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T 0013/83 (Polyisocyanurat) 13-04-1984
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I. Die am 20. Juli 1979 eingereichte und am 20. Februar 1980 unter der Veröffentlichungsnummer 0 008 170 veröffentlichte europäische Patentanmeldung Nr. 79 301 445.7, für die die Priorität der US-Anmeldung Nr. 928 690 vom 27. Juli 1978 in Anspruch genommen wird, wurde mit Entscheidung der Prüfungsabteilung des Europäischen Patentamts vom 26. Juli 1982 zurückgewiesen. Der Entscheidung lag der am 22. April 1982 eingereichte geänderte Anspruch 1 zugrunde.
Die Zurückweisung wurde damit begründet, daß dieser Anspruch die Erfordernisse der Regel 88 nicht erfülle. In der Entscheidung wurde nicht auf die Frage eingegangen, ob der geänderte Anspruch 1 gegen Artikel 84 EPÜ verstößt.
II. Am 22. September 1982 legte die Beschwerdeführerin gegen die Entscheidung Beschwerde ein und reichte am 23. Oktober 1982 eine Begründung nach. Die Beschwerdegebühr wurde fristgerecht entrichtet.
III. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der Entscheidung und die Zulassung des am 25. Januar 1982 engereichten geänderten Anspruchs 1. Dieser Anspruch lautet wie folgt:
1. Harzmischung zur Verwendung bei der Herstellung nichtklebriger Formmassen durch Umsetzung mit Polyisocyanat, die sich wie folgt zusammensetzt: 5-93,5 Gew.-% eines polyethylenisch ungesättigten Polyisocyanuratharzes, das durch Umsetzung einer Vinylidenhydroxylverbindung mit einem trimerisierbaren aromatischen Polyisocyanat mit mindestens zwei Isocyanatgruppen erzielt wird, wobei das Molverhältnis NCO/OH 0,75 bis 1,6 beträgt, 5-93,5 Gew.-% eines ethylenisch ungesättigten Monomers und 1,5-30 Gew.-% eines relativ nichtpolaren Polyols ohne ethylenische Doppelbindungen mit einem Molekulargewicht von 300-2 000, ausgewählt aus der Gruppe der Polyole Polyethylenglykol, Polypropylenglykol und Polytetramethylenglykol, der aromatischen Ether, die Kondensationsprodukte von Propylenoxid und aromatischen Polyolen sind, und der Polyester mit Dihydroxy-Endgruppen, die von Glykolen oder Polyetherglykolen und Dicarbonsäuren abgeleitet sind. Hilfsweise wird die Zulassung eines geänderten Anspruchs beantragt, bei dem die erste und die zweite Komponente (im folgenden Komponenten A und B genannt) durch "mindestens 5 Gew.-% von ..." gekennzeichnet sind. Der Anspruch lautet in der geänderten Fassung wie folgt: Harzmischung zur Herstellung nichtklebriger Formmassen durch Umsetzung mit Polyisocyanat, die sich wie folgt zusammensetzt:
A. mindestens 5 Gew.-% eines polyethylenisch ungesättigten Polyisocyanuratharzes, das durch Umsetzung einer Vinylidenhydroxylverbindung mit einem trimerisierbaren aromatischen Polyisocyanat mit mindestens 2 Isocyanatgruppen entsteht, wobei das Molverhältnis NCO/OH 0.75 bis 1.6 beträgt,
B. mindestens 5 Gew.-% eines ethylenisch ungesättigten Monomers und
C. 1.5-30 Gew.-% eines relativ nichtpolaren Polyols ohne ethylenische Doppelbindung mit einem Molekulargewicht von 300-2 000, ausgewählt aus der Gruppe der Polyole Polyethylenglykol, Polypropylenglykol und Polytetramethylenglykol, der aromatischen Ether, die Kondensationsprodukte von Propylenoxid und aromatischen Polyolen sind, und der Polyester mit Dihydroxy-Endgruppen, die von Glykolen oder Polyetherglykolen und Dicarbonsäuren abgeleitet sind, wobei A, B und C insgesamt 100 % ausmachen.
Die Beschwerdeführerin beantragt ferner die Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach Regel 67 EPÜ.
IV. In der Beschwerdebegründung führt die Beschwerdeführerin aus, daß es sich hier um eine offensichtliche, weil rechnerisch bedingte Änderung handele, die somit mit Regel 88 EPÜ in Einklang stehe.
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 und Regel 64 EPÜ. Sie ist somit zulässig.
2. Der ursprünglich eingereichte Anspruch 1 lautet wie folgt:
1. Harzmischung zur Herstellung nichtklebriger Formmassen durch Umsetzung mit Polyisocyanat, die sich wie folgt zusammensetzt: 5-95 Gew.-% eines polyethylenisch ungesättigten Polyisocyanuratharzes. 5-95 Gew.-% eines ethylenisch ungesättigten Monomers und 1,5-30 Gew.-% eines relativ nichtpolaren Polyols ohne ethylenische Doppelbindungen mit einem Molekulargewicht von 300-2 000, ausgewählt aus der Gruppe der Polyole Polyethylenglykol, Polypropylenglykol und Polytetramethylenglykol, der aromatischen Ether, die Kondensationsprodukte von Propylenoxid und aromatischen Polyolen sind, und der Polyester mit Dihydroxy-Endgruppen, die von Glykolen oder Polyetherglykolen und Dicarbonsäuren abgeleitet sind. Dieser Anspruch ist in zweifacher Hinsicht mangelhaft:
a) die Mindestmengen von B und C und die Höchstmenge von A machen zusammen 101,5 % aus;
b) die Mindestmengen von A und C und die Höchstmenge von B machen ebenfalls zusammen 101,5 % aus. Der Anspruch verstößt daher hinsichtlich der Klarheit gegen Artikel 84 EPÜ.
3. Die Entscheidung der Prüfungsabteilung stützt sich auf die Regel 88 EPÜ. Diese Regel besage, daß eine Berichtigung, die sich auf die Beschreibung, die Patentansprüche oder die Zeichnungen bezieht, nur zulässig ist, wenn die Berichtigung derart offensichtlich ist, daß sofort erkennbar ist, daß nichts anderes beabsichtigt sein konnte als das, was als Berichtigung vorgeschlagen wird.
4. Im vorliegenden Fall sei jedoch die entsprechende Berichtigung der falschen technischen Berechnung nicht offensichtlich im Sinne der Regel 88. In der Entscheidung wird ferner darauf hingewiesen, daß die Anmelderin eine Berichtigung aufgrund dieser Regel nicht ausdrücklich beantragt habe.
5. Ein ähnlicher Fall ist schon einmal aufgetreten, nämlich in der Sache T 02/80 (ABl. EPA 10/81). Dabei ging es um ein Gemisch aus fünf Bestandteilen A, B, C, D und E, wobei A die Hauptkomponente bildete und B, C, D und E Zusätze mit bestimmten Gewichtsanteilen waren. Die Mindestanteile von B, C, D und E machten zusammen mehr als 100aus; die Berichtigung dieses Fehlers durch Streichung des Höchstprozentsatzes von A wurde zugelassen. In der Entscheidung wurde ferner festgestellt, daß diese Berichtigung nicht gegen Artikel 123(2) EPÜ verstößt.
6. Die Kammer stellt sich auf den Standpunkt, daß zunächst der Einwand nach Artikel 84 EPÜ ausgeräumt werden muß, bevor eine Berichtigung des Fehlers zugelassen werden kann; die Änderung darf jedoch nicht zu einer Erweiterung der Anmeldung führen, weil dies gegen Artikel 123(2) EPÜ verstoßen würde.
7. Nach Ansicht der Kammer ist ferner davon auszugehen, daß bei redaktionellen Fehlern in der Anmeldung, die dem fachmännischen Leser, an den sich die Anmeldung ja richtet, sofort auffallen würden, der Fachmann anhand des Inhalts der Anmeldung versuchen würde, das Gelesene gedanklich so zu berichtigen, daß es sinnvoll wird; wenn sich die Berichtigung dem Leser sozusagen aufdrängt, und sei es auch erst nach eingehender Durchsicht des Dokuments, kann sie als in der Anmeldung vorgegeben angesehen werden und würde damit nicht gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstoßen, wenn sie praktisch ausgeführt würde.
Gibt es jedoch wie im vorliegenden Fall mehrere Alternativen zur Berichtigung eines Rechenfehlers, so kann man nicht davon ausgehen, daß alle diese Alternativen als in der Anmeldung enthalten anzusehen sind. Würde gar ein Prozentsatzbereich durch die Berichtigung so weit ausgedehnt, daß er in ein Gebiet, hineinreicht, das der Anmelder in der ursprünglich eingereichten Fassung seiner Anmeldung gar nicht erfassen wollte, dann darf man wohl sagen, daß eine solche Berichtigung nicht als durch die Anmeldung nahegelegt gelten kann; dabei wäre nämlich, bildlich gesprochen, ein Schritt ins Ungewisse mit unbekannten technischen Konsequenzen zu tun, den der Fachmann denn auch ablehnen würde. Außerdem würde eine solche Berichtigung, so einfach sie rechnerisch sein mag, nicht nur dazu führen, daß dem Bereich ein neuer Endpunkt gesetzt wird, sondern auch dazu, daß alle Punkte zwischen dem neuen und dem alten Endpunkt mit aufgenommen werden; es läßt sich also nicht bestreiten, daß es sich hierbei um eine Erweiterung der Anmeldung handelt.
8. Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, so besteht wohl kaum ein Zweifel daran, daß der Mangel in dem ursprünglich eingereichten Anspruch 1 vom fachkundigen Leser sofort erkannt worden wäre. Hätte jedoch der Leser versucht, den Anspruch richtigzustellen, so wäre er auf die Schwierigkeit gestoßen, daß es hierfür mehrere Möglichkeiten gibt. Lösungen, die eine Verringerung der Mindestmengen der Bestandteile A, B oder C um 1,5 % bedeuten, wären jedoch nicht zulässig, da sie anstatt einer Einengung eine Erweiterung der Bereiche zur Folge hätten und unter Umständen dazu führen könnten, daß der Bestandteil C aus den beanspruchten Formmassen völlig herausfällt, was in der eingereichten Fassung der Anmeldung nicht vorgesehen gewesen sein konnte, da die Komponente C ein kennzeichnender Bestandteil der betreffenden Formmassen ist. Diese Komponente soll nämlich als Verdickungsmittel wirken, das in einer kleinen Menge angewandt wird; die besonderen Eigenschaften, die das Endprodukt vom Stand der Technik unterscheiden, sind im wesentlichen durch diese Komponente und deren Anteil bestimmt. Daher muß die Lösung des Problems in den Höchstmengen von A und B gesucht werden.
9. Die Obergrenze lag für A und B in dem ursprünglich eingereichten Anspruch 1 jeweils bei 95 %; es ist ohne weiteres ersichtlich, daß die Reduzierung nur eines dieser Bestandteile auf 93,5 % den Mangel nicht beheben würde, wenn für die andere Komponente eine Menge von 95 % angesetzt wird. Deshalb müssen beide Höchstmengen auf 93,5 % reduziert werden, um den Mangel völlig zu beseitigen; die Kammer ist überzeugt, daß diese Art der Berichtigung dem Fachmann als die naheliegendste Lösung erscheinen würde, da er durch die Anmeldung auf oben diese Lösung hingeführt wird. Genau diese Lösung wird von der Beschwerdeführerin vorgeschlagen und von der Kammer als eine Klarstellung des Anspruchs akzeptiert, die nicht gegen Artikel 123 (2) verstößt.
10. Eine andere Berichtigungsmöglichkeit als die von der Beschwerdeführerin oben vorgeschlagene findet sich in dem Alternativvorschlag in dar Beschwerdebegründung (S. 3, Zeilen 14-19). Da die Kammer den von der Beschwerdeführerin bevorzugten Vorschlag angenommen hat, braucht diese Alternative nicht berücksichtigt zu werden.
11. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr kann angeordnet werden, wenn der Beschwerde durch die Kammer stattgegeben wird und die Rückzahlung wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels der Billigkeit entspricht (Regel 67 EPÜ). Ein solcher Verfahrensmangel liegt hier nicht vor. Zwar ist der Anspruch, den die Kammer nunmehr akzeptiert hat, von der Beschwerdeführerin bereits am 25. Januar 1982 vorgeschlagen, aber von der Prüfungsabteilung nicht zugelassen worden. Dies stellt jedoch keinen Verfahrensmangel dar, sondern nur eine anfechtbare Entscheidung. Außerdem hat die Beschwerdeführerin selbst diese Entscheidung nicht angefochten, sondern einen neuen, geänderten Anspruch eingereicht.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird wie folgt entschieden:
1. Die Entscheidung dar Prüfungsabteilung vom 26. Juli 1982 wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die Vorinstanz mit der Auflage zurückverwiesen, auf der Grundlage dieser Entscheidung eine erneute Prüfung vorzunehmen.
3. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.