T 0406/98 26-09-2000
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Anlage und Verfahren zur Herstellung von pulverbeschichteten flachen Teilen, insbesondere flachen Blechteilen
I) TFC Reglersystem AB
II) Tegometall Rudolf Bohnacker
I. Mit Entscheidung vom 14. Januar 1998 hat die Einspruchsabteilung das europäische Patent Nr. 0 405 164 im Lichte der Entgegenhaltungen
(D1) Metalloberfläche, Band 29, Heft 1, 1975, Seiten 24-27
(D2) EP-A-0 260 539
(D3) US-A-4 584 859
(D4) EP-A-0 201 923
(D5) Mitt. DFBO, 1968, Nr 1/2, Seiten 3-11
(D6) I-Lack 8/88, Band 56 (1988), Seiten 301-305
(D7) DE-C-2 444 209
(D8) DE-A-2 030 595
(D9) GB-A-2 206 821
(D10) JP-A-58 030 361 und
(D11) Metalloberfläche, Band 28, Heft 6, 1974, Seiten 225-228
widerrufen.
II. Die unabhängigen Ansprüche 1 (Vorrichtungsanspruch) und 28. (Verfahrensanspruch) des Streitpatents haben folgenden Wortlaut:
"1. Anlage zur Herstellung von pulverbeschichteten, flachen Blechteilen mit einer Aufgabe- und einer Abgabestation (1; 20) für die Blechteile mit mindestens einer Vorbehandlungsstation (4), einer Trocknungsstation (9), einer Pulverbeschichtungsstation (15) und einer Aushärtungsstation (18) mit einer Transportvorrichtung (3), durch die die Blechteile durch die Behandlungsstationen transportiert werden und wobei die Blechteile nacheinander in diesen Behandlungsstationen den notwendigen Behandlungsprozessen ausgesetzt werden,
dadurch gekennzeichnet ,daß
a) die Aufgabestation (1) mit einer Entstapelungs- und Aufgabevorrichtung ausgerüstet ist, durch die die zu behandelnden Blechteile (2) entstapelt und auf die Transportvorrichtung (3) der Anlage liegend aufgelegt und mittels der Transportvorrichtung (3) in horizontaler Lage durch die Behandlungsstationen transportiert werden,
b) die Vorbehandlungsstation (4) eine Reinigungsstufe (5) enthält, die ein oder mehrere mechanische Abtragvorrichtungen (6) für Flüssigkeiten, Fett, Öl, Schmutz oder dgl. und ein oder mehrere Wasch- bzw. Spülstufen aufweist, in der die Blechteile über Sprühvorrichtungen gewaschen bzw. gespült werden,
c) die Trocknungsstation (9) mit einer Kontakt- und/oder einer Konvektionstrockungsvorrichtung versehen ist, durch die die auf dem Blechteil anhaftende Flüssigkeit abgetragen und das Blechteil getrocknet wird,
d) eine der Trocknungsstation (9) nachfolgende Kühlstation (13) eine Kontakt- und/oder Konvektionskühlvorrichtung besitzt, um die Teile vor dem Eintritt in die Beschichtungsstation (15) auf die Beschichtungstemperatur abzukühlen,
e) die Pulverbeschichtungsstation (15) ein oder mehrere Wechselkabinen (16) aufweist und mit einer steuerbaren Spritzpistolenvorrichtung für den Pulverauftrag ausgerüstet ist,
f) der Pulverbeschichtungsstation (15) eine Schleusenstation (17) zur Temperatur- und Lufttrennung nachgeschaltet ist,
g) die folgende Trockenstation (18) für das Aushärten der Pulverbeschichtung mit einer Strahlungs- und einer Konvektionstrocknungsvorrichtung ausgestattet ist,
h) eine weitere Kühlstation (19) eine Kontakt- und/oder Konvektionskühlvorrichtung besitzt, um die Blechteile nach dem Aushärten abzukühlen,
i) am Ende der Anlage eine Abgabestation (20) mit einer Abnahme- und Stapelvorrichtung angeordnet ist."
"28. Verfahren zur Herstellung von pulverbeschichteten Blechteilen für Geräte, Karosserien oder dgl. unter Verwendung einer Anlage gemäß einem der vorstehenden Ansprüche 1 bis 27,
dadurch gekennzeichnet,
- daß als Ausgangsmaterial ein mehr oder weniger vorbehandeltes Blechcoil verwendet wird,
- daß das vom Blechcoil abgewickelte Blechband in einer Pressenvorrichtung zugeschnitten wird,
- daß die flachen Blechzuschnitte stapelweise einer Pulverbeschichtungsanlage zugeführt, in der Pulverbeschichtungsanlage liegend transportiert, vorbehandelt und beschichtet werden und der Pulverbeschichtungsanlage stapelweise entnommen werden,
- und daß die pulverbeschichteten Blechteile nachfolgend in entsprechend ausgebildeten Formwerkzeugen zu Fertigteilen verformt werden."
III. Gegen vorgenannte Widerrufsentscheidung der Einspruchsabteilung haben die Patentinhaberinnen - nachfolgend Beschwerdeführerinnen - am 24. März 1998 unter gleichzeitiger Zahlung der Gebühr Beschwerde eingelegt und diese am 19. Mai 1998 dahingehend begründet, daß der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 gemäß dem Hauptantrag angesichts des hier zu berücksichtigenden Standes der Technik erfinderisch sei.
Selbst wenn dem seitens der Kammer nicht zugestimmt werden könne, habe dies für die Kombination der erteilten Ansprüche 1 und 12 bzw. 1,12 und 2 (Hilfsanträge 1 bzw. 2) zu gelten.
IV. Die Einsprechenden I und II - nachfolgend Beschwerdegegnerinnen I und II - kamen hingegen zu dem Ergebnis, daß keiner der vorgenannten Anträge gewährbar sei.
V. In der nach vorbereitender Mitteilung der Kammer vom 31. Januar 2000 am 26. September 2000 durchgeführten mündlichen Verhandlung - in der die Beschwerdegegnerin I, wie von ihr angekündigt, nicht erschienen war, so daß das Verfahren gemäß Regel 71 (2) EPÜ ohne sie weitergeführt wurde - brachten die Beschwerdeführerinnen und die Beschwerdegegnerin II im wesentlichen folgende Argumente vor:
a) Beschwerdeführerinnen
- nächstkommender Stand der Technik sei (D1), die ganz auf den hängenden Transport von Gehäuseteilen, also fertig verformten Blechteilen, abgestellt sei; daraus resultiere ein hoher Platzbedarf und die mangelnde Zugänglichkeit zu allen Oberflächenbereichen der Gehäuseteile erschwere die jeweilige Oberflächenbehandlung;
- ohne Kenntnis der Erfindung sei nicht erkennbar, warum der Fachmann von fertig verformten Gehäuseteilen als Ausgangsprodukt der Beschichtung habe abweichen sollen;
- das Anlagenkonzept, das dem erteilten Anspruch 1 zugrundeliege, sei geprägt von den Überlegungen, eine kompakte Anlage mit hohem Automatisierungsgrad und qualitativ hochwertigen Pulverbeschichtungen der Teile zu erzielen, wobei die einzelnen Behandlungsstationen effektiv aufeinander abgestimmt seien;
- die mechanische Reinigung sei in (D1) nicht angesprochen, strahle aber auf den bzw. auf die nachgeordnete(n) Wasch-/Spülstufe(n) dergestalt aus, daß das Beschichtungsergebnis verbessert werde; die Merkmale des erteilten Anspruchs 1 seien somit dazu angetan, eine kombinatorische Gesamtwirkung zu erzielen und die zu erwartenden Einzelwirkungen synergetisch zu steigern;
- damit sei es unerheblich, wenn im vielfältigen Stand der Technik Einzelmerkmale per se oder in äquivalenter Form als bekannt nachgewiesen worden seien, da es auf die Kombination der Merkmale und nicht auf Einzelmerkmale ankomme, wenn zu beurteilen sei, ob es erfinderischen Zutuns bedurft habe von (D1) ausgehend, den Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 zu schaffen;
- die Vielzahl von Druckschriften, die nötig sei, den Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 als bekannt auszuweisen, sei ein klares Beweisanzeichen für das Vorliegen erfinderischer Tätigkeit;
- auch wenn der erteilte Anspruch 1 in bezug auf die Kompaktheit oder Anlage allgemein bleibe, sei dem Fachmann klar, daß die Vorbehandlungsstufen nahe beieinander anzuordnen seien, da ansonsten eine erneute Oberflächenverschmutzung auftreten könne; der weitgehend automatisierte Verfahrensablauf mit Entstapel- und Stapelvorrichtung erlaube einen zügigen Materialdurchsatz und sei Bestandteil eines effektiven Beschichtungsablaufs;
- zusammenfassend sei dem Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 die erfinderische Eigenart nicht abzusprechen, weil es insgesamt nicht darauf ankommen könne, was ein Fachmann von (D1) ausgehend hätte tun können, sondern was er ohne Kenntnis der Erfindung aufgrund des ihm bekannten Standes der Technik und des ihm eigenen Fachwissens getan hätte.
b) Beschwerdegegnerin II:
- der erteilte Anspruch 1 sei auf ein Konglomerat von Merkmalen in aggregativer Aneinanderreihung im Anspruch abgestellt, so daß bei der Prüfung der Frage der erfinderischen Tätigkeit des Beanspruchten die Anspruchsmerkmale separat am Stand der Technik zu messen seien;
- weiterhin sei festzuhalten, daß der erteilte Anspruch 1 keine einschränkenden Merkmale mit Blick auf die Kompaktheit der Anlage enthalte und daß (D1) ihrer Meinung nach bereits auf flache Bauteile und auf einen mechanischen Reinigungsschritt in Form eines Wasserstrahles abgestellt sei, wobei diesbezüglich auch auf (D11) und (D12 - DE, d. h. die deutsche Übersetzung der japanischen Patentanmeldung JP-A-61-242 670) zu verweisen sei;
- die Merkmale "Schleusenstation" und "Wechselkabinen" des erteilten Anspruchs 1 seien unbestimmt und aus (D1), (D6) und (D7) bekannt; zu den Anspruchsmerkmalen "liegender Transport" bzw. "flacher Blechteile" sei auf (D10) und (D13, d. h. "Appliance Manufacturer", Januar 1989, Artikel "Hands-on Suppliers Help Speed Queen Develop Blank-Coating Line") zu verweisen, wobei (D7), (D9) und (D14 = GB-A-944 456) für das Anspruchsmerkmal "Aufgabestation/Entstapeln/ Stapeln" von Bedeutung seien;
- der erteilte Anspruch 1 lasse im Gegensatz zur Auffassung der Beschwerdeführerinnen keine Abstimmung der Anspruchsmerkmale aufeinander im Sinne einer gegenseitigen Beeinflussung und Steigerung der Einzelwirkungen erkennen, so daß angesichts des Bekanntseins der Einzelmerkmale des erteilten Anspruchs 1, dieser keinen Gegenstand erfinderischer Qualität definiere. Der erteilte Anspruch 1 könne somit nicht die Basis für die Aufrechterhaltung des Streitpatentes bilden.
VI. Die Anträge der Parteien sind wie folgt:
a) Beschwerdeführerinnen: 1. Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. 2. Aufrechterhaltung des Patents wie erteilt (Hauptantrag), hilfsweise auf der Grundlage der am 19. Mai 2000 eingegangenen Patentansprüche 1 bis 28, weiter hilfsweise auf der Grundlage der am 24. August 2000 eingegangenen Patentansprüche 1. bis 27.
b) Beschwerdegegnerinnen I und II Zurückweisung der Beschwerde der Patentinhaberinnen.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Hauptantrag
2. Neuheit
2.1. Die Neuheit des Gegenstandes gemäß erteiltem Anspruch 1 (Vorrichtungsanspruch) war zwischen den Parteien nicht strittig und ist auch nach Auffassung der Kammer gegeben. Damit erübrigen sich ins Detail gehende Erörterungen bezüglich der Neuheitsfrage.
2.2. Der unabhängige, auf ein Verfahren gerichtete Anspruch 28. ist auf die Verwendung u. a. der Anlage gemäß erteiltem Anspruch 1 abgestellt, so daß das beanspruchte Verfahren allein deshalb neu ist und sich auch diesbezüglich detaillierte Erörterungen erübrigen.
3. Erfinderische Tätigkeit
3.1. Der nächstkommende Stand der Technik ist unstrittig mit (D1) gegeben. Im Gegensatz zum Vorbringen der Beschwerdegegnerin II ist (D1) nicht auf flache Blechteile, sondern auf fertig verformte Gehäuse abgestellt, auch wenn das insoweit nicht aussagekräftige Bild 2 der (D1) berücksichtigt wird. Die vorbekannte Anlage gemäß (D1) ist gekennzeichnet durch den hängenden Transport der zu beschichtenden Gehäuseteile und zwar längs Omega-Bahnen wie ihrem Bild 1 entnehmbar ist. Erkennbar ist die Vorbehandlung der zu beschichtenden Teile bei (D1) durch eine "Entfettungsanlage" und durch einen "Wassertrockner" gegeben, ohne daß diese Anlageteile näher spezifiziert wären.
3.2. Von diesen Gegebenheiten des nächstkommenden Standes der Technik gemäß (D1) ausgehend ist es Aufgabe vorliegender Erfindung durch einen kompakten Aufbau sowie eine einfach zu realisierende Automatisierbarkeit mit wirtschaftlichem Aufwand ein qualitativ hochwertiges Oberflächenfinish der Pulverbeschichtung zu erzielen, vgl. EP-B1-0 405 164, Spalte 3, Zeile 49 bis Spalte 4, Zeile 2.
3.3. Diese Aufgabe wird mit den Merkmalen des erteilten Anspruchs 1 gelöst, wobei das Anlagenkonzept vor allem geprägt ist durch, die flachen Blechteile als zu beschichtenden Gegenständen und deren horizontalen, liegenden Transport durch die Behandlungsstationen, sowie durch die gezielte Ausbildung speziell der Vorbehandlungsstation mit mechanischer und nichtmechanischer Reinigungsstufe, sowie der Beschichtungsstation mit einer oder mehreren Wechselkabine(n) und der nachgeordneten Schleusenstation zur Temperatur- und Lufttrennung und das alles in Verbindung mit einer Aufgabe- und Abgabestation zum Entstapeln bzw. Stapeln der flachen Blechteile.
In verfahrensmäßiger Hinsicht vereinigt der erteilte Anspruch 28 die zur Lösung der objektiv gegenüber dem nächstkommenden Stand der Technik verbleibenden Aufgabe notwendigen Merkmale.
3.4. Der Anlage gemäß erteiltem Anspruch 1 liegt ein klares Konzept dahingehend zugrunde als von unverformten, also flachen Blechteilen ausgegangen wird, die einer effektiven Vorbehandlung mechanischer/nichtmechanischer Art unterzogen werden, dergestalt daß ein optimales Reinigungsergebnis erzielbar ist, welches eine Grundvoraussetzung für ein qualitativ hochwertiges Oberflächenfinish der Pulverbeschichtung ist, vgl. vorstehenden Absatz 3.2 zur objektiv verbleibenden, von der Erfindung zu lösenden Aufgabe. Die der Beschichtungsstation nachgeschaltete Schleusenstation mit dem Bezugzeichen "17" gemäß erteiltem Anspruch 1 und den Figuren 1 und 2 der Streitpatentschrift rundet das Beschichtungsergebnis dahingehend ab, daß sie nicht nur Trennstation von Luft und Pulver, sondern daß sie auch in Richtung Temperaturtrennung speziell ausgebildet ist, was in der Beschreibung der Streitpatentschrift auch in Spalte 8, Zeilen 6 bis 9 mit dem Ausdruck "Klimastation" verdeutlicht wird. Da Blechteile im vorliegenden technischen Gebiet mit unterschiedlichen Farben beschichtet werden müssen, kommt auch dem Merkmal der Wechselkabinen(n) gemäß Merkmal e) des erteilten Anspruchs 1 Bedeutung zu, nicht nur aus der Sicht der Betriebsunterbrechung der Anlage bei durchzuführendem Farbwechsel, sondern auch aus der Sicht eventueller Farbverschleppungen aufeinanderfolgender Farben, vgl. Spalte 7, Zeilen 47 bis 54 der Streitpatentschrift. Das Ausschließen von Farbverschleppungen strahlt erkennbar auf das Endprodukt und sein Oberflächenfinish aus.
3.5. Unter Berücksichtigung vorstehender Wirkungen und Vorteile der Anlage gemäß erteiltem Anspruch 1 gelangte die Kammer zu der Überzeugung, daß die Merkmale des erteilten Anspruchs 1 aufeinander ausstrahlen und insgesamt der Erzielung eines einzigen Zweckes dienen. Den beanspruchten Merkmalen des erteilten Anspruchs 1 ist somit eine kombinatorische und über die zu erwartenden Einzelwirkungen von Merkmalen hinausgehende Gesamtwirkung nicht abzusprechen. Patentrechtlich ist der erteilte Anspruch 1 somit nicht auf eine Aggregation von Merkmalen abgestellt, sondern als Merkmalskombination anzusehen und als solche am einschlägigen Stand der Technik zu messen.
3.6. Bei Vorliegen einer Kombinationserfindung läßt das Bekanntsein einzelner oder mehrerer Merkmale keinen zuverlässigen Schluß auf das Naheliegen der Kombination zu (Entscheidung T 37/85, ABl. EPA 1988, 86). Es ist weiter zu berücksichtigen, daß es nach ständiger Rechtsprechung darauf ankommt, ob der Durchschnittsfachmann, der Zugang zum gesamten Stand der Technik hätte, auf die beanspruchte Aufgabenlösung gekommen wäre, wobei es nicht genügt, daß er auf die gleiche Lösung hätte kommen können (would-could-Situation, vgl. Entscheidungen T 2/83, ABl. EPA 1984, 265 ; T 90/84 ; T 7/86, ABl. EPA 1988, 381 ; T 200/94).
3.7. Es kommt hinzu, daß speziell bei Vorliegen einer großen Anzahl von Entgegenhaltungen regelmäßig die Frage zu stellen ist, warum der Fachmann Druckschriften in spezifischer Kombination berücksichtigen würde und ob es für ihn ohne Kenntnis der Erfindung einen Anreiz hierfür gab oder nicht.
3.8. (D1) ist in der Streitpatentschrift nachvollziehbar gewürdigt und allein deshalb nicht dazu angetan, den Fachmann, der vor der Lösung der vorstehend genannten Aufgabe steht, auf den Gegenstand des Anspruchs 1 der Streitpatentschrift hinzulenken, weil dort im Gegensatz zum Vorbringen der Beschwerdegegnerin II keine flachen Blech-, sondern fertig geformte Gehäuseteile zu beschichten sind; dies strahlt einerseits auf den Teiletransport aus - liegend und horizontal gemäß erteiltem Anspruch 1 und hängend gemäß (D1) - und beinhaltet darüber hinaus Einschränkungen bezüglich der Reinigungs- und Beschichtungsstufen, nämlich allein schon aufgrund der Geometrie der Gehäuseteile gemäß (D1).
Es ist nicht nachvollziehbar und konnte auch nicht schlüssig belegt werden seitens der Beschwerdegegnerin II, warum ein Fachmann vom Konzept "Gehäuseteile und hängender Transport" der (D1) hätte abgehen sollen, weil dies auf eine völlige Neugestaltung aller Behandlungsstufen der Anlage hinausliefe, angefangen von der Aufgabe der Teile auf den Förderer bis hin zur Vorbehandlung, Beschichtung und Abnahme der Teile vom Förderer. Ganz gleich welcher weitere Stand der Technik vom Fachmann berücksichtigt worden wäre, es wäre stets das von (D1) vorgegebene Konzept "Gehäuseteile - hängender Transport" als Vorbedingung für eine gleichzeitige Merkmalsbetrachtung zu berücksichtigen gewesen.
3.9. Der weiter zu berücksichtigende Stand der Technik (D2) zeigt zwar flache zu beschichtende Teile, die liegend einer Beschichtungsstation zugefördert werden, ohne die Aspekte Stapeln, Entstapeln, Trocknen, Farbwechsel, Temperatur- und Lufttrennung und Kühlen besonders zu berücksichtigen, weil bei (D2) Probleme der Abdeck- und der Transportbahn im Vordergrund stehen. (D10-DE) und (D13) beziehen sich ebenfalls auf den liegenden Transport flacher Teile, ohne aber auf wesentliche Aspekte des erteilten Anspruchs 1 wie Entstapeln/Stapeln, mechanischer und nichtmechanischer Reinigung einzugehen.
3.10. Die beanspruchte Vorbehandlungsstation gemäß Merkmal b) des erteilten Anspruchs 1 ist zwar in anderem Zusammenhang, nämlich dem Beschichten von Stahl/Aluminiumbändern mit Kunststoff per se bekannt, vgl. (D11), insbesondere Bild 1 und die Stationen "Entfettung 1, Bürstenbehandlung, Entfettung 2", aber dort wird von Coil zu Coil gearbeitet, so daß der zu beschichtende Gegenstand kein flaches Blechteil, sondern ein Halbzeug in Form eines Bandes ist und sich Stationen wie Entstapeln, Auflegen und Stapeln erübrigen. Unstrittig ist auch, daß (D12-DE), vgl. Seite 4, linke Spalte Absatz 2, die Schritte "Entfetten, Heißwaschen, Glanzbürsten" offenbart, aber in umgekehrter Reihenfolge wie beansprucht, da der erteilte Anspruch 1 im Merkmal b) vorschreibt, daß die mechanische Abtragvorrichtung vor den nichtmechanischen Behandlungsstufen vorzusehen ist.
3.11. Unter Hinweis auf (D1) und (D7) vertrat die Beschwerdegegnerin II die Auffassung, daß die Schleusenstation gemäß Merkmal f) des erteilten Anspruchs 1 bekannt sei. Dem ist seitens der Kammer nicht zu folgen:
(D1) und ihr Bild 6 zeigen einen S-förmigen Bandförderer aber nicht mehr; ob damit tatsächlich eine Temperatur- und Lufttrennung im Sinne des Merkmals f) erzielbar ist, bleibt Spekulation, weil (D1) diesbezüglich nichts Konkretes hergibt. Die aus (D7) hergeleitete "Schleusenstation 19'" gemäß Figur 4 entpuppt sich als einfache Wand, die gegebenenfalls eine Luft- aber keine wirksame Temperaturtrennung im Sinne einer "Klimazone", vgl. vorstehenden Abschnitt 3.4, bewirken kann. Spalte 9, Zeile 32 der (D7) spricht deshalb auch von einer Schleusenwandanordnung (und nicht von einer, eine Klimazone darstellenden Schleusenstation).
3.12. Wiederum nicht nachvollziehbar seitens der Kammer sind die Bedenken der Beschwerdegegnerin II im Hinblick auf das Merkmal e) des erteilten Anspruch 1, nämlich "ein oder mehrere Wechselkabinen". Allein die Benennung des Bauteiles läßt nach Überzeugung der Kammer für den Fachmann erkennen, daß bei Farbwechsel die Kabine als Ganzes zu wechseln ist, vgl. Streitpatent, Spalte 7, Zeilen 47 bis 54, da ansonsten eine Farbverschleppung beim Umstellen von einer Farbe auf eine andere Farbe nicht vermeidbar wäre. Die Definition einer "Wechselkabine" als ein und dieselbe Kabine mit Pistolen für unterschiedliche Farben muß für den Fachmann somit als Auslegungsmöglichkeit des Begriffes "Wechselkabine" ausscheiden. Im übrigen verdeutlicht die Beschreibung des Streitpatentes, vgl. Spalte 7, Zeilen 47 bis 54 und letzter Absatz von Spalte 12, was unter Wechselkabine zu verstehen ist ("... ähnlich wie die Wechselkabinen ..., aus der Anlage herausfahrbar ausgebildet sein.")
3.13. Der Hinweis auf (D7), (D9) und (D14) wäre relevant, wenn der erteilte Anspruch 1 auf eine Entstapel/Stapelvorrichtung abgestellt wäre und nicht auf die Einbindung dieser Einzelvorrichtungen in eine komplette Anlage zum Pulverbeschichten, in der das Entstapeln/Stapeln der flachen Teile zwar ein notwendiges Kombinatiosmerkmal ist, nicht aber die erfinderische Leistung für sich begründet bzw. begründen muß. Konkret betreffen (D7) dünnwandige Behälter/Dosen und (D9) ebenfalls nichtflache Blechteile, so daß das Entstapeln und Stapeln ohnehin vor einem anderen Hintergrund zu sehen ist als bei Vorliegen flacher Bauteile. (D14) betrifft das Be- und Entladen eines Förderers mit flachen Bauteilen, so daß insoweit wiederum Einzelmerkmale des erteilten Anspruchs 1 per se bekannt sind. Da dieser Anspruch indes auf ein komplettes Anlagenkonzept mit spezifischer Zielrichtung und spezifischen Wirkungen/Vorteilen abgestellt ist, vgl. einleitende Abschnitte 3.2, 3.3 und 3.4, ist das Bekanntsein von Einzelmerkmalen aus der beanspruchten Anlage zum Pulverbeschichten aufgrund der vorgenannten beiden Entscheidungen nicht patenthindernd.
3.14. Vorstehende Überlegungen zu den Fragen Aggregation/ Kombination von Anspruchsmerkmalen des erteilten Anspruchs 1 und zur Relevanz des hier zu berücksichtigenden Standes der Technik lassen für die Kammer nur den Schluß zu, daß der Fachmann erfinderisch tätig werden mußte, um von (D1) ausgehend, den Gegenstand von Anspruch 1 des Streitpatentes zu schaffen. Der erteilte Anspruch 1 vermag somit den Rechtsbestand des europäischen Patentes Nr 0 405 164 zu begründen. Die Vielzahl der von der Beschwerdegegnerin II ins Feld geführten Entgegenhaltungen war für die Kammer ein weiteres Beweisanzeichen dafür, daß der Fachmann nicht in naheliegender Weise zum Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 kommen konnte, sondern, daß es einer gezielten Auswahl bedurfte, um die gestellte Aufgabe vollständig zu lösen.
3.15. Der unabhängige Verfahrensanspruch (erteilter Anspruch 28) wird in bezug auf die erfinderische Tätigkeit seiner Lehre vom rechtsbeständigen erteilten Anspruch 1 getragen, da er durch den Rückbezug all seine Merkmale umfaßt.
Hilfsanträge 1 und 2
4. Bei gewährbarem Hauptantrag erübrigt sich ein Eingehen auf die Hilfsanträge 1 und 2, die auf Kombinationen der erteilten Ansprüche 1 und 12 bzw. 1, 2 und 12 abgestellt sind.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird in der erteilten Fassung aufrechterhalten.