T 1402/10 14-12-2012
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Verfahren zum Herstellen einer Abdichtung
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 19. April 2010 über die Unzulässigkeit des Einspruchs (Regel 77 EPÜ) gegen das Europäische Patent Nr. 1 391 566.
II. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hatte am 26. Juni 2010 Beschwerde zusammen mit der Begründung eingelegt und am selben Tag die Beschwerdegebühr entrichtet.
III. Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Der Beschwerdegegner (Patentinhaber) beantragt die Verwerfung der Beschwerde als unzulässig, hilfsweise die Zurückweisung der Beschwerde bzw. die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.
IV. Die Parteien haben im wesentlichen folgende Argumente vorgetragen:
Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass gegen die Entscheidung über die Unzulässigkeit des Einspruchs, die mit Nichtberücksichtigung der im Einspruch dargestellten Beweise getroffen worden sei, Beschwerde eingelegt werde. Zur Begründung ihres Einspruchs [seien] bereits u.a. Beweise in Form der Bekanntmachung[en] der Firma CETCO Building Materials Group aus USA, "Volclay Bentogrout" und "Bentogrout" [vorgelegt worden], die seit 2001 [welt]weit im Internet als Anweisungen für Kunden veröffentlicht worden seien. Die Beschwerde werde nunmehr auf neue Beweise gestützt, nämlich sieben amerikanische Patentschriften, die eindeutig bestätigten, ähnlich wie der im Einspruch beigefügte Farbausdruck "Volclay Bentogrout", über den die Rede in der Entscheidung sei, dass die umstrittene Erfindung "keine Neuheit" sei. So bringe die technische Lösung des Streitpatents in ihren wesentlichen Merkmalen in Bezug auf die beigefügten amerikanischen Patentbeschreibungen nichts zum Technikstand ein und habe "keine Merkmale der Neuigkeit", Artikel 54 EPÜ. Daher sei die Beschwerde völlig begründet und solle berücksichtigt werden.
Der Beschwerdegegner erwiderte, dass im Beschwerdeschriftsatz keinerlei Gründe angegeben seien, weshalb die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 19. April 2010 aufgehoben werden solle, der Beschwerdeschriftsatz setze sich also mit der Entscheidung der Einspruchsabteilung überhaupt nicht auseinander (vgl. T 213/85). Darüber hinaus würden im Beschwerdeschriftsatz lediglich sieben neue Entgegenhaltungen genannt, zu denen jedoch wiederum nicht ausgeführt sei, wie die technischen Zusammenhänge und die daraus von der Beschwerdeführerin gezogenen Schlussfolgerungen zu verstehen seien. Die Beschwerdebegründung sei daher nicht so abgefasst, dass der Patentinhaber und die Beschwerdekammer den behaupteten Widerrufsgrund ohne eigene Ermittlungen prüfen können. Somit sei die Beschwerde mangels ausreichender Begründung als unzulässig zu verwerfen.
1. Zulässigkeit der Beschwerde
1.1 Artikel 108 EPÜ, dritter Satz, in Verbindung mit Regel 99 (2) EPÜ erfordert, dass die Beschwerdebegründung die rechtlichen und faktischen Gründe angeben muss, aus denen sich die Unrichtigkeit der angefochtenen Entscheidung ergibt. Nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist dies dahingehend zu verstehen, dass in der Beschwerdebegründung die Argumente des Beschwerdeführers so deutlich und genau vorgebracht, also hinreichend substantiiert, werden müssen, dass die Kammer und die Gegenpartei ohne eigene Ermittlungen unmittelbar verstehen können, warum die Entscheidung falsch sein soll und auf welche Tatsachen der Beschwerdeführer seine Argumente stützt. Genau zitierte Literaturstellen werden zwar Teil der Begründung, reichen allerdings allein nicht aus, um eine ausreichende Begründung darzustellen. Siehe allgemeine Grundsätze in der Rechtsprechung der Beschwerdekammern, 6. Auflage, VII.E.7.6.1; siehe auch T 922/05 vom 7. März 2007 (Gründe 2 bis 5). Deshalb muss die Beschwerdebegründung auch den vollständigen Sachvortrag der Beschwerdeführerin enthalten, d.h. es sollen ausdrücklich und spezifisch alle Tatsachen, Argumente und Beweismittel angeführt werden, Artikel 12 (2) VOBK.
1.2 Wie vom Beschwerdegegner dargelegt, setzt sich im vorliegenden Fall die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerdebegründung mit den tragenden Gründen der angefochtenen Entscheidung nicht auseinander, weshalb nämlich die öffentliche Zugänglichmachung der von ihr im Einspruch vorgelegten Beweismittel und die Angabe von technischen Merkmalen aus diesen Entgegenhaltungen hinreichend substantiiert vorgebracht worden seien, und deshalb, entgegen der Auffassung der Einspruchsabteilung, ihr Einspruch zulässig sei (vgl. Punkte 3 bis 5 der Einspruchsentscheidung). Die pauschalen Aussagen der Beschwerdeführerin in ihrem Beschwerdeschriftsatz vom 19. Juni 2010, wonach die Entscheidung der Einspruchsabteilung unter Nichtberücksichtigung der im Einspruch "dargestellten Beweise" getroffen wurde, und dass zur "Begründung unseres Einspruchs u.a. Beweise in Form von Bekanntmachung [en] der Firma CETCO ... "Volclay Bentogrout" und "Bentogrout" [vorgelegt wurden] ... die seit 2001 [welt]weit im Internet für Kunden veröffenlicht werden" enthalten hierzu keine ausreichende, oder vielmehr gar keine Begründung zur Substantiierung der Frage der Zugänglichkeit der mit Einspruch eingereichten Entgegenhaltungen bzw. der Frage, was für Anspruchsmerkmale diesen Beweismitteln eigentlich zu entnehmen seien. So bezieht sich die Beschwerdeführerin in Ihren Ausführungen lediglich auf die Patentierbarkeit des Streitpatents in Hinblick auf sieben weitere, mit der Beschwerdebegründung verspätet vorgelegte US-Entgegenhaltungen, die "eindeutig bestätigten", dass, "ähnlich wie der dem Einspruch beigefügte Farbausdruck Volclay Bentogrout", "die umstrittene Erfindung keine Neuheit" sei.
Daher ist nach Ansicht der Kammer, wie vom Beschwerdegegner argumentiert, die Beschwerde bereits aus diesem Grund unzulässig, vgl. T 213/85 (Gründe 2 bis 4; ABl. 1987,482).
1.3 Der Vollständigkeit halber stellt die Kammer fest, dass die pauschalen Aussagen der Beschwerdeführerin zur mangelnden Neuheit (rechtlicher Grund) unter bloßer Nennung der Nummern von sieben US-Patenten, für eine Substantiierung des Tatsachenvortrags (faktische Gründe) einer Beschwerdebegründung wieder nicht ausreichen würden, da seitens der Beschwerdeführerin keinerlei Argumente vorliegen, welche Merkmale den neu eingereichten sieben US-Patentschriften denn nun eigentlich "eindeutig" zu entnehmen seien, und wieso diese Merkmale dann auf die Anspruchsmerkmale des Streitpatents zu lesen seien, also die "technische Lösung des Patents in ihren wesentlichen Merkmalen nichts zum Technikstand einbringt".
1.4 Mangels ausreichender Begründung ist die vorliegende Beschwerdebegründung daher nicht so abgefasst, dass die Kammer und der Patentinhaber/Beschwerdegegner den behaupteten Widerrufsgrund ohne eigene Ermittlungen überprüfen können, nämlich ob die Einspruchsabteilung die Frage der Zulässigkeit des Einspruchs nun zutreffend beurteilt hat, oder eben nicht.
Die Beschwerde ist somit unzulässig.
Da die Beschwerdeführerin keine mündliche Verhandlung vor der Kammer beantragt hatte, war eine unmittelbare Entscheidung seitens der Kammer möglich.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen.