dem Grundkörper (32) um eine Verdrehachse (34),
dadurch gekennzeichnet,
- dass die Verdreheinrichtung (40) zumindest einen Linearantrieb (44) und ein Seil- oder Kettengetriebe (50) aufweist, durch welches eine vom Linearantrieb (44) erzeugte Linearbewegung in eine Verdrehbewegung umsetzbar ist."
a) Die abhängigen Ansprüche 2, 4, 8, 9 und 10, welche für diese Entscheidung relevant sind, lauten folgendermaßen:
"2. Bodenabtragsvorrichtung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der Linearantrieb (44) einen Stellzylinder, insbesondere einen Hydraulikzylinder, aufweist, an dessen Kolbenstange (47) ein flexibles Element (45) des Getriebes (50) angebracht ist. "
"4. Bodenabtragsvorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass das Seil- oder Kettengetriebe (50) ein Stellrad (52) aufweist, an dem zumindest ein flexibles Element (45) angelenkt und von diesem zumindest teilweise umschlungen ist."
"8. Bodenabtragsvorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet, dass ein flexibles Element (45) ein Stahlseil ist."
"9. Bodenabtragsvorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 8, dadurch gekennzeichnet, dass an der Lagereinrichtung (30) Anschlüsse (36) für Hydraulikfluide vorgesehen sind."
"10. Bodenabtragsvorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 9, dadurch gekennzeichnet, dass ein Trägergerät (12) mit einem Mast (14) vorgesehen ist, an dem eine Hubeinrichtung (18) angebracht ist, an dessen unterem Ende die Arbeitseinheit (20) angeordnet ist."
X. Beweismittel
a) Im Teilrecherchenbericht wurden, unter anderem, folgende Entgegenhaltungen genannt:
D1: DE 27 50 371 A
D2: JP 07 003835 A
b) Zusätzlich wurden im Recherchenbericht folgende Entgegenhaltungen genannt:
D3: DE 698 19 233 T2
D4: EP 0 592 325 A1
D5: JP 55 152228 A
Die D5 war bereits in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung erwähnt. Die D3 ist die deutsche Übersetzung der europäischen Patentschrift EP 0 872 596 B1 (D3a), welche auch in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung erwähnt war.
XI. In der angefochtenen Entscheidung hat die Prüfungs-abteilung im Wesentlichen dargelegt, dass die von der Recherchenabteilung erhobene Beanstandung der mangelnden Einheitlichkeit in Bezug auf die Recherchengebühren für die Erfindungsgruppen 2 und 4, ebenso wie in Bezug auf diejenigen der Erfindungsgruppen 3 und 5, aufrechterhalten werden, wobei allerdings für die Erfindungsgruppen 3 und 5 wegen des geringen Recherchenaufwandes trotzdem die Recherchengebühren zurückgezahlt werden.
XII. Das schriftsätzliche Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:
a) Rückzahlung der weiteren Recherchengebühren
Der Anspruch 1 in der ursprünglich eingereichten Fassung befasse sich mit einer technischen Aufgabe, welche in der Bereitstellung einer Bodenabtrags-vorrichtung mit einer einfachen, robusten und zuverlässigen Verdreheinrichtung anzusehen sei. Die direkt davon abhängigen Ansprüche 2, 4 und 8 bis 10 betreffen bevorzugte Ausführungsformen dieser Verdreheinrichtung und dienen somit ebenfalls der Lösung der vorgenannten technischen Aufgabe. Selbst nach Wegfall des Anspruchs 1 wegen mangelnder Neuheit basiere der Anmeldungsgegenstand mithin auf einer gemeinsamen allgemeinen erfinderischen Idee, so dass die beanstandete mangelnde Einheitlichkeit nicht gerechtfertigt sei.
Die Prüfungsabteilung habe diesen technischen Zusammenhang zwischen den Ansprüchen 2, 4, 8, 9 und 10 verkannt. Stattdessen habe sie für jeden dieser Ansprüche eine sehr eng formulierte Aufgabe definiert und die unabhängig voneinander definierten Aufgaben verglichen. Dies sei bei der Prüfung der Einheitlichkeit unangemessen, denn es lasse sich praktisch zu jedem abhängigen Anspruch eine eigene Aufgabenstellung ermitteln, sobald dieser nicht platt selbstverständlich sei.
Schließlich ergebe sich die Rückzahlung der gezahlten weiteren Recherchengebühren für die Erfindungsgruppen 2 und 4 aus Billigkeitsgründen. Denn tatsächlich sei für diese Erfindungsgruppen kein nennenswerter zusätzlicher Recherchenaufwand erforderlich gewesen. Nach Zahlung der weiteren Recherchengebühren seien keine zusätzlichen Sachgebiete recherchiert worden. Auch seien zwei der drei zusätzlich genannten Entgegenhaltungen bereits in der ursprünglichen Anmeldung erwähnt gewesen. Für die dritte zusätzlich genannte Druckschrift sei kein zusätzliches Gebiet recherchiert worden.
b) Rückzahlung der Beschwerdegebühr
Die Beschwerdegebühr sei aufgrund der Regel 103 (1) EPÜ zurückzuzahlen, weil die Prüfungsabteilung die Regelungen zur Einheitlichkeit der Anmeldung unangemessen eng und entgegen der jahrzehntelangen Amtspraxis ausgelegt habe.
1. Angesichts der erstinstanzlichen Umstände des Falles hält es die Kammer für angebracht, kurz auf die Vorschrift der Einheitlichkeit sowie auf die etablierte Rechtsprechung zu dieser Vorschrift einzugehen.
1.1 Nach Artikel 82 EPÜ darf eine Anmeldung nur eine einzige Erfindung enthalten oder eine Gruppe von Erfindungen, die untereinander in der Weise verbunden sind, dass sie eine einzige allgemeine erfinderische Idee verwirklichen. Sind in einer Anmeldung mehrere Erfindungen beansprucht, ist das Erfordernis der Einheitlichkeit der Erfindung nach Artikel 82 EPÜ nur dann erfüllt, wenn zwischen diesen Erfindungen ein technischer Zusammenhang besteht, der in einem oder mehreren gleichen oder entsprechenden "besonderen technischen Merkmalen" zum Ausdruck kommt (Regel 44 (1) Satz 1 EPÜ). Unter dem Begriff "besondere technische Merkmale" sind diejenigen technischen Merkmale zu verstehen, die einen Beitrag jeder beanspruchten Erfindung als Ganzes zum Stand der Technik bestimmen (Regel 44 (1) Satz 2 EPÜ). Gemäß ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern meint der Begriff "Beitrag" in diesem Zusammenhang einen neuen und offensichtlich erfinderischen Beitrag zum Stand der Technik (siehe die Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 7. Auflage 2013, kurz "RsprBK 2013", II.B.5.1 und 5.2).
1.2 Dieses Erfordernis ist eine reine Ordnungsvorschrift, welche organisatorischen, dokumentarischen, verfahrenstechnischen wie haushaltsmäßigen Ordnungszwecken dient (siehe RsprBK 2013, II.B.3.4). Daher ist zwar in klaren Fällen ein Einwand der mangelnden Einheitlichkeit vorzubringen, als Folge einer zu engen, zu wörtlichen oder theoretischen Auslegung sollte aber kein Einwand erhoben werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn die mögliche mangelnde Einheitlichkeit keine weitere Recherche erforderlich macht (siehe dazu auch die Richtlinien für die Prüfung im Europäischen Patentamt, 2014, kurz "Richtlinien 2014", F-V, 8).
1.3 Mangelnde Einheitlichkeit einer Anmeldung kann entweder von vornherein ("a priori") ersichtlich sein, d.h. bevor die Ansprüche gegenüber dem verfügbaren Stand der Technik geprüft werden, oder sich erst nachträglich ("a posteriori") ergeben, d.h. nach materieller Prüfung der Ansprüche auf Neuheit und erfinderische Tätigkeit gegenüber dem verfügbaren Stand der Technik (siehe auch Richtlinien 2014, F-V, 7).
2. Die Recherchenabteilung war also im Prinzip befugt, die Einheitlichkeit der Anmeldung a posteriori zu prüfen und, nachdem sie fünf nichteinheitliche Erfindungsgruppen ermittelt hatte, vier weitere Recherchengebühren zu verlangen.
3. Die Prüfungsabteilung hat in ihrer Entscheidung in Bezug auf den Rückzahlungsantrag nach Regel 64 (2) EPÜ überprüft, ob die Aufforderung nach Regel 64 (1) EPÜ gerechtfertigt war. Sie hat den darin erhobenen Einwand der mangelnden Einheitlichkeit bestätigt und kam dann zu dem Schluss, dass der Rückzahlungsantrag nicht berechtigt sei. Die Prüfungsabteilung hat dennoch die Rückzahlung zweier weiterer Recherchengebühren mit der Begründung angeordnet, dass die Erfindungsgruppen 3 und 5 mit geringem zusätzlichen Recherchenaufwand recherchierbar waren.
4. Bei der Überprüfung der Entscheidung der Prüfungs-abteilung nach Regel 64 (2) EPÜ muss die Kammer ebenfalls überprüfen, ob die Aufforderung nach Regel 64 (1) EPÜ berechtigt war und ob der darin erhobene Einwand der mangelnden Einheitlichkeit gerechtfertigt war. Dabei muss sich die Überprüfung dieses Einwands darauf beschränken, ob er zum Zeitpunkt der Versendung der Aufforderung nach Regel 64 (1) EPÜ, d.h. zum Zeitpunkt der Erstellung des Teilrecherchenberichts, und unter Berücksichtigung des zu diesem Zeitpunkt verfügbaren Stands der Technik gerechtfertigt war (siehe RsprBK 2013, II.B.3.3.2; siehe auch Richtlinien 2014, F-V, 11.3 und C-III, 3.3).
5. Zum relevant Zeitpunkt stand der Recherchenabteilung nicht nur der durch ihre vorläufige Recherche aufgefundene Stand der Technik (u.a. die D1 und D2) zur Verfügung, sondern auch der in der ursprünglichen Anmeldung erwähnte Stand der Technik (d.h. die D3a und D5 sowie die Patentschrift EP 0 533 559 B1), der aufgrund seiner Relevanz für das Verständnis der Erfindung von der Recherchenabteilung zu berücksichtigen war.
6. Die Kammer stellt aus folgenden Gründen fest, dass weder der Einwand der mangelnden Einheitlichkeit noch die Aufforderung zur Zahlung weiterer Recherchengebühren gerechtfertigt waren:
6.1 Keine Prüfung a posteriori
Die Recherchenabteilung war der Auffassung, dass die Bodenabtragsvorrichtungen gemäß der D1 und D2 jeweils alle Merkmale des Anspruchs 1 aufwiesen. Die Beschwerdeführerin teilt diese Einschätzung. Auch die Kammer kann sich dieser Einschätzung anschließen.
Daraufhin hat die Recherchenabteilung festgestellt, dass wegen der fehlenden Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 die fünf Erfindungen, die in den direkt von Anspruch 1 abhängigen Ansprüche 2, 4, 8, 9 und 10 definiert sind, den Anforderungen der Einheitlichkeit der Erfindung a posteriori nicht genügen.
Es ist aber nicht erkennbar, dass die Recherchenabteilung die Einheitlichkeit a posteriori geprüft hat. Eine solche Prüfung setzte voraus, dass die besonderen technischen Merkmale der abhängigen Ansprüche 2, 4, 8, 9 und 10 a posteriori ermittelt wurden, d.h. nach Prüfung ihrer Neuheit und erfinderischen Tätigkeit gegenüber dem verfügbaren Stand der Technik. Die im Ergänzungsblatt B des Teilrecherchenberichts angegebenen besonderen technischen Merkmale der Ansprüche 2, 4, 8, 9 und 10 entsprechen jedoch jeweils dem Wortlaut der zusätzlichen Merkmale dieser Ansprüche. Die besonderen technischen Merkmale wurden also nur a priori ermittelt, d.h. ohne in die Prüfung der Patentfähigkeit dieser Ansprüche gegenüber den verfügbaren Stand der Technik einzusteigen.
Dieser Umstand wird dadurch bestätigt, dass die Recherchenabteilung im Hauptblatt des Teilrecherchenberichts angegeben hat, dass sie den Gegenstand des Anspruchs 2 als nicht neu bzw. nicht erfinderisch gegenüber der D1, oder alternativ der D2, ansieht (siehe Kategorie "X" der Dokumente D1 und D2), und diese Einschätzung bei ihrer Ermittlung der besonderen technischen Merkmale des Anspruchs 2 nicht berücksichtigt.
Demzufolge hat die Recherchenabteilung die Einheitlichkeit a posteriori in inkonsistenter Weise geprüft (siehe auch Richtlinien 2014, F-V, 9). Schon allein deshalb ist der Einwand der mangelnden Einheitlichkeit nicht stichhaltig.
6.2 Keine besonderen technischen Merkmale
Die Recherchenabteilung hat in der dem Recherchenbericht beigefügten Stellungnahme zur Recherche ihre vorläufige Auffassung kundgetan, dass der Gegenstand der Ansprüche 2, 4, 8 und 10 gegenüber der D1 bzw. D2 nicht neu sei und dass ausgehend von der D2 der Gegenstand des abhängigen Anspruchs 9 im Hinblick auf die Lehre der D3 oder D5 auf keiner erfinderischen Tätigkeit beruhe. Die Kammer teilt diese Auffassung.
Die Kammer stellt fest, dass die Entgegenhaltungen D1, D2, D5 und D3a, dessen Inhalt mit dem der D3 identisch ist, zum Zeitpunkt der Erstellung des Teilrecherchenberichts der Recherchenabteilung zur Verfügung standen (siehe Punkt 5 oben).
Bei einer konsistenten Prüfung der Einheitlichkeit a posteriori zum Zeitpunkt der Erstellung des Teilrecherchenberichts oder aber spätestens zum Zeitpunkt der Erstellung des Recherchenberichts hätte die Recherchenabteilung mithin feststellen können und müssen, dass die zusätzlichen Merkmale der abhängigen Ansprüche 2, 4, 8, 9 und 10 jeweils keinen Beitrag zu dem zum Zeitpunkt der Versendung der Aufforderung nach Regel 64 (1) EPÜ verfügbaren Stand der Technik leisten und mithin keine "besondere technische Merkmale" im Sinne der Regel 44 (1) EPÜ darstellen können (siehe Punkt 1.1 oben). Demnach können die Ansprüche 2, 4, 8, 9 und 10 per definitionem gar keine Erfindungen im Sinne der Regel 44 (1) EPÜ darstellen.
Der erhobene Einwand der mangelnden Einheitlichkeit a posteriori war mithin unbegründet.
6.3 Kein zusätzlicher Recherchenaufwand erforderlich
Abgesehen von dieser inkorrekten Prüfung der Einheitlichkeit a posteriori stellt die Kammer fest, dass der Recherchenbericht sich vom Teilrecherchenbericht im Wesentlichen nur darin unterscheidet, dass die Druckschriften D3, D4 und D5 genannt sind. Die Kammer findet es bemerkenswert, dass die D5 bereits in der ursprünglichen Anmeldung erwähnt war und dass die D3 herangezogen wurde, obwohl sie nur die deutsche Übersetzung der D3a ist, welche ihrerseits ebenfalls in der ursprünglichen Anmeldung erwähnt war. Die D4 ist neben der D3 und D5 nur als weiterer Nachweis der Behauptung genannt worden, dass ausgehend von der D2 das zusätzliche Merkmal des Anspruchs 9, "dass an der Lagereinrichtung ... Anschlüsse ... für Hydraulikfluide vorgesehen sind", keine erfinderische Tätigkeit begründen kann. Die Kammer findet es auch hier bemerkenswert, dass die D4 von der gleichen Anmelderin wie die in der ursprünglichen Anmeldung erwähnte Patentschrift EP 0 533 559 B1 stammt und dass die entgegengehaltene Lehre der D4 nicht über diejenige der Patentschrift hinausgeht (siehe Spalte 4, Zeilen 30 bis 37).
Es ist mithin offensichtlich, dass für alle Erfindungsgruppen mit geringem oder gar ohne zusätzlichen Zeit- und Kostenaufwand eine vollständige Recherche durchgeführt und eine vollständige Stellungnahme dazu hätten verfasst werden können. Schon allein deshalb verstieß die Anforderung zusätzlicher Recherchengebühren gegen den Grundsatz der Billigkeit (siehe auch RsprBK 2013, II.B.6.3).
7. Aus den vorgenannten Gründen hätte auch die Prüfungsabteilung die Frage der Einheitlichkeit zugunsten der Beschwerdeführerin entscheiden und die Rückzahlung der gezahlten vier weiteren Recherchengebühren anordnen müssen.
8. Nach alledem kommt die Kammer zu dem Schluss, dass der Antrag der Beschwerdeführerin auf Rückzahlung der gezahlten zwei weiteren Recherchengebühren für die Erfindungsgruppen 2 und 4 berechtigt ist und dass die Entscheidung der Prüfungsabteilung, die Rückerzahlung dieser weiteren Recherchengebühren abzulehnen, aufzuheben ist.
9. Rückzahlung der Beschwerdegebühr
9.1 Nach Regel 103 EPÜ wird die Rückzahlung der Beschwerdegebühr angeordnet, wenn der Beschwerde stattgegeben wird und die Rückzahlung wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels der Billigkeit entspricht.
9.2 Obwohl die Recherchen- und Prüfungsabteilungen es versäumt haben, sich an das in den Richtlinien festgelegte Verfahren zur Prüfung der Einheitlichkeit zu halten, kann entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin die inhaltliche Fehleinschätzung der Recherchen- und Prüfungsabteilung zu der Frage der Einheitlichkeit nicht als ein wesentlicher Verfahrensmangel im Sinne der Regel 103 (1) EPÜ angesehen oder einem solchen gleichgesetzt werden, insbesondere da die Richtlinien nicht rechtsverbindlich sind.
9.3 Auch kann die Kammer in der Vorgehensweise der Prüfungsabteilung keinen wesentlichen Verfahrensmangel erkennen. Die Prüfungsabteilung hat die Stichhaltigkeit des von der Recherchenabteilung erhobenen Einwands der mangelnden Einheitlichkeit und die Begründetheit des Antrags der Beschwerdeführerin auf Rückzahlung der zusätzlich gezahlten Recherchengebühren überprüft. Bevor sie ihre Zwischenentscheidung erlassen hat, mit der dieser Antrag zurückgewiesen wurde, hat sie die Beschwerdeführerin über ihre vorläufige Meinung und auch über die Gründe für diese Meinung unterrichtet. Der Beschwerdeführerin wurde Gelegenheit gegeben, sich zu dieser vorläufigen Meinung zu äußern, und ihre Äußerungen wurden von der Prüfungsabteilung in ihrer Zwischenentscheidung berücksichtigt.
9.4 Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach Regel 103 (1) EPÜ ist damit zurückzuweisen.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Zwischenentscheidung wird aufgehoben.
2. Die Rückzahlung der zwei nach Regel 64 (1) EPÜ gezahlten Recherchengebühren für die Erfindungsgruppe 2 (Ansprüche 4 bis 7) und die Erfindungsgruppe 4 (Anspruch 9) wird angeordnet.
3. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.