T 0541/91 03-11-1992
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Spulenkörper
Erfinderische Tätigkeit bestätigt
Inventive step
I. Die vorliegende Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der der von der Beschwerdeführerin eingelegte Einspruch gegen das europäische Patent 179 259 zurückgewiesen worden ist.
II. Anspruch 1 des Streitpatents lautet:
"1. Spulenkörper mit U-förmigem, nach radial außen geöffneten und axial durch Stirnflansche (11, 12) begrenzten Wickelraum für eine Spule (6) sowie mit einem an dem einen Stirnflansch (11) angeformten Kunststoffbügel (2) mit darin gehalterten einstückigen Anschlußmitteln (3- 5) zum Anschluß von äußeren Anschlußleitungen (7-9) einerseits und Wicklungsenden (61-63) der Spule (6) andererseits, wobei in radial durchgehende, gestufte Paßöffnungen (21-26) im Kunststoffbügel (2) als Anschlußmittel Anschlußhülsen (3-5) eingesteckt und fixiert sind, um deren aus der betriebsmäßigen Innenseite des Kunststoffbügels herausragenden einen Hülsenenden jeweils die Wicklungsenden umschlungen und in deren anderen Hülsenenden von der betriebsmäßigen Außenseite des Kunststoffbügels (2) her abisolierte Enden der äußeren Anschlußleitungen eingesteckt und kontaktiert sind, gekennzeichnet durch folgende Merkmale: a) die Paßöffnungen (21-26) weisen jeweils in der Nähe der betriebsmäßigen Außenseite (29) des Kunststoffbügels (2) eine abgesetzte verringerte lichte Weite auf; b) die Anschlußhülsen (3 bzw. 4 bzw. 5) sind von der Innenseite (28) des Kunststoffbügels (2) in den ersten Paßöffnungsteil (21 bzw. 23 bzw. 25) mit der größeren lichten Weite bis zum Anschlag an den zweiten Paßöffnungsteil (22 bzw. 24 bzw. 26) mit der geringeren lichten Weite eingedrückt;
c) der Kunststoffbügel (2) ist an dem einen Stirnflansch (11) scharnierartig angeformt, derart, daß er einerseits zur Kontaktierung der Anschlußhülsen (3 bzw. 4 bzw. 5) mit den Wicklungsenden (61 bzw. 62 bzw. 63) der Spule (6) seitlich vom Wickelraum wegschwenkbar und andererseits über den Wickelraum rückschwenkbar und an dem anderen Stirnflansch (12) festlegbar ist."
Abhängige Ansprüche 2 bis 6 betreffen die weitere Gestaltung des Spulenkörpers nach Anspruch 1.
III. Der Einspruch wurde im wesentlichen darauf gestützt, daß der beanspruchte Spulenkörper nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Im Einspruchsverfahren wurden zum Stand der Technik folgende Druckschriften genannt:
E1: DE-A-2 928 992
E2: DE-B-2 758 700
E3: US-A-3 932 828.
IV. Im Beschwerdeverfahren wurde am 3. November 1992 mündlich verhandelt. Zu dieser Verhandlung war mit einem Bescheid der Kammer geladen worden, in dem hinsichtlich der Schlüssigkeit der Ausführungen in der Beschwerdebegründung Bedenken geäußert wurden.
V. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Streitpatents Nr. 179 259, hilfsweise wurde jedoch die Einführung eines Disclaimers für Merkmal c) vorgeschlagen.
Sie machte im wesentlichen geltend, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 ein Spulenkörper und damit der Anspruch 1 ein Sachanspruch sei. Zweckangaben wie z. B. die automatengerechte Bewickelbarkeit könnten daher nicht im Vordergrund stehen. Mit Ausnahme der kennzeichnenden Merkmale a) und b) seien die im Anspruch 1 angegebenen Merkmale aus den Entgegenhaltungen E2 und E3 bekannt. Es verbleibe daher die Frage, ob die verringerte lichte Weite in der Nähe der betriebsmäßigen Außenseite des Kunststoffbügels gemäß Merkmal a) und die innenseitige größere Paßöffnung gemäß Merkmal b) erfinderisch seien.
Die gemäß E3 vorhandenen Anschlußstifte würden ebenso wie beim angegriffenen Patent (vgl. dort Spalte 1, Zeile 62 bis Spalte 2, Zeile 11) erst nach der Bewicklung des Spulenkörpers eingesetzt und könnten das Bewickeln demnach gleichfalls nicht behindern. Im übrigen mache das angegriffene Patent nicht klar, wie die Spule bewickelt würde, durch Bewegung des Drahtes oder - wie schon vor 20 Jahren - des Spulenkörpers. Jedenfalls enthalte die Patentschrift keine Hinweise auf die von der Beschwerdegegnerin in ihrer Argumentation unterstellte Nadelwickeltechnik. Gemäß E3 habe der dort offenbarte Bügel nur deshalb einen Wulst, weil die äußeren Anschlußleitungen mit Isolierung eingeführt würden. Nach dem Wortlaut des angegriffenen Anspruchs 1 würden abisolierte Enden eines Außenleiters eingeführt. Sobald nur teilweise abisoliert werde, ergebe sich automatisch ein Absatz.
Das aus E2 bekannte Umklappen des dort vorhandenen Kunststoffbügels mittels Scharnier sei ohne weiteres auf die Lösung gemäß E3 übertragbar.
Im übrigen sei aus E1 die Kontaktierung einer äußeren Anschlußleitung mit dem Wicklungsende einer Spule durch eine Lötverbindung über ein gemeinsames Basisteil bekannt.
Dort würde auch ein angespritzter Kunststoffbügel verwendet.
VI. Die Beschwerdegegnerin beantragte die Zurückweisung der Beschwerde. Sie trug vor, daß auch eine gemeinsame Betrachtung von E1, E2 und E3 den Gegenstand des Streitpatents nicht nahelegen könne, gleichgültig ob man von E2 oder E3 ausgehe. Die aus E3 bekannte Lösung mache von einsteckbaren Anschlußhülsen Gebrauch und diejenige gemäß E2 (insbesondere Figuren 7 und 8) eröffne die Möglichkeit einer einfachen Wicklungstechnik.
Ausgehend von E2 liege dem angegriffenen Patent die Aufgabe zugrunde, einen Spulenkörper zu schaffen, der in einfacher Weise, d. h. mit möglichst wenig Arbeitsschritten, automatisch gefertigt werden könne und trotzdem eine sichere zugentlastete Kontaktierung zwischen den Wicklungsenden der auf den Spulenkörper aufgewickelten Spule einerseits und den Leitungsenden der äußeren Anschlußleitung andererseits gewährleiste.
Die Steckanschlüsse 55 bis 58 gemäß Figur 8 der E2 seien in den Bügel eingespritzt, was schwierig zu automatisieren sei. Der Schnappbügel sei nur umklappbar, um den Spulenkörper frei bewickelbar zu machen. Die Merkmale gemäß E3 würden dem Fachmann nicht bei der Lösung des oben genannten Problems helfen, weil der Bügel 16 dort fest an einen Spulenkörperstirnflansch angeschweißt sei, die dort ebenfalls vorhandenen steckbaren Anschlußhülsen erst nach Bewicklung der Spule von der betriebsmäßigen Außenseite - also nicht von der Innenseite wie beim Patent - her eingesteckt werden müßten und die Spulenenden manuell an den Haken 24 befestigt seien. Eine besondere Kapselung 31 und nicht der Bügel wie beim Patent würden zur späteren Isolation des Spulenkörpers verwendet. Auch gebe die E3 keinen Hinweis auf eine einfache Realisierung einer sicheren Zugentlastung. Bei einem Zug von außen könnte sich die an der Hülse angeklebte Isolierung leicht lösen. Die Formung des Anschlußhakens 24 und die Befestigung der Spulenenden erforderten jeweils gesonderte Arbeitsschritte. Wenn der Fachmann vom Stand der Technik gemäß E3 ausgehe, würde ihn der Stand der Technik nach E2 nicht zu der einfach herstellbaren Lösung gemäß Streitpatent führen, da die Anschlußhülsen gemäß E2 eingespritzt seien und abziehbare Stecker für die Steckanschlüsse verwendet würden.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Nach der Antragslage ist zu prüfen, ob der auf Artikel 100 a) gestützte Einspruchsgrund mangelnder erfinderischer Tätigkeit der Aufrechterhaltung des angegriffenen Patents entgegensteht oder nicht.
3. Gemäß der Beschreibungseinleitung (Spalte 1, Zeilen 3 bis 33) geht der Oberbegriff des Anspruchs 1 von E3 aus. Da gemäß E3 die Paßöffnungen parallel zur Spulenachse und damit axial (und nicht radial wie im Anspruch 1 angegeben) ausgerichtet sind und die Spulenwicklungsenden jeweils mit einem Haken 24 vorzugsweise durch Punktschweißen verbunden werden, was ein Umschlingen nicht notwendigerweise voraussetzt, geht der lediglich eine einzige Entgegenhaltung zu berücksichtigende Oberbegriff sogar über die aus E3 unmittelbar bekannten Maßnahmen hinaus.
4. Figur 1 der E3 läßt erkennen, daß die über die betriebsmäßige Innenseite des Kunststoffbügels herausragenden Hülsenenden der Anschlußhülsen oberhalb des Wickelraumes der Spule liegen und so die freie Zugänglichkeit eines Fadenhalterführers bzw. Wicklungsfadenhalters, deren Einsatz gemäß Patent (vgl. EP-B1-179 259, Spalte 2, Zeile 65 bis Spalte 3, Zeile 3 und Spalte 4, Zeilen 29 bis 35) sowohl bei der Spulenwicklung als auch bei der Verbindung der Spulenenden mit den Anschlußhülsen möglich sein soll, behindern. Eine Sicherung gegen Zug durch die äußeren Anschlußleitungen ergibt sich daraus, daß nach dem Einstecken der Anschlußhülsen in getrennten Arbeitsschritten ein der Anbindung eines Spulenendes dienender Haken gebildet wird und die Außenleiterisolation in der Paßöffnung des Kunststoffbügels verklebt wird. Zur isolierenden Abdeckung der über den Wickelraum ragenden freien Enden der Anschlußhülsen wird eine Isolierkapsel axial aufgesteckt.
5. Ausgehend von diesem Stand der Technik liegt dem angegriffenen Patent objektiv die Aufgabe zugrunde, einen Spulenkörper anzugeben, der einschließlich seiner Wicklung in einfacherer Weise automatisch gefertigt werden kann und eine sichere zugentlastete Kontaktierung zwischen den Wicklungsenden der auf den Spulenkörper aufgewickelten Spule einerseits und den Leitungsenden der äußeren Anschlußleitungen andererseits ermöglicht.
6. Die vorgenannte Aufgabe wird offensichtlich durch die kennzeichnenden Merkmale a) bis c) beim Spulenkörper gemäß Oberbegriff des Anspruchs 1 gelöst, wie im einzelnen in der Beschreibung Spalte 1, Zeile 62 bis Spalte 2, Zeile 46 erläutert wird.
Die Merkmale a) bis c) ermöglichen eine sichere Lötkontaktierung der Spulenwicklungsenden und der zugehörigen äußeren Anschlußleitungen über die Anschlußhülse in einem Arbeitsgang; vgl. Spalte 2, Zeilen 12 bis 26 der EP-B1-179 259. Die Einführung der Anschlußhülsen von der Innenseite des Kunststoffbügels bis zum Anschlag entgegen der Zugrichtung erlaubt eine montagetechnisch einfache Realisierung einer sicheren Zugentlastung.
7. Zur strittigen Frage, ob die weitere Entgegenhaltung E2 in Verbindung mit Entgegenhaltung E3 Hinweise für die Gestaltung der Merkmale a) bis c) liefert, ist folgendes zu bemerken:
E2 zeigt in Figur 8 entsprechend Merkmal c) des Streitpatents einen scharnierartig an einen Stirnflansch eines Spulenkörpers angeformten Kunststoffbügel, in den beim Spritzgießen des Kunststoffbügels zungenförmige Anschlußstifte miteingegossen sind. In der Betriebsstellung des über den Wickelraum um seine Scharnierachse an dem einen Stirnflansch umgeklappten und an dem anderen Stirnflansch verrasteten Kunststoffbügels sind wie beim Merkmal c) des angegriffenen Anspruchs 1 an den nach radial innen herausragenden Innenanschlußenden die Wicklungsenden der auf den Spulenkörper aufgebrachten Erregerspule angeschlossen. Die Außenleiter sind jedoch über einen aufwendigen Stecker mit den Anschlußstiften verbunden, welcher sich überdies bei Zugbeanspruchung lösen könnte. E2 gibt auch keine Anregung dafür, wie in einfacher Weise auf den gemäß E3 für die Befestigung eines Spulenendes erforderlichen Haken und die Klebeverbindung zwischen Isolation und Anschlußhülse verzichtet werden kann. Wegen der gesonderten Punktschweißverbindung des Spulenendes am Haken können gemäß E2 ein Spulenende und eine äußere Anschlußleitung über eine Anschlußhülse auch nicht in einem einzigen Arbeitsschritt verbunden werden. Da gemäß E2 Anschlußstifte beim Spritzgießen miteingegossen werden, gibt diese Entgegenhaltung keine Anregung dafür, die in E3 vorhandenen Anschlußhülsen gegen die Zugrichtung der äußeren Anschlußleitungen einzuführen.
8. Auch die zusätzliche Berücksichtigung der im Einspruchs- und Beschwerdeverfahren genannten E1 führt nicht zum Gegenstand des angegriffenen Patents. E1 zeigt zwar eine zugentlastete Kontaktierung einer äußeren Anschlußleitung mit dem Wicklungsende einer Spule. Hierzu nimmt ein Anbindestift mit Hohlprofil eine äußere Anschlußleitung auf. Das Spulenwicklungsende wird um diesen Anbindestift herumgewickelt. Ein einziger Lötvorgang erlaubt eine gemeinsame Kontaktierung beider Drahtenden unter Benutzung des Anbindestiftes. Die Lösung gemäß E1 weist jedoch keine radial durchgehenden und gestuften Paßöffnungen in der vorhandenen Kunststoffleiste auf. Die Zugentlastung erfolgt durch einen zahnförmigen Vorsprung in der axial angeordneten Paßöffnung. Der in der Paßöffnung vorhandene Anschlag dient lediglich zur Begrenzung der Einschubtiefe. Selbst eine zusätzliche Berücksichtigung von E1 führt daher nicht zu der patentgemäßen einfachen Gestaltung mittels der Merkmale a) bis c) beim Spulenkörper entsprechend E3.
9. Die Kammer stimmt also mit der Einspruchsabteilung darin überein, daß sich der Gegenstand des Anspruchs 1 des Streitpatents nicht in naheliegender Weise aus dem im Einspruchsverfahren zitierten Stand der Technik ergibt.
Obwohl vorstehend die Vorteile der Sachmerkmale teilweise mit einer vereinfachten Herstellbarkeit des gesamten Spulenkörpers begründet sind, stellt dies die Patentierbarkeit des sachlich gekennzeichneten Spulenkörpers nicht in Frage.
10. Hinsichtlich der hilfsweise angeregten Einführung eines Disclaimers für Merkmal c) aufgrund des Dokuments E2 ist zu bemerken, daß Disclaimer nur zur Klärung der Neuheit dienen. Diese wurde im vorliegenden Fall auch gegenüber E2 insbesondere wegen der in Abschnitt 7 oben dargelegten Gründe nicht bestritten. In Spalte 1, Zeilen 34 bis 48 der Patentschrift ist auch darauf hingewiesen, daß Merkmal c) an sich aus E2 hervorgeht. Daher war die hilfsweise angeregte Einführung eines Disclaimers für Merkmal c) abzulehnen.
Weitere Änderungen der Unterlagen wie z. B. die Korrektur des aufgrund eines Druckfehlers entstandenen fehlerhaften Bezugs auf die Lösung der Aufgabe in Spalte 1, Zeilen 57 bis 59 der EP-B1-179 259 sind für die vorliegende Entscheidung weder erforderlich noch sachdienlich (vgl. T 406/86, ABl. EPA 1989, 302).
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.