T 0097/92 20-09-1994
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Verfahren und Einrichtung zur Herstellung von doppelwandigen Rohren
Unicor GmbH Rahn Plastmaschinen
Fränkische Rohrwerke Gebr. Kirchner GmbH & Co.
Offenkundige Vorbenutzung nicht substantiiert und verspätet
Merkmale in Zeichnung offenbart
I. Der Beschwerdeführer (Patentinhaber) hat gegen die am Ende einer mündlichen Verhandlung verkündete und danach schriftlich begründete Entscheidung der Einspruchsabteilung über den Widerruf des mit Wirkung vom 20. Dezember 1989 erteilten Patents Nr. 0 208 055 Beschwerde eingelegt.
Mit dem Einspruch war das gesamte Patent im Hinblick auf Artikel 100 a), b) und c) EPÜ angegriffen worden.
II. Die Entscheidung wurde damit begründet, daß der unabhängige Verfahrensanspruch nach dem seinerzeitigen Hauptantrag bzw. ersten Hilfsantrag gegen die Bestimmungen des Artikels 123 (2) EPÜ verstoße und daß der Gegenstand des zweiten Hilfsantrags ausgehend von der Druckschrift
E9 DE-A-2 911 833
als nächstkommendem Stand der Technik gegenüber den Druckschriften
E2 DE-A-1 704 718 und
E4 US-A-4 510 013
nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
III. Mit Schreiben vom 11. September 1991, also lange nach Ablauf der Einspruchsfrist, hatte die damalige Einsprechende I (UNICOR GmbH) und jetziger Beschwerdegegner I erstmals geltend gemacht, daß der Beschwerdeführer "selbst vor dem Prioritätstag des Streitpatentes (dem 12. April 1985) Spritzköpfe in den Verkehr gebracht hat, die Verstellmöglichkeiten entsprechend dem Streitpatent und dessen Anspruch 6 aufwiesen".
Mit Schreiben vom 25. September 1991 wurde dieses Vorbringen dahingehend ergänzt, die Beschwerdeführerin habe Vorrichtungen mit Spritzköpfen, die "vollständig den Spritzköpfen gemäß Streitpatent entsprachen" Januar 1985 ohne Geheimhaltungsverpflichtung an die Firma Davinyl AB Ölsremma SE-51090 Dalstorp geliefert.
Für dieses Vorbringen wurde Zeugenbeweis eines Angestellten der genannten schwedischen Firma und zweier Angestellter des vorbringenden Beschwerdegegners angeboten.
Mit Schreiben vom 15. Oktober 1991 wurden schließlich zwei Photographien eingereicht, die von einem der als Zeugen angebotenen Angestellten des Beschwerdegegners von dem Spritzkopf, der bei der an Davinyl gelieferten Maschine vorhanden war, gemacht worden seien. Durch die Behauptung der offenkundigen Vorbenutzung wurde somit die Neuheit des erteilten Anspruchs 6 in Frage gestellt.
Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung vom 7. November 1991 wurde diese behauptete offenkundige Vorbenutzung von der Einspruchsabteilung wegen "zu ungenauer Angabe der Vorbenutzung" gemäß Artikel 114 (2) EPÜ nicht berücksichtigt.
V. Gegen die Widerrufsentscheidung hat der Beschwerdeführer Beschwerde erhoben und beantragt, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:
Ansprüche: 1 bis 5, eingereicht während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 20. September 1994;
Beschreibung: Seiten 1 bis 4, eingereicht mit Schreiben vom 29. August 1994, eingegangen am gleichen Tage, und Patentschrift EP-B-0 208 055, Spalte 4, Zeile 22, bis Spalte 13, Zeile 44;
Zeichnungen: wie erteilt.
VI. Beide Beschwerdegegner haben beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
VII. Der unabhängige Anspruch 1 in der in der mündlichen Verhandlung vom 20. September 1994 vorgelegten Fassung lautet wie folgt:
"1. Vorrichtung zur Herstellung doppelwandiger Kunststoffrohre, insbesondere PVC-Rohre, durch fortlaufende Extrusion eines äußeren und eines inneren Schlauches aus zueinander konzentrischen Düsenöffnungen (14, 16) eines Extrusionskopfs,
bei der der aus einem einzigen Extruder gespeiste Extrusionskopf, von einem Düsenkörper (5) getragen, konzentrisch zueinander einen inneren Dorn (9), der einlaufseitig in einem konischen inneren Torpedo (6) endet, einen Separierzylinder (10), der sich einlaufseitig bis zu einem in einem konischen äußeren Torpedo (7) endenden Teiler (8) erstreckt, und einen äußeren Zylinder (12) aufweist, und
der Separierzylinder (10) durch am Teiler (8) angeordnete Befestigungsmittel am Düsenkörper befestigt ist,
so daß ein gerade in den Extrusionskopf eingeführter strangförmiger Kunststoffstrom an dem konisch auslaufenden inneren Torpedo (6) schlauchförmig umgeformt und dieser schlauchförmige Strang durch den äußeren Torpedo (7) in zwei konzentrische Kunststoffströme aufgeteilt wird,
dadurch gekennzeichnet,
daß der innere Dorn (9) durch, in Extrusionsrichtung gesehen, hinter dem konischen inneren Torpedo (6) angeordnete Befestigungsmittel am Teiler (8) befestigt ist,
daß der konische äußere Torpedo (7) das in Flußrichtung hintere Ende des konischen inneren Torpedos umschließt,
daß sowohl der zwischen dem äußeren Zylinder (12) und dem Separierzylinder (10) gebildete äußere Ringkanal (13) als auch der zwischen dem Separierzylinder (10) und dem inneren Dorn (9) gebildete innere Ringkanal (15) stromabwärts von den genannten Befestigungsmitteln bis zu den Düsenöffnungen (14, 16) unterbrechungsfreie Fließwege bilden und
daß die innere Düsenöffnung von der äußeren Düsenöffnung, in Extrusionsrichtung gesehen, einen Abstand X im Bereich zwischen Null und nicht über 64 mm besitzt."
VIII. Der Beschwerdeführer hat im wesentlichen folgendes vorgetragen:
(i) Zur Bestimmung der ursprünglichen Offenbarung sei der Gesamtinhalt der ursprünglichen Unterlagen und nicht nur der Wortlaut der ursprünglichen Unterlagen heranzuziehen. Daraus sei aber deutlich erkennbar, daß dort die Lösungen zweier an sich uneinheitlicher Aufgaben dargestellt seien.
Die eine bestehe darin, einen Spritzkopf zu konstruieren, der das konzentrische Extrudieren zweier schlieren- und damit versprödungsfreier Rohre aus PVC erlaube. Die andere bestehe darin, konzentrisch extrudierte rohrförmige Stränge zu einem quergewellten Doppelrohr zusammenzuführen, bei dem das innere Rohr eine glatte Oberfläche aufweist. Die eine Aufgabe werde durch den Extrusionskopf, die andere durch die spezielle Ausbildung des Kühldorns gelöst. In den vorliegenden Unterlagen sei nur eine Bereinigung der an sich uneinheitlichen Aufgabenstellung erfolgt, die gemäß der Entscheidung T 13/86 (ABl. 86, 253) zulässig sei. Im übrigen seien auch bei der Darstellung des speziellen Ausführungsbeispiels der Extrusionskopf und der Kühldorn unabhängig voneinander beschrieben und in getrennten Zeichnungen dargestellt.
Soweit die Merkmale des vorliegenden Anspruchs 1 nicht explizite den ursprünglichen Ansprüchen und der Beschreibung entnehmbar seien, ergäben sie sich jedoch deutlich und unmittelbar aus der ursprünglichen Zeichnung. Somit seien die vorliegenden Unterlagen nicht im Hinblick auf Artikel 123 (2) EPÜ zu beanstanden.
(ii) Die Druckschrift E9 sei als der nächstkommende Stand der Technik anzusehen. Es sei unmittelbar erkennbar, daß bei diesem bekannten Extrusionskopf der Schmelzestrom zuerst an der Spitze des Dorns (2), danach an den Stegen (4), der Schneidkante (8) und schließlich an dem Zwischenstückhalter (10) gestört werde. Die mit der mehrfachen Störung verbundene Scherung des Massestroms führe entsprechend anfälligen Materialien wie z. B. PVC zur Versprödung und zur Ausbildung von Schlieren in der Wandung des Rohres. Insbesondere die ersten drei kennzeichnenden Merkmale wirkten in der Lösung der sich durch diese Nachteile des Standes der Technik ergebenden technischen Aufgabe zusammen.
Durch die ausschließliche Anordnung aller Befestigungselemente am Teiler treffe der Massestrom sehr früh auf die unvermeidlichen Störungsquellen, so daß sich das nur einmal gestörte Material auf dem anschließenden ungestörten Fließweg bis zur Düsenöffnung wieder homogenisieren könne. Durch die benachbarte Anordnung des inneren und des äußeren Torpedos ergebe sich in der Einlaufseite des Extrusionskopfs eine Kammer in der sich ein gleichmäßiger Druck ausbilde, der dazu führe daß die beiden rohrförmigen Stränge unter gleichen Bedingungen gebildet würden.
Keine der entgegengehaltenen Druckschriften gebe auch nur einen Hinweis auf diese technische Lösung.
XI. (i) Von den beiden Einsprechenden hat sich nur der jetzige Beschwerdegegner I im Beschwerdeverfahren mündlich und schriftlich zur Sache geäußert. Der Beschwerdegegner II ist auch nicht zur mündlichen Verhandlung vor der Kammer erschienen.
Eingangs des Beschwerdeverfahrens erkannte der Beschwerdegegner I ausdrücklich die Neuheit des Gegenstandes des erteilten Vorrichtungsanspruchs 6 an (Schreiben vom 16. Juli 1992, Seite 6, 2. Absatz) und rückte somit von seinem im Einspruchsverfahren vorgebrachten Vorwurf ab, daß dieser Gegenstand von der nach Ablauf der Einspruchsfrist geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung neuheitsschädlich getroffen werde (siehe Punkt IV. oben).
Auch eingangs der mündlichen Verhandlung bestritt er die Patentfähigkeit des Vorrichtungsanspruchs 1 ausschließlich damit, daß er gegen die Bestimmungen des Artikels 123 (2) EPÜ verstoße und daß sein Gegenstand gegenüber den Druckschriften E9 und E2 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Erst gegen Ende der mündlichen Verhandlung vor der Kammer verwies der Beschwerdegegner I erneut auf die vor der Einspruchsabteilung geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung, ohne jedoch sein erstinstanzliches Vorbringen zu ergänzen.
(ii) Nach Auffassung des Beschwerdegegners verstößt Anspruch 1 im wesentlichen aus folgenden Gründen gegen die Bestimmungen des Artikels 123 (2) EPÜ:
Gemäß Seite 11, dritter Absatz, der ursprünglichen Beschreibung bestehe die der Anmeldung zugrundeliegende Aufgabe eindeutig darin, doppelwandige Wellrohre mit glatter innerer Oberfläche insbesondere aus PVC herzustellen.
Gemäß Seite 13 der ursprünglichen Beschreibung werde die Sprödigkeit der Verbindungsstellen zwischen den beiden Rohren und somit eine Welligkeit der inneren Oberfläche insbesondere durch die besondere Ausbildung des Kühldorns und die besondere Luftführung vermieden. Die Gestaltung des Spritzkopfs sei in dieser Hinsicht von untergeordneter Bedeutung. Somit sei es für die Qualität des fertigen Rohres ohne Bedeutung, ob die Extrusion der konzentrischen Schläuche mit einem Extrusionskopf nach dem Streitpatent oder mit einem gemäß der Druckschrift E9 ausgebildeten erfolgt sei.
Auch der Beschwerdeführer sei noch in seiner Beschwerdebegründung (vgl. Seite 5, letzter Absatz, und Ansprüche 1 und 4 nach dem damaligen Hauptantrag) der gleichen Auffassung gewesen.
Ferner seien die beiden ersten Merkmale des geltenden Anspruchs 1 in der ursprünglichen Beschreibung nicht offenbart, für die Lösung der technischen Aufgabe ohne Bedeutung und damit nur willkürlich den Zeichnungen entnommen. Im übrigen seien die Zeichnungen zu ungenau, um ihnen solche Einzelheiten zu entnehmen. z. B. sei aus den Zeichnungen nicht zwingend abzuleiten, daß die Querschnitte der dort gezeigten Bauteile kreisförmig sein sollen.
(iii) Der Beschwerdegegner I begründete das Fehlen einer erfinderischen Tätigkeit im wesentlichen wie folgt:
Das letzte kennzeichnende Merkmal sei auch bei der aus der Druckschrift E9 bekannten Vorrichtung gegeben, da der Abstand zwischen den beiden Düsenöffnungen Null sei.
Die übrigen drei kennzeichnenden Merkmale seien jedoch nur eine routinemäßige Konstruktion, die einen Kompromiß zwischen den beiden aus den Druckschriften E9 und E2 bekannten extremen Konstruktionen darstelle. Bei dem aus der Druckschrift E9 bekannten Extrusionskopf läge der äußere Torpedo in Fließrichtung hinter dem inneren; bei dem aus der Druckschrift E2 bekannten Extrusionskopf läge der innere Torpedo hinter dem äußeren. Nach Kenntnis dieser beiden extremen Konstruktionen könne keine erfinderische Tätigkeit darin gesehen werde, die Teilung der Ströme nunmehr auf gleicher Höhe vorzunehmen.
1. Ursprüngliche Offenbarung
Zur Prüfung, ob der Gegenstand eines Anspruchs durch die ursprüngliche Offenbarung gedeckt ist, ist das heranzuziehen, was sich aus dem Gesamtinhalt der ursprünglichen Unterlagen deutlich und unmittelbar ergibt.
Die in der ursprünglichen Beschreibung (Seite 11, dritter Absatz) formulierte technische Aufgabe besteht darin, ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Herstellung von doppelwandigen Wellrohren mit glatter innerer Oberfläche anzugeben, das insbesondere zur Herstellung von derartigen Rohren aus Polyvinylchlorid geeignet ist.
Der ursprünglichen Beschreibung ist aber weiterhin deutlich und unmittelbar zu entnehmen, daß dieses Endziel nur zu erreichen ist, wenn zwei voneinander im wesentlichen unabhängige Voraussetzungen (Seite 10, zweiter Absatz, letzter Satz, sowie Seite 25, zweiter und dritter Satz) erfüllt werden:
(i) Die Extrusion muß so erfolgen, daß selbst bei Benutzung von PVC in den Wandungen der beiden konzentrischen Rohre keine Sprödigkeit auftritt.
(ii) Die beiden konzentrischen Rohre müssen so zusammengeführt werden, daß die Verbindungsstellen zwischen den Rohren dauerhaft und die Oberfläche des inneren Rohres glatt ist.
Der in Figur 2 dargestellte und auf Seite 15, zweiter Absatz, bis Seite 16, erster Absatz, beschriebene Extrusionskopf erfüllt die vorstehende Voraussetzung (i) durch eine konstruktive Ausgestaltung, durch die ein Scheren und Rollen des Polymermaterials weitgehend vermieden wird.
Die Voraussetzung (ii) wird durch die besondere Außenform und die Ausbildung der Kühlung des in den Figuren 3, 3A bis 3D dargestellten und auf Seite 17, letzter Absatz, bis Seite 23, dritter Absatz, beschriebenen Form- und Kühldorns geschaffen.
Es mag zwar sein, daß der Extrusionskopf des Streitpatents ein besonders vorteilhaftes doppelwandiges Wellrohr ergibt, wenn er mit dem speziell ausgebildeten Form- und Kühldorn zusammenwirkt, der einschlägige Fachmann erkennt jedoch unmittelbar, daß er die obige Voraussetzung (i) auch schafft, und damit die ihm zugeordnete technische Aufgabe löst, wenn sie mit einer anderen (bekannten) Form- und Kühlvorrichtung zusammenarbeitet.
Somit ist es im vorliegenden Fall zulässig, ausgehend von der Druckschrift E9, die technische Aufgabe auf der Grundlage der ursprünglichen Offenbarung dahingehend zu präzisieren, daß bei einer bekannten Vorrichtung zur Herstellung doppelwandiger Kunststoffrohre der Extrusionskopf dadurch verbessert wird, daß der Kunststoffstrom auf seinem Weg zu den Düsenöffnungen so gering wie möglich beeinflußt wird und somit, insbesondere beim Verpressen von PVC, ein Rollen und Scheren und damit eine Versprödung des Materials vermieden wird. Die Kammer sieht sich damit in Übereinstimmung mit den in der Entscheidung T 13/84 (ABl. EPA 1986, 253) festgelegten Grundsätzen.
Die zulässige Präzisierung der Aufgabe hat zwangsläufig zur Folge, daß der unabhängige Anspruch, um die Bedingungen von Artikel 123 (2) EPÜ zu erfüllen, mindestens die Merkmale enthalten muß, die aufgrund der allgemeinsten Form der ursprünglichen Offenbarung dem Extrusionskopf, der die Lösung dieser präzisierten Aufgabe bewirkt, zugeordnet sind.
Da in den ursprünglichen Unterlagen die verkürzte Form der Beschreibung gewählt ist, bildet der sich auf den Extrusionskopf beziehende Teil des ursprünglichen Anspruchs 11 die Minimaloffenbarung in dieser Hinsicht. Der vorliegende Anspruch 1 enthält alle Merkmale, die sich in dem ursprünglichen Anspruch 11 auf den Extrusionskopf beziehen.
Darüber hinaus enthält Anspruch 1 die kennzeichnenden Merkmale
- daß der innere Dorn (9) durch, in Extrusionsrichtung gesehen, hinter dem konischen inneren Torpedo (6) angeordnete Befestigungsmittel am Teiler (8) befestigt ist, und
- daß der konische äußere Torpedo (7) das in Flußrichtung hintere Ende des konischen inneren Torpedos umschließt,
die weder der ursprünglichen Beschreibung noch den ursprünglichen Ansprüchen explizit zu entnehmen sind und deren Zulässigkeit von dem Beschwerdegegner I bestritten wird.
Diese beiden Merkmale sind jedoch eindeutig und unmittelbar aus Figur 2 entnehmbar und gehören damit nach der ständigen Rechtsprechung der Kammern (z. B. T 169/83, ABl. EPA 1985, 193) zu der ursprünglichen Offenbarung.
Anspruch 1 verstößt somit nicht gegen die Bestimmungen des Artikel 123 (2) EPÜ.
Der Gegenstand des vorliegenden Anspruchs 1 ist gegenüber der erteilten Fassung des Vorrichtungsanspruch 6 durch zusätzliche Merkmale eingeschränkt. Anspruch 1 erfüllt somit auch die Bestimmungen von Artikel 123 (3) EPÜ.
2. Verspätetes Vorbringen von Tatsachen und Beweismitteln
Wie unter Punkt III des obigen Tatbestandes ausgeführt ist, unternahm der jetzige Beschwerdegegner I im Einspruchsverfahren den Versuch, über zwanzig Monate nach der Patenterteilung eine offenkundige Vorbenutzung geltend zu machen und damit die Neuheit "der Spritzköpfe gemäß Streitpatent" in Frage zu stellen.
Dieses verspätete Vorbringen wurde jedoch von der Einspruchsabteilung in der mündlichen Verhandlung vom 7. November 1991 unter Bezug auf Artikel 114 (2) EPÜ "wegen zu ungenauer Angabe der Offenkundigkeit" nicht berücksichtigt (siehe Protokoll vom 4. Dezember 1991, Seite 2, vorletzter Absatz).
Bereits die Zulässigkeit eines Einspruchs hängt gemäß der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA davon ab, ob "die Angabe der zur Begründung vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel" nach Regel 55 c) EPÜ vom Inhalt her geeignet ist, das Vorbringen eines Einsprechenden objektiv verständlich zu machen (vgl. T 222/85, ABl. EPA 1988, 128), und dieses Vorbringen so ausreichend angegeben ist, daß es vom EPA und vom Patentinhaber ohne weitere Ermittlungen verstanden werden kann (vgl. T 2/89, ABl. EPA 1991, 51).
Eine derartige vollständige Substantiierung, die die Überprüfung eines Vorbringens ohne jegliche Sachaufklärung ermöglicht, ist zur Vermeidung unzumutbarer Verfahrensverlängerungen erst recht zu fordern, wenn Einspruchsgründe und Tatsachen verspätet genannt werden.
In der Tat behauptet der Beschwerdegegner I in seinem Schriftsatz vom 25. September 1991 auch nur, Vorrichtungen mit diesen Spritzköpfen seien "im Januar 1985", also zwei bis drei Monate vor Prioritätsdatum, "ohne Geheimhaltungsverpflichtung" von dem Beschwerdeführer an die Firma Davinyl in Schweden geliefert worden. Nähere Angaben über die Umstände (Bestellung, Versand, Rechnungsstellung, Aufstellungsort und -zeitpunkt), unter denen dieser Geschäftsvorgang abgewickelt wurde, fehlen. Auch fehlen Angaben darüber, ob die behauptete Lieferung im Rahmen der normalen Geschäftstätigkeit erfolgt sein soll oder ob sie z. B. als Ergebnis einer gemeinsamen technischen Entwicklung von Lieferant und dem Kunden zustandegekommen ist.
Zwar machte der Beschwerdegegner I unter Vorlage von entsprechenden Abzügen weiterhin geltend, einer seiner Angestellten habe einen seiner Zeit gelieferten Spritzkopf im zerlegten Zustand fotografiert, jedoch ist nicht dargetan, wann diese Aufnahmen gemacht wurden.
Weiterhin hat der Beschwerdegegner I nicht dargelegt, in welcher Weise und Funktion die benannten Zeugen in die behauptete offenkundigen Vorbenutzung involviert waren.
Da somit zumindest die Offenkundigkeit der verspätet behaupteten Vorbenutzung vor der Einspruchsabteilung nicht ausreichend substantiiert worden war, ist die Entscheidung der Einspruchsabteilung, dieses verspätete Vorbringen als nicht sachlich relevant anzusehen und somit gemäß Artikel 114 (2) EPÜ nicht zu berücksichtigen, nicht zu beanstanden, sondern entspricht nur gängiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern (vgl. T 93/89, ABl. EPA 1992, 718).
Der Beschwerdegegner I hat im Beschwerdeverfahren auch nicht versucht, diese Beanstandung der Einspruchsabteilung durch ergänzende Angaben auszuräumen. Er hat vielmehr dadurch, daß er den Neuheitseinwand gegen den erteilten Vorrichtungsanspruch in seinem Schreiben vom 16. Juli 1992, Seite 6, zweiter Absatz, ausdrücklich zurückzog, den Eindruck erweckt, daß er sein die Neuheit in Frage stellendes Vorbringen der offenkundigen Vorbenutzung nicht weiter verfolge. Erst gegen Ende der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 20. September 1994 hat er erneut auf dieses Vorbringen zurückgegriffen, wieder jedoch, ohne ergänzende Tatsachen vorzubringen.
Auch vor der Kammer muß somit dieses verspätete Vorbringen nach Artikel 114 (2) EPÜ unberücksichtigt bleiben.
3. Nächstkommender Stand der Technik und Neuheit
Es ist unbestritten, daß von den im Verfahren genannten Druckschriften E9 dem Gegenstand des Anspruchs 1 am nächsten kommt und daß daraus alle Merkmale im Oberbegriff bekannt sind. Gleichfalls unstreitig ist, daß die ersten beiden kennzeichnenden Merkmale nicht aus der Druckschrift E9 bekannt sind.
Der Gegenstand des Anspruchs gilt somit als neu.
Das dritte kennzeichnende Merkmal muß im Zusammenhang mit den vorausgehenden Merkmalen gesehen werden, die festlegen, daß bei der Vorrichtung nach Anspruch 1 alle Befestigungsmittel am Teiler angeordnet sind. Dieses Merkmal impliziert also, daß die Ringkanäle (13, 15) ab dem Teiler (8) unterbrechungsfreie Fließwege bilden. Bei der aus der Druckschrift E9, insbesondere die Figur, bekannten Spritzkopfanordnung sind hinter dem dem Teiler entsprechenden Bauteil noch das Schneidenteil (7) und der Zwischenstückhalter angeordnet und stellen sich dem Massenstrom störend entgegen. Auch dieses Merkmal ist somit nicht aus der Druckschrift E9 entnehmbar.
Das letzte Merkmal des Anspruchs 1 wird insoweit von dem aus der Druckschrift E9 bekannten Spritzkopf getroffen, als dort der Abstand X den Wert Null besitzt.
4. Erfinderische Tätigkeit
Auch die aus der Druckschrift E9 bekannte Spritzkopfanordnung zielt darauf ab, zwei konzentrische Rohre aus PVC so schonend zu extrudieren, daß in den Wandungen keine Inhomogenitäten auftreten (vgl. Seite 2, zweiter Absatz).
Der Beschwerdeführer macht nun geltend (vgl. EP-B-0 208 055, Spalte 2, Zeilen 25 - 36), daß auch dieser bekannte Extrusionskopf die Aufgabe nur unvollkommen löst und dieser deshalb verbesserungswürdig sei.
Ausgehend von der Druckschrift E9 als nächstkommendem Stand der Technik wird diese Verbesserung insbesondere durch die ersten drei kennzeichnenden Merkmale des Anspruchs 1 gelöst.
Diese Lösung geht aus von der Erkenntnis, daß durch die sequentielle Aufteilung des Massestroms (bei 2 und bei 8) dieser noch vermeidbaren Störungen unterworfen wird, die zu Schlieren und damit Versprödungen im Material führen können. Ein weiterer Störfaktor besteht bei der bekannten Vorrichtung erkennbar darin, daß die zweite Aufteilung des Massestroms unter anderen Druckverhältnissen erfolgt als die erste.
Das Streitpatent behebt diesen Nachteil prinzipiell dadurch, daß beide Aufteilungen des Massestroms praktisch gleichzeitig nahe dem Eingang des Spritzkopfs erfolgen und die beiden Masseströme von da an unterbrechungsfrei bis zu den Düsenöffnungen geführt werden. Durch diese Konstruktion bedingt, erfolgen beide Aufteilungen unter dem gleichen sich in der eingangsseitigen Kammer einstellenden Druck.
Die Druckschrift E9 selbst gibt keinen Hinweis auf diese Lösung, vielmehr verbaut die Tatsache, daß dort der Dorn (2) gleich dem Schneidenteil (7) unmittelbar am Gehäuse des Spritzkopfs befestigt ist, den Blick auf diese Lösung.
Entgegen den Einlassungen des Beschwerdegegners kann auch die Druckschrift E2 nicht zum Gegenstand des Anspruchs 1 führen, da diese einen gattungsfremden Spritzkopf betrifft, der aus zwei getrennten Extrudern gespeist wird und zu dessen Verbesserung bereits die aus der Druckschrift E9 bekannte Spritzkopfanordnung dient (vgl. Seite 2, zweiter Absatz).
Die Druckschrift E4 betrifft die Ausbildung eines Form- und Kühldorns und ist für die Beurteilung des vorliegenden Anspruchs 1 ohne Belang.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 beruht somit auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
5. Die abhängigen Ansprüche 2 bis 6 bieten gleichfalls keinen Anlaß zur Beanstandung.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die erste Instanz zurückverwiesen mit der Auflage, das Patent auf der Grundlage folgender Unterlagen aufrechtzuerhalten:
Ansprüche: 1 bis 5, eingereicht während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer am 20. September 1994;
Beschreibung: Seiten 1 bis 4, eingereicht mit Schreiben vom 29. August 1994, eingegangen am gleichen Tage, und Patentschrift EP-B-0 208 055, Spalte 4, Zeile 22, bis Spalte 13, Zeile 44;
Zeichnungen: wie erteilt.