T 0501/91 10-10-1991
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Einrichtung zur Aufzeichnung binären Signale auf einem magnetischen Informationsträger
Unity of invention (yes)
Einheitlichkeit der Erfindung - bejaht
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung vom 23. Januar 1991, mit der die europäische Patentanmeldung Nr. 84 107 581.5 zurückgewiesen worden ist.
II. Die Zurückweisungsentscheidung wurde damit begründet, daß die Anmeldung die Erfordernisse des Artikels 82 EPÜ nicht erfülle, weil die Gegenstände der Ansprüche 1 und 3, wie sie in dieser Entscheidung wiedergegeben sind, nicht untereinander in der Weise verbunden seien, daß sie eine einzige allgemeine erfinderische Idee verwirklichen.
III. Mit der Beschwerdebegründung wurden am 18. Mai 1991 neue Patentansprüche 1 bis 4 und Beschreibungsseiten 1 bis 10 eingereicht, sowie ein Hilfsantrag, welcher durch diese Entscheidung der Kammer gegenstandslos geworden ist.
IV. Die Patentansprüche 1 und 3 gemäß Hauptantrag lauten:
"1. Einrichtung zur Aufzeichnung binärer Signale auf einem magnetischen Informationsträger, bei der an einen Aufzeichnungs-Magnetkopf bei jeder Änderung der aufzuzeichnenden Signale von "0" auf "1" ein Nadelimpuls der einen Polarität, dessen Dauer so kurz ist, daß als bleibende Magnetisierung lediglich ein Abdruck des Kopffeldes des Magnetkopfes entsteht, und bei jeder Änderung von "1" auf "0" ein Nadelimpuls der anderen Polarität angelegt wird, gekennzeichnet durch folgende Merkmale:
- es sind zwei Monoflops (MF1,MF2) vorgesehen, an deren Triggereingangsanschlüsse die aufzuzeichnenden Signale angelegt sind, und von denen das eine (MF1) bei jeder ansteigenden Flanke der aufzuzeichnenden Signale einen Impuls der einen Polarität und der Dauer ti und das andere (MF2) bei jeder abfallenden Flanke einen Impuls der Dauer ti abgibt, und mit einer Summationsschaltung (R3), die die Ausgangsimpulse der Monoflops summiert, und Strom-Impulse der Dauer ti an den Magnetkopf (k) anlegt,
- das andere Monoflop (MF2) gibt einen Impuls ab, dessen Polarität entgegengesetzt zu der Polarität des von dem ersten Monoflop abgegebenen Impulses ist,
- zur Spannungs/Strom-Umsetzung differenziert eine Differenzierschaltung (C, R4, OP) das Ausgangssignal der Summationsschaltung und legt das differenzierte Signal an den Magnetkopf (k) an.
"3. Einrichtung zur Aufzeichnung binärer Signale auf einem magnetischen Informationsträger, bei der an einen Aufzeichnungs-Magnetkopf bei jeder Änderung der aufzuzeichnenden Signale von "0" auf "1" ein Nadelimpuls der einen Polarität, dessen Dauer so kurz ist, daß als bleibende Magnetisierung lediglich ein Abdruck des Kopffeldes des Magnetkopfes entsteht, und bei jeder Änderung von "1" auf "0" ein Nadelimpuls der anderen Polarität angelegt wird, dadurch gekennzeichnet, daß lediglich ein Monoflop (MF) vorgesehen ist, an dessen Triggereingangsanschluß das aufzuzeichnende Signal angelegt ist, und das bei einer Änderung der aufzuzeichnenden Signale von "0" auf "1" bzw. umgekehrt einen Stromimpuls der Dauer ti erzeugt, und daß eine Logikschaltung die Richtung, mit der der Stromimpuls durch den Magnetkopf (k) fließt, umkehrt, wenn sich das aufzuzeichnende Signal von "0" auf "1" bzw. von "1" auf "0" ändert."
V. Als Hauptantrag beantragt die Beschwerdeführerin, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Erteilung eines Patents auf der Grundlage der folgenden Unterlagen in Aussicht zu stellen:
Patentansprüche 1 bis 4 und Beschreibungsseiten 1 bis 10 gemäß Hauptantrag eingereicht am 18. Mai 1991.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Die mit der Beschwerdebegründung eingereichten Ansprüche 1 und 3 gemäß dem Hauptantrag entsprechen im wesentlichen den Ansprüchen 1 und 3, die der angefochtenen Entscheidung zugrundelagen. Die zugehörige Beschreibung nimmt Bezug auf Figuren 1 bis 6 der Zeichnung. Es ist somit klar, daß diese Figuren zu den Anmeldungsunterlagen gemäß dem Hauptantrag gehören.
3. Da mangelnde Einheitlichkeit der einzige Grund für die Zurückweisung war, hat die Kammer nur über die Frage der Einheitlichkeit der Erfindung im Sinne von Artikel 82 EPÜ zu entscheiden.
4. Die angefochtene Entscheidung wurde im wesentlichen damit begründet, daß die den unabhängigen Ansprüchen 1 und 3 zugrundeliegende allgemeine Idee, daß ausschließlich Monoflops die Impulsbreite der Nadelimpulse bestimmen, nicht erfinderisch sei. Der Zweck eines Monoflops bestünde nämlich gerade darin, Impulse einer vorbestimmten Dauer zu erzeugen. Ferner sei bereits aus JP-A-57 181 420 bekannt, Monoflops zur Erzeugung von - verglichen mit dem Eingangssignal - relativ kurzen elektrischen Impulsen zu benutzen.
5. Diese Begründung der Prüfungsabteilung scheint darauf hinauszulaufen, daß Artikel 82 EPÜ verlange, daß die dort erwähnte "einzige allgemeine erfinderische Idee" selbst in Fällen, in denen die Unterschiede zwischen den Gegenständen der unabhängigen Ansprüche im Vergleich zu deren Gemeinsamkeiten gering sind, auf einer erfinderischen Tätigkeit im Sinne von Artikel 56 EPÜ beruhen müsse.
6. Nach Auffassung der Kammer ist eine so harte Anwendung des Artikels 82 EPÜ - ohne Rücksicht auf den Zweck des Artikels - nicht immer angebracht. Denkbar ist, daß eine Patentanmeldung beispielsweise zwei unabhängige Ansprüche enthält, die wörtlich verschieden, aber sachlich weitgehend gleich sind. Wenn der Gegenstand dieser Ansprüche neuheitsschädlich vorweggenommen ist, dann besteht keine Neuheit, aber trotzdem kann man nicht von Uneinheitlichkeit sprechen.
7. Wie allgemein bekannt, soll Artikel 82 EPÜ in erster Linie verhindern, daß mehrere Erfindungen, die nichts miteinander zu tun haben, in einer einzigen Patentanmeldung behandelt werden, um Gebühren zu ersparen. Der Artikel dient auch der richtigen Klassifikation beanspruchter und erteilter Schutzrechte. Ferner ist es für einen rationellen Ablauf des Prüfungsverfahrens notwendig, daß Verschiedenartiges nicht in einer einzigen Patentanmeldung zusammengefaßt werden soll. Andererseits soll aber Zusammengehöriges nicht unnötig zerstückelt werden (vgl. T 110/82, ABl. EPA, 1983, 274, Ziffer 5 und 8 der Gründe).
8. Dies ist wohl der Grund dafür, daß die Richtlinien für die Prüfung im Europäischen Patentamt eine ziemlich pragmatische Vorgehensweise empfehlen. Nach den Richtlinien, Teil C, Kapitel III, Absatz 7.7, sollte als Folge einer zu engen, zu wörtlichen oder theoretischen Auslegung (von Artikel 82 EPÜ) kein Einwand erhoben oder unnachgiebig verfahren werden, besonders dann, wenn die mögliche Uneinheitlichkeit keine weitere Recherche erforderlich macht. Diese Vorgehensweise scheint auch im Einklang mit den allgemeinen Überlegungen der Entscheidung der Großen Beschwerdekammer in der Sache G 1/89 (ABl. EPA, 1991, 155) zu stehen, wonach die Beurteilung von Uneinheitlichkeit im Einzelfall weitgehend Ermessenssache ist.
9. Im vorliegenden Fall beziehen sich beide unabhängige Ansprüche 1 und 3 (siehe Absatz IV oben) auf eine Einrichtung zur Aufzeichnung binärer Signale auf einem magnetischen Informationsträger, bei der an einen Aufzeichnungs-Magnetkopf bei jeder Änderung der aufzuzeichnenden Signale von "0" auf "1" ein Nadelimpuls der einen Polarität, dessen Dauer so kurz ist, daß als bleibende Magnetisierung lediglich ein Abdruck des Kopffeldes des Magnetkopfes entsteht, und bei jeder Änderung von "1" auf "0" ein Nadelimpuls der anderen Polarität angelegt wird. Gemäß beiden Ansprüchen ist das aufzuzeichnende Signal an den Triggereingangsanschluß eines Monoflops angelegt, das bei einer Änderung der aufzuzeichnenden Signale von "0" auf "1" einen Impuls erzeugt, welcher die Dauer des an den Magnetkopf angelegten Nadelimpulses bestimmt.
10. Gemäß Anspruch 1 sind zwei Monoflops vorgesehen. Bei jeder ansteigenden bzw. abfallenden Flanke der aufzuzeichnenden Signale gibt das eine bzw. das andere Monoflop einen Impuls der einen bzw. der anderen Polarität ab. Eine Summationsschaltung summiert die Ausgangsimpulse der Monoflops. Eine Differenzierschaltung differenziert das Ausgangssignal der Summationsschaltung und legt das differenzierte Signal (als Stromimpulse) an den Magnetkopf an.
11. Gemäß Anspruch 3 ist lediglich ein Monoflop vorgesehen, das bei jeder ansteigenden bzw. abfallenden Flanke der aufzuzeichnenden Signale einen Impuls abgibt. Eine Logikschaltung kehrt die Richtung um, mit der der Stromimpuls durch den Magnetkopf fließt, wenn sich das aufzuzeichnende Signal von "0" auf "1" bzw. von "1" auf "0" ändert."
12. Angesichts der Anzahl der im Absatz 9 oben beschriebenen Merkmale, die den Ansprüchen 1 und 3 gemeinsam sind, ist es nicht möglich, einen Einwand wegen Uneinheitlichkeit der Erfindung a priori zu erheben. Dies wurde auch nicht getan. Die Prüfungsabteilung hat den Einwand a posteriori erhoben, und zwar im Hinblick auf den Stand der Technik gemäß JP-A-57 181 420, interpretiert auf der Basis von Patent Abstracts of Japan, Band 7, Nr. 26, Seite (P-172) (1171).
13. Der Abstract von JP-A-57 181 420 offenbart eine Einrichtung zur Aufzeichnung binärer Signale auf einem magnetischen Informationsträger, bei der an einen Aufzeichnungs-Magnetkopf bei jeder Änderung der aufzuzeichnenden Signale von "0" auf "1" ein Impuls der einen Polarität und bei jeder Änderung von "1" auf "0" ein Impuls der anderen Polarität angelegt wird. In der Einrichtung sind zwei Monoflops (4, 5) vorgesehen, an deren Triggereingangsanschlüsse die aufzuzeichnenden Signale (a) angelegt sind, und von denen das eine (4) bei jeder ansteigenden Flanke der aufzuzeichnenden Signale einen Impuls (b) der einen Polarität und das andere (5) bei jeder abfallenden Flanke einen Impuls (c) derselben Polarität abgibt. Die Länge der Impulse (b) und (c) beträgt die Hälfte der Länge der Impulse des Signals (a). Eine Schaltung (6) setzt die Impulse (c) in invertierte Impulse (d) um. Schaltungen (7, 8) und ein Summationsknotenpunkt erzeugen aus den Impulsen (b) und (d) ein Signal (e), das an den Magnetkopf (1) angelegt ist. Das Signal (e) besteht aus Impulsen beider Polaritäten, die kürzer als die Impulse (b) und (c) zu sein scheinen. Es ist also nicht eindeutig klar, daß die Monoflops (4, 5) die Dauer der an den Magnetkopf angelegten Impulse bestimmen. Es ist auch keine Rede von Impulsen, deren Dauer so kurz ist, daß als bleibende Magnetisierung lediglich ein Abdruck des Kopffeldes des Magnetkopfes entsteht.
14. Nach Auffassung der Kammer ist also eine einzige allgemeine Idee erkennbar, die von den Einrichtungen gemäß den Ansprüchen 1 und 3 verwirklicht wird. Diese Idee besteht in der Verwirklichung einer Einrichtung, wie sie im Absatz 9 oben beschrieben ist. Sie ist gegenüber dem Stand der Technik gemäß dem Abstract von JP-A-57 181 420 neu, der ja nicht offenbart, daß die Monoflops die Dauer der an den Magnetkopf angelegten Impulse so bestimmen, daß als bleibende Magnetisierung lediglich ein Abdruck des Kopffeldes des Magnetkopfes entsteht.
15. Die Ansprüche 1 und 3 der vorliegenden Anmeldung beziehen sich also auf zwei verschiedene Einrichtungen, die eine Anzahl von gemeinsamen Merkmalen aufweisen, und die eine einzige allgemeine Idee verwirklichen, die gegenüber dem von der Prüfungsabteilung entgegengehaltenen Stand der Technik neu ist, und einen Beitrag zur erfinderischen Tätigkeit leisten kann (d. h. wenn der Gegenstand von Anspruch 1 und/oder der von Anspruch 3 auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht; die Kammer will aber die Sachprüfung der ersten Instanz in dieser Hinsicht nicht vorwegnehmen). Darüber hinaus sind die Unterschiede zwischen den Einrichtungen gemäß den Ansprüchen 1 und 3 nicht so groß, daß eine zweite Recherche notwendig wäre.
16. Bei dieser besonderen Sachlage ist im Hinblick auf die unter Ziffer 6 bis 8 erläuterten Überlegungen die angefochtene Entscheidung aufzuheben.
17. Da sich die Prüfungsabteilung u. a. noch nicht endgültig mit den Fragen der Klarheit der Ansprüche (Artikel 84 EPÜ) sowie der Patentfähigkeit der Gegenstände der Anmeldung nach den Artikeln 52 bis 57 EPÜ befaßt hat, hält die Kammer es für richtig, die Sache an die erste Instanz zurückzuverweisen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die erste Instanz (Prüfungsabteilung) mit der Auflage zurückverwiesen, das Prüfungsverfahren aufgrund der am 18. Mai 1991 eingereichten Unterlagen (Absatz V oben) und Figuren 1 bis 6 der Zeichnungen (siehe Absatz 2 oben) fortzusetzen, unter der Annahme, daß die Einheitlichkeit gegeben ist.