T 0202/89 (Wirkungslose Beitrittserklärung/DOLEZYCH) 09-02-1993
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I. Auf den Gegenstand der europäischen Patentanmeldung Nr. 83 111 805.4, die am 25. November 1983 angemeldet worden war, ist am 29. Oktober 1986 das europäische Patent Nr. 0 110 342 erteilt worden.
II. Gegen das erteilte Patent hat die kraft Gesetzes (Artikel 107, Satz 2 EPÜ) am Beschwerdeverfahren Beteiligte (Einsprechende), nachstehend weitere Beteiligte genannt, am 26. März 1987 Einspruch eingelegt und den Antrag gestellt, das europäische Patent zu widerrufen.
III. Mit Entscheidung vom 4. Januar 1989 hat die Einspruchsabteilung den Einspruch gestützt auf Artikel 102 (2) EPÜ zurückgewiesen.
IV. Mit Schreiben vom 17. Februar 1989 hat die Beschwerdeführerin (Beitretende) gemäß Artikel 105 EPÜ den Beitritt zum Einspruchsverfahren erklärt und gleichzeitig Beschwerde eingelegt. Ferner hat sie am 18. Februar 1989 die Einspruchs- und die Beschwerdegebühr entrichtet sowie am 31. März 1989 die Beschwerdebegründung eingereicht.
Die weitere Beteiligte hat es dagegen unterlassen, Beschwerde einzulegen.
V. Zur Begründung des Beitritts wurde vorgetragen, daß die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) am 25. Januar 1989 gegen die Beschwerdeführerin eine Verletzungsklage erhoben habe.
VI. Mit Bescheid gemäß Artikel 110 (2) EPÜ vom 17. November 1989 hat die Beschwerdekammer den Beteiligten ihre vorläufige Auffassung mitgeteilt, daß die Beschwerdeführerin nicht Verfahrensbeteiligte geworden sei und die Entscheidung der Einspruchsabteilung nach Ablauf der Beschwerdefrist Rechtskraft erlangt habe.
VII. Die Beschwerdeführerin hat im Schriftsatz vom 29. November 1989 zu dem Bescheid der Beschwerdekammer Stellung genommen und hilfsweise den Antrag gestellt, die Rechtsfrage, ob ein Beitretender zur Beschwerde berechtigt ist, wenn der Beitritt zum Einspruchsverfahren erst während der Beschwerdefrist erfolgt, der Großen Beschwerdekammer vorzulegen, falls die Beschwerdekammer ihrem Vortrag nicht folgen sollte.
Die Beschwerdegegnerin und die weitere Beteiligte enthielten sich einer sachlichen Stellungnahme.
VIII. Mit Zwischen-Entscheidung (Artikel 106 (3) EPÜ) vom 7. Februar 1991 hat die Beschwerdekammer gestützt auf Artikel 112 (1) a) EPÜ der Großen Beschwerdekammer die folgende Rechtsfrage vorgelegt:
"Steht dem Beitretenden, der seinen Beitritt zum Einspruchsverfahren (Artikel 105 EPÜ) während der Beschwerdefrist nach Erlaß der Entscheidung der Einspruchsabteilung wirksam erklärt, die Beschwerde im Sinne des Artikels 107 EPÜ zu?"
IX. In der Entscheidung G 4/91 "Beitritt DOLEZYCH II" vom 3. November 1992 (wird veröffentlicht) hat die Große Beschwerdekammer folgendes ausgeführt:
- Der Beitritt des vermeintlichen Patentverletzers gemäß Artikel 105 EPÜ zum Einspruchsverfahren setze voraus, daß ein Einspruchsverfahren zum Zeitpunkt der Einreichung der Beitrittserklärung anhängig sei.
- Eine Entscheidung der Einspruchsabteilung über das Einspruchsbegehren sei als endgültige Entscheidung in dem Sinn anzusehen, daß danach die Einspruchsabteilung nicht mehr befugt sei, ihre Entscheidung zu ändern.
- Das Verfahren vor einer Einspruchsabteilung werde mit dem Erlaß einer solchen endgültigen Entscheidung abgeschlossen, und zwar unabhängig davon, wann diese Entscheidung rechtskräftig werde.
Sie hat die an sie gerichtete Rechtsfrage wie folgt beantwortet:
"Wird nach Erlaß einer abschließenden Entscheidung durch eine Einspruchsabteilung von keinem der Beteiligten am Einspruchsverfahren Beschwerde eingelegt, so ist eine während der zweimonatigen Beschwerdefrist nach Artikel 108 EPÜ eingereichte Beitrittserklärung wirkungslos."
X. In ihrer Stellungnahme vom 9. November 1992 stellte die Beschwerdeführerin fest, daß ihre Beitrittserklärung aufgrund der Entscheidung der Großen Beschwerdekammer wirkungslos sei. Sie beantragte daher die Rückzahlung der von ihr entrichteten Einspruchs- und Beschwerdegebühr.
XI. Die Beschwerdegegnerin stellte am 24. November 1992 den Antrag, der Beschwerdeführerin wegen der Unzulässigkeit der Beschwerde die Kosten des Einspruchs- Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen. Letztere nahm dazu im Schreiben vom 14. Dezember 1992 wie folgt Stellung: Der Kostenfestsetzungsantrag der Beschwerdegegnerin könne keinen Erfolg haben. Denn nachdem eine Entscheidung über die Zulässigkeit der Einspruchsbeschwerde durch die Große Beschwerdekammer herbeigeführt werden mußte, die Große Beschwerdekammer also über eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung befinden mußte, sei die vermeintliche Unzulässigkeit der Einspruchsbeschwerde nicht vorhersehbar gewesen. Insoweit habe nicht einmal die Beschwerdekammer eine Entscheidung herbeigeführt. Folglich bestehe keine Veranlassung, der Beschwerdeführerin die Kosten des Einspruchs-Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.
1. Wird nach Erlaß einer abschließenden Entscheidung durch eine Einspruchsabteilung von keinem der Beteiligten am Einspruchsverfahren Beschwerde eingelegt, so ist gemäß Entscheidung G 4/91 der Großen Beschwerdekammer (oben Abschnitt IX) "eine während der zweimonatigen Beschwerdefrist nach Artikel 108 EPÜ eingereichte Beitrittserklärung wirkungslos". Diese Entscheidung der Großen Beschwerdekammer ist im vorliegenden Fall aufgrund von Artikel 112 (3) EPÜ für die Entscheidung der Beschwerdekammer bindend.
2. Da die weitere Beteiligte keine Beschwerde eingelegt hat, ist die von der Beschwerdeführerin eingereichte Beitrittserklärung mithin wirkungslos. Ihr stand daher die Beschwerde im Sinne des Artikels 107 EPÜ nicht zu. Die von ihr eingelegte Beschwerde ist folglich nicht zulässig.
3. Gemäß Entscheidung der Großen Beschwerdekammer in der Rechtssache G 4/91 (oben Abschnitt IX) wird das Verfahren vor einer Einspruchsabteilung mit dem Erlaß der endgültigen Entscheidung abgeschlossen, und zwar unabhängig davon, wann diese Entscheidung rechtskräftig wird. Das bedeutet, daß nach Erlaß dieser Entscheidung ein Beitritt zum Einspruchsverfahren (Artikel 105 EPÜ) nicht mehr möglich und infolgedessen auch keine Einspruchsgebühr (Artikel 105 (2) EPÜ) zu entrichten ist. Dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Rückerstattung der Einspruchsgebühr ist daher stattzugeben.
4. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr (Regel 67 EPÜ) kann dagegen nicht angeordnet werden, weil die als eingelegt geltende Beschwerde als unzulässig zu verwerfen ist (oben Abschnitt 2).
5. Der Antrag der Beschwerdegegnerin auf Verteilung der Kosten (Artikel 104 EPÜ) ist zurückzuweisen. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern die der Beschwerdegegnerin erwachsenen Kosten durch eine mündliche Verhandlung oder eine Beweisaufnahme verursacht worden sind. Die Beschwerdegegnerin hat es unterlassen, ihren Antrag in dieser Hinsicht zu substantiieren. Der bloße Hinweis auf die Unzulässigkeit der Beschwerde genügt in diesem Zusammenhang nicht.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen.
2. Die Einspruchsgebühr ist zurückzuzahlen.
3. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.
4. Der Antrag auf Verteilung der Kosten (Artikel 104 EPÜ) wird zurückgewiesen.