J. VERTRETUNG
J.4 Disziplinarangelegenheiten
Ergänzende Verfahrensordnung der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten des Europäischen Patentamts
Konsolidierte Fassung des im ABl. EPA 1980, 188 veröffentlichen Texts mit Änderungen im ABl. EPA 2007, 548
Die in Artikel 5 Buchstabe c der Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten von zugelassenen Vertretern vom 21. Oktober 1977 (nachstehend "Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten" genannt) vorgesehene Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten des Europäischen Patentamts gibt sich hiermit nach Artikel 25 Absatz 2 dieser Vorschriften anstelle der am 30. November 1979 erlassenen und mit Beschluss des Verwaltungsrats vom gleichen Tag genehmigten vorläufigen ergänzenden Verfahrensordnung folgende ergänzende Verfahrensordnung:
Artikel 1
Geschäftsverteilungsplan
Zu Beginn eines jeden Geschäftsjahres stellt der Vorsitzende der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten einen Plan für die Behandlung aller im Laufe des Jahres eingehenden Beschwerden auf, in dem die Mitglieder und deren Vertreter bestimmt werden, die für die Prüfung aller Beschwerden zuständig sind, und der eine nach Artikel 10 Absatz 4 der Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten erstellte Liste enthält. Der Plan kann im Laufe des Jahres geändert werden.
Artikel 2
Vertretung der Mitglieder
(1) Vertretungsgründe sind insbesondere Interessenskonflikte, Krankheit, Arbeitsüberlastung und unvermeidbare Verpflichtungen.
(2) Will ein Mitglied vertreten werden, so unterrichtet es den Vorsitzenden der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten unverzüglich von seiner Verhinderung.
(3) Der Vorsitzende der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten kann ein anderes rechtskundiges Mitglied der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten nach Maßgabe des Geschäftsverteilungsplans vertretungsweise zum Vorsitzenden für eine bestimmte Beschwerde bestimmen.
Artikel 3
Ausschließung und Ablehnung
(1) Erhält die Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten von einem möglichen Ausschließungs- oder Ablehnungsgrund auf andere Weise als von dem Mitglied oder einem Beteiligten Kenntnis, so entscheidet die Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten ohne Mitwirkung des betroffenen Mitglieds. Bei dieser Entscheidung wird das betroffene Mitglied durch seinen Vertreter ersetzt.
(2) Das betroffene Mitglied wird aufgefordert, sich zu dem Ausschließungsgrund zu äußern.
(3) Vor der Entscheidung über die Ausschließung eines Mitglieds wird das Verfahren in der Sache nicht weitergeführt.
Artikel 4
Der Geschäftsstellenbeamte
Ein Geschäftsstellenbeamter der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts wird als Geschäftsstellenbeamter der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten tätig. Ein weiterer Bediensteter des Europäischen Patentamts wird vom Vorsitzenden der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten zum stellvertretenden Geschäftsstellenbeamten, der bei Verhinderung des Geschäftsstellenbeamten tätig wird, bestellt.
Artikel 5
Berichterstatter
(1) Der Vorsitzende der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten bestimmt für jede Beschwerde ein rechtskundiges Mitglied oder sich selbst als Berichterstatter.
(2) Der Berichterstatter kann Ermittlungen nach den Artikeln 15 und 25 Absatz 1 der Vorschriften in Disziplinarangelegenheiten durchführen; er entwirft Bescheide, führt sonstige Vorarbeiten durch und entwirft Entscheidungen.
(3) Die Entwürfe werden den anderen Mitgliedern der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten vorgelegt, die sie genehmigen oder Änderungen vorschlagen. Kann nach diesem Verfahren keine Einigung erzielt werden, so tritt die Beschwerdekammer zur Beratung der endgültigen Fassung zusammen.
(4) Bescheide werden vom Berichterstatter im Auftrag der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten unterzeichnet.
(5) Der Berichterstatter bereitet die Sitzungen und mündlichen Verhandlungen der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten vor. Er stellt die Fragen zusammen, die einer Klärung bedürfen, und sendet erforderlichenfalls den Beteiligten einen diesbezüglichen Bescheid.
(6) Ist der Berichterstatter der Ansicht, dass seine Kenntnisse der Verfahrenssprache für die Abfassung von Bescheiden oder Entscheidungen nicht ausreichen, so kann er diese in einer anderen Amtssprache des Europäischen Patentamts entwerfen. Die Entwürfe werden vom Europäischen Patentamt in die Verfahrenssprache übersetzt; die Übersetzungen werden vom Berichterstatter oder von einem anderen Mitglied der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten überprüft.
Artikel 6
Einlegung einer Beschwerde
(1) Die Beschwerde hat Namen und Anschrift des Beschwerdeführers zu enthalten und die Entscheidung zu bezeichnen, gegen die Beschwerde eingelegt wird; des Weiteren ist anzugeben, gegen welche Teile der Entscheidung Beschwerde eingelegt wird oder ob gegen die gesamte Entscheidung Beschwerde eingelegt wird und welchen Antrag der Beschwerdeführer stellt. Sie ist von dem Beschwerdeführer oder seinem Vertreter zu unterzeichnen. Ist die Beschwerde von einem Vertreter unterzeichnet, so hat dieser die schriftliche Vollmacht des Beschwerdeführers vorzulegen.
(2) Die Beschwerde sowie jede Beschwerdebegründung können durch Telefax eingereicht werden; innerhalb von zwei Wochen nach dessen Eingang ist jedoch ein unterzeichnetes Schriftstück, das den Inhalt der Beschwerde oder Beschwerdebegründung wiedergibt, nachzureichen.
Artikel 7
Übermittlung von Beschwerdeunterlagen
(1) Der Vorsitzende der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten veranlasst die Übermittlung einer Kopie einer jeden von einem zugelassenen Vertreter eingereichten Beschwerde oder Beschwerdebegründung an den Präsidenten des Rates des Instituts der zugelassenen Vertreter und den Präsidenten des Europäischen Patentamts sowie an den Vorsitzenden des Disziplinarorgans, gegen dessen Entscheidung Beschwerde eingelegt worden ist.
(2) Der Präsident des Rates des Instituts der zugelassenen Vertreter und der Präsident des Europäischen Patentamts stellen sicher, dass eine Kopie einer jeden von ihnen eingereichten Beschwerde oder Beschwerdebegründung unmittelbar dem betroffenen zugelassenen Vertreter oder seinem Vertreter übermittelt wird.
Artikel 8
Niederschrift
(1) Über eine mündliche Verhandlung oder Beweisaufnahme wird von dem Geschäftsstellenbeamten oder einem anderen, vom Vorsitzenden der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten bestimmten Bediensteten des Europäischen Patentamts eine Niederschrift aufgenommen. Regel 124 EPÜ ist auf die Aufnahme der Niederschriften entsprechend anzuwenden.
(2) Der Vorsitzende der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten kann anordnen, dass von einer mündlichen Beweisaufnahme oder mündlichen Erklärungen zusätzlich zur Niederschrift über diese Beweisaufnahme oder Erklärungen eine Tonbandaufnahme angefertigt wird.
Artikel 9
Verfahrenssprache
(1) Die Verfahrenssprache ist diejenige Amtssprache des Europäischen Patentamts, in der das Verfahren vor dem Disziplinarorgan stattgefunden hat, dessen Entscheidung angefochten wird; Regel 4 EPÜ ist jedoch auf Verfahren vor der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten entsprechend anzuwenden.
(2) Ist eine mündliche Verhandlung vorgesehen und hat der betroffene zugelassene Vertreter mindestens zwei Wochen vor dem Termin der mündlichen Verhandlung beantragt, dass in seine eigene Sprache und aus dieser übersetzt wird, so sorgt der Vorsitzende der Beschwerdekammer für Übersetzung.
(3) Falls der betroffene zugelassene Vertreter einen entsprechenden Antrag stellt, erhält er Übersetzungen aller Unterlagen, die sich auf seinen Fall beziehen, in seiner eigenen Sprache und kann sich in seiner eigenen Sprache verteidigen.
Artikel 10
Änderung in der Zusammensetzung der Beschwerdekammer
(1) Ändert sich die Zusammensetzung der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten nach einer mündlichen Verhandlung, so wird jeder Beteiligte unterrichtet, dass auf seinen Antrag eine erneute mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten in ihrer neuen Zusammensetzung stattfindet. Eine erneute mündliche Verhandlung findet auch dann statt, wenn das neue Mitglied dies beantragt und die übrigen Mitglieder der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten damit einverstanden sind.
(2) Das neue Mitglied ist an bereits getroffene Zwischenentscheidungen wie die übrigen Mitglieder gebunden.
(3) Ist ein Mitglied der Beschwerdekammer nach einer Endentscheidung verhindert, so wird es nicht ersetzt. Ist der Vorsitzende verhindert, so unterzeichnet in seinem Auftrag das im Rahmen der Beschwerdekammer dienstältere rechtskundige Mitglied der Kammer, bei gleichem Dienstalter das ältere Mitglied.
Artikel 11
Verbindung von Beschwerdeverfahren
(1) Sind gegen eine Entscheidung mehrere Beschwerden eingelegt worden, so werden sie im selben Verfahren behandelt.
(2) Sind Beschwerden gegen verschiedene Entscheidungen eingelegt worden und ist für deren Behandlung die Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten in der gleichen Zusammensetzung zuständig, so kann die Beschwerdekammer diese Beschwerden mit Zustimmung der Beteiligten in einem gemeinsamen Verfahren behandeln.
Artikel 12
Zurückverweisung an den Disziplinarrat oder den Disziplinarausschuss oder die Prüfungskommission
Weist das Verfahren vor dem Disziplinarorgan, gegen dessen Entscheidung Beschwerde eingelegt worden ist, oder vor der Prüfungskommission wesentliche Mängel auf, so verweist die Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten die Angelegenheit an dieses Organ oder diese Kommission zurück, es sei denn, dass besondere Gründe gegen die Zurückweisung sprechen.
Artikel 13
Mündliche Verhandlung
(1) Ist eine mündliche Verhandlung vorgesehen, so bemüht sich die Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten darum, dass vor der mündlichen Verhandlung die erforderlichen Informationen und Unterlagen eingeholt werden.
(2) Die Beschwerdekammer kann der Ladung zur mündlichen Verhandlung eine Mitteilung beifügen, in der auf Punkte, die von besonderer Bedeutung zu sein scheinen, oder auf die Tatsache, dass bestimmte Fragen nicht mehr strittig zu sein scheinen, hingewiesen wird; die Mitteilung kann auch andere Bemerkungen enthalten, die es erleichtern, dass die mündliche Verhandlung auf das Wesentliche konzentriert wird.
(3) Findet eine mündliche Verhandlung statt, so bemüht sich die Beschwerdekammer darum, dass die Sache am Ende der mündlichen Verhandlung entscheidungsreif ist, sofern nicht besondere Umstände vorliegen.
Artikel 14
Unterrichtung der Beteiligten
Hält die Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten es für zweckmäßig, den Beteiligten ihre Ansicht über die Beurteilung sachlicher oder rechtlicher Fragen mitzuteilen, so hat das so zu geschehen, dass die Mitteilung nicht als bindend für die Beschwerdekammer verstanden werden kann.
Artikel 15
Beratung vor der Entscheidung
Sind nicht alle Mitglieder der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten der gleichen Ansicht über die zu treffende Entscheidung, so findet eine Beratung statt. Bei der Beratung der Beschwerdekammer dürfen mit Ausnahme des Geschäftsstellenbeamten und der gegebenenfalls nach Artikel 9 anwesenden Dolmetscher keine weiteren Personen zugegen sein.
Artikel 16
Reihenfolge bei der Abstimmung
(1) Bei der Beratung der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten äußert zuerst der Berichterstatter und, wenn der Berichterstatter nicht der Vorsitzende ist, zuletzt der Vorsitzende seine Meinung.
(2) Die gleiche Reihenfolge gilt für Abstimmungen; auch wenn der Vorsitzende Berichterstatter ist, so stimmt er zuletzt ab. Stimmenthaltungen sind nicht zulässig
Artikel 17
Entscheidungen
Wird durch die Entscheidung nicht die Zurückweisung der Angelegenheit bestätigt oder die Angelegenheit nach Artikel 12 zurückverwiesen, so ist in der Entscheidung anzugeben, welche berufliche Regel verletzt, und, gegebenenfalls, welche nach Artikel 4 Buchstabe c der Vorschriften über die Errichtung eines Instituts der beim Europäischen Patentamt zugelassenen Vertreter ausgesprochene Empfehlung nicht befolgt worden ist. Regel 102 EPÜ ist entsprechend anzuwenden.
Artikel 18
Veröffentlichung von Entscheidungen
Es liegt im Ermessen der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten, ob Entscheidungen veröffentlicht werden; die Beteiligten und der Anzeigeerstatter werden jedoch nicht benannt, es sei denn, sie erklären sich mit der Bekanntgabe ihrer Namen einverstanden.
Artikel 19
Inkrafttreten
Diese ergänzende Verfahrensordnung tritt am Tag ihrer Genehmigung durch den Verwaltungsrat der Europäischen Patentorganisation in Kraft. Mit Inkrafttreten dieser ergänzenden Verfahrensordnung tritt die ergänzende Verfahrensordnung der Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten, die am 30. November 1979 von dieser Beschwerdekammer erlassen und mit Beschluss des Verwaltungsrats der Europäischen Patentorganisation vom gleichen Tag genehmigt worden ist, außer Kraft.
Geschehen zu München am 9. April 1980
Für die Beschwerdekammer in Disziplinarangelegenheiten des Europäischen Patentamts
Der Vorsitzende
G. TROTTA