T 1493/17 (Leuchtmittel-Betriebsgerät / Tridonic) 15-01-2024
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LEUCHTMITTEL-BETRIEBSGERÄT MIT POTENTIALTRENNUNG
Wirksame Übertragung der Einsprechendenstellung durch Übertragung eines Geschäftsbereichs als Teil eines Geschäftsbetriebs (ja)
Einspruchsgründe - Erweiterung von Patentansprüchen (ja)
Spät eingereichte Hilfsanträge - zugelassen (nein)
I. Gegen das europäische Patent wurde Einspruch durch die BAG electronics GmbH eingelegt.
II. Mit dem Einspruch wurde das Streitpatent gestützt auf die Einspruchsgründe unzulässiger Erweiterung (Artikel 100 c) EPÜ), unzureichender Offenbarung (Artikel 100 b) EPÜ) und mangelnder Neuheit bzw. fehlender erfinderischer Tätigkeit (Artikel 100 a) EPÜ i.V.m. Artikeln 52 (1), 54 (1) und 56 EPÜ) angegriffen.
III. In einer Zwischenentscheidung vertrat die Einspruchsabteilung die Auffassung, dass das erteilte Patent nicht unzulässig erweitert, die beanspruchte Erfindung ausreichend offenbart und neu sei, aber nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Sie war aber der Auffassung, dass der Hilfsantrag 1 den Erfordernissen des EPÜ genüge und dass das Patent in dieser geänderten Fassung aufrechterhalten werden könne.
IV. Gegen diese Entscheidung legten sowohl die Patentinhaberin als auch die Einsprechende Beschwerde ein.
V. Die Einsprechende beantragte mit ihrer Beschwerde, das Patent unter Aufhebung und Abänderung der angefochtenen Entscheidung zu widerrufen.
VI. Die Patentinhaberin beantragte mit ihrer Beschwerde, den Einspruch unter Aufhebung und Abänderung der angefochtenen Entscheidung zurückzuweisen (Hauptantrag).
VII. Mit der Beschwerdebegründung, der Erwiderung auf die Beschwerde der Einsprechenden und einer Replik auf die Beschwerdeerwiderung der Einsprechenden reichte die Patentinhaberin verschiedene Hilfsanträge ein, so dass vor einer ersten Ladung zur mündlichen Verhandlung die Hilfsanträge I bis XXII vorlagen. Davon waren einige neu im Beschwerdeverfahren gestellt (Hilfsanträge I bis VIII, XIV bis XVI und XX bis XII) und einige bereits im erstinstanzlichen Verfahren eingereicht worden (Hilfsanträge IX bis XIII und XVII bis XIX, dort als Hilfsanträge I bis V und IX bis XI).
VIII. Hilfsantrag XXI war identisch zum Hilfsantrag I vor der Einspruchsabteilung, der laut Einspruchsabteilung die Erfordernissen des EPÜ erfüllt.
IX. In einer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) VOBK 2020 teilte die Kammer den Beteiligten ihre vorläufige Auffassung zu der Sache mit.
X. Mit einer Antwort auf diese Mitteilung reichte die Patentinhaberin Ansprüche gemäß neuer Hilfsanträge I bis IV anstelle der bisherigen Hilfsanträge I bis XXII ein.
XI. Die Einsprechende argumentierte, dass die neuen Hilfsanträge I bis IV nach Artikel 13(2) VOBK 2020 unberücksichtigt bleiben sollten.
XII. Eine mündliche Verhandlung wurde für den 29. März 2023 anberaumt.
XIII. Mit einer Eingabe vom 28. März 2023 teilte die Patentinhaberin mit, dass die juristische Person der Einsprechenden BAG electronics GmbH seit dem 10. September 2021 nicht mehr existiere.
XIV. Am 29. März 2023 erschienen vor der Kammer zwei zugelassene Vertreter für die Patentinhaberin und zwei zugelassene Vertreter, die erklärten, dass sie die OSRAM Beteiligungsverwaltung GmbH als Gesamtrechtsnachfolgerin der BAG electronics GmbH vertreten würden, und beantragten in deren Namen, diese als Einsprechende im Register einzutragen; die bisherige Einsprechende sei durch Verschmelzung in der neuen Einsprechenden als Gesamtrechtsnachfolgerin aufgegangen. Dazu legte sie einen anonymisierten Verschmelzungsvertrag vom 16. August 2021 sowie einen Handelsregisterauszug HRB 207901 vom 29. März 2023 vor.
XV. Im Hinblick darauf wurde die mündliche Verhandlung an diesem Tag nicht durchgeführt und auf unbestimmte Zeit vertagt.
XVI. In der Folge bekräftigte die OSRAM Beteiligungsverwaltung GmbH ihren Antrag, die Einsprechendenstellung auf sie zu übertragen, da sie im Wege der Verschmelzung zum 8. September 2021 Gesamtrechtsnachfolgerin der BAG electronics GmbH geworden sei. Als Nachweis legte sie zwei Handelsregisterauszüge des Amtsgerichts München vom (neuerlich) 29. März 2023 und vom 3. April 2023 vor.
XVII. Die OSRAM Beteiligungsverwaltung GmbH wurde daraufhin mit Wirkung vom 24. April 2023 in das Europäische Patentregister als Einsprechende eingetragen.
XVIII. Die Patentinhaberin wies anschließend mit einem weiteren Schriftsatz darauf hin, dass ausweislich übereinstimmender Pressemeldungen der beteiligten Firmen und der Fachpresse der gesamte zu dem vorliegenden Einspruch gehörige Geschäftsbereich "digital systems" von OSRAM, zu dem Vorschaltgeräte, Software und vernetzbare Komponenten für LED-Beleuchtung gehörten, nunmehr von OSRAM an die [...] Firma Inventronics verkauft worden sei. Es sei somit davon auszugehen, dass auch die Einsprechendenstellung auf die Inventronics übergegangen ist.
XIX. Daraufhin beantragte die Inventronics GmbH mit Schriftsatz, die Einsprechendenstellung auf sie umzuschreiben, da letztere im Wege der Übertragung eines Teils des Geschäftsbetriebs "Digital Systems" auf sie übergegangen sei.
XX. Zum Nachweis der genannten Übertragung legte sie in mehreren weiteren Schriftsätzen schlussendlich u.a. folgende Unterlagen vor:
a) "Patent and Trademark Assignment Agreement" vom 16. August 2021 zwischen der BAG electronics GmbH und der OSRAM GmbH (Anlage eines Schriftsatzes vom 11. Januar 2024)
b) "Confirmatory Patent Opposition Transfer Agreement" vom 20./27. Juni 2023 zwischen der OSRAM GmbH und der Inventronics GmbH (Anlage eines Schriftsatzes vom 29. Juni 2023)
c) Handelsregisterauszug des Amtsgerichts München vom 20. Juni 2023 über die Inventronics GmbH (Anlage eines Schriftsatzes vom 21. Juni 2023)
d) Umschreibungsbestätigung des DPMA über die Umschreibung von Schutzrechten bzw. Schutzrechtsanmeldungen von der BAG electronics GmbH auf die OPTOTRONIC GmbH vom 20. Juni 2023 (Anlage I4 des Schriftsatzes vom 11. Januar 2024)
e) Pressemitteilung EQS-News vom 4. April 2023 (Anlage I5 des Schriftsatzes vom 11. Januar 2024) und Auszug aus dem Semesterbericht 2023 der ams OSRAM-Gruppe (Anlage I6 des Schriftsatzes vom 11. Januar 2024).
XXI. Am 16. Oktober 2023 erging im Verfahren T 3273/19 vor der Beschwerdekammer 3.4.02, das zwischen den nämlichen Parteien geführt wurde und in dem es unter anderem um die selbe Thematik der Einsprechendenstellung ging, eine Entscheidung, in der die dortige Kammer zum Schluss kam, dass die Einsprechendenstellung auf die Inventronics GmbH übergegangen sei.
XXII. Am 15. Januar 2024 fand die mündliche Verhandlung in vorliegendem Verfahren statt.
XXIII. Die Einsprechende beantragt letzthin, das Patent unter Aufhebung und Abänderung der angefochtenen Entscheidung zu widerrufen.
XXIV. Die Patentinhaberin beantragt in der Hauptsache letzthin, den Einspruch unter Aufhebung und Abänderung der angefochtenen Entscheidung zurückzuweisen, hilfsweise das Patent auf der Grundlage eines der Hilfsanträge I bis IV, eingereicht am 6. Oktober 2022, aufrechtzuerhalten.
XXV. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt (Merkmalsgliederung "[M1 1]" bis "[M1 7]" gemäß der Entscheidung der Einspruchsabteilung, Einfügung durch die Kammer):
[M1 1] Betriebsgerät zum Betreiben mindestens eines Leuchtmittels, insbesondere einer LED, wobei das Betriebsgerät aufweist:
[M1 2.1] einen mit Netzspannung (Uin) versorgten ersten Wandler (P1) mit einem ersten Bezugspotential (Z1),
[M1 2.2] wobei der erste Wandler (P1) einen Transformator mit einer Primärwicklung (n1) und einer Sekundärwicklung (n2) aufweist,
[M1 3.1] einen von der Primärwicklung (n1) des ersten Wandlers (P1) galvanisch getrennten zweiten Wandler (P2) mit einem zweiten Bezugspotential (Z2) zum Versorgen eines Lastkreises (L) mit dem Leuchtmittel,
[M1 3.2] wobei der zweite Wandler (P2) als Schaltregler ausgebildet ist, und
[M1 4.1] eine erste Logikschaltung (C1) zum Steuern des ersten Wandlers (P1) und
[M1 4.2] eine zweite Logikschaltung (C2) zum Steuern des zweiten Wandlers (P2),
dadurch gekennzeichnet, dass
[M1 5] die erste Logikschaltung (C1) und die zweite Logikschaltung (C2) über eine potentialgetrennte bidirektionale Schnittstelle (J1) zur bidirektionalen Übermittlung von Informationen zwischen der ersten Logikschaltung (C1) und der zweiten Logikschaltung (C2) miteinander verbunden sind,
[M1 6] der ersten Logikschaltung (C1) externe Befehle zuführbar sind, wobei die Befehle Dimmwert-Vorgaben sind, und
[M1 7] die zweite Logikschaltung (C2) aktive Elemente auf der Sekundärseite der galvanischen Trennung abhängig von den Dimmwert-Vorgaben ansteuert.
XXVI. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag I unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag dadurch, dass das folgende Merkmal am Ende des Anspruchs hinzugefügt wurde:
[... ansteuert],
wobei die zweite Logikschaltung (C2) dazu vorgesehen ist, Rückführsignale von der Sekundärseite zu erfassen und
wobei die erste Logikschaltung (C1) den ersten Wandler (P1) derart steuert, dass eine aktive Leistungsfaktorkorrektur mit getaktetem Schalter (S1) bewirkt wird.
XXVII. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag I dadurch, dass das folgende Merkmal am Ende des Anspruchs hinzugefügt wurde:
[... bewirkt wird], und
wobei die Rückführsignale insbesondere aus dem Bereich des Lastkreises (L) zu der zweiten Logikschaltung (C2) zurückgeführt werden, wobei diese Rückführsignale als Istwerte zur Regelung des Leuchtmittelbetriebs ausgewertet und/oder Fehler des Leuchtmittels erkannt werden.
XXVIII. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag III unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II dadurch, dass das folgende Merkmal am Ende des Anspruchs hinzugefügt wurde:
[... erkannt werden], und
wobei das Betriebsgerät mindestens einen durch die zweite Logikschaltung (C2) angesteuerten Leistungsschalter (S2) aufweist, der entsprechend den zweiten Wandler (P2) taktet.
XXIX. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag IV unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag III dadurch, dass das folgende Merkmal am Ende des Anspruchs hinzugefügt wurde:
[... taktet], und
wobei die zweite Logikschaltung mehrere Analog/Digital-Wandler für die Rückführsignale und einen digital arbeitenden Regelkreis aufweist, der für das Ansteuern und Takten des angeschlossenen zweiten Wandlers zuständig ist.
Übergang der Einsprechendenstellung von der BAG electronics GmbH auf die OSRAM Beteiligungsverwaltung GmbH und anschließend auf die Inventronics GmbH
1. Wie schon im Parallelverfahren in der Entscheidung T 3273/19 eingehend und zutreffend dargestellt, ist nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern die Einsprechendenstellung nicht frei übertragbar. Sie kann aber entweder im Falle einer Gesamtrechtsnachfolge der Einsprechenden übertragen werden, oder wenn ein einschlägiger Teil des Geschäftsbetriebs der Einsprechenden als Vermögensbestandteil, zu dem ein Einspruch als untrennbares Zubehör gehört, nach nationalem Recht übertragen wurde (T 3273/19, Entscheidungsgründe 2.1; G 2/04, Transfer of opposition/HOFFMANN-LA ROCHE, Abl. EPA 2005, 549, Gründe 2; vgl. auch G 4/88, Transfert d'opposition, ABl. EPA 1989, 480, Gründe 6; Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 10. Aufl. 2022, Kapitel III.O.2.1).
2. Von der ursprünglichen Einsprechenden BAG electronics GmbH ist die Einsprechendenstellung unstreitig zunächst im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die OSRAM Beteiligungsverwaltung GmbH übergegangen.
3. Hinsichtlich des Übergangs der Einsprechendenstellung von der (weiterhin existierenden) OSRAM Beteiligungsverwaltung GmbH auf die Inventronics GmbH hat letztere die Übertragung eines Teils eines Geschäftsbetriebs nach deutschem Recht geltend gemacht.
4. Diesbezüglich hat die Inventronics GmbH vorgetragen, dass die Schutzrechte der ehemaligen BAG electronics GmbH wie auch die Einsprechendenstellung im hiesigen Verfahren im Zuge der Umstrukturierung im ams OSRAM-Konzern auf die OPTOTRONIC GmbH (eine weitere Gesellschaft im ams OSRAM-Konzern) übertragen worden seien. Diese Schutzrechte sowie die Einsprechendenstellung seien Bestandteil des Geschäftsbereichs "Digital Systems" des Geschäftsbetriebs des ams OSRAM-Konzerns gewesen. Dieser Geschäftsbereich sei gemeinsam mit der OPTOTRONIC GmbH an die Inventronics-Gruppe veräußert worden. Nach der Veräußerung sei die OPTOTRONIC GmbH in Inventronics GmbH umfirmiert worden.
5. Die Beteiligten, deren Argumente und Unterlagen im hiesigen Verfahren sind identisch zu den Beteiligten, Argumenten und Unterlagen im Verfahren T 3273/19. Die hiesige Kammer schließt sich dazu der eingehenden und überzeugenden Begründung der Kammer 3.4.02 an, die eine rechtswirksame Übertragung der Einsprechendenstellung auf die Inventronics GmbH erkannt hat (siehe T 3273/19, Entscheidungsgründe, Abschnitt 2 mit Unterabschnitten 2.1 bis 2.5).
6. Insbesondere schließt sich die Kammer im vorliegenden Fall der Auffassung der Kammer 3.4.02 zur Frage der Zuordnung einer Einsprechendenstellung zu Geschäftsbereichen innerhalb eines Konzerns an (siehe T 3273/19, Punkt 2.4.4 e):
In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, dass die Zuordnung einer Einsprechendenstellung zu einem bestimmten (oder gar mehreren) Geschäftsbereich(en) innerhalb eines Unternehmens tatsächlich von letzterem grundsätzlich frei und von subjektiven Entscheidungen abhängig vorgenommen werden kann (vgl. etwa den der Entscheidung T 9/00, ABl. EPA 2002, 275, Sachverhalt Nr. VIII und Gründe Nr. 2 c) dd), zugrunde liegenden Fall). Darüber hinaus ist ein Geschäftsbereich (als Teil eines Geschäftsbetriebs eines Unternehmens) nicht automatisch und von vornherein ein etwa nach gesellschaftsrechtlichen Kriterien klar umrissenes Konstrukt. Dies wurde auch von der Großen Beschwerdekammer bestätigt (vgl. G 2/04, ABl. EPA 2005, 549, Gründe Nr. 2.2 mit Verweis auf T 9/00: "In der Tat besteht ein Unterschied zwischen einer juristischen Person und einem Teil ihres Geschäftsbetriebs, der von einem bloßen Geschäftsbereich ohne Rechtspersönlichkeit ausgeübt wird"). Gegenstand und Umfang eines bestimmten Geschäftsbereichs eines Unternehmens können von letzterem vielmehr grundsätzlich beliebig definiert und geändert werden. In einem Konzern mit mehreren Gesellschaften im In- und Ausland ist es außerdem naheliegend, dass sich ein Geschäftsbereich über mehrere Gesellschaften und Länder erstrecken kann, was auch im ams OSRAM-Konzern für den Geschäftsbereich "Digital Systems" der Fall war.
7. Die Patentinhaberin hat im hiesigen Verfahren auch nicht versucht, die Überlegungen der Kammer in T 3273/19 zu widerlegen. Es besteht auch vor diesem Hintergrund kein Anlass, von deren zutreffender rechtlicher Beurteilung abzugehen.
8. Im Ergebnis ist daher die Einsprechendenstellung auf die Inventronics GmbH übergegangen, die somit im Europäischen Patentregister als neue Einsprechende im hiesigen Verfahren eingetragen werden und das Verfahren als Beschwerdeführerin fortführen konnte.
Hauptantrag - Unzulässige Erweiterung (Artikel 100 c) EPÜ, Artikel 123(2) EPÜ)
9. Die Einspruchsabteilung kam (Abschnitt II.3) zum Ergebnis, das der Gegenstand des Patents im Sinne des Artikels 100 c) EPÜ nicht unzulässig erweitert worden sei. Sie befasste sich dabei mit zwei Einwänden hinsichtlich Zwischenverallgemeinerungen durch die Merkmale "Transformator" und "externe Befehle zuführbar ... wobei die Befehle Dimmwertvorgaben sind".
10. Der Einwand hinsichtlich der "Dimmwertvorgaben" wird seitens der Einsprechenden im Beschwerdeverfahren nicht weiter verfolgt (siehe Beschwerdebegründung der Einsprechenden Seite 10, letzter Absatz).
11. Hinsichtlich des Einwands für das Merkmal "Transformator" verweist die Einsprechende ausschließlich auf ihre Eingaben im erstinstanzlichen Verfahren und setzt sich daher nicht mit den Argumenten der Einspruchsabteilung auseinander. Schon im Hinblick darauf besteht keine Veranlassung, deren Entscheidung diesbezüglich im Sinne der Einsprechenden abzuändern.
12. Mit ihrer Erwiderung (Abschnitt III) auf die Beschwerde der Patentinhaberin führt die Einsprechende eine neue Argumentation für den bereits im Einspruch vorgebrachten Einspruchsgrund nach Artikel 100 c) EPÜ ein. Diese neue Argumentation ist nach Artikel 12(1)(b), (2), (4) VOBK 2007 im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen.
13. Mit dieser neuen Argumentation bemängelt die Einsprechende, dass im Prüfungsverfahren die zweite Logikschaltung hinsichtlich ihrer Funktion mittels des Merkmals M1 7 näher definiert worden sei ("aktive Elemente auf der Sekundärseite der galvanischen Trennung abhängig von den Dimmwert-Vorgaben ansteuert"). Diese Ergänzung stamme aus einem Teil der Beschreibung, der zugleich weitere Funktionen der zweiten Logikschaltung definiere (Rückführsignale erfassen), die nicht mit aufgenommen worden seien.
14. Der Einsprechenden ist darin zuzustimmen, dass die Ansteuerung aktiver Elemente ohne die Erfassung der Rückführsignale nicht ursprünglich offenbart war. Der im Absatz [0038] der Patentschrift (entspricht Seite 8, Zeile 27 bis Seite 9, Zeile 12 der WO-Schrift) als Basis für die Änderung genannte Satz lautet:
Diese weitere Logikschaltung C2 ist dazu vorgesehen, Rückführsignale von der Sekundärseite zu erfassen und gegebenenfalls auch aktive Elemente auf der Sekundärseite (Schalter etc.) vorzugsweise über einen Treiber G2 anzusteuern.
15. Damit ist aber nur offenbart, dass die Steuerung aktiver Elemente auf der Sekundärseite zur Erfassung der Rückführsignale hinzutreten kann (gegebenenfalls). So ist auch der ursprüngliche Anspruch 12 zu verstehen, der die Erfassung von Rückführsignalen unabhängig von der Steuerung aktiver Elemente definiert. Hingegen ist eine Steuerung aktiver Elemente ohne Erfassung von Rückführsignalen für die zweite Logikschaltung nicht ursprünglich offenbart.
16. Die Patentinhaberin verfolgt im Beschwerdeverfahren zwei unterschiedliche Argumentationslinien, um zu zeigen, dass durch diese Änderung keine unzulässige Erweiterung vorliege.
a) Zum einen argumentiert sie, dass die "Rückführsignale von der Sekundärseite im Anspruch bereits denkgesetzlich im erteilten unabhängigen Anspruch 1 aufgenommen" seien, da dieser eine "potentialgetrennte bidirektionale Schnittstelle (J1) zur bidirektionalen Übermittlung von Informationen zwischen der ersten Logikschaltung (C1) und der zweiten Logikschaltung (C2)" erfordere (Eingabe vom 18. September 2018, Abschnitt B.II.3., Seite 5, Hervorhebung von der Patentinhaberin).
b) Zum anderen argumentiert sie, dass die ursprünglich eingereichte Anmeldung nicht offenbare, dass zum Ansteuern aktiver Elemente auf der Sekundärseite zwingend auch die Erfassung von Rückführsignalen hinzutreten müsse. In diesem Zusammenhang verweist die Patentinhaberin darauf, dass
i) nur von einer Steuerung, nicht von einer Regelung, gesprochen würde, eine Steuerung aber auch ohne Rückführsignale möglich sei;
ii) die Erfassung von Rückführsignalen im ursprünglich eingereichten Anspruch 12 nur als Option für die zweite Logikschaltung vorgesehen gewesen sei;
iii) der Absatz [0042] der Patentschrift (entspricht dem die Seiten 9 und 10 überbrückenden Absatz der WO-Schrift) nur die Steuerung der aktiven Elemente auf der Basis von von der ersten Logikschaltung zugeführten externen Befehlen, nicht aber die Erfassung von Rückführsignalen erfordere.
17. Hinsichtlich der Argumentationslinie a) sieht die Kammer alleine durch das Vorsehen der bidirektionalen Schnittstelle nicht, dass dadurch die Erfassung von Rückführsignalen durch die zweite Logikschaltung bereits im Anspruch 1 mitgelesen werden kann. Wie in den Absätzen [0043] und [0044] der Patentschrift (entspricht in der WO-Schrift Seite 10, Zeilen 6 bis 21) klar definiert ist, können (optional) die Rückführsignale an die Primärseite zurückübertragen werden. Es können aber auch Zustände und Steuersignale übermittelt werden, von denen nicht bekannt ist, ob sie durch die Erfassung von Rückführsignalen ermittelt wurden oder nicht. Daher ist im Anspruch 1 durch das Vorsehen einer bidirektionalen Schnittstelle nicht implizit auch die Erfassung von Rückführsignalen durch die zweite Logikschaltung definiert.
18. Die Argumentationslinie b) zielt im Wesentlichen auf das Verfahren ab, das in der zweiten Logikschaltung zur Steuerung verwendet wird. Die ursprüngliche Anmeldung liefert allerdings keine Details über solche möglichen Verfahren. Insbesondere ist nicht offenbart, ob es sich bei diesen Verfahren um Steuerverfahren oder Regelverfahren handelt, also ob Rückführsignale aus dem Lastkreis verwendet werden oder nicht. Es kann auch dahingestellt bleiben, ob es für die Fachperson grundsätzlich möglich ist, eine Steuerung nur aufgrund der externen Dimmwert-Vorgaben vorzusehen, ohne Rückführsignale zu berücksichtigen. Die Frage ist, ob die zweite Logikschaltung in der ursprünglichen Anmeldung eindeutig und unmittelbar als eine Vorrichtung offenbart ist, die aktive Elemente auf der Sekundärseite ansteuert, ohne dass sie auch Rückführsignale von der Sekundärseite erfasst. Das ist nicht zu erkennen. Wie auch von der Patentinhaberin selbst zugestanden, ist Absatz [0038] der Patentschrift in dieser Hinsicht vom Wortlaut her eindeutig, dass zu einer Erfassung von Rückführsignalen optional die Ansteuerung aktiver Elemente hinzutreten kann, und nicht umgekehrt zur Ansteuerung aktiver Elemente die Erfassung von Rückführsignalen optional hinzutritt. So ist auch der Absatz [0042] der Patentschrift im Gesamtzusammenhang der Absätze [0038] bis [0042] der Patentschrift zu verstehen, in denen die Erfassung der Rückführsignale immer vorhanden ist. Außerdem weisen sämtliche Ausführungsbeispiele der ursprünglichen Anmeldung (auch die beiden in den Figuren 4 und 5 beschriebenen, die später als nicht erfindungsgemäß gekennzeichnet wurden, siehe [0083] und [0088]: Spalte 11, Zeilen 33 bis 37 der B1-Patentschrift, entspricht Seite 18, Zeilen 4 bis 14 und Seite 19, Zeilen 23 bis 27 der WO-Schrift) immer die Erfassung von Rückführsignalen durch die zweite Logikschaltung auf. Eine zweite Logikschaltung zum Ansteuern aktiver Elemente ohne die Erfassung von Rückführsignalen ist somit nicht ursprünglich offenbart.
19. Der Hauptantrag (Zurückweisung des Einspruchs) ist somit nicht gewährbar, da Anspruch 1 unzulässig erweitert wurde.
Hilfsanträge I bis IV - Berücksichtigung
20. Die Hilfsanträge I bis IV sind nach Ladung zur mündlichen Verhandlung und nach der Mitteilung nach Artikel 15(1) VOBK 2020 eingereicht worden. Keiner dieser Hilfsanträge ist identisch zu einem der Hilfsanträge, die zuvor im Einspruchs- oder Beschwerdeverfahren gestellt worden sind. Ihre Berücksichtigung in diesem Verfahrensstadium richtet sich nach Artikel 13(2) VOBK 2020, wonach Änderungen des Beschwerdevorbringens grundsätzlich unberücksichtigt bleiben, sofern nicht außergewöhnliche Umstände vorliegen.
21. Zusammen mit der Einreichung der Hilfsanträge hat die Patentinhaberin argumentiert, dass deren Anspruchssätze konvergierten, dass die Änderungen in den Hilfsanträgen bereits im Beschwerdeverfahren vorgenommenen Änderungen entsprächen oder Merkmale eines erteilten abhängigen Anspruchs hinzufügten, so dass die Gegenstände weder für die Beschwerdekammer noch für die Einsprechende überraschend seien und somit nicht zu einer Verzögerung des Beschwerdeverfahrens führten. Außerdem seien die Anspruchssätze mit Hinblick auf die vorläufige Einschätzung der Beschwerdekammer ausgewählt worden, um möglichen Einwänden der Beschwerdekammer Rechnung zu tragen, falls jene argumentativ nicht ausgeräumt werden könnten (Eingabe vom 6. Oktober 2022, A.III, Seite 2).
22. Damit werden keine außergewöhnlichen Umstände aufgezeigt. Sowohl die Konvergenz von Hilfsanträgen als auch das Fehlen damit verbundener Verfahrensverzögerung sind übliche Voraussetzungen für die Berücksichtigung von Hilfsanträgen. Auch dass die Beschwerdekammer in ihrer vorläufigen Meinung einer Argumentation der Einsprechenden zustimmt, ist nicht außergewöhnlich.
23. Die Patentinhaberin trug in diesem Zusammenhang darüber hinaus vor, dass es unzumutbar und nicht verfahrensökonomisch wäre, bei einer Vielzahl von Angriffen (wie hier ursprünglich drei Angriffen wegen unzulässiger Erweiterung und weiteren Angriffen wegen mangelnder Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit) alle nur erdenklichen Positionen der Kammer zu berücksichtigen und eine sehr große Zahl an Hilfsanträgen einzureichen, die dann alle möglichen Merkmalskombinationen zur Überwindung der Vielzahl von Angriffen umfassten. Es müsse der Patentinhaberin zugestanden werden, dass sie die beabsichtigte Behebung einzelner Einwände exemplarisch in einzelnen Hilfsanträgen vorschlage. Damit könnte dann an diesen Beispielen die Eignung der vorgeschlagenen Änderungen für die Behebung der Einwände diskutiert werden und anschließend ein Hilfsantrag eingereicht werden, der sämtliche noch offenen Einwände behebe.
24. Die Kammer schließt ein derartiges Vorgehen grundsätzlich nicht aus, kann dem Argument in dieser Allgemeinheit aber nicht folgen. Zum einen hatte die Patentinhaberin eine solche Problematik und mögliche Verfahrensweise hinsichtlich einer möglichen Kombination von verschiedenen Möglichkeiten zur Behebung verschiedener Einwände niemals aufgezeigt, so dass sich weder die Beschwerdekammer noch die Einsprechende damit hätten auseinandersetzen konnten, um auch entsprechende Verfahrenshandlungen zu setzen. Des Weiteren führt eine Kombination von verschiedenen angepassten oder hinzugefügten Merkmalen, die für sich genommen einzelne Einwände beheben, auch nicht automatisch zu einem gewährbaren Patentanspruch. Gerade die Kombination von Merkmalen kann auch zu neuen Problemen führen, so dass grundsätzlich nur zielführend sein kann, dass vollständige Anspruchssätze der Beurteilung zugrunde liegen.
Zusammenfassung
25. Da der Anspruchssatz des erteilten Patents gemäß Hauptantrag in unzulässiger Weise über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldung hinausgeht (Artikel 100 c) und 123(2) EPÜ) und keiner der Hilfsanträge I bis IV berücksichtigt werden kann (Artikel 13(2) VOBK 2020), ist das Patent zu widerrufen.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die Beschwerde der Patentinhaberin wird zurückgewiesen.
2. Der Beschwerde der Einsprechenden wird Folge gegeben.
3. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
4. Das Patent wird widerrufen.