T 0008/15 (Enzymvermittelte Fluoreszenzmarkierung in der STED-Mikroskopie/LEICA) 18-02-2019
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Verfahren zur räumlich hochauflösenden Untersuchung von einer mit einer fluoreszierenden Substanz markierten Struktur einer Probe
Zulässigkeit der Beschwerde - Beschwerde hinreichend begründet (ja)
Neuheit - Hauptantrag (ja)
Erfinderische Tätigkeit - alle Anträge (nein)
Erfinderische Tätigkeit - naheliegende Kombination
I. Die Beschwerdeführerinnen 1 (Patentinhaberin) und 2 (Einsprechende) haben gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung über die geänderte Fassung, in der das europäische Patent Nr. 1 903 336 aufrechterhalten werden kann, Beschwerde eingelegt.
II. Das Streitpatent in der erteilten Fassung enthält 12 Ansprüche. Die unabhängigen Ansprüche 1 und 12 lauten wie folgt:
"1. Verfahren in der STED-Mikroskopie zur räumlich hochauflösenden Untersuchung von einer mit einer fluoreszierenden Substanz markierten Struktur einer Probe, wobei die Substanz wiederholt von einem ersten Zustand in einen zweiten Zustand überführbar ist, wobei sich die ersten und die zweiten Zustände in mindestens einer optischen Eigenschaft voneinander unterscheiden, umfassend die Schritte, dass die Substanz in einem zu erfassenden Probenbereich zunächst in den ersten Zustand gebracht wird und dass mittels eines optischen Signals der zweite Zustand induziert wird, wobei innerhalb des zu erfassenden Probenbereichs räumlich begrenzte Teilbereiche gezielt ausgespart werden, dadurch gekennzeichnet, dass als Struktur, die mit der fluoreszierenden Substanz markiert wird, ein Protein - Zielprotein (5) - in lebenden Zellen verwendet wird, indem ein die fluoreszierende Substanz umfassender Ligandkomplex (1) über eine enzymatische Reaktion in der Zelle an ein Enzym (4) gebunden wird, wobei das Enzym (4) als Fusionsprotein (6) gemeinsam mit dem zu untersuchenden Zielprotein (5) exprimiert wird."
"12. Verfahren zur räumlich hochauflösenden PALM (photoactivated localization microscopy) - Untersuchung von einer mit einer fluoreszierenden Substanz markierten Struktur einer Probe, wobei die Substanz von einem ersten Zustand in einen zweiten fluoreszierenden Zustand überführbar ist, und wobei eine räumlich hochaufgelöste Abbildung der Struktur erstellt wird, indem die Probe mit einer vorgebbaren geringen Menge an Anregungslicht bestrahlt wird, so dass ein geringer Prozentsatz der Fluoreszenzmoleküle in den zweiten Zustand übergeht, wobei das aus spontanem Zerfall der einzelnen angeregten Fluoreszenzmoleküle im zweiten Zustand resultierende Emissionslicht mittels einer Detektionseinrichtung nachgewiesen wird und für jedes dieser Fluoreszenzmoleküle mit Hilfe geeigneter statistischer Methoden der Schwerpunkt des Emissionslichts gebildet wird, wobei die Fluoreszenzmoleküle im zweiten Zustand in den ersten Zustand zurückgeführt und/oder geblichen werden, wobei die Schritte der Bestrahlung, der Detektion, der Schwerpunktbildung und der Rückführung in den ersten Zustand und/oder des Bleichens aller Moleküle im zweiten Zustand in einer hohen Anzahl für jeweils eine andere Untermenge an Fluoreszenzmolekülen wiederholt wird, und wobei aus den so erstellten Einzelaufnahmen eine Gesamtabbildung erstellt wird, dadurch gekennzeichnet, dass als Struktur, die mit der fluoreszierenden Substanz markiert wird, ein Protein - Zielprotein (5) - in lebenden Zellen verwendet wird, indem ein die fluoreszierende Substanz umfassender Ligandkomplex (1) über eine enzymatische Reaktion in der Zelle an ein Enzym (4) gebunden wird, wobei das Enzym (4) als Fusionsprotein (6) gemeinsam mit dem zu untersuchenden Zielprotein (5) exprimiert wird."
III. In der vorliegenden Entscheidung wird auf die folgenden Beweismittel Bezug genommen:
D1 A. Keppler et al., PNAS, 2004, Bd. 101, Nr. 27, Seiten 9955 bis 9959
D2 A. Keppler et al., Nature Biotechnology, 2003, Bd. 21, Seiten 86 bis 89
E1 G. V. Los et al., Promega Notes, 89, 1/05
E2 G. V. Los et al., Cell Notes, 2005, Nr. 11, Seiten 2 bis 6
E3 Th. Gronemeyer et al., Current Opinion in Biotechnology, 2005, 16, Seiten 453 bis 458
E5 S. Jakobs, Biochimica et Biophysica Acta, 2006, 1763, Seiten 561 bis 575 (on-line zugänglich 20 April 2006)
E6 Th. A. Klar et al., PNAS, 2000, Bd. 97, Nr. 15, Seiten 8206 bis 8210
IV. Im Verfahren vor der Einspruchsabteilung war das Streitpatent in seinem gesamten Umfang wegen mangelnder Neuheit und erfinderischer Tätigkeit (Artikel 100 a) EPÜ) und unzureichender Offenbarung (Artikel 100 b) EPÜ) angegriffen worden.
V. Der angefochtenen Entscheidung lagen das Patent in der erteilten Fassung (Hauptantrag) und der in der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung eingereichte Hilfsantrag zugrunde.
Die Einspruchsabteilung entschied, dass der Gegenstand der Ansprüche 1 bis 11 wie erteilt ausreichend offenbart sei. Die Wahl der für die STED Mikroskopie erforderlichen Parameter und geeigneter Fusionsproteine seien unter zu Hilfenahme der Beschreibung und des allgemeinen Fachwissens möglich. Zudem sei der Gegenstand der erteilten Ansprüche 1 bis 11 neu gegenüber der Offenbarung des Beweismittels E5 und beruhe ausgehend von diesem als nächstem Stand der Technik auf einer erfinderischen Tätigkeit. Nach Auffassung der Einspruchsabteilung habe für den Fachmann die Auswahl des STED-Verfahrens aus den in E5 aufgelisteten Mikroskopieverfahren und die Auswahl der speziellen Markierungstechnik aus den aufgelisteten Markierungstechniken für die Lösung der technischen Aufgabe, die in der Bereitstellung eines alternativen hochauflösenden Mikroskopieverfahrens lag, nicht nahegelegen.
Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 12 sei jedoch nicht ausreichend offenbart, da das anspruchsgemäße PALM-Verfahren an lebenden Zellen unter der in der Beschreibung und dem Stand der Technik offenbarten Versuchsanordnung nicht möglich gewesen sei.
Der Hilfsantrag, dessen Ansprüche mit den erteilten Ansprüchen 1 bis 11 identisch waren und den beanstandeten Anspruch 12 nicht länger enthielten, wurde von der Einspruchsabteilung aus den genannten Gründen für gewährbar erachtet.
VI. Mit der Beschwerdebegründung verteidigte die Beschwerdeführerin 1 das Patent in der erteilten Fassung.
VII. Die Beschwerdeführerin 2 hielt mit der Beschwerdebegründung ihre Einwände mangelnder Neuheit (erteilter Anspruch 1), mangelnder erfinderischer Tätigkeit und unzureichender Offenbarung (erteilte Ansprüche 1 und 12) aufrecht.
VIII. Mit Schriftsatz vom 20. Juni 2015 erhob die Beschwerdeführerin 1 einen Einwand gegen die Zulässigkeit der Beschwerde der Beschwerdeführerin 2.
IX. Mit Schriftsatz vom 6. August 2015 wies die Beschwerdeführerin 2 den Einwand der Unzulässigkeit ihrer Beschwerde zurück.
X. In einer Mitteilung zur Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung fasste die Kammer die zu diskutierenden Sachverhalte zusammen und informierte die Parteien über ihre vorläufige Meinung. Hinsichtlich der Zulässigkeit der Beschwerde war die Kammer der Auffassung, dass die Beschwerde zulässig sei. Im Hinblick auf die erfinderische Tätigkeit teilte die Kammer in ihrer vorläufigen Meinung die Auffassung der Einspruchsabteilung bezüglich des nächstliegenden Standes der Technik und der Formulierung der zu lösenden technischen Aufgabe. Mit Blick auf das Ziel der Erfindung, i.e. Untersuchungen an lebenden Zellen durchzuführen zu können, war die Kammer der vorläufigen Meinung, dass für den Fachmann ein ausreichender Anreiz bestünde, die vorgeschlagene Markierungstechnik, die speziell für diesen Zweck entwickelt worden war, auch in der bekannten STED Mikroskopie zu verwenden.
XI. Mit Schriftsatz vom 22. Januar 2019 reichte die Beschwerdeführerin 1 die Hilfsanträge 2a, 2b, 3a und 3b ein.
Der Hilfsantrag 2a unterscheidet sich von den Ansprüchen in der erteilten Fassung dadurch, dass das Merkmal aus dem erteilten Anspruch 2 "wobei der Ligandkomplex (1) über einen reaktiven Linker (2) kovalent an das Enzym (4) gebunden wird" in den Anspruch 1 aufgenommen wurde. Die übrigen Ansprüche wurden umnummeriert. Das gleiche Merkmal wurde auch in den unabhängigen Anspruch 11 (i.e. erteilter Anspruch 12) aufgenommen.
Der Hilfsantrag 2b unterscheidet sich vom Hilfsantrag 2a dadurch, dass der unabhängige Anspruch 11 gestrichen wurde.
Der Hilfsantrag 3a unterscheidet sich vom Hilfsantrag 2a dadurch, dass zusätzlich das Merkmal "und wobei als Enzym (4) ein HaloTag verwendet wird" in den Anspruch 1 aufgenommen wurde. Die abhängigen Ansprüche 2 bis 4 wurden dementsprechend gestrichen und die verbliebenen Ansprüche umnummeriert. Das gleiche Merkmal wurde auch in den unabhängigen Anspruch 8 (i.e. Anspruch 11 des Hilfsantrags 2a) aufgenommen.
Der Hilfsantrag 3b unterscheidet sich vom Hilfsantrag 3a dadurch, dass der Anspruch 8 gestrichen wurde.
XII. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin 1 soweit es die entscheidungserheblichen Sachverhalte betrifft, lässt sich wie folgt zusammenfassen:
- Zulässigkeit der Beschwerde
Die Beschwerde der Beschwerdeführerin 2 sei gemäß Artikel 108 in Verbindung mit Regel 101 (1) EPÜ als unzulässig zu verwerfen, da sie nicht ausreichend substantiiert sei und somit nicht die Erfordernisse der Regel 99 (2) EPÜ erfülle. Gemäß ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern müssen in der Beschwerdebegründung die Argumente der Beschwerdeführerin so deutlich und genau vorgebracht werden, dass die Kammer und die Gegenpartei ohne eigene Ermittlung unmittelbar verstehen können, warum die Entscheidung falsch sein soll und auf welche Tatsachen die Beschwerdeführerin ihre Argumente stützt. In diesem Zusammenhang werde auf T 1402/10, T 501/09, T 2115/09 und T 2342/08 verwiesen. Diesen Anforderungen werde die Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerin 2, die in weiten Teilen wortwörtlich die Argumente aus dem Einspruchsverfahren wiederhole, in keiner Weise gerecht. Es fehle an einer intensiven Auseinandersetzung mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung. Die beiden Abschnitte auf die die Beschwerdeführerin 2 in diesem Zusammenhang verweise, seien diesbezüglich viel zu kurz. Zudem sei nicht klar in welchem Umfang die Entscheidung aufgehoben werden solle.
- Neuheit
Das Beweismittel E5 sei ein Übersichtsartikel, vergleichbar mit einem Text- oder Lehrbuch, das eine Vielzahl von Markierungsmöglichkeiten (z. B. die Punkte 2 bis 4) und Mikroskopieverfahren (z. B. die Punkte 6 und 13 bis 15) offenbare. Der Fokus von E5 liege insbesondere auf dem Einsatz von Fluoreszenzproteinen als Marker, obwohl auch andere Markierungsmöglichkeiten erwähnt werden. Aus dieser Offenbarung greife die Beschwerdeführerin 2 willkürlich eine einzelne Markierungsmöglichkeit und ein einzelnes Mikroskopieverfahren heraus und kombiniere diese, ohne dass es für eine derartige Kombination einen Hinweis in E5 gebe. An keiner Stelle werde eine derartige Kombination offenbart. Dies gelte auch für die Zusammenfassung von E5. In dieser werde die STED-Mikroskopie zwar als eines von mehreren neuen Bildgebungsverfahren aufgeführt. Die anspruchsgemäße Fluoreszenzmarkierung (diese wird nachfolgend auch als enzymvermittelte Markierungstechnik bezeichnet; Anmerkung der Kammer) werde in diesem Zusammenhang aber nicht genannt. Vielmehr werde ganz allgemein von Fluoreszenzmarkierung und neuen Fluoreszenzmarkern gesprochen. E5 sei damit nicht neuheitsschädlich für den Gegenstand des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung.
- erfinderische Tätigkeit
E5 sei als nächster Stand der Technik weniger geeignet als E6. Zwar beschreibe es verschiedene Methoden der Fluoreszenzmarkierung sowie Bildgebungsverfahren. Als Übersichtsartikel sei es aber von geringer Detailtiefe. Zudem richte es sich eher an Mitochondrienforscher. In jedem Fall gehe der Informationsgehalt von E5 nicht über den von E6 hinaus. E5 offenbare in Punkt 15 die Anfärbung von Membranen und Vakuolen. Dabei werde der Farbstoff in die Membranen eingelagert. Für Proteine gebe es bislang nur die Immunofluoreszenz.
Die dem Streitpatent zugrunde liegende Aufgabe könne in der Bereitstellung eines flexibleren Systems angesehen werden, das sich zur Markierung in lebenden Zellen eigne.
Für den Fachmann bestehe nicht der geringste Grund die enzymvermittelte Markierungstechnik mit dem STED-Verfahren zu kombinieren. Der Fokus von E5 liege auf dem Einsatz von Fluoreszenzproteinen, die in Punkt 3 von E5 beschrieben und in den Bildgebungsverfahren 6 bis 14 verwendet werden. Dies gehe auch aus Punkt 4 des Beweismittels E5 hervor (siehe Seite 564, linke Spalte, letzter Satz des vorletzten Absatzes). Auch in Punkt 15 werde auf derartige Marker verwiesen (siehe Seite 570, rechte Spalte, letzter Absatz bis Seite 571, linke Spalte erster Absatz). Der Fachmann hätte die enzymvermittelte Markierungstechnik daher nicht berücksichtigt.
Zudem lehre E5 vom Einsatz der enzymvermittelten Markierungstechnik weg. So werde in Punkt 4 von E5 explizit darauf hingewiesen, dass die Tag-vermittelte Markierungstechnik, zu dem die enzymvermittelte Markierungstechnik gehöre, nicht verbreitet sei, weder bei mitochondrialen noch bei anderen Proteinen (E5, Seite 564, linke Spalte, vorletzter Absatz). Zudem werde im drittletzten Absatz auf Seite 564, linke Spalte, noch auf besondere Nachteile der enzymvermittelten Markierungstechnik, insbesondere der Halo-Tag-Markierung verwiesen. Diese sei wegen ihrer Größe zur Markierung eher ungeeignet. Erst die Erfinder hätten das Potential einer Kombination von STED-Mikroskopie und enzymvermittelter Markierungsmethode erkannt.
Die in E1 und E2 beschriebene Halo-Tag-Markierungstechnik ließe sich möglicherweise in der STED-Mikroskopie verwenden. Es werden in E1 und E2 aber keine für die STED-Mikroskopie geeigneten Farbstoffe, die bestimmte optische Eigenschaften erfüllen müssen, genannt. Der normale Anwendungsfall in E1 und E2 sei die konfokale und "wide-field" Mikroskopie. Angesichts der Vielzahl der ihm zur Verfügung stehenden Markierungstechniken hätte der Fachmann nicht ausgerechnet die komplexe und wenig geeignete, enzymvermittelte Markierungstechnik, insbesondere die Halo-Tag-Markierung ausgewählt, um sie in der STED-Mikroskopie zu verwenden. Darüber hinaus müsse der Fachmann auch die STED-Mikroskopie aus der Vielzahl der in E5 beschriebenen Methoden auswählen.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 der erteilten Fassung ergebe sich für den Fachmann daher nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik.
Das gleiche gelte für den Anspruch 1 der Hilfsanträge. Bezüglich der Hilfsanträge 3a und 3b werde erneut darauf verwiesen, das E5 auf Grund der Größe des Halo-Tags von der Verwendung der Halo-Tag-Markierung weg lehre.
XIII. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin 2 soweit es die entscheidungserheblichen Sachverhalte betrifft, lässt sich wie folgt zusammenfassen:
- Zulässigkeit der Beschwerde
Die Beschwerde sei ausreichend substantiiert und damit zulässig. In diesem Zusammenhang werde insbesondere auf den Absatz 4.1 der Beschwerdebegründung verwiesen, in dem die Beschwerdeführerin 2 darlege, warum sie die Einschätzung der Einspruchsabteilung bezüglich Neuheit nicht teile. Da es keine Teilzulässigkeit gebe, sei die Beschwerde schon allein aus diesem Grund zulässig. Darüber hinaus werden auch in den Punkten 5.2 und 5.3 der Beschwerdebegründung im Zusammenhang mit der erfinderischen Tätigkeit Mängel in der Entscheidung der Einspruchsabteilung angesprochen. Es sei richtig, dass sich die Beschwerdebegründung zusätzlich mit dem zu Gunsten der Beschwerdeführerin 2 entschiedenen Sachverhalt der ausreichenden Offenbarung befasse. Dies sei jedoch in Hinblick darauf geschehen, dass die Patentinhaberin ebenfalls Beschwerde eingelegt habe. Es sei absehbar gewesen, dass die Frage der ausreichenden Offenbarung erneut diskutiert werden könnte. Im Sinne einer zügigen Verfahrensführung sei dieser Sachverhalt daher ebenfalls abgehandelt worden. Hinsichtlich der Frage des Umfangs in dem die angefochtene Entscheidung aufgehoben werden solle, werde auf den Schriftsatz vom 22 Dezember 2014 verwiesen, in dem der vollständige Widerruf des Streitpatents beantragt wurde.
- Neuheit
E5 sei neuheitsschädlich für den Gegenstand des erteilten Anspruchs 1. Zwar sei es richtig, dass E5 die Tag-Markierungstechnik in Punkt 4 und die STED-Mikroskopie in Punkt 15 offenbare. Dabei dürfe aber die Zusammenfassung nicht außer Acht gelassen werden, in der die Markierungstechnik, für die in Punkt 4 die Tag-Markierungstechnik erwähnt werde, explizit mit entsprechenden Mikroskopieverfahren verbunden werde (siehe Zusammenfassung, Zeilen 4 bis 7). Die Kombination von "novel fluorescent markers" (Tag-Markierungstechnik in Punkt 4) mit "novel imaging techniques" (STED-Mikroskopie) sei für den Fachmann somit eindeutig offenbart. Zudem sei eine Auswahl aus zwei Listen nur dann neu, wenn ein überraschender Effekt damit verbunden sei.
- Erfinderische Tätigkeit
Ausgehend von E5, soweit diese nicht bereits als neuheitsschädlich anzusehen sei, sei der Gegenstand des Anspruchs 1 wie erteilt für den Fachmann offensichtlich. Punkt 4 in E5 widme sich der Probenpräparation und Punkt 15 beschreibe das Mikroskopieverfahren und dessen Eignung zur Untersuchung lebender Zellen. Beide Maßnahmen (Marker und Abbildungsverfahren) müssen kombiniert werden. So benötige die STED-Mikroskopie Fluoreszenzmarker. Für lebende Zellen seien dazu geeignete Fluoreszenzmarker erforderlich.
Das anspruchsgemäße Verfahren ermögliche es, eine Vielzahl von Proteinen untersuchen zu können. Die zu lösende Aufgabe könne daher darin gesehen werden, den Anwendungsbereich der STED-Mikroskopie zu erweitern und die Untersuchung einer Vielzahl von Protein zu erschließen.
Eine Lösung dieses Problems werde dem Fachmann bereits mit Punkt 4 der E5 nahegelegt, der sich auf die spezifische Markierung von Proteinen in lebenden Zellen beziehe. Die Markierung und Abbildung eines Proteins werde auch in Punkt 15 im Zusammenhang mit der STED-Mikroskopie erwähnt. Dort werde zudem die Eignung der STED-Methode zur Untersuchung von Proteinen in Mitochondrien vorgeschlagen (siehe Seite 570, rechte Spalte, Zeilen 4 bis 9). Dieser Offenbarung komme nicht weniger Bedeutung zu als der in Punkt 15 ebenfalls offenbarten Markierung und Abbildung von Vakuolenmembranen. Der Fachmann müsse lediglich ihm präsentes Fachwissen kombinieren, um zum anspruchsgemäßen Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 zu gelangen. Diese Kombination werde darüber hinaus in der Zusammenfassung von E5 angeregt. Weiter gestützt werde die Lehre in Punkt 4 der E5 zudem durch die Beweismittel D1, D2, E1 bis E3 (siehe insbesondere die Zusammenfassungen von E1 und E2). Aus E1 sei dem Fachmann beispielsweise bekannt, dass das Enzym Halo-Tag es erlaube, Farbstoffe in Zellen einzuführen. Es sei besonders für lebende Zellen geeignet und eröffne große Wahlfreiheit bei den Fluoreszenzfarbstoffen. E1 und E2 böten zudem weitere Informationen, falls der Fachmann zu der in E5 offenbarten enzymvermittelten Markierungstechnik Ergänzungsbedarf habe.
Auch wenn E5 auf den Einsatz von Fluoreszenproteinen fokussiert sei, so gebe es keinen triftigen Grund zu der Annahme, dass geeignete Fluoreszenzmarker unbedingt Fluoreszenzproteine sein müssen. Der die Seiten 570 und 571 überbrückende Absatz beziehe sich auf bestimmte Farbstoffe. Anspruch 1 in der erteilten Fassung sei diesbezüglich jedoch nicht beschränkt.
Dem Fachmann seien für die STED-Mikroskopie geeignete Farbstoffe bekannt (siehe z.B. E6, Seite 8209).
Es gebe auch kein Vorurteil gegen die Verwendung der enzymvermittelten Markierungstechnik in der STED-Mikroskopie. Auf das offensichtliches Potential dieser Technik werde in Punkt 4 von E5 explizit hingewiesen (siehe Seite 564, vorletzter Absatz). Der Verweis auf die Größe des Halo-Tag-Markers halte den Fachmann zudem nicht von dessen Einsatz ab.
Eine Auswahl der STED-Mikroskopie sei zudem nicht erforderlich. Die erfindungsgemäß zu verwendenden, hochauflösenden Mikroskopieverfahren führten den Fachmann unmittelbar zu Punkt 15 von E5. Eine erfinderische Auswahl liege nicht vor.
Die gleichen Argumente seien auch in Bezug auf die Ansprüche 1 der Hilfsanträge 1, 2a, 2b, 3a und 3b gültig. Die anspruchsgemäße kovalente Bindung in den Ansprüchen 1 der Hilfsanträgen 2a und 2b gebe es sowohl in der in E5 offenbarten Snap-Tag- als auch Halo-Tag-Markierung.
XIV. Die Beschwerdeführerin 1 beantragte, die Beschwerde der Beschwerdeführerin 2 gemäß Artikel 108 in Verbindung mit Regel 101 (1) EPÜ als unzulässig zu verwerfen. Des Weiteren beantragte sie die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das Streitpatent in der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten. Hilfsweise beantragte sie die Beschwerde der Beschwerdeführerin 2 zurückzuweisen (Hilfsantrag 1) oder das Streitpatent auf Grundlage eines der Hilfsanträge 2a/2b oder 3a/3b aufrechtzuerhalten.
XV. Die Beschwerdeführerin 2 beantragte die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das Streitpatent vollständig zu widerrufen.
XVI. Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung der Kammer verkündet.
1. Zulässigkeit der Beschwerde der Beschwerdeführerin 2 (Artikel 108 in Verbindung mit Regel 101 (1) EPÜ)
1.1 Nach Auffassung der Beschwerdeführerin 1 sei die Beschwerde der Beschwerdeführerin 2 als unzulässig zu verwerfen, weil aus der Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerin 2 nicht hervorgehe, aus welchem Grund und in welchem Umfang die angefochtene Entscheidung aufzuheben sei. Insbesondere gebe es keine detaillierte Auseinandersetzung mit den Gründen der Entscheidung (siehe Punkt XII oben).
1.2 Dem kann sich die Kammer nicht anschließen. So erläutert die Beschwerdeführerin 2 in Punkt 4.1 der Beschwerdebegründung, warum sie die Auffassung der Einspruchsabteilung bezüglich der Neuheit des anspruchsgemäßen Gegenstandes gegenüber der Offenbarung des Beweismittels E5 nicht teile. Sie bezieht sich darin auf den einzigen von der Einspruchsabteilung angeführten Grund für die Neuheit, nämlich dass das anspruchsgemäße Mikroskopieverfahren und die anspruchsgemäße Markierungstechnik in E5 nicht in Kombination offenbart werden (siehe die angefochtene Entscheidung Punkt 2.3.3), und verweist in diesem Zusammenhang auf die Zusammenfassung von E5, die ihrer Ansicht nach die Einschätzung der Einspruchsabteilung widerlege.
Im nachfolgenden Punkt 5.1 der Beschwerdebegründung erläutert die Beschwerdeführerin 2, warum E5, selbst wenn es als nicht neuheitsschädlich anzusehen sei, die anspruchsgemäße Kombination aus Mikroskopieverfahren und Markierungstechnik nahelege. In Punkt 5.3 wird zudem auf die mangelnde erfinderische Tätigkeit in Bezug auf die Kombination von E6 mit E1 verwiesen. Dieser Einwand wurde bereits im Einspruchsverfahren erhoben. In diesem Zusammenhang wies die Beschwerdeführerin 2 darauf hin, dass hierbei keine Auswahl aus zwei Listen zu treffen sei. Letzteres war ein entscheidendes Argument der Einspruchsabteilung in ihrer Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit, wenn auch ausgehend von E5 als nächstem Stand der Technik.
Zudem wird aus der Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerin 2 deutlich (siehe Punkt 3), dass sie der Auffassung der Einspruchsabteilung entgegentritt, dass das Mikroskopieverfahren des erteilten Anspruchs 1 für den Fachmann so deutlich offenbart sei, dass er es über die gesamte Breite ausführen kann. Die Beschwerdeführerin 2 weist in ihrer Beschwerdebegründung darauf hin, dass das Streitpatent kein einziges Beispiel offenbare und zudem zu vorgeblich relevanten Parametern keine Angaben mache (siehe Punkt 3.1, erster Absatz). Dass sie in weiten Teilen auf Argumente zurückgreift, die sie bereits im Einspruchsverfahren vorgebracht hat, ist vorliegend nicht zu beanstanden, insbesondere im Hinblick darauf, dass die Einspruchsabteilung in der angegriffenen Entscheidung die ausreichende Offenbarung des erteilten Anspruchs 1 mit Verweis auf die Beschreibung und das allgemeine Fachwissen ohne nähere Angaben und Erläuterungen, mit denen sich die Beschwerdeführerin 2 hätte auseinandersetzen können, bejaht hat. Auch die Tatsache, dass die Beschwerdeführerin 2 die zu ihren Gunsten getroffene Entscheidung der Einspruchsabteilung bezüglich des Anspruchs 12 in der Beschwerdebegründung anspricht, kann nicht als Zeichen dafür gewertet werden, dass sie sich nicht mit der angefochtenen Entscheidung auseinandergesetzt hat. Sie hat damit, nach ihren eigenen Angaben, lediglich vorsorglich auf die ihr bekannte Tatsache reagiert, dass auch die Patentinhaberin Beschwerde eingelegt hatte und der Sachverhalt der ausreichenden Offenbarung erneut zur Diskussion stehen könnte.
1.3 Zusammenfassend ist die Kammer daher der Auffassung, dass aus der Beschwerdebegründung ersichtlich ist, welche Punkte der Entscheidung beanstandet werden und aus welchen Gründen (Regel 99 (2) EPÜ). Eigene Ermittlungen der Kammer oder der Beschwerdeführerin 1 sind im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern dazu nicht erforderlich. Aus dem Schriftsatz vom 22. Dezember 2014 ist zudem ersichtlich in welchem Umfang die angefochtene Entscheidung aufgehoben werden soll.
1.4 Die Kammer entschied daher, dass die Beschwerde der Beschwerdeführerin 2 zulässig ist im Sinne von Artikel 108 in Verbindung mit Regel 101 (1) EPÜ.
Hauptantrag (erteilte Fassung)
2. Neuheit
2.1 Der erteilte Anspruch 1 bezieht sich auf ein spezifisches Mikroskopieverfahren zur räumlich hochauflösenden Untersuchung einer mit einer fluoreszierenden Substanz markierten Struktur einer Probe in lebenden Zellen unter Verwendung einer spezifischen Markierungstechnik. Als markierte Struktur wird ein Protein (Zielprotein (5)) in lebenden Zellen verwendet, das gemeinsam mit einem Enzym (4) als Fusionsprotein (6) exprimiert wird. Ein die fluoreszierende Substanz umfassender Ligandkomplex (1) wird über eine enzymatische Reaktion in der Zelle an das Enzym gebunden (siehe Punkt II oben).
2.2 Gemäß der angefochtenen Entscheidung war die Einspruchsabteilung der Auffassung, dass E5 den Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 nicht neuheitsschädlich vorwegnehme. Dies wurde von der Beschwerdeführerin 2 bestritten.
2.3 Das Beweismittel E5 ist ein Übersichtsartikel mit dem Titel "High resolution imaging of live mitochondria", i.e. hochauflösende Abbildungsverfahren von lebenden Mitochondrien. Es beschreibt eine Reihe von bekannten Fluoreszenzmarkierungstechniken (siehe die Punkte 2 bis 4) und fluoreszenzbasierten Abbildungs- und Mikroskopieverfahren (siehe die Punkte 6 bis 15) und diskutiert deren Anwendung oder Anwendungspotential für Abbildungen in lebenden Zellen, insbesondere im Zusammenhang mit Mitochondrien (= Zellorganellen). Bei einer der offenbarten Markierungstechniken handelt es sich um die anspruchsgemäße enzymvermittelte Markierungstechnik (siehe E5, Punkt 4, insbesondere Seite 564, linke Spalte, Zeilen 22 bis 43 und Abbildung 1B), bei einem der offenbarten Mikroskopieverfahren um das STED-Verfahren gemäß der Präamble des erteilen Anspruchs 1 (siehe E5, Punkt 15, insbesondere Seite 570, linke Spalte, Zeile 1 bis 14 und Abbildung 4). Beides wurde nicht bestritten. An keiner Stelle der E5 wird jedoch unmittelbar und eindeutig ein STED-Verfahren unter Anwendung der anspruchsgemäßen enzymvermittelten Markierungstechnik offenbart. E5 enthält in Punkt 15 keine expliziten Angaben zu Markierungstechniken. Belege dafür, dass eines der in Punkt 15 erwähnten STED-Verfahren zur Untersuchung von Zellstrukturen die enzymvermittelte Markierungstechnik verwendet, liegen nicht vor. Im Gegenteil, es gibt Belege und Anzeichen dafür, dass dabei Markierungstechniken verwendet werden, wie sie das Streitpatent in den Absätzen [0005] und [0006] in Bezug auf den Stand der Technik diskutiert, d. h. Markierung mit einem Fluoreszenzfarbstoff (siehe E5, Punkt 15, Referenz [183], die dem vorliegenden Beweismittel E6 entspricht) oder eine immunofluoreszenzvermittelte Markierung (siehe E5, Punkt 15, Referenz [184]). Ebenso wenig offenbart Punkt 4 von E5 im Zusammenhang mit den dort offenbarten Markierungstechniken deren Anwendung in der STED-Mikroskopie.
2.4 Die Kombination aus anspruchsgemäßem Mikroskopieverfahren und anspruchsgemäßer Markierungstechnik wird auch in der Zusammenfassung von E5 nicht offenbart. In der von der Beschwerdeführerin 2 in diesem Zusammenhang angeführten Passage (siehe Punkt XIII oben) werden zwar allgemein neue Fluoreszenzmarker und deren Verwendung in verschiedenen Mikroskopietechniken in einem Satz erwähnt (i.e. "This review aims to provide an overview on novel fluorescent markers that are used in combination with mitochondrial fusion assays and various live cell microscopy techniques to study mitochondrial dynamics"). Des Weiteren werden im nächsten Satz neue, räumlich hochauflösende bildgebende Mikroskopieverfahren explizit genannt (i.e. "In particular, approaches to study the movement of mitochondrial proteins and novel imaging techniques (FRET imaging-, 4Pi- und STED-microscopy) that provide high spatial resolution are considered"). Die Zusammenfassung enthält jedoch keine Angaben bezüglich der "neuen" Fluoreszenzmarker, insbesondere keine Angaben, dass es sich dabei um enzymvermittelte Fluoreszenzmarker handelt. Wie bereits in Punkt 2.3 oben erwähnt, offenbart E5 eine Reihe von Fluoreszenzmarkierungstechniken. Selbst in Punkt 4, auf den die Beschwerdeführerin 2 in diesem Zusammenhang verwies, wird nicht nur die enzymvermittelte Markierungstechnik offenbart. Die dort ebenfalls beschriebene Markierung mit Hilfe des Tetracysteinmotivs stellt nach Auffassung der Kammer keine enzymvermittelte Markierungstechnik gemäß dem erteilten Anspruch 1 dar. Eine spezifische Offenbarung, die das STED-Verfahren unmittelbar und eindeutig mit der enzymvermittelten Fluoreszenzmarkierungstechnik verbindet, enthält die Zusammenfassung nicht. Der Nachweis eines überraschenden Effekt, wie von der Beschwerdeführerin 2 gefordert, ist nach Auffassung der Kammer für die Neuheit nicht erforderlich, sondern allenfalls im Rahmen der erfinderischen Tätigkeit zu diskutieren.
2.5 Aus den genannten Gründen kommt die Kammer zu dem Schluss, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 des Streitpatents neu im Sinne von Artikel 54 EPÜ ist.
3. Erfinderische Tätigkeit
3.1 In der angefochtenen Entscheidung hat die Einspruchsabteilung das Beweismittel E5 als den nächsten Stand der Technik angesehen. Wie bereits in Punkt 2.3 oben festgestellt wird, beschreibt E5 die STED-Mikroskopie gemäß der Präambel des erteilten Anspruchs 1 als räumlich hochauflösendes Bildgebungsverfahren (siehe Punkt 15). Deren Anwendung ermöglicht es unter zu Hilfenahme von Fluoreszenzmarkern Zellstrukturen, auch in lebenden Zellen, abzubilden. Als Zellstrukturen werden in diesem Zusammenhang Vakuolenmembranen, das mikrotubuläre Cytoskelett menschlicher Zelllinien und Synaptotagmin - ein Protein in der Membran synaptischer Vesikel - beschrieben (siehe Seite 570, linke Spalte Zeile 23 bis rechte Spalte, Zeile 9). Wie ebenfalls bereits festgestellt (siehe Punkt 2.3 oben) werden dafür Fluoreszenzfarbstoffe oder eine immunofluoreszenzvermittelte Markierungstechnik verwendet. Die Kammer ist daher, in Übereinstimmung mit der Einspruchsabteilung und der Beschwerdeführerin 2, der Auffassung, dass E5 einen geeigneten Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit darstellt. E5 spiegelt im Übrigen auch den im Streitpatent erwähnten Stand der Technik wider (siehe die Absätze [0005] und [0006]).
Die Auffassung der Beschwerdeführerin 1, dass E6 ein geeigneterer Stand der Technik sei teilt die Kammer nicht. E6 wird in Punkt 15 von E5 im Zusammenhang mit der Untersuchung von Vakuolenmembranen explizit erwähnt. E5 offenbart jedoch darüber hinaus die Ausweitung der STED-Mikroskopie auf die Untersuchung weiterer Zellstrukturen, einschließlich eines Proteins, und weist zudem auf dessen potentielle Eignung in der Untersuchung weiterer (mitochondrialer) Proteine hin. Einen triftigen Grund, von dem in der angefochtenen Entscheidung gewählten Beweismittel E5 als Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit abzuweichen, sieht die Kammer daher nicht.
3.2 Ausgehend von E5 sah die Beschwerdeführerin 2 in der Verhandlung vor der Kammer die zu lösende Aufgabe in der Erweiterung des Anwendungsbereichs der STED-Mikroskopie und der Erschließung einer Vielfalt von Zielproteinen. Die Beschwerdeführerin 1 definierte die technische Aufgabe in der Verhandlung vor der Kammer in ähnlicher Weise als die Bereitstellung eines flexibleren Systems.
Die vorgeschlagene Lösung liegt darin, Proteine in lebenden Zellen mit einer fluoreszierenden Substanz zu markieren. Dabei werden die Proteine gemeinsam mit einem Enzym als Fusionsprotein exprimiert. Ein Ligandkomplex, der die fluoreszierende Substanz umfasst, wird über eine enzymatische Reaktion an das Enzym und somit an das Fusionsprotein gebunden.
3.3 Gemäß Streitpatent besitzen die in E5 für die STED-Mikroskopie offenbarten Markierungsmethoden (Fluoreszenzfarbstoffe bzw. Immunofluoreszenz) Nachteile, die ihren Anwendungsbereich beschränken. So haben Fluoreszenzfarbstoffe häufig keine geeigneten chemischen Gruppen, um spezifisch an zu untersuchende Proteine zu binden. Bei der in E5 beschriebenen Abbildung der Vakuolenmembranen werde der Farbstoff, nach Angaben der Beschwerdeführerin 1, in die Membranen eingelagert. Daher wird nach Angaben im Streitpatent in der STED-Mikroskopie eine durch Immunofluoreszenz vermittelte Markierung mit einem geeigneten, für das Zielprotein spezifischen Antikörper eingesetzt. Nachteilig daran ist, dass eine in vivo Markierung und Untersuchung auf diese Weise nicht möglich ist (siehe Streitpatent Absatz [0006]). Mit Hilfe der anspruchsgemäßen Markierungstechnik lassen sich mit derselben Technik dagegen eine Vielzahl von Proteinen in lebenden Zellen selektiv markieren, die dann mit Hilfe geeigneter Bildgebungsverfahren, wie der STED-Mikroskopie, untersucht werden können.
Die Kammer stimmt daher den Beschwerdeführerinnen darin zu, dass die zu lösende Aufgabe darin lag, den Anwendungsbereich der STED-Mikroskopie zu erweitern und ein flexibleres System bereitzustellen, mit dessen Hilfe Untersuchungen physiologischer Prozesse auf zellbiologischer Ebene innerhalb lebender Zellen möglich sind (siehe dazu auch Absatz [0007] des Streitpatents).
3.4 Nach Auffassung der Kammer wird dieses Problem durch den Einsatz der anspruchsgemäßen, enzymvermittelten Markierungstechnik gelöst. Zwar enthält das Streitpatent kein detailliertes Ausführungsbeispiel. Die enzymvermittelte Markierungstechnik, für die es bereits kommerziell erhältliche Systeme gibt, ist jedoch eine dem Fachmann bekannte Markierungstechnik (siehe Streitpatent, Absatz [0021]; E5, Punkt 4, insbesondere Seite 563, erster Absatz von Punkt 4, Seite 564, Zeilen 22 bis 43, "Halo-Tag" und "SNAP-Tag"; E1 bis E3, Zusammenfassung). Ebenfalls bekannt ist, dass sich diese Technik zur spezifischen kovalenten Markierung von Proteinen in lebenden Zellen eignet (siehe E5 Seite 564, linke Spalte, Zeilen 22 und 23, und die jeweiligen Zusammenfassungen von D1, D2, E1 bis E3). So markierte Proteine lassen sich dann mit Hilfe der anspruchsgemäßen STED-Mikroskopie untersuchen.
3.5 Es bleibt nun zu untersuchen, ob der Stand der Technik dem Fachmann Anregung bot, die oben genannte Aufgabe mit Hilfe der anspruchsgemäßen Markierungstechnik zu lösen.
3.6 Die Beschwerdeführerin 1 hat im Wesentlichen darauf abgestellt, dass es für den Fachmann keine Veranlassung gab das bekannte STED-Verfahren und das bekannte enzymvermittelte Markierungsverfahren zu kombinieren. Eine ähnliche Auffassung vertrat die Einspruchsabteilung in der angefochtenen Entscheidung.
3.7 Die Kammer teilt diesen Standpunkt nicht. Gemäß Streitpatent war es ein wichtiges Ziel der Erfindung bekannte hochauflösende Mikroskopieverfahren mit denen sich räumliche Auflösungen jenseits der theoretischen Grenze erzielen lassen, die gemäß dem Abbe'schen Gesetz durch die Beugegrenze bestimmt wird, so auszugestalten, dass Abbildungen physiologischer Prozesse innerhalb lebender Zellen möglich sind (siehe Absätze [0003] und [0007]). Die STED-Mikroskopie wird in diesem Zusammenhang explizit genannt und erläutert. Wie bereits in Punkt 3.3 oben beschrieben, weisen die in der STED-Mikroskopie bislang eingesetzten Markierungstechniken einige Nachteile auf. So erfolgt die in vivo Markierung mit Fluoreszenzfarbstoffen zu unspezifisch, da sie in der Regel keine geeigneten Gruppen besitzen, mit denen sie an zu untersuchende Strukturen, wie zum Beispiel Proteine, die in vielen zellbiologischen Vorgängen eine Rolle spielen, gebunden werden können. Die immunofluoreszenzvermittelte Markierung erlaubt die Markierung von Proteinen, erfordert aber einen für das Zielprotein spezifischen Antikörper. Wesentlich nachteiliger aber ist, dass diese Technik nicht in lebenden Zellen anwendbar ist. Angesichts dieser Nachteile bestand nach Auffassung der Kammer für den Fachmann ein ausreichender Anreiz dafür, sich nach Markierungstechniken umzusehen, die für den Zweck der in vivo Markierung geeignet sind. Er würde dabei unweigerlich auf die in E5 beschriebene, für eben diesen Zweck entwickelte Technik der enzymvermittelten Markierung stoßen (siehe Punkt 4, Seite 564, linke Spalte, Zeilen 22 bis 43; Snap-Tag- und Halo-Tag-Markierung). Diese erlaubt über die Bildung von Fusionsproteinen eine irreversible und spezifische in vivo Markierung von Proteinen, die dann in fluoreszenzmikroskopischen Verfahren, wie auch die STED-Mikroskopie eines ist, zur Bildgebung verwendet werden können. Dabei können mit der gleichen Technik unterschiedliche Proteine markiert werden oder unterschiedliche Fluoreszenzfarbstoffe zur Markierung benutzt werden (siehe E5, Seite 564, linke Spalte, Zeilen 29 bis 33 und Zeilen 36 bis 37). Dies wird zudem durch die Beweismittel D1, D2, E1 und E2, die die in E5 offenbarte Snap-Tag- und Halo-Tag-Markierung näher beschreiben, bestätigt (siehe Zusammenfassungen). Insbesondere die Zusammenfassungen von E1 und E2 bestätigen eine flexible und effiziente Markierung von Proteinen sowohl in vivo als auch in vitro.
Die Kammer ist daher der Auffassung, dass es für den Fachmann, der vor der unter Punkt 3.3 formulierten Aufgabe steht, naheliegend war die enzymvermittelte Markierungstechnik als effektive in vivo Markierungsmethode auch im STED-Verfahren einzusetzen. Ein erfinderisches Zutun ist dafür nicht erforderlich. Für jeden Fachmann ist es ohne weiteres ersichtlich, dass die Untersuchung in lebenden Zellen eine effiziente in vivo Markierung voraussetzt.
3.8 Das Argument der Beschwerdeführerin 1, dass der Fachmann die enzymvermittelte Markierungstechnik mit der STED-Mikroskopie hätte kombinieren können, dies aber ohne eine konkrete Veranlassung nicht getan hätte, ist angesichts der vorstehenden Überlegungen, d. h. der zu erwartenden Vorteile der bekannten enzymvermittelten Markierungstechnik (i.e. Anwendung in vivo, spezifische Markierung, Flexibilität) nicht überzeugend.
3.9 Die Beschwerdeführerin 1 hat weiterhin vorgebracht, dass E5 vom Einsatz der "Tag"-vermittelten Markierungstechnik weg führe. Insbesondere die Markierung mit Halo-Tag sei aufgrund der Größe des Tags eher ungeeignet. Sie verwies in diesem Zusammenhang auf die Seite 564, linke Spalte, drittletzter und vorletzter Absatz.
3.10 Ungeachtet der Tatsache, dass der erteilte Anspruch 1 nicht auf ein bestimmtes "Tag" beschränkt ist, überzeugt das Vorbringen der Beschwerdeführerin 1 die Kammer nicht. Im vorletzten Absatz der E5 wird darauf verwiesen, dass die "Tag"-vermittelte Markierungstechnik noch keine weitverbreitete Anwendung für die Abbildung von Zellproteinen gefunden hat. Dies ist jedoch nicht gleichbedeutend damit, dass die "Tag"-vermittelte Markierung für diesen Zweck ungeeignet ist, in dem Sinne, dass der Fachmann ihre Anwendung prinzipiell in Frage gestellt hätte. Im Gegenteil, ihr offensichtliches Potential wird im gleichen Absatz explizit anerkannt. Zudem wurde diese Art der Markierung für Proteine in verschiedenen Zellbereichen menschlicher Zelllinien oder im Nukleoplasma eines protozoischen Parasiten bereits erfolgreich eingesetzt (siehe E5, Seite 564, linke Spalte, Zeilen 29 bis 33). Überzeugende Gründe, die den Fachmann veranlasst hätten, diese Markierungstechnik nicht in der anspruchsgemäßen STED-Mikroskopie einzusetzen, sind aus dem vorletzten Absatz der E5 jedenfalls nicht ersichtlich. Das gleiche gilt auch im Hinblick auf die vorgeblich ungeeignete Verwendung von Halo-Tag. Zwar wird der Fachmann im letzten Satz des drittletzten Absatzes auf die Größe des Tags aufmerksam gemacht. Ein Vorurteil, dass ihn davon abgehalten hätte Halo-Tag zu verwenden, lässt sich daraus jedoch nicht ableiten.
Auch die Tatsache, dass sich E5 auf Abbildungverfahren von Fusionsproteinen mit Hilfe von Fluoreszenzproteinen (FP) - einer anderen in E5 offenbarten Markierungstechnik - konzentriert, bedeutet nicht, dass der Fachmann die enzymvermittelte Markierungstechnik bei der Suche nach einer geeigneten in vivo Markierungstechnik nicht berücksichtigt hätte. Vielmehr wird im vorletzten Absatz der linken Spalte auf Seite 564 der E5, auf den die Beschwerdeführerin 1 in diesem Zusammenhang verwiesen hat, lediglich festgestellt, dass bezüglich der Abbildung mitochondrialer Proteine mit Hilfe von Fluoreszenzproteinen mehr Information zur Verfügung steht, weshalb sich der Übersichtsartikel darauf konzentriert. Ein Vorurteil gegen die Verwendung der enzymvermittelten Markierungsmethode ist diese Feststellung nicht. Die Markierung mit Fluoreszenzprotein mag ebenso wie die enzymvermittelte Markierungstechnik oder andere Markierungstechniken für Untersuchungen in lebenden Zellen geeignet sein, erfinderisches Zutun ist für eine Auswahl unter für diesen Zweck geeigneten Markierungsmethoden jedoch nicht erforderlich.
3.11 Auf Nachfrage durch die Kammer äußerte sich die Beschwerdeführerin 1 dahingehend, dass die Halo-Tag-Markierung, wie in E5 offenbart und in E1 und E2 näher beschrieben, möglicherweise in der STED-Mikroskopie verwendbar, nicht jedoch dafür beschrieben seien. Insbesondere verwies sie dabei auf die speziellen Anforderungen, die für einen für die STED-Mikroskopie geeigneten Fluoreszenzfarbstoff gelten würden. Derartige Farbstoffe seien in E1 und E2 nicht beschrieben. Zudem sei die enzymvermittelte Markierungstechnologie komplex, so dass der Fachmann sie nicht ausgewählt hätte.
3.12 Die Kammer überzeugen diese Argumente nicht. Dazu ist zunächst festzustellen, dass die Halo-Tag-Markierung es erlaubt Halo-Tag-markierte Fusionsprotein mit einem weiten Bereich an optischen Eigenschaften und Funktionen herzustellen, die dann mit Hilfe geeigneter Techniken abgebildet werden können (siehe E1 und E2, Zusammenfassungen). Die Halo-Tag-Markierung ist somit nicht auf bestimmte Fluoreszenzfarbstoffe beschränkt, sondern ermöglicht den Einsatz unterschiedlicher Fluoreszenzfarbstoffe, je nach den gewünschten optischen Eigenschaften. Fluoreszenzfarbstoffe, die für die STED-Mikroskopie geeignet sind, sind dem Fachmann bekannt. Dies wurde von der Beschwerdeführerin 1 auch nicht bestritten. Überzeugende Gründe, die gegen eine Verwendung der bekannten, für die STED-Mikroskopie geeigneten Fluoreszenzfarbstoffe in der Halo-Tag-Markierungstechnik sprechen, wurden von der Beschwerdeführerin 1 jedoch nicht vorgebracht und sind für die Kammer auch nicht ersichtlich. Zu der postulierten Komplexität der Halo-Tag-Markierungstechnik hat die Beschwerdeführerin 1 keine näheren Angaben gemacht. Noch ist es für die Kammer ohne weiteres ersichtlich, dass diese Technik im Vergleich zu anderen Markierungstechniken, beispielsweise mit Hilfe von Fluoreszenzproteinen, so komplex ist, dass sie den Fachmann davon abgehalten hätte sie in der STED-Mikroskopie einzusetzen.
3.13 Die Kammer teilt auch nicht die Auffassung der Beschwerdeführerin 1, dass das Merkmal der STED-Mikroskopie das Ergebnis einer Auswahl sei. Der erteilte Anspruch 1 ist auf ein Verfahren in der STED-Mikroskopie gerichtet. Die STED-Mikroskopie gemäß der Präamble des Anspruchs ist bekannt (siehe Streitpatent Absätze [0003] und [0004]). Für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ist daher von einem Stand der Technik auszugehen, der sich auf die STED-Mikroskopie bezieht. Dies führt direkt zu Punkt 15 der E5, der die STED-Mikroskopie als ein die Beugungsgrenze durchbrechendes, hochauflösendes Verfahren beschreibt. Eine Auswahl ist diesbezüglich nicht zu treffen. Die einzige Auswahl, die der Fachmann ausgehend von E5 treffen muss, ist diejenige einer geeigneten Fluoreszenzmarkierungstechnik, die aus den in Punkten 3.7, 3.10 und 3.11 genannten Gründen nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
3.14 Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass der Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 56 EPÜ der Aufrechterhaltung des Streitpatents in der erteilten Fassung entgegensteht.
Hilfsantrag 1
4. Erfinderische Tätigkeit
Der Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 ist mit dem Anspruch 1 des Hauptantrags identisch. Damit gelten die gleichen Überlegungen wie in Punkt 3 oben. Der Hilfsantrag 1 ist somit nicht gewährbar, da der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf einer erfinderischer Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ beruht.
Hilfsanträge 2a/2b und 3a/3b
5. Erfinderische Tätigkeit
5.1 Die Ansprüche 1 der Hilfsanträge 2a und 2b sind identisch und unterscheiden sich von demjenigen des Hauptantrags durch das Merkmal, dass der die fluoreszierende Substanz umfassende Ligandkomplex (1) über einen reaktiven Linker (2) kovalent an das Enzym (4) gebunden wird.
Dieses Merkmal wird jedoch in den in E5 offenbarten Snap-Tag- und Halo-Tag-Markierungstechniken ebenfalls realisiert (siehe E5, Seite 564, linke Spalte, Zeilen 22 bis 23 und 39 bis 41). Seine Einführung ändert nichts an der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit wie sie in Punkt 3 oben für den Anspruch 1 des Hauptantrag erläutert wird. Seitens der Parteien wurden bezüglich der erfinderischen Tätigkeit keine weiteren Argumente vorgebracht.
5.2 Die Ansprüche 1 der Hilfsanträge 3a und 3b sind ebenfalls identisch und unterscheiden sich von den Hilfsanträgen 2a und 2b durch die Aufnahme des zusätzlichen Merkmals, dass als Enzym (4) ein Halo-Tag verwendet wird. Die Aufnahme dieses Merkmals ändert nichts an der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit, wie sie in Punkt 3 oben erläutert wird. Es gelten die gleichen Argumente und Überlegungen.
Die Beschwerdeführerin 1 hat in diesem Zusammenhang nochmals vorgebracht, dass E5 von der Halo-Tag-Markierung weg lehre, da die Tag-vermittelte Strategie nicht weit verbreitet sei und Halo-Tag verhältnismäßig groß sei. Aus den in Punkt 3.10 oben erläuterten Gründen überzeugt dieses Vorbringen die Kammer nicht.
5.3 Die Kammer kommt daher zu dem Schluss, dass der Gegenstand der Ansprüche 1 der Hilfsanträge 2a, 2b, 3a und 3b nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ beruht. Folglich sind auch diese Hilfsanträge nicht gewährbar.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.