1.7. Disclaimer
1.7.4 Entscheidungen zur Anwendung der in G 2/10 von der Großen Beschwerdekammer aufgestellten Kriterien – Test betreffend den verbleibenden Gegenstand
In T 1224/14 befand die Kammer, dass eine Änderung zum Ausschluss eines bestimmten Werts aus einem in der ursprünglichen Anmeldung als besonders bevorzugt beschriebenen Bereich gegen die Zulässigkeitskriterien für einen Disclaimer gemäß G 2/10 verstößt.
In T 2130/11 wurde im dritten Hilfsantrag mittels eines Disclaimers eine offenbarte Ausführungsform aus einer generischen Klasse ausgeschlossen. Die Kammer befand, dass der verbleibende Gegenstand weiterhin generisch war und nicht als eine nicht offenbarte Untergruppe betrachtet werden konnte, die mithilfe des Disclaimers herausgegriffen worden wäre; die verbleibende allgemeine Lehre konnte daher nicht als durch den Disclaimer geändert gelten. Ob die Erfindung für den beanspruchten Gegenstand funktionierte und welche Aufgabe damit glaubhaft gelöst wurde, war nicht relevant für die Beurteilung, ob dieser Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausging. Siehe aber auch T 1441/13 und T 1808/13, denen zufolge festgestellt werden muss, ob der im Anspruch verbleibende Erfindungsgegenstand zum Anmeldezeitpunkt verfügbar war.
In T 1577/21 ergab sich der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags aus der Streichung des im ursprünglich eingereichten Anspruch 1 enthaltenen Vorbehalts. Die Streichung eines in der ursprünglich eingereichten Fassung einer Anmeldung explizit offenbarten Vorbehalts/Disclaimers, dass etwas "kein Bestandteil" der Erfindung sei, kann unzulässig sein, wenn die Streichung dazu führt, dass der "Nichtbestandteil" weiterhin teilweise beansprucht wird, oder wenn die Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung als Ganzes keine Offenbarung enthält, aus der der verbleibende beanspruchte Gegenstand unmittelbar und eindeutig herleitbar ist. Im vorliegenden Fall wurde der Erfindungsgegenstand durch den Wegfall des Vorbehalts "sofern diese Pamoasäure oder eines ihrer pharmazeutisch brauchbaren Salze kein pharmazeutischer Wirkstoff ist" nicht unzulässig erweitert. Somit erfüllte der Hauptantrag die Erfordernisse des Art. 123 (2) EPÜ.
In T 1660/22 enthielt der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 5 einen offenbarten Disclaimer. Daher prüfte die Kammer, ob der übrige beanspruchte Gegenstand in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung unmittelbar und eindeutig offenbart war (G 2/10). Die ursprüngliche Offenbarung beinhaltete auch das Verfahren zur Herstellung von Wasserstoff-Bis(fluorosulfonyl)imid ohne Katalysator, denn aus mehreren Absätzen und einem Beispiel der Beschreibung ging hervor, dass die Verwendung eines Katalysators optional war. Der verbleibende Gegenstand, d. h. das Verfahren ohne Katalysator, erfüllte daher den "Goldstandard".