T 0065/82 (Cyclopropan) 20-04-1983
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1. Neue Zwischenprodukte, die in (nicht erfinderischen) Analogieverfahren zur Herstellung von patentierbaren Weiterverarbeitungsprodukten (d.h. Endprodukten oder Zwischenprodukten verschiedener Art) auftreten, müssen - um als Zwischenprodukt gelten zu können - für die Weiterverarbeitungsprodukte einen Strukturbeitrag geben. Auch wenn diese Voraussetzung vorliegt, sind solche Zwischenprodukte nicht ohne weiteres, d.h. nicht ohne Berücksichtigung des Standes der Technik erfinderisch.
2. Als Stand der Technik in Bezug auf die Zwischenprodukte sind dabei zwei verschiedene Bereiche (siehe nachfolgend III. und IV.) in Betracht zu ziehen. Einmal (siehe nachfolgend III.) ist der "Zwischenprodukt-nahe" Stand der Technik zu betrachten. Dies sind alle Verbindungen, die als in ihrer chemischen Konstitution den Zwischenprodukten nahekommend ermittelt wurden. Zum anderen (siehe nachfolgend IV.) muß auch der "Produkt-nahe" Stand der Technik berücksichtigt werden. Dies sind diejenigen Verbindungen, die als in ihrer chemischen Konstitution den Weiterverarbeitungsprodukten nahekommend ermittelt wurden.
3. In Bezug auf den "Zwischenprodukt-nahen" Stand der Technik ist zu fragen, ob der Fachmann aus ihm die Notwendigkeit erkennen konnte, bei bekannten Verbindungen gewisse zielgerichtete Modifikationen vorzunehmen, um dasjenige Zwischenprodukt zu erhalten, das allein ihn in die Lage versetzen konnte, die Aufgabe zu lösen, die Weiterverarbeitungsprodukte durch ein Analogieverfahren zu schaffen. Da es - voraussetzungsgemäß - diese Aufgabe im Stand der Technik nicht gibt, ist die Frage zu verneinen, sofern nicht bereits eine Verbindung verfügbar war, die in gleicher Weise reagiert und im wesentlichen identische Resultate ergeben könnte.
4. In Bezug auf den "Produkt-nahen" Stand der Technik ist dann weiter zu fragen, ob der Fachmann daraus das beanspruchte Zwischenprodukt in naheliegender Weise hätte ableiten können. Ist diese Frage zu verneinen, so schließt dies ein, daß das Zwischenprodukt einen Beitrag zur Strukturunterscheidung des Weiterverarbeitungsprodukts gegenüber dem Stand der Technik gibt.
5. Es wird daher (nach I.) für die Anerkennung eines Produkts als Zwischenprodukt definitionsgemäß vorausgesetzt, daß das Zwischenprodukt für die Weiterverarbeitungsprodukte einen Strukturbeitrag gibt. Für die Anerkennung einer erfinderischen Tätigkeit wird (nach III.) außerdem verlangt, daß für den Fachmann aus dem "Zwischenprodukt-nahen" Stand der Technik keine Verbindung verfügbar war, die denselben Zweck gleichwertig zu erfüllen vermochte. Ferner darf (nach IV.) das Zwischenprodukt nicht in einer naheliegenden Weise von "Produkt-nahen" Verbindungen ableitbar sein. Der vom Zwischenprodukt gegebene Strukturbeitrag muß zumindest eines jener Merkmale darstellen, die die Weiterverarbeitungsprodukte von den bekannten Verbindungen des "Produkt-nahen" Standes der Technik unterscheiden. Der Beitrag muß daher ein "Beitrag zur Strukturunterscheidung" sein.
Zwischenprodukte
Erfinderische Tätigkeit
I. Die am 17. September 1979 angemeldete und am 18. April 1980 veröffentlichte Patentanmeldung 79 103 487.9 mit der Veröffentlichungsnummer 0 009 708, für welche die Priorität der Voranmeldung in der Bundesrepublik Deutschland vom 29. September 1978 in Anspruch genommen wird, wurde durch die Entscheidung der Prüfungsabteilung des Europäischen Patentamts vom 16. Februar 1982 zurückgewiesen. In der Entscheidung wurde die Patentfähigkeit des Gegenstands der Ansprüche 1 und 2 sowie 7 bis 10 anerkannt, jedoch wurde der Anspruch 3, der auf Zwischenprodukte für die Herstellung der neuen Verbindungen nach Anspruch 1 gerichtet ist, für nicht gewährbar erklärt. Die Ansprüche 1 und 3 haben folgenden Wortlaut:
"1. Substituierte Bromostyril-cyclopropancarbonsäureester der Formel I
(FORMEL)
in welcher
R für Wasserstoff, Halogen, Alkyl oder Alkoxy steht,
R1 für Wasserstoff, Halogen, Alkyl, Alkoxy, AIkylthio oder zusammen mit R für Methylendioxy steht,
R2 für Wasserstoff, Cyano oder Äthinyl steht,
R3, R4 und R5 gleich oder verschieden sind und für Wasserstoff oder halogen stehen mit der Maßgabe, daß wenigstens einer der Reste R3, R4 oder R5 für Halogen steht.
3. Bromostyril-cyclopropancarbonsäuren der Formel II
(FORMEL) in welcher R und R1 die unter (1) angegebene Bedeutung haben."
II. Die Beschwerdeführerin hat für Produkte nach Anspruch 1 bzw. Formel I die Bezeichnung "Weiterverarbeitungsprodukte" verwendet. Dieser Ausdruck soll in dieser Entscheidung beibehalten werden. Unter "Weiterverarbeitungsprodukten" sind dabei mit Hilfe der Zwischenprodukte (in dieser Entscheidung: Produkte nach Anspruch 3 bzw. Formel II) gewonnene Endprodukte zu verstehen wie auch Produkte, die erst nach Weiterverarbeitung zu Endprodukten ihrem endgültigen Zweck dienen können.
III. Die Prüfungsabteilung führt im einzelnen aus, der Gegenstand des Anspruchs 3 beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Zwar seien die Verbindungen der im Anspruch gegebenen Formel II Zwischenprodukte, die zur Herstellung der Endprodukte der Formel I verwendet werden können, sie wiesen aber keine besonderen patentbegründenden Eigenschaften auf. Solche Zwischenprodukte seien nur in Analogieverfahren verwendbar und strukturanalog zu den in bekannten Verfahren verwendeten Ausgangsstoffen. Daher hätten sie dieselbe Funktion und ermöglichten auch die Herstellung ähnlicher Insektizide. Es werde nicht bezweifelt, daß die in Anspruch 3 beanspruchten Säuren die Eigenschaften der Weiterverarbeitungsprodukte mitbestimmen könnten, es könne aber nicht anerkannt werden, daß diese Mitbestimmung - als "lediglich partiell kausaler Zusammenhang" - die erfinderische Tätigkeit zu begründen vermögen. Die erfinderische Tätigkeit, auf der die Weiterverarbeitungsprodukte beruhten, könnte sich auf Zwischenprodukte übertragen lassen, sofern deren unerwartete Eigenschaften ausschließlich von der Struktur der Zwischenprodukte bestimmt würden.
IV. Gegen diese Entscheidung richtet sich die am 1. März 1982 unter Entrichtung der Beschwerdegebühr eingelegte Beschwerde der Anmelderin, die gleichzeitig im wesentlichen wie folgt begründet wird: Die Wirkstoffe der Formel I (Anspruch 1) seien patentfähig. Die Zwischenprodukte der Formel II seien ebenfalls neu und gewerblich anwendbar. Wenn diese Zwischenprodukte, wie von der Prüfungsabteilung verlangt, selbst wertvolle Eigenschaften aufweisen müßten, dann würden keine Zwischenprodukte, sondern Endprodukte vorliegen. Die Verbindungen der Formel II hätten eine wichtige Eigenschaft: ihre Konstitution. Die Eigenschaften der Endprodukte seien daher zumindest mitbestimmt. Dieser Beitrag sei überlegen und überraschend. Es sei nicht notwendig, unmittelbare Wirkungen aufzuzeigen. Heilmittel, Stabilisatoren und Farbstoffe wirkten beispielsweise auch mittelbar. Die Forderung nach einer ausschließlichen Kausalität gehe weit über die Anforderungen des Übereinkommens hinaus. Eine wissenschaftliche Erklärung dafür, warum der Erfolg erzielt wird, sei nicht erforderlich. In der Mehrheit der Vertragsstaaten seien Zwischenprodukte schutzfähig. Weder das Übereinkommen noch die Prüfungsrichtlinien enthielten besondere Bestimmungen für Zwischenprodukte.
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 und der Regel 64 EPÜ; sie ist daher zulässig.
2. Die neuen Endprodukte und ihre Herstellung gemäß den Ansprüchen 1 und 2 sowie das entsprechende Mittel zur Bekämpfung von Insekten oder Spinnentieren und seine Herstellung (Ansprüche 7 bis 10) sind bereits von der Prüfungsabteilung als patentfähig anerkannt worden (siehe Bescheid vom 10. April 1981). Die chemischen Verbindungen der Formel I entsprechen einer Auswahl aus einer umfangreichen Gruppe von Estern (DE-A-2 738 150 (Seite 2)). Soweit Überschneidungen vorliegen, unterscheiden sich die neuen Produkte nach Anspruch 1 von denen des Standes der Technik nicht nur durch die beschränkten Möglichkeiten der Substitution am Säureteil und am Alkoholteil des Moleküls, sondern auch dadurch, daß sie ein Bromatom in einer bestimmten Position aufweisen. Ein Beweis wurde vorgelegt, um glaubhaft zu machen, daß diese Mittel im Vergleich zu strukturell naheliegenden Verbindungen eine überraschend bessere Wirkung zeigen.
3. Anspruch 3 (Formel II) bestimmt dagegen eine entsprechende Gruppe von Bromstyril-cyclocarbonsäuren, die sich als Zwischenprodukte in Säure-Derivate umwandeln lassen (z.B. Säurechloride, die nach Seite 10 der Anmeldung ebenfalls neu sind), die dann durch Esterifikation in die Endprodukte gemäß Formel I unmittelbar überführt werden können. Die beanspruchten Säuren entsprechen ebenfalls einer Auswahl aus einer bekannten Gruppe (siehe DE-A-2 738 150, Seite 4; Verseifungsprodukte der Verbindungen gemäß Formel I-a), ohne im einzelnen bekannte Varianten einzuschließen. Die ausgewählte Untergruppe ist nicht einfach nur ein Repräsentant des Ganzen, der der Menge der Möglichkeiten rein zufällig entnommen wurde, ohne daß ihr eine weitere technische Bedeutung zukommt. Die Mitglieder der Untergruppe weisen vielmehr alle eine Eigenschaft auf, die nicht durch die Gruppe der Verbindungen nach der ursprünglichen Formel I-a der Entgegenhaltung repräsentiert wird, nämlich der gesicherten Fähigkeit, in die vorteilhaften Endprodukte gemäß Formel I überführt werden zu können. Anspruch 3 stellt daher eine distinktive Gruppe mit einer Besonderheit dar, die keine wesentliche Übereinstimmung mit der ursprünglichen Gruppe aufweist, was ihre Neuheit als Gruppe bestätigt.
4. Die ausgewählten Zwischenprodukte müssen selbst auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhen, um gewährbar zu sein. Der diesen Zwischenprodukten naheliegende Stand der Technik (z.B. DE-A-2 738 150) enthält keine spezifischen Verbindungen, die in derselben Weise wie die Verbindung der Formel II geeignet wären, durch dieselben Verfahren dieselben gewünschten Produkte nach Formel I zu liefern. Aus den im Recherchenbericht genannten vorveröffentlichten Entgegenhaltungen läßt sich nichts entnehmen, was den Fachmann zu Strukturen nach Formel II hinführen könnte, also zu Strukturen, die notwendig sind zur Herstellung von Produkten entsprechend der Formel I. Es erweist sich damit, daß Zwischenprodukte nach Anspruch 3 von diesem "Zwischenprodukt-nahen" Stand der Technik nicht ableitbar sind.
5. Weiter ist auch erkennbar, daß die anmeldungsgemäßen, spezifisch modifizierten Zwischenprodukte nicht geeignet sind, die im Stand der Technik offenbarten strukturell naheliegenden Weiterverarbeitungsprodukte durch irgendwelche Analogieverfahren herzustellen. Umgekehrt kann gefolgert werden, daß die beanspruchten Zwischenprodukte nicht in naheliegender Weise von dem "Produkt-nahen" Stand der Technik abgeleitet werden können. Verbindungen nach Formel II enthalten insbesondere Substituenten des 2-Bromatoms und die ausgewählten Substituenten der Phenyl-Gruppe, die in die Weiterverarbeitungsprodukte nach Formel I eingegliedert werden und zur Gesamtheit der Unterscheidungsmerkmale beitragen, die die letzteren von den in jeder der Entgegenhaltungen beschriebenen Verbindungen unterscheiden.
6. Zwischenprodukte, die für die Herstellung patentfähiger Weiterverarbeitungsprodukte geeignet sind, enthalten normalerweise zwei wesentliche Teile. Der erste ist die Gesamtheit der Strukturelemente, die unmittelbar in das Produkt eingehen ("Strukturbeitrag"). Den zweiten Teil stellen diejenigen Elemente dar, wie z.B. Radikale, Atome oder Bindungen, welche bei der Reaktion entfernt werden oder verschwinden ("Abspaltungsteile"). Bei Analogieverfahren, also bei als solchen naheliegenden Verfahren, ist die Art der Eingliederung völlig vorhersehbar und daher vorbestimmt. Die Eignung zur Konversion im Analogieverfahren ist aufgrund der Struktur und insbesondere aufgrund der Art der Abspaltungen aus dem allgemeinen Fachwissen abzuleiten. In irgendeiner Weise sind alle Verbindungen "bekannte" potentielle Zwischenprodukte für gewisse Analogieverfahren. Der Fachmann kann auch die Äquivalente einer bekannten Verbindung als ein alternatives Zwischenprodukt in dieser Hinsicht dadurch ableiten, daß er gedanklich ein Abspaltungsteil durch einen anderen Teil gleicher Funktion ersetzt. Während solche neuen alternativen Varianten durch bestimmte Analogieverfahren auch zur Gewinnung einer großen Anzahl von Derivaten geeignet sein können, ist jedes in vorhersehbarer Weise identisch mit dem, das durch Verwendung der bekannten Verbindung erzielt werden kann. Die Frage ist nur, ob ein bestimmtes Produkt so hergestellt werden kann oder nicht. Wenn dies bejaht werden kann, wirkt dieselbe Eigenschaft, d.h. Fähigkeit in beiden Fällen. Es ist dann von Bedeutung, daß die Patentfähigkeit neuer Verbindungen, die zu naheliegenden bekannten Verbindungen strukturanalog sind, durch Vergleich mit den bekannten zu beurteilen ist, wenn die letzteren eine bereits erkannte Fähigkeit besitzen und die neuen Varianten sich auf die Benützung derselben Eigenschaften stützen. Es sollte sich dann ergeben, daß die Strukturänderungen, die die neue Variante darstellen, durch Herbeiführung eines überraschenden Unterschieds in der Wirkung von technischer Bedeutung sind. Dem entgegengesetzt ist der Fall, daß eine neue Art der Verwendung, d.h. neue Eigenschaften für die neuen Varianten entdeckt werden, wobei diese Verwendung bis dahin vollkommen unvorhersehbar ist. Kein Vergleich mit dem Stand der Technik ist daher notwendig. Entsprechend dem obigen Fall sollten neue Zwischenprodukte, die für bestimmte Umsetzungen erkennbar geeignet sind, ebenfalls einen überraschenden Vorteil aufweisen im Vergleich zu bekannten Verbindungen, mit denen sich durch dieselben Analogieverfahren dieselben Weiterverarbeitungsprodukte erzielen lassen. Dieser Vorteil kann sich beispielsweise aus einer unerwarteten Reaktivität oder einer überraschend höheren Ausbeute ("Verfahrenswirkung") ergeben, aber in diesem Fall nicht aus der bloßen Tatsache hergeleitet werden, daß bestimmte neue Weiterverarbeitungsprodukte aus den neuen Zwischenprodukten ebenso gut hergestellt werden können.
7. Andererseits liegt es so, daß, wenn kein geeignetes Zwischenprodukt für den spezifischen Zweck nach dem Stand der Technik zur Verfügung steht, eine bereits bekannte Verbindung zuerst so modifiziert werden muß, daß sie als "Trittstein" für das gewünschte Analogieverfahren dienen kann. Üblicherweise muß entweder der Teil, der den Strukturbeitrag darstellt, ganz neu geschaffen werden zusammen mit geeigneten reaktionsfähigen Abspaltungsteilen oder er muß, wenn er bereits bekannt, aber mit nicht reaktiven Teilen ausgerüstet ist, zumindest mit fähigen Abspaltungsteilen ausgestattet werden. Keine dieser zweckorientierten Änderungen ist vorhersehbar im Hinblick auf den "Zwischenprodukt-nahen" Stand der Technik ohne Kenntnis der Aufgabe der Herstellung des gewünschten Weiterverarbeitungsprodukts. Wie bereits gesagt, stellen die Zwischenprodukte nach Anspruch 3 Änderungen, d.h. Einschränkungen dieser Art dar.
8. Zwischenprodukte, die in solcher nicht naheliegender Weise als für den beabsichtigten Zweck allein geeignete Mittel bereitgestellt werden, sind jedoch nicht notwendigerweise erfinderisch in Hinblick auf den Stand der Technik, der die Weiterverarbeitungsprodukte der entsprechenden Zwischenprodukte betrifft (d.h. auf den "Produkt-nahen" Stand der Technik). Es wäre anomal, wenn der Fachmann dieselben Zwischenprodukte in naheliegender Weise aus den Schriften ableiten könnte, die zur Feststellung des erfinderische Charakters der Weiterverarbeitungsprodukte gegenüber dem "Produkt-nahen" Stand der Technik herangezogen werden. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn der Fachmann die beanspruchten Zwischenprodukte auch als geeignete Zwischenprodukte für die Herstellung der in den Entgegenhaltungen genannten Produkte und selbst durch Analogieverfahren unmittelbar als herstellbar hätte erkennen können, auch wenn diese Möglichkeit nicht ausdrücklich erwähnt wurde. Wie bereits dargelegt, trifft dies für die Zwischenprodukte nach Anspruch 3 nicht zu.
9. Verfahrenstechnisch ist dieser "Produkt-nahe" Stand der Technik bei strukturell ähnlichen Verbindungen von besonderer Bedeutung. Die Einführung direkt ableitbarer Zwischenprodukte, die in naheliegender Weise auch geeignet sind, den Strukturteil der nächstanalogen und -homologen Produkte zu liefern, der ungeändert und mit einem Strukturteil des betreffenden Weiterverarbeitungsprodukts noch identisch ist, kann als solche kaum überraschend sein. Aus der obigen Forderung, daß das Zwischenprodukt nicht von dem "Produkt-nahen" Stand der Technik herleitbar sein darf, ergibt sich auch, daß der Strukturbeitrag mindestens eines der Merkmale aufweisen muß, die die Weiterverarbeitungsprodukte von den Verbindungen nach dem "Produkt-nahen" Stand der Technik unterscheiden (Beitrag zur "Strukturunterscheidung").
10. Aufgabe der Erfindung im Sinne des Anspruchs 1 ist es letztlich, eine insektizide oder akarizide Wirkung zu erzielen. Die Lösung einer Aufgabe dieser Art ergibt sich unmittelbar aus einer Wechselwirkung, also einem Verfahren, mit dem das gewünschte Resultat erzielt wird. Ist der hierfür verwendete Wirkstoff ebenfalls neu, so könnte er als (mittelbare) Lösung der Aufgabe angesehen werden. Trifft dies zu, so ergibt sich die Notwendigkeit seiner Herstellung durch ein Analogieverfahren als eine weitere, bisher unbekannte Aufgabe. Die Lösung dieser Aufgabe kann, wie oben dargelegt, je nach dem Stand der Technik, in der Schaffung eines patentfähigen Zwischenprodukts bestehen. Die mit der Schaffung des Zwischenprodukts gelöste Aufgabe besteht ausschließlich in der Ermöglichung des Weiterverarbeitungsprodukts selbst und liegt nicht in den Eigenschaften des letzteren oder dem Ergebnis einer überraschenden Wirksamkeit in dessen Gebrauch. Eine Kausalität dieser Art erfüllt hinreichend das allgemeine Erfordernis eines kausalen Zusammenhangs zwischen der patentfähigen Lösung und ihrem Effekt. Der nicht naheliegende Charakter des Effekts des Zwischenprodukts kann solange aufrechterhalten werden, als die Stellung einer nicht allgemein bekannten Aufgabe noch Gültigkeit hat. Jedoch würde die Aufgabe der Schaffung eines patentfähigen Weiterverarbeitungsprodukts notwendigerweise entfallen, wenn sich herausstellt, daß das Produkt nicht neu war oder keine überraschende Wirkung aufweist, daß also in der Sache keine technische Lehre vorliegt. Aus diesen Überlegungen folgt, daß kein berechtigter Grund besteht, zwischen verschiedenen Arten patentfähiger Weiterverarbeitungsprodukte aufgrund ihrer Brauchbarkeiten zu unterscheiden, d.h. eine Unterscheidung zu treffen, ob sie Endprodukte sind oder selbst Zwischenprodukte irgendeiner Art.
11. Da sich aus diesen Überlegungen ferner ergibt, daß das Zwischenprodukt auch zu den Merkmalen des Weiterverarbeitungsprodukts beitragen muß, aufgrund deren sich dieses vom einschlägigen Stand der Technik unterscheidet, läßt es sich als Vorläufer und damit als eigentliche "conditio sine qua non" für das letztere deuten. Während die Verwendung eines neuen Zwischenprodukts eine tatsächliche "Voraussetzung" (conditio) bei der Herstellung des Weiterverarbeitungsprodukts gewesen sein mag, würde dieser Umstand nicht zwingend implizieren, daß die Notwendigkeit für einen "Trittstein" auf diesem spezifischen Weg bestand. Die Notwendigkeit besonderer, unvorhersehbarer struktureller Modifikationen des gegebenen Standes der Technik mit entsprechender Änderung der Fähigkeiten bestätigt den erfinderischen Charakter, den die Bereitstellung solcher Zwischenprodukte aufweist.
12. Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich, daß neue Zwischenprodukte, die sich zur Umsetzung in patentfähige Weiterverarbeitungsprodukte eignen und zumindest einen Teil ihrer Struktur an diese durch Analogieverfahren weitergeben, nicht automatisch, d.h. unabhängig vom Stand der Technik, patentfähig sind. Hinsichtlich des "Zwischenprodukt-nahen" Standes der Technik stellt sich die Frage, ob der Fachmann aus ihm die Notwendigkeit erkennen konnte, bei bekannten Verbindungen gewisse zielgerichtete Modifikationen vorzunehmen, um dasjenige Zwischenprodukt zu erhalten, das allein ihn in die Lage versetzen konnte, die Aufgabe zu lösen, die Weiterverarbeitungsprodukte durch ein Analogieverfahren zu schaffen. Da es - voraussetzungsgemäß - diese Aufgabe im Stand der Technik nicht gibt, ist die Frage zu verneinen, sofern nicht bereits eine Verbindung verfügbar war, die in gleicher Weise reagiert und im wesentlichen identische Resultate ergeben haben könnte. Hinsichtlich des "Produkt-nahen" Standes der Technik stellt sich dann als weitere Frage, ob der Fachmann in der Lage gewesen wäre, dasselbe Zwischenprodukt aus dem Offenbarungsgehalt des dem Weiterverarbeitungsprodukt entgegengehaltenen Standes der Technik in naheliegender Weise abzuleiten. Ist dies wiederum zu verneinen, so dürfte dies in der Regel auch einen "Beitrag zur Strukturunterscheidung" implizieren im Hinblick auf das Weiterverarbeitungsprodukt, und es kann davon ausgegangen werden, daß - wie im Fall der vorliegenden Beschwerde - das Zwischenprodukt gegenüber dem Stand der Technik auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
13. Die Produkte nach den breitesten unabhängigen Ansprüchen 1 und 3 sind miteinander im technischen Zusammenhang und daher einheitlich i.S.v. Artikel 83 EPÜ. Die Lösung der Aufgabe der ersten Erfindung, die Weiterverarbeitungsprodukte nach Anspruch 1, führt unmittelbar zu der weiteren Aufgabe ihrer Herstellung durch Esterisierung mit entsprechenden Säuren oder Säure-Derivaten. Die Überschneidung zwischen den Problemlösungen und Effekten der beiden nebeneinander stehenden Erfindungen begründet die Einheit der gemeinsamen allgemeinen erfinderischen Idee.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird wie folgt entschieden:
1. Die Entscheidung der Prüfungsabteilung des Europäischen Patentamtes vom 16. Februar 1982 wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die Vorinstanz zurückverwiesen mit der Auflage, ein europäisches Patent aufgrund folgender Unterlagen zu erteilen: Ursprüngliche Beschreibung Seite 1 bis 36 und ursprüngliche Patentansprüche 1 bis 3, 7 bis 10 (neu numeriert) ...