T 0087/88 (Weitere Recherchengebühr) 29-11-1991
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1. Die Rechtsfolge der Nichtzahlung einer weiteren Recherchengebühr (Regel 46 (1) EPÜ) für einen Gegenstand in einer europäischen Patentanmeldung kann nicht als Verzicht auf den betreffenden Gegenstand in dieser Anmeldung gewertet werden (andere Auffassung: Entscheidung T 178/84, ABl. EPA 1989, 157).
2. Wird wegen Nichtzahlung einer weiteren Recherchengebühr kein Recherchenbericht für den betreffenden Gegenstand erstellt, so ist eine Prüfungsabteilung im Falle einer Änderung gemäß Regel 86 (2) EPÜ nur insoweit zur Prüfung der Einheitlichkeit (Artikel 82 EPÜ) der in den ursprünglich eingereichten Unterlagen beanspruchten Erfindung verpflichtet, als geänderte Patentansprüche vorgelegt werden, die diesen Gegenstand betreffen, derart, daß eine Zusatzrecherche durchgeführt werden muß.
Uneinheitlichkeit bei der Recherche beanstandet
Die Mitteilung der Recherchenabteilung keine beschwerdefähige Entscheidung
Überprüfung durch die Prüfungsabteilung bei Nichtzahlen der weiteren Recherchengebühr und Einreichung neuer Ansprüche
Nichtzahlen der weiteren Recherchengebühr kein Verzicht
Rückzahlung der Beschwerdegebühr abgelehnt
Zurückverweisung an die Prüfungsabteilung (ja)
Wesentlicher Verfahrensmangel (nein)
I. Die Beschwerdeführerin ist Anmelderin der mit einem einzigen unabhängigen Patentanspruch 1 und sechs abhängigen Patentansprüchen eingereichten europäischen Patentanmeldung 85 103 050.2 (Veröffentlichungsnummer 0 159 525).
II. Mit Schreiben vom 6. September 1985 teilte die Recherchenabteilung gemäß Regel 46 (1) EPÜ der Beschwerdeführerin die mangelnde Einheitlichkeit (a posteriori) der beanspruchten Erfindung mit und forderte sie auf, eine weitere Recherchengebühr zu entrichten. Die zwei Erfindungen wurden wie folgt dargestellt:
- Patentansprüche 1 bis 5: der Einbau des Messgerätes in Leitungen
- Patentansprüche 1, 6,7:
der Einbau des Messgerätes in das Messgehäuse
Die Beschwerdeführerin kam dieser Aufforderung nicht nach und der Recherchenbericht wurde nur für die an erster Stelle aufgeführte Erfindung, d. h. für die Patentansprüche 1 bis 5, durchgeführt.
III. Nach Erhalt des Recherchenberichts und vor Erhalt des ersten Prüfungsbescheids reichte die Beschwerdeführerin am 22. August 1986 neue Patentansprüche 1 bis 9 ein, von denen sich der einzige unabhängige Patentanspruch 1 auf den inneren Aufbau des Meßgerätes bezieht.
Mit Schreiben vom 3. April 1987, eingegangen beim EPA am 8. April 1982, wurde überdies hilfsweise beantragt, das Verfahren mit einem Satz neuer Patentansprüche 1 bis 8 weiterzuführen, von denen der einzige unabhängige Patentanspruch 1 die Anschlußenden des Meßgerätes, das Gehäuse des Meßgerätes bzw. dessen inneren Aufbau betrifft.
IV. Mit Entscheidung vom 6. November 1987 hat die Prüfungsabteilung die europäische Anmeldung Nr. 85 103 050.2 aufgrund des Artikels 97 (1) EPÜ zurückgewiesen. In der angefochtenen Entscheidung stellte die Prüfungsabteilung fest, daß der ursprüngliche Patentanspruch 1 nicht erfinderisch sei, und stimmte mit der Recherchenabteilung hinsichtlich der mangelnden a posteriori-Einheitlichkeit der beanspruchten Erfindung überein. Sie war der Auffassung, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hauptantrag und derjenige des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag seien mit der recherchierten Erfindung nicht einheitlich und könnten daher nur in einer Teilanmeldung weiterverfolgt werden.
V. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin am 5. Januar 1988 unter gleichzeitiger Zahlung der Beschwerdegebühr Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung wurde am 22. Januar 1988 eingereicht.
VI. Die Beschwerdeführerin beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und
1.1. ein Patent auf der Grundlage der am 22. August 1986 eingereichte Patentansprüche 1 bis 9 sowie noch anzupassender Unterlagen zu erteilen (Hauptantrag);
1.2. hilfsweise ein Patent auf der Grundlage der am 8. April 1987 eingereichten Patentansprüche 1 bis 8 sowie noch anzupassender Unterlagen zu erteilen (Hilfsantrag);
1.3. weiterhin hilfsweise die Sache zur weiteren Prüfung an die erste Instanz zurückzuverweisen;
2. höchst hilfsweise und für den Fall, daß der Beschwerde nicht stattgegeben wird, den Gegenstand der Patentansprüche 1 bis 9, eingereicht am 22. August 1986, auszuscheiden und ihn im Rahmen einer Teilanmeldung weiterzuverfolgen;
3. falls einem der Anträge 1.1 bis 1.3 nicht entsprochen werden kann, Termin zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen, und
4. wegen einer "Reihe von Verfahrensfehlern", die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.
VII. Die Beschwerdeführerin stützt ihre Anträge im wesentlichen auf folgende Argumente:
a) Gemäß Regel 68 EPÜ seien Entscheidungen des Europäischen Patentamtes, die mit einer Beschwerde angefochten werden können, zu begründen und mit einer schriftlichen Rechtsmittelbelehrung zu versehen. Beides sei im Falle der Mitteilung nach Regel 46 (1) EPÜ der Recherchenabteilung vom 6. September 1985 nicht geschehen. Eine beschwerdefähige Entscheidung könne hierin schwerlich gesehen werden. Aber auch als Aufforderung würde sie dem Erfordernis des Art. 113 EPÜ mangels Angabe von Gründen für die behauptete angebliche Uneinheitlichkeit nicht genügen und damit keine Rechtswirkung entfalten können.
Im Falle einer Mitteilung nach Regel 46 (1) EPÜ müsse durch die Prüfungsabteilung die Frage der mangelnden Einheitlichkeit der beanspruchten Erfindung auch dann überprüft werden, wenn keine weitere Recherchengebühr entrichtet worden ist.
b) Darüber hinaus habe die Recherchenabteilung mit der Prüfung der Relevanz der entgegengehaltenen Druckschrift und der Behauptung einer a posteriori - Uneinheitlichkeit die ihr zugewiesenen Aufgaben überschritten.
c) Soweit die Prüfungsabteilung sich in der angefochtenen Entscheidung mit der Patentfähigkeit des ursprünglichen Patentanspruchs 1 befasse, so beziehe sie sich auf einen Gegenstand, dessen Erteilung zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht beantragt wurde, so daß die Ausführungen schon Art. 113, Abs. 2 EPÜ widersprächen und daher im vorliegenden Fall grundsätzlich neben der Sache lägen.
d) Der Einwand mangelnder Einheitlichkeit der in den am 22. August 1986 eingereichten Patentansprüchen (Hauptantrag) definierten Erfindung sei auch nicht gerechtfertigt:
Gegenstand der vorliegenden Patentanmeldung sei ein kompaktes, handhabbares, in sich einheitliches Meßgerät, das in eine Meßleitung einzubauen ist.
Zum Reinigen müsse ein solches Meßgerät aus der Meßleitung ausgebaut und geöffnet werden können. Der Erfindung liege daher die Aufgabe zugrunde, das Reinigen zu erleichtern bzw. zu ermöglichen. Es bestünde kein Zweifel daran, daß das Reinigen nicht nur durch die Merkmale des Patentanspruchs 1 sowie derjenigen der Patentansprüche 2 und 3 vom 22. August 1986, sondern auch durch die Merkmale der Patentansprüche 4 bis 9 des gleichen Datums zumindest unterstützt werde und diese bei der Lösung der Aufgabe mitwirken. Es liege somit den Gegenständen dieser Patentansprüche eine gemeinsame einheitliche Problemstellung zugrunde, bei der Lösungsteile der unterschiedlichen Patentansprüche zumindest geeignet seien, zur Förderung der Lösung beizutragen.
e) Es bestünden weitere Bedenken, die zumindest bei der Prüfung mitzuberücksichtigen und zu beachten seien.
Soweit die Prüfungsabteilung "unterstellt", daß die Beschwerdeführerin sich dafür entschieden habe, daß die Anmeldung so weiterbearbeitet wird, als betreffe sie die Erfindung, für die der Recherchenbericht erstellt worden ist, so könne eine solche Unterstellung ebenfalls den Beschluß nicht tragen. Diese Unterstellung laufe auf die implizite Annahme eines Verzichts zumindest der Weiterverfolgung des nicht recherchierten Teils in der vorliegenden Anmeldung hinaus. Ein Verzicht könne aber nicht einfach unterstellt werden; ein Verzicht könne nur vorliegen, wenn der Erklärende eindeutig einen entsprechenden Verzichtswillen zum Ausdruck gebracht habe. Dazu sei jedoch zumindest ein ausdrückliches Handeln desjenigen Voraussetzung, der einen entsprechenden Verzicht ggf. auszusprechen hat. Ein Verzicht brauche zwar nicht ausdrücklich als solcher bezeichnet zu werden, er müsse jedoch eindeutig zum Ausdruck kommen (so BGH, GRUR 87, 510 f Mittelohr- Prothese).
VIII. Die ursprünglich eingereichten Patentanprüche 1 bis 7 lauten wie folgt:
"1 Meßgerät zum Einbau in Leitungen für Getränke, insbesondere für Bier, mit einem Meßgehäuse sowie Anschlußenden für Leitungen, dadurch gekennzeichnet , daß die Anschlußenden als mit den Leitungsenden fest verbindbare Zwischenstücke (7, 8; 6, 9, 10) ausgebildet sind und die Zwischenstücke über
Verbindungsteile (8, 6', 4, 6) mit dem Meßgehäuse (1, 2) lösbar verbunden sind.
2. Meßgerät nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß mit den Verbindungsteilen (4, 6') des Meßgehäuses in Verbindung stehende Verbindungsteile (6, 8) der Zwischenstücke zueinander komplementär ausgebildet sind.
3. Meßgerät nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß die Verbindungsteile (4, 6, 6', 8) über Steckkupplungen (4.1, 8.1) miteinander verbunden sind.
4. Meßgerät nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß die Verbindungsteile (4, 6, 6', 8) bajonettartige Verschlüsse aufweisen.
5. Meßgerät nach einem der vorangehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die Verbindungsteile (4, 6') des Meßgehäuses (1, 2) mit diesem verschraubt sind.
6. Meßgerät nach einem der vorangehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß das Meßgehäuse ein Ober- und ein Unterteil (1, 2) aufweist und das Ober- und Unterteil durch einen Bajonettverschluß (1.1, 2', 2'') miteinander verbunden sind.
7. Meßgerät nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, daß in ihrer Innenseite mit Abschrägungen (1'') versehene Staurippen (1') zur Zentrierung eines Meßflügels (3) in Meßgehäusen (1, 2) vorgesehen sind."
IX. Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt:
"1. Meßgerät zum Einbau in Leitungen für Getränke, wie Bier, Limonade oder dergleichen, mit einem aus Ober- und Unterteil bestehenden Gehäuse sowie Anschlußenden für Leitungen, wobei im Meßgehäuse ein Flügelrad als Meßkörper drehbar gelagert ist, dadurch gekennzeichnet, daß das Flügelrad (3) durch Spitzenlager (3') gelagert und durch Zusammenfügen der Gehäuseteile (1, 2) zwangsläufig zentrierbar ist."
Die abhängigen Patentansprüche 2, 3 und 9 enthalten weitere Angaben zum inneren Aufbau eines Meßgerätes nach Patentanspruch 1, während in den abhängigen Patentansprüchen 4 bis 8 die Anschlußenden eines Meßgerätes nach Patentanspruch 1 spezifiziert sind.
X. Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag lautet wie folgt:
"1. Meßgerät zum Einbau in Leitungen für Getränke, insbesondere für Bier, mit einem Meßgehäuse sowie Anschlußenden für Leitungen und einen Meßkörper, dadurch gekennzeichnet, daß die Anschlußenden als mit den Leitungsenden fest verbindbare Zwischenstücke (7, 8; 6, 9, 10) ausgebildet sind und die Zwischenstücke über Verbindungsteile (8, 6', 4, 6) mit dem Meßgehäuse (1, 2) lösbar verbunden sind, wobei die mit den Verbindungsteilen (4, 6') des Meßgehäuses in Verbindung stehenden Verbindungsteile (6, 8) der Zwischenstücke zueinander komplementär ausgebildet sind und daß das Flügelrad durch Spitzenlager (3') gelagert und durch Zusammenfügen eines Oberteils (1) und eines Unterteils (2) des Gehäuses zwangsläufig zentrierbar ist."
Die abhängigen Patentansprüche 2 bis 4 betreffen die Anschlußenden des Meßgerätes nach Patentanspruch 1, während die abhängigen Patentansprüche 5 bis 8 sich auf das Gehäuse des Meßgerätes bzw. auf dessen inneren Aufbau beziehen.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Die Große Beschwerdekammer (Artikel 22 EPÜ) hat entschieden, daß bei der Durchführung einer internationalen Recherche durch das EPA die Feststellung nach Artikel 17 (3) a) PCT, daß eine internationale Anmeldung das Erfordernis der Einheitlichkeit der Erfindung nicht erfüllt, auch "a posteriori", d. h. nach Berücksichtigung des Standes der Technik und der daraus resultierenden Bildung einer vorläufigen Meinung über die Neuheit und die erfinderische Tätigkeit, getroffen werden kann (Entscheidung G 1/89 "Polysuccinatester" (ABl. EPA 1991, 155) und Stellungnahme G 2/89 "Nichteinheitlichkeit a posteriori" (ABl. EPA 1991, 166)). Dieser Grundsatz gilt genauso bei der Durchführung einer europäischen Recherche (Artikel 92 EPÜ), weil in beiden Fällen die Recherchen und die Recherchenberichte praktisch identisch sind (vgl. Richtlinien für die Prüfung im EPA, Teil B, Kapitel III, Abschnitt 4.4). Der Einwand der Beschwerdeführerin, daß eine Recherchenabteilung nicht berechtigt sei, die Feststellung einer mangelnden Einheitlichkeit der beanspruchten Erfindung auch "a posteriori" zu treffen, ist mithin nicht stichhaltig.
3. Die Recherchenabteilungen (Artikel 17 EPÜ) gehören nicht zu den Organen der ersten Instanz, die beschwerdefähige Entscheidungen im Sinne von Artikel 106 (1) EPÜ erlassen. Folglich sind die Vorschriften der Regel 68 (2) EPÜ auf Mitteilungen gemäß Regel 46 (1) EPÜ nicht anwendbar. Diese Mitteilungen stellen des weiteren auch keine Entscheidungen im Sinne des Artikels 113 (1) EPÜ dar, weil es gemäß Artikel 97 (1) i. V. m. Artikel 82 und Regel 30 EPÜ in die Zuständigkeit der Prüfungsabteilungen fällt, über die Einheitlichkeit der Erfindung zu entscheiden. Die von der Beschwerdeführerin gegen die Mitteilung der Recherchenabteilung vom 6. September 1985 erhobenen Einwände sind mithin unbegründet.
4. Im Hinblick auf die Beantwortung der Frage, welche Rechtsfolge eintritt, wenn ein Anmelder es unterläßt, eine weitere Recherchengebühr gemäß Regel 46 (1) EPÜ zu entrichten, und überdies nicht ausdrücklich auf den betreffenden Gegenstand in seiner europäischen Patentanmeldung verzichtet hat, ist folgendes auszuführen:
4.1. In der Entscheidung T 178/84 (ABl. EPA 1989, 157) wird in der Form eines "obiter dictum" festgestellt, daß es eindeutig die Absicht der Regel 46 (1) EPÜ sei, "von einem Verzicht auf einen Gegenstand in einer bestimmten Patentanmeldung auszugehen, wenn auf die Aufforderung nach dieser Regel hin die weitere Recherchengebühr für diesen Gegenstand nicht innerhalb der dort festgesetzten Frist entrichtet wird". Gemäß dieser Auffassung hätte somit allein schon die Tatsache der Nichtzahlung dieser Gebühr zur Folge, daß zu Lasten des Anmelders ein Rechtsverlust entsteht, nämlich der Verlust des Rechts, darüber zu entscheiden, welchen der ursprünglich offenbarten Gegenstände er allenfalls bei der Weiterbearbeitung der betreffenden europäischen Patentanmeldung weiterhin als Erfindung beanspruchen will. Dem Anmelder bliebe dann nur noch die Möglichkeit, den Gegenstand, für den die weitere Recherchengebühr nicht entrichtet worden ist, in einer Teilanmeldung (Artikel 76 EPÜ) weiterzuverfolgen.
4.2. Die Kammer teilt diese Auffassung nicht. Soll nämlich die Rechtsfolge einer Unterlassung ein Rechtsverlust sein, so wird dies in den Vorschriften des EPÜ ausdrücklich gesagt (vgl. Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G 1/88 "Schweigen des Einsprechenden/HOECHST"; ABl. EPA 1989, 189, 194). Die Wertung der Rechtsfolge einer Nichtzahlung der weiteren Recherchengebühr im Rahmen der Regel 46 (1) EPÜ als Verzicht auf einen Gegenstand in einer bestimmten europäischen Patentanmeldung wäre somit nur unter der Voraussetzung zulässig, daß sie im Text dieser Vorschrift eine eindeutige Stütze findet. Das ist jedoch nicht der Fall. Vielmehr ist Regel 46 (1), Satz 3 EPÜ im Umkehrschluß lediglich zu entnehmen, daß die Nichtzahlung einer weiteren Recherchengebühr zur Folge hat, daß die zuständige Recherchenabteilung für die Teile der europäischen Patentanmeldung, die sich auf die betreffende weitere Erfindung beziehen, keinen europäischen Recherchenbericht erstellt. Dadurch wird jedoch die Entscheidung über das künftige rechtliche Schicksal dieser Teile in keiner Weise präjudiziert. Darüber hat ausschließlich die zuständige Prüfungsabteilung zu befinden, weil bei ihr die Entscheidung über die Einheitlichkeit der Erfindung liegt (vgl. oben Abschnitt 3). Werden jedoch die Unterlagen der europäischen Patentanmeldung unmittelbar nach der Durchführung der Recherche geändert, so kann sich unter Umständen eine Entscheidung über das rechtliche Schicksal dieser Teile erübrigen (vgl. unten Abschnitt 5).
5. Eine europäische Patentanmeldung muß nicht bloß in ihrer eingereichten Fassung, sondern vielmehr in jeder beliebigen Fassung, die sie bis zur Patenterteilung im Verfahren vor der zuständigen Prüfungsabteilung erhält, jeweils das Erfordernis der Einheitlichkeit gemäß Artikel 82 EPÜ erfüllen (vgl. Entscheidung T 178/84; ABl. EPA 1989, 157). Die Einheitlichkeit der Erfindung kann daher immer nur gestützt auf Unterlagen beurteilt werden, die zu einem beliebigen Zeitpunkt während des Erteilungsverfahrens gerade die europäische Patentanmeldung bilden (vgl. Entscheidung T 101/88 vom 21. Mai 1990). Ändert demzufolge ein Anmelder gemäß Regel 86 (2) EPÜ die Patentansprüche seiner europäischen Patentanmeldung in einer solchen Weise, daß sie sich inhaltlich von den ursprünglichen unterscheiden, so hat die zuständige Prüfungsabteilung insbesondere zu untersuchen, ob diese geänderten Patentansprüche als solche dem Erfordernis des Artikels 82 EPÜ genügen. Hat der Anmelder es andererseits vor der Änderung unterlassen, eine von einer Recherchenabteilung gestützt auf Regel 46 (1) EPÜ geforderte weitere Recherchengebühr zu entrichten, so ist die betreffende Prüfungsabteilung nur insoweit verpflichtet, die Einheitlichkeit der in den ursprünglich eingereichten Unterlagen beanspruchten Erfindung zu prüfen, als im Verlauf des Prüfungsverfahrens geänderte Patentansprüche vorgelegt werden, die sich auf eine von der Recherchenabteilung in den ursprünglich eingereichten Unterlagen ermittelte weitere Erfindung beziehen, für die wegen Nichtzahlung der weiteren Recherchengebühr kein europäischer Recherchenbericht erstellt worden ist, derart, daß eine Zusatzrecherche durchgeführt werden muß, weil bei dieser Sachlage der Anmelder ausschließlich in diesem Rahmen ein Rechtsschutzinteresse an der Durchführung einer solchen Prüfung der ursprünglich eingereichten Unterlagen geltend machen kann.
6. Die Patentansprüche gemäß Haupt- und Hilfsantrag umfassen Merkmale des ursprünglich eingereichten Patentanspruchs 6, für den kein europäischer Recherchenbericht erstellt worden ist. Aufgrund der oben (in Abschnitt 5) gemachten Ausführungen ist daher zunächst zu prüfen, ob die Recherchenabteilung zu Recht den Gegenstand dieses ursprünglich eingereichten Anspruchs nicht recherchiert hat. Dazu ist im einzelnen folgendes auszuführen:
6.1. Im Recherchenbericht vom 6. September 1985 wurde der Beschwerdeführerin mitgeteilt, daß die europäische Patentanmeldung zwei Erfindungen oder Gruppen von Erfindungen enthält und daß die erste derselben sich auf "den Einbau des Meßgerätes in Leitungen" bezieht. Nach Ansicht der Recherchenabteilung war diese erste Erfindung oder Gruppe von Erfindungen in den ursprünglich eingereichten Patentansprüchen 1 bis 5 erwähnt. Dabei hat sie indessen übersehen, daß der ursprünglich eingereichte Patentanspruch 6 nicht nur eine Bezugnahme auf diesen Patentanspruch 1 enthielt, sondern alternativ auch eine Bezugnahme auf jeweils einen der übrigen vorausgehenden Patentansprüche 2 bis 5. Hinzu kommt, daß der Patentanspruch 6 zu Recht sowohl auf den Patentanspruch 1 als auch auf die abhängigen Patentansprüche 2 bis 5 zurückbezogen ist. Er betrifft nämlich eine spezielle Ausgestaltung des Meßgehäuses, die sich als zusätzliches Merkmal jedem der in den vorhergehenden Patentansprüchen definierten Gegenstände hinzufügen läßt.
6.2. Der Recherchenbericht für die Teile der europäischen Patentanmeldung, die sich auf diese erste Erfindung oder Gruppe von Erfindungen bezieht, hätte folglich auch den Gegenstand des ursprünglich eingereichten Patentanspruchs 6 berücksichtigen müssen, insoweit dieser Anspruch eine Bezugnahme auf den ursprünglich eingereichten Patentanspruch 2, 3, 4 oder 5, in Kombination mit dem ursprünglich eingereichten Patentanspruch 1, enthält.
6.3. Da bereits aus diesem Grunde für den Gegenstand des ursprünglich eingereichten Patentanspruchs 6 ein Recherchenbericht hätte erstellt werden müssen, erübrigt sich daher eine Prüfung, ob die ursprünglich eingereichten Unterlagen der europäischen Patentanmeldung dem Erfordernis der Einheitlichkeit der Erfindung (Artikel 82 EPÜ) genügt haben.
7. Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag (vgl. oben Abschnitt IX) bezieht sich auf ein Meßgerät zum Einbau in Leitungen, mit einem Meßgehäuse, einem Meßkörper spezieller Konstruktion und, ganz allgemein, Anschlußenden für Leitungen.
Es ist eindeutig, daß es sich hier nicht um einen Gegenstand handelt, der eine Kombination von Merkmalen der ursprünglich eingereichten Patentansprüche 1 und 6 darstellt, da die wichtigen "Zwischenstücke" fehlen. Des weiteren ist der Beschreibung (auf Seite 2, Abschnitt 2) zu entnehmen, daß diese Zwischenstücke im Hinblick auf die Lösung der Aufgabe unerläßlich sind.
Es stellt sich deshalb die Frage, ob Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag überhaupt dem Erfordernis des Artikels 123 (2) EPÜ genügt.
8. Nach Auffassung der Kammer betrifft der Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag (vgl. oben Abschnitt X) ein einbaubares Meßgerät, das Merkmale der ursprünglich eingereichten Patentansprüche 1, 2 und 6 aufweist. Durch die Kombination dieser Ansprüche wird andererseits eine Ausführungsform definiert, die unter die im Recherchenbericht zuerst erwähnte Erfindung oder Gruppe von Erfindungen fällt (vgl. oben Abschnitt 6.2).
Im Hinblick auf eine eventuelle Prüfung der Patentfähigkeit des Gegenstands dieses Anspruchs ist ferner gegebenenfalls eine zusätzliche Recherche durchzuführen.
9. Da die Prüfungsabteilung die Zulässigkeit der durchgeführten Änderungen im Hinblick auf Artikel 123 (2) EPÜ und die Patentfähigkeit der von der Beschwerdeführerin gemäß Hauptantrag beziehungsweise gemäß Hilfsantrag beanspruchten Erfindung noch nicht geprüft hat, macht die Kammer von der Möglichkeit nach Artikel 111 (1) EPÜ Gebrauch und verweist die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die Prüfungsabteilung zurück.
10. Bei diesem Ausgang des Beschwerdeverfahrens ist der von der Beschwerdeführerin hilfsweise gestellte Antrag, den Gegenstand der Patentansprüche gemäß Hauptantrag auszuscheiden und im Rahmen einer Teilanmeldung weiterzuverfolgen, gegenstandslos. Dasselbe gilt in bezug auf den ebenfalls hilfsweise gestellten Antrag auf mündliche Verhandlung.
11. Die Tatsache, daß die erste Instanz im vorliegenden Fall den mit der Einheitlichkeit der Erfindung verbundenen Fragenkomplex generell anders beurteilt hat als die Kammer, stellt keinen wesentlichen Verfahrensmangel im Sinne der Regel 67 EPÜ dar, der eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr notwendig machen würde. Der diesbezügliche Antrag der Beschwerdeführerin wird daher zurückgewiesen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird zur Fortsetzung des Prüfungsverfahrens an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen.
3. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.