T 0936/90 (Wiedereinsetzung/DIEDRICH) 22-07-1993
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Einrichtung zum Fertigen und Bearbeiten, insbesondere zum Schweißen von Werkstücken im Wechseltakt
Nichtbezahlung der Jahresgebühr - gebotene Sorgfalt (ja)
Wiedereinsetzung (ja)
Restitutio - all due care
I. Die europäische Patentanmeldung Nr. 86 109 054.6 wurde durch eine Entscheidung der Prüfungsabteilung zurückgewiesen.
II. Der Beschwerdeführer legte gegen diese Entscheidung Beschwerde ein, die vor der Beschwerdekammer anhängig ist.
III. Die Jahresgebühr für das 07. Jahr und die Zuschlagsgebühr wurden nicht rechtszeitig entrichtet.
IV. Mit Schreiben vom 18. Februar 1993 teilte die Geschäftsstelle der Beschwerdekammer den durch das Versäumnis der Frist eingetretenen Rechtsverlust dem Beschwerdeführer mit.
V. Mit Telecopy vom 29. März 1993 beantragte der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung der europäischen Patentanmeldung Nr. 86 109 054.6 in den vorigen Stand. Die Jahresgebühr und die Zuschlagsgebühr für das 07. Jahr wurden am 23. März 1993 bezahlt. Die Wiedereinsetzungsgebühr wurde am 10. April 1993 entrichtet.
VI. Als Begründung seines Antrages macht der Beschwerdeführer geltend, daß er seine Frau rechtszeitig gebeten habe, die fällige Jahresgebühr zu entrichten, und daß er erst durch das Schreiben des Amtes vom 18. Februar 1993 darauf aufmerksam gemacht worden sei, daß die Zahlung nicht erfolgt sei.
VII. In Erwiderung auf eine Mitteilung der Kammer, erklärt der Beschwerdeführer, daß er seine Frau erstmals am 20. Januar 1993 beauftragt und dann am 24. Januar 1993 erinnert habe, die Jahresgebühr per Verrechnungsscheck für die europäische Patentanmeldung beim Europäischen Patentamt einzuzahlen. Seine Frau erledige für ihn alle Korrespondenz, überweise alle Rechnungen und sei für die Führung seines Kontos zuständig. Sie sei bei der Durchführung dieser Arbeiten sehr zuverlässig.
VIII. In einer eingereichten eidestattlichen Versicherung erklärte die Frau des Beschwerdeführers, daß ihre 15-jährige Tochter am 24. Januar 1993 erkrankt sei, so daß sie am 25. Januar 1993 in ein Krankenhaus eingeliefert werden mußte; am Nachmittag des gleichen Tages sei sie wegen Blindarmentzündung operiert worden. Die mit der Einlieferung ihrer Tochter ins Krankenhaus verbundenen Umstände seien dafür verantwortlich gewesen, daß sie die Einzahlung der Gebühr versäumt habe. Diese Aufregung wirkte noch nach, da ihre Tochter bis Anfang der folgenden Woche im Krankenhaus bleiben mußte, so daß ihr auch später nicht mehre bewußt geworden sei, daß die Zahlung hätte erledigt werden müssen.
1. Gemäß Artikel 122 (4) EPÜ entscheidet über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand das Organ, das über die versäumte Handlung zu entscheiden hat. Im vorliegenden Fall ist die Patentanmeldung von der Prüfungsabteilung zurückgewiesen worden und die Beschwerde gegen diese Entscheidung vor der Beschwerdekammer anhängig. Die Beschwerdekammer ist damit zuständig, um über den Antrag zu entscheiden.
2. Der Beschwerdeführer hat glaubhaft gemacht, daß das Hindernis - Unkenntnis der Nicht-Bezahlung der Jahresgebühr - erst am Tag des Erhalts der Mitteilung der Geschäftsstelle der Beschwerdekammer weggefallen sei. Sein Antrag auf Wiedereinsetzung und dessen Begründung sind innerhalb von zwei Monaten nach diesem Wegfall schriftlich eingereicht worden. Die Wiedereinsetzungsgebühr ist auch innerhalb dieser Frist bezahlt worden. Die versäumte Handlung, d.h. die Entrichtung der Jahresgebühr mit Zuschlag ist rechtszeitig nachgeholt. Der Antrag auf Wiedereinsetzung entspricht daher Artikel 122 (2) und (3) EPÜ und ist damit zulässig.
3. Gemäß Artikel 122 (1) EPÜ kann ein Anmelder, der eine Frist nicht eingehalten hat, nur dann wieder in den vorigen Stand eingesetzt werden, wenn er trotz Beachtung aller nach den gegebenen Umständen gebotenen Sorgfalt verhindert worden war, die Frist gegenüber dem Europäischen Patentamt einzuhalten.
4. In den Entscheidungen J 2/86 und J 3/86 (ABl. EPA 1987, 362), denen sich die Kammer anschließt, hat die Juristische Beschwerdekammer entschieden, daß ein einmaliges Versehen innerhalb eines ansonsten gut funktionierenden Systems nicht schon allein zu einem Rechtsverlust führen sollte. Dieses Prinzip wird in erster Linie für die zugelassen Vertreter, die eine Kanzlei haben, angewandt. Es ist aber auch aus Gründen der Gleichbehandlung anwendbar, wenn der Anmelder, Patentinhaber oder Einsprechender ohne Vertreter vor dem EPA handelt.
5. Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den zu den Akten gegebenen Unterlagen, daß der Beschwerdeführer selbst die gebotene Sorgfalt beachtet hatte, weil er in gutem Glauben annehmen konnte, daß seine Frau, die ansonsten seine Korrespondenz und Überweisungen ausführte sowie sein Konto (in zuverlässiger) Weise führte, auch die von ihm veranlaßte Überweisung getätigt habe, und daß das Versäumnis der Frist durch seine Frau auf einem unvorhersehbaren Umstand, d.h. auf der Krankheit ihrer beider Tochter beruhte.
6. Unter diesen Umständen sind die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erfüllt.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird wie folgt entschieden:
Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist für die Zahlung der 07. Jahresgebühr mit Zuschlag wird stattgegeben.