Information
Cette décision n'est disponible qu'en Anglais.
T 2175/15 23-06-2023
Téléchargement et informations complémentaires:
Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit - Antrag zulässig (ja)
Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit - Antrag begründet (nein)
Sachverhalt und Anträge
I. Diese Entscheidung behandelt den fünften Befangenheitsantrag der Einsprechenden im vorliegenden Beschwerdeverfahren. Er ist gerichtet gegen das Kammermitglied X in seiner Eigenschaft als Mitglied der Ersatzkammer, welche über den vorangegangenen (vierten) Befangenheitsantrag der Einsprechenden gegen das Kammermitglied Y in dessen Eigenschaft als Mitglied der Ersatzkammer zu entscheiden hat, welche wiederum für die Entscheidung über den vorangegangenen (dritten) Befangenheitsantrag der Einsprechenden gegen die Mitglieder der Kammer in ihrer ursprünglichen Besetzung zuständig ist.
II. Das Beschwerdeverfahren betraf ursprünglich die Beschwerden der Patentinhaber sowie der Einsprechenden gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung vom 21. September 2015, das Patent in geändertem Umfang aufrechtzuerhalten.
III. In der mündlichen Verhandlung am 21. Januar 2021 vor der Kammer in ihrer ursprünglichen Besetzung ließ die Kammer den in der mündlichen Verhandlung durch die Patentinhaber gestellten Hilfsantrag I gemäß Artikel 13 (1) und (3) VOBK 2007 in das Verfahren zu und beschloss, die mündliche Verhandlung zu vertagen. Beide Beteiligte stellten in der mündlichen Verhandlung einen Antrag auf anderweitige Kostenverteilung zum Nachteil des jeweils anderen Beteiligten.
IV. Mit Schriftsatz vom 12. April 2021 lehnte die Einsprechende die Mitglieder der Kammer gemäß Artikel 24 (3) EPÜ wegen der Besorgnis der Befangenheit ab (erster Befangenheitsantrag). Dieser Antrag wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Kammer durch die Zulassung des Hilfsantrags I in das Verfahren die für sie verbindliche Verfahrensordnung willentlich und wissentlich missachtet habe, um den Patentinhabern einen ungebührlichen Vorteil zu verschaffen.
V. Die Kammer in ihrer ursprünglichen Besetzung lud zu einer neuen mündlichen Verhandlung und führte in ihrer Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 vom 29. Oktober 2021 unter anderem aus, dass in der mündlichen Verhandlung über die Frage der Zulässigkeit des ersten Befangenheitsantrags zu entscheiden sei. Die Kammer führte auch aus, welche Kriterien in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen seien.
VI. Mit Schriftsatz vom 24. Dezember 2021 lehnte die Einsprechende daraufhin die Mitglieder der Kammer gemäß Artikel 24 (3) EPÜ erneut wegen der Besorgnis der Befangenheit ab (zweiter Befangenheitsantrag). Dieser Antrag wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Kammer in ihrer Mitteilung vom 29. Oktober 2021 an die Zulässigkeit des ersten Befangenheitsantrags Anforderungen angesetzt habe, die über das EPÜ hinausgingen und in der einschlägigen Rechtsprechung keine Grundlage fänden. Dies sei nur mit der absichtlichen Missachtung der der Einsprechenden zustehenden Rechte zu erklären.
VII. Zum Zwecke der Entscheidung über den zweiten Befangenheitsantrag wurde eine Ersatzkammer mit drei neuen Mitgliedern gebildet, zu denen unter anderem Y und X gehörten. Die Ersatzkammer hat mit Zwischenentscheidung vom 1. April 2022 entschieden, dass der zweite Befangenheitsantrag zulässig, aber unbegründet sei. Im Rahmen ihrer Begründung führte die Ersatzkammer unter anderem aus, dass sie die herrschende Rechtsprechung der Beschwerdekammern teile, wonach Mitglieder einer Kammer bei der Entscheidung über die Zulässigkeit eines gegen sie gestellten Befangenheitsantrags mitwirken könnten.
VIII. Gegen diese Zwischenentscheidung der Ersatzkammer hat die Einsprechende mit Schriftsatz vom 14. Juni 2022 einen Antrag auf Überprüfung gemäß Artikel 112a (2) c) EPÜ durch die Große Beschwerdekammer gestellt. Hierin macht die Einsprechende unter anderem geltend, dass ihr Anspruch auf rechtliches Gehör (auch) insofern verletzt worden sei, als dass ihre schriftlich vorgebrachten Argumente bezüglich der Frage, ob eine Kammer in ihrer ursprünglichen Besetzung die Zulässigkeit eines gegen sie gerichteten Befangenheitsantrags prüfen dürfe, in der Zwischenentscheidung der Ersatzkammer sachlich nicht gewürdigt worden seien. Die Große Beschwerdekammer hat bisher über den Antrag auf Überprüfung der Zwischenentscheidung vom 1. April 2022 (Aktenzeichen R XX/YY) noch nicht entschieden.
IX. Die Patentinhaber haben mit Schriftsatz vom 4. Juli 2022 sowie die Einsprechende mit Schriftsatz vom 7. Juli 2022 ihre Beschwerden zurückgenommen. Aufrechterhalten blieben unter anderem die jeweiligen Kostenauferlegungsanträge der Beteiligten sowie der erste Befangenheitsantrag der Einsprechenden.
X. Die Kammer in ihrer ursprünglichen Besetzung hat erneut zu einer mündlichen Verhandlung geladen und der Ladung eine Mitteilung gemäß Artikel 15 (1) VOBK 2020 vom 29. September 2022 beigefügt. Hierin führte sie unter anderem mit Verweis auf die insofern gefestigte Rechtsprechung der Beschwerdekammern aus, dass sie sich als zuständig für die Frage der Zulässigkeit des ersten Befangenheitsantrags der Einsprechenden ansehe und beabsichtige, hierüber zu entscheiden. Die Kammer machte auch Ausführungen zu den Kostenauferlegungsanträgen der Beteiligten und zu den aus ihrer Sicht für die Entscheidung hierüber zu berücksichtigenden Umständen.
XI. Die Einsprechende hat mit Schriftsatz vom 7. Dezember 2022 für den Fall, dass die Mitteilung der Kammer vom 29. September 2022 die Auffassung sämtlicher Kammermitglieder wiedergebe, einen (dritten) Befangenheitsantrag nach Artikel 24 (3) EPÜ gegen alle drei Mitglieder der Kammer in ihrer ursprünglichen Besetzung gestellt. Dieser Antrag wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Inhalt der Mitteilung den Verdacht sowohl der Parteilichkeit als auch der Willkür zulasse. Die Einsprechende rügte unter anderem, dass die Kammer in ihrer Mitteilung gezeigt habe, dass sie nicht gewillt sei, sich mit den rechtlichen Argumenten der Einsprechenden zu der Frage der Entscheidungsbefugnis der abgelehnten Mitglieder über die Zulässigkeit des ersten Befangenheitsantrags auseinanderzusetzen. Die fehlende Auseinandersetzung sei eine eklatante Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör.
XII. Für die von der Einsprechenden als befangen abgelehnten Mitglieder der Kammer wurde für die Prüfung nach Artikel 24 (3) EPÜ in Anwendung von Artikel 24 (4) EPÜ in Verbindung mit Artikel 5 und Artikel 2, Abschnitt "Beschwerdekammer 3.X.X", des Geschäftsverteilungsplans für 2023 ("GVP 2023", Stand 1. Januar 2023; Zusatzpublikation 1, ABl. EPA 2023, Seiten 17 ff.) eine Ersatzkammer gebildet, zu der unter anderem Y als Vorsitzender gehörte. Die abgelehnten Mitglieder der Kammer in ihrer ursprünglichen Besetzung haben jeweils eine Stellungnahme gemäß Artikel 3 (2) VOBK 2020 abgegeben, welche den Beteiligten zur Kenntnis gebracht wurde. In diesen Stellungnahmen haben die als befangen abgelehnten Kammermitglieder jeweils angegeben, dass sie keinen Grund erkennen könnten, warum sie als befangen angesehen werden müssten.
XIII. Mit Schriftsatz vom 3. Mai 2023 hat die Einsprechende gegen Y einen (vierten) Befangenheitsantrag gemäß Artikel 24 (3) EPÜ gestellt. Die Begründung entspricht derjenigen für den fünften Befangenheitsantrag (siehe unten Ziffer XVIII.).
XIV. Als Vertreter von Y wurde für die Prüfung nach Artikel 24 (3) EPÜ in Anwendung der in Ziffer XII. oben genannten Vorschriften des GVP 2023, Stand 1. März 2023, X bestimmt. Y hat eine Stellungnahme gemäß Artikel 3 (2) VOBK 2020 abgegeben, welche den Beteiligten zur Kenntnis gebracht wurde. In dieser Stellungnahme hat er angegeben, dass er in dem Vortrag der Einsprechenden nichts erkennen könnte, woraus sich ergeben sollte, dass er als befangen angesehen werden müsste.
XV. Mit Schriftsatz vom 25. Mai 2023 hat die Einsprechende mit ihrem (fünften) Befangenheitsantrag gemäß Artikel 24 (3) EPÜ X als befangen abgelehnt.
XVI. Als Vertreter von X wurde für die Prüfung nach Artikel 24 (3) EPÜ in Anwendung der in Ziffer XII. oben genannten Vorschriften des GVP 2023, Stand 1. März 2023, Z bestimmt. X hat eine Stellungnahme gemäß Artikel 3 (2) VOBK 2020 abgegeben, welche den Beteiligten zur Kenntnis gebracht wurde. In dieser Stellungnahme hat er angegeben, dass er in Anbetracht der Ausführungen der Einsprechenden, der Zwischenentscheidung vom 1. April 2022 und seines Bestrebens, seine ihm anvertrauten Aufgaben stets in Übereinstimmung mit dem EPÜ und den in den Vertragsstaaten allgemein anerkannten Grundsätzen des Verfahrensrechts unparteiisch auszuüben, nicht erkennen könne, warum er sich als befangen ansehen sollte.
XVII. Auf Antrag der Patentinhaber fand am 23. Juni 2023 eine mündliche Verhandlung statt, die aufgrund der Entscheidung der Kammer gemäß Artikel 116 (4) EPÜ nichtöffentlich war. Die Einsprechende beantragte abschließend, X (im Folgenden: "das als befangen abgelehnte Kammermitglied") wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Die Patentinhaber stellten keinen Antrag.
XVIII. Die Argumente der Einsprechenden lassen sich wie folgt zusammenfassen:
a) Das als befangen abgelehnte Kammermitglied habe bei der Zwischenentscheidung der Ersatzkammer vom 1. April 2022 mitgewirkt und in dieser Zwischenentscheidung den Anspruch der Einsprechenden auf rechtliches Gehör bewusst und gewollt versagt. Dies stelle einen äußerst schwerwiegenden Verstoß dar, der für sich allein bereits die objektive Besorgnis der Befangenheit begründe.
b) Der Umstand, dass nicht sicher sei, dass das als befangen abgelehnte Kammermitglied die Zwischenentscheidung vom 1. April 2022 im beanstandeten Abschnitt inhaltlich mitgetragen habe und hierbei nicht von den beiden anderen Kammermitgliedern überstimmt worden sei, sei unerheblich. Der Anschein der Befangenheit sei bereits durch seine bloße Eigenschaft als Mitglied der Kammer, die die fragliche Entscheidung getroffen hat, gegeben; andernfalls könnten Umstände, die im konkreten Inhalt einer Entscheidung begründet seien, nie zur Ablehnung führen. Die Einsprechende habe einen Befangenheitsantrag auch gegen zwei der drei Kammermitglieder, die die Entscheidung getroffen haben, gestellt, so dass mindestens eines dieser beiden Mitglieder die Entscheidung in ihrem beanstandeten Abschnitt unterstützt haben musste. Das als befangen abgelehnte Kammermitglied hätte seine gegebenenfalls inhaltlich abweichende Meinung außerdem entweder in der Entscheidung selbst als Erwägung einer Minderheit ("dissenting opinion") oder aber in seiner Stellungnahme gemäß Artikel 3 (2) VOBK 2020 zum Ausdruck bringen können.
c) Das als befangen abgelehnte Kammermitglied müsste im Rahmen der Entscheidung über den dritten Befangenheitsantrag gegen die Mitglieder der Kammer in ihrer ursprünglichen Besetzung über ein Verhalten dieser ursprünglichen Kammer urteilen, welches ihm aufgrund seines in Ziffer a) geschilderten Verhaltens in gleicher Weise vorgeworfen werden könne. Das als befangen abgelehnte Kammermitglied müsste also de facto oder mittelbar über sein eigenes, identisches Verhalten und die Frage, inwieweit dieses Verhalten einen schweren Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör darstellte, entscheiden. Niemand könne aber unbefangen über sein eigenes Verhalten urteilen.
d) Der Vorwurf gegen das hier als befangen abgelehnte Kammermitglied beziehe sich nicht auf eine bloße Sachentscheidung, die von Entscheidungsträgern stets aufgrund besserer Argumente in nachfolgenden Verfahren unbefangen überdacht werden könnten. Problematisch sei hier nicht das Ergebnis einer Entscheidung, sondern die bewusste Versagung des Anspruchs auf rechtliches Gehör als fundamentaler Vorwurf, der im selben Verfahren stattgefunden habe und auch Gegenstand des anhängigen Antrags auf Überprüfung durch die Große Beschwerdekammer sei (siehe oben Ziffer VIII.). Möge es im Einzelfall Personen geben, die über den Dingen stünden und die menschliche Größe hätten, ein solches Fehlverhalten einzuräumen, so sei doch zumindest der objektive Anschein gegeben, dass ein Entscheidungsträger, dem ein solches gravierendes Fehlverhalten vorgeworfen werde, nicht mehr unbefangen über die Frage entscheiden könne, ob Dritte genau dasselbe Fehlverhalten an den Tag gelegt hätten.
e) Es sei irrelevant, dass sich die beiden zu vergleichenden Sachverhalte insofern unterschieden, als dass sich das dem als befangen abgelehnten Kammermitglied vorgeworfene Verhalten aus dem Inhalt einer Entscheidung ergebe, während sich das den ursprünglichen Kammermitgliedern vorgeworfene Verhalten aus dem Inhalt eines Ladungsbescheids ergebe, der lediglich deren vorläufige Meinung wiedergebe: Das als befangen abgelehnte Kammermitglied habe in jedem Fall als notwendige Vorfrage zu klären, ob im Ladungsbescheid der Kammer die Argumente der Einsprechenden bezüglich der fehlenden Entscheidungsbefugnis als befangen abgelehnter Mitglieder über die Zulässigkeit des Ablehnungsantrages ignoriert worden seien und damit der Anspruch der Einsprechenden auf rechtliches Gehör in derselben bewussten Weise verletzt worden sei wie in der Zwischenentscheidung vom 1. April 2022. Dass die ursprüngliche Kammer in ihrem Ladungsbescheid angekündigt habe, den Anspruch der Einsprechenden auf rechtliches Gehör durch Ignorieren ihrer Argumente zu verletzen (siehe oben Ziffer XI.) sei bereits ausreichender Ausdruck der Voreingenommenheit; die Einsprechende sei daher nicht gehalten gewesen abzuwarten, dass die ursprüngliche Kammer ihre Ankündigung in die Tat umsetze und den Anspruch auf rechtliches Gehör tatsächlich verletze.
XIX. Die Argumente der Patentinhaber lassen sich wie folgt zusammenfassen:
a) Der Befangenheitsantrag sei bereits nicht zulässig, da er offensichtlich unbegründet sei. Es sei aus der Tatsache, dass das als befangen abgelehnte Kammermitglied bei der Zwischenentscheidung vom 1. April 2022 mitgewirkt habe, prima facie nicht erkennbar, dass dieses Mitglied bei der Entscheidung über den dritten Befangenheitsantrag gegenüber der Kammer in ihrer ursprünglichen Besetzung befangen sei.
b) Der bloße Verdacht, dass das als befangen abgelehnte Kammermitglied die Zwischenentscheidung vom 1. April 2022 im beanstandeten Abschnitt positiv unterstützt habe, reiche für die objektive Besorgnis der Befangenheit nicht aus. Es sei fraglich, ob die Verfahrensordnung der Beschwerdekammern überhaupt Erwägungen einer Minderheit in einer Entscheidung einer technischen Beschwerdekammer vorsehe; den Patentinhabern sei jedenfalls keine solche Entscheidung bekannt.
c) Es liege in der Natur der Sache, dass Beschwerdekammermitglieder im Laufe ihrer Tätigkeit in zahlreichen Verfahren mitwirkten und hier in bestimmten Fragen für einen Beteiligten negative Entscheidungen träfen. Es könne nicht sein, dass Beschwerdekammermitglieder in einem aktuellen Verfahren, in dem sich dieselben Fragen stellten wie in einem vorangegangenen Verfahren, stets wegen Besorgnis der Befangenheit ersetzt werden müssten, weil sie bereits in einem vorangegangenen Verfahren eine für einen Beteiligten des aktuellen Verfahrens negative Auffassung vertreten haben.
d) Die von der Einsprechenden behauptete Ankündigung der Kammer im beanstandeten Ladungsbescheid, den Anspruch der Einsprechenden auf rechtliches Gehör zu verletzen, könne aufgrund der vorläufigen Natur der im Ladungsbescheid geäußerten Meinung zwangsläufig noch keinen Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör darstellen. Es stünde daher noch nicht fest, ob dieser Anspruch der Einsprechenden tatsächlich verletzt werde. Darüber hinaus bedeute eine etwaige Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör noch nicht zwangsläufig, dass die Kammermitglieder gleichzeitig befangen seien. Aus dem Inhalt des fraglichen Ladungsbescheids könne daher kein Schluss auf die Befangenheit der Kammermitglieder gezogen werden. Aus diesem Grund müsse also das als befangen abgelehnte Kammermitglied nun über einen anderen Sachverhalt entscheiden (Befangenheit der ursprünglichen Kammermitglieder aufgrund des Inhalts des Ladungsbescheids), als ihm selbst von der Einsprechenden vorgeworfen werde (bewusste Versagung des rechtlichen Gehörs in der Zwischenentscheidung). Es bestünden demnach zwei unterschiedliche Situationen, so dass das als befangen abgelehnte Mitglied gerade nicht faktisch über sein eigenes Verhalten urteilen müsse.
Entscheidungsgründe
1. Zulässigkeit des fünften Befangenheitsantrags
1.1 Eine zentrale Rolle im Rahmen der fünf Befangenheitsanträge der Einsprechenden spielt die Frage, ob gemäß Artikel 24 (3) EPÜ als befangen abgelehnte Kammermitglieder bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des gegen sie gerichteten Befangenheitsantrags mitwirken dürfen (so die ständige Rechtsprechung der Beschwerdekammern, vgl. Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 10. Aufl. 2022 ("RSBK"), III.J.3.1), oder ob - so die Auffassung der Einsprechenden - hierfür stets gemäß Artikel 24 (4) EPÜ eine Ersatzkammer ohne die abgelehnten Mitglieder gebildet werden muss.
1.2 Diese Frage kann vorliegend offen bleiben. Deren Beantwortung hätte nämlich nur dann eine praktische Auswirkung auf den weiteren Verfahrensverlauf in Bezug auf einen Befangenheitsantrag, wenn die Kammer in ihrer ursprünglichen Besetzung sowohl ihre Zuständigkeit für die Entscheidung über die Zulässigkeit eines Befangenheitsantrags bejaht, als auch dessen Zulässigkeit im Anschluss verneint. Andernfalls kommt es stets zur (von der Einsprechenden als notwendig erachteten) Bildung einer Ersatzkammer, die über den Befangenheitsantrag im Ergebnis entscheidet. Letzteres ist vorliegend der Fall, da gemäß Artikel 24 (4) EPÜ eine Ersatzkammer ohne das mit dem fünften Befangenheitsantrag abgelehnte Kammermitglied gebildet wurde (siehe oben Ziffer XVI.).
1.3 Es entspricht dabei ständiger Rechtsprechung (vgl. RSBK, III.J.3.1), dass die Ersatzkammer die Frage der Zulässigkeit des Befangenheitsantrags von Amts wegen und damit unabhängig von der (etwaigen) vorangegangenen Entscheidung hierüber durch die Kammer in ihrer ursprünglichen Besetzung zu prüfen hat.
1.4 In Artikel 24 (3) Sätze 2 und 3 EPÜ sind zwei ausdrückliche Zulässigkeitskriterien enthalten (der den Ablehnungsantrag stellende Beteiligte darf keine Verfahrenshandlungen vorgenommen haben, obwohl sie bereits den Ablehnungsgrund kannte; die Ablehnung darf nicht mit der Staatsangehörigkeit der Mitglieder begründet werden), welche vorliegend offensichtlich erfüllt sind.
1.5 Die Rechtsprechung der Beschwerdekammern verlangt darüber hinaus als ein weiteres, ungeschriebenes Zulässigkeitskriterium unter anderem, dass eine Ablehnung ausreichend substantiiert sein muss und nicht auf rein subjektiven, unbegründeten Zweifeln basieren darf (vgl. RSBK, III.J.3.3). Hierauf scheinen sich die Patentinhaber mit ihrer Auffassung, dass der Befangenheitsantrag offensichtlich unbegründet und damit unzulässig sei (siehe oben Ziffer XIX.a)), zu stützen.
1.6 Die Einsprechende hat vorliegend ihren Befangenheitsantrag ausführlich und sachlich begründet und sich hierbei zum einen auf Tatsachen gestützt, die sich aus der Begründung der Zwischenentscheidung vom 1. April 2022 ergeben (siehe oben Ziffer XVIII.a)), zum anderen auf einen Erfahrungssatz, dessen Anwendbarkeit sie ebenfalls aus dem Vorliegen bestimmter Tatsachen folgert (siehe oben Ziffer XVIII.c)). Die Kammer kann hierin nicht auf den ersten Blick ein Vorbringen von rein subjektiven Zweifeln erkennen. Ebenso wenig kann auf den ersten Blick gesagt werden, dass die Begründung der Einsprechenden den Befangenheitsantrag nicht trägt und dieser damit offensichtlich unbegründet ist. Tatsächlich bedarf es einer eingehenden Prüfung, ob die vorgebrachten Gründe überzeugen; dies ist nicht eine Frage der Zulässigkeit, sondern der Begründetheit.
1.7 Im Ergebnis erachtet daher die Kammer den fünften Befangenheitsantrag als zulässig.
2. Begründetheit des fünften Befangenheitsantrags
2.1 Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern (siehe RSBK, III.J.1.5) ist die Frage der Befangenheit eines abgelehnten Kammermitglieds anhand folgender zwei Prüfungen zu bestimmen:
- Erstens ist eine "subjektive" Prüfung durchzuführen, die Beweise einer tatsächlichen Befangenheit des betreffenden Kammermitglieds erfordert.
- Zweitens ist eine "objektive" Prüfung durchzuführen, bei der die Kammer beurteilt, ob die Umstände des Falls Anlass zu einer objektiv berechtigten Besorgnis der Befangenheit geben.
2.2 Die Einsprechende hat keinen Beweis für eine tatsächliche Befangenheit des abgelehnten Kammermitglieds vorgebracht. Vielmehr stützt sie sich auf Umstände, die ihrer Ansicht nach eine objektiv berechtigte Besorgnis der Befangenheit begründen. Letztere ist daher im Rahmen einer objektiven Prüfung zu beurteilen, für die die nachfolgend dargestellten Grundsätze gelten.
2.2.1 Es ist zu fragen, ob eine vernünftige, objektive und informierte Person angesichts der Sachlage mit gutem Grund befürchten würde, dass der Richter den Fall nicht unvoreingenommen behandeln wird; ein vernünftiger Betrachter müsste somit unter Berücksichtigung der Umstände des Falls zu dem Schluss gelangen, dass der Beteiligte die Unbefangenheit des abgelehnten Kammermitglieds mit gutem Grund in Zweifel ziehen könnte (vgl. G 1/05 vom 7. Dezember 2006, ABl. EPA 2007, 362, Gründe 20).
2.2.2 Eine den Ausschluss rechtfertigende Befangenheit setzt dabei voraus, dass ein an der Entscheidung mitwirkendes Kammermitglied einem Beteiligten gegenüber voreingenommen ist, also ein Beteiligter bewusst begünstigt wird, indem ihm Rechte eingeräumt werden, die ihm nicht zustehen, oder wenn die Rechte des anderen Beteiligten absichtlich missachtet werden. Mängel, Fehlverhalten oder Verfahrensfehler, so schwerwiegend sie auch sein mögen, können eine Ablehnung wegen Befangenheit nicht begründen, soweit sie nicht auf Voreingenommenheit oder Vorsatz zurückzuführen sind (vgl. RSBK, III.J.5.3.2).
2.2.3 Soweit eine Mitteilung der Kammer Gegenstand eines Befangenheitsantrags ist, so ist die darin erfolgte Äußerung einer vorläufigen Auffassung vor dem Hintergrund, dass die Meinungsbildung zu den wichtigsten Aufgaben einer Kammer zählt, grundsätzlich nicht als parteiisch anzusehen; ein Befangenheitsantrag kann folglich hierauf nicht erfolgreich gestützt werden (vgl. RSBK, III.J.5.3.1 und III.J.6.2.3). Etwas anderes gilt nach Auffassung der Ersatzkammer gemäß ihrer im hiesigen Verfahren getroffenen Zwischenentscheidung vom 1. April 2022 (vgl. Gründe 4.3.1) nur, wenn die vorläufigen Aussagen in der Mitteilung
- einen Beteiligten bevorzugen, etwa indem die Kammer Hinweise gibt, die nicht von Artikel 114 (1) EPÜ gedeckt sind,
- nicht sachlich gehalten sind, also etwa abwertende Bemerkungen im Hinblick auf einen Beteiligten oder dessen Vertreter enthalten, oder
- eine Rechtsanwendung darstellen, welche so grob falsch ist, dass sie den Schluss auf Willkür zulässt.
2.3 In Anwendung der vorgenannten Grundsätze ist im Folgenden die Begründetheit des fünften Befangenheitsantrags zu prüfen.
2.3.1 Der oben in Ziffer XVIII.a) zusammengefasste erste Grund, warum die Einsprechende das abgelehnte Kammermitglied für befangen hält, beruht auf folgender Argumentation:
- In der Zwischenentscheidung der Ersatzkammer vom 1. April 2022 habe das als befangen abgelehnte Kammermitglied den Anspruch der Einsprechenden auf rechtliches Gehör im Sinne von Artikel 113 (1) EPÜ unter anderem dadurch verletzt, dass es die schriftlich vorgebrachten Argumente der Einsprechenden bezüglich der Frage, ob eine Kammer in ihrer ursprünglichen Besetzung die Zulässigkeit eines gegen sie gerichteten Befangenheitsantrags prüfen dürfe, sachlich nicht gewürdigt habe (vgl. insofern auch den in Ziffer VIII. oben geschilderten Gegenstand des Überprüfungsantrags der Einsprechenden an die Große Beschwerdekammer).
- Diese Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör als wesentlicher Verfahrensfehler sei durch das als befangen abgelehnte Kammermitglied bewusst und gewollt, also vorsätzlich begangen worden: Aus der Entscheidung gehe nämlich klar hervor, dass die Begründungsbedürftigkeit der von der Ersatzkammer vertretenen Meinung erkannt worden sei, und dennoch sei bewusst auf eine solche Begründung verzichtet worden. Hierin sei bereits eine objektiv berechtigte Besorgnis der Befangenheit begründet.
2.3.2 Der Argumentation der Einsprechenden liegt die Annahme zugrunde, dass feststeht oder zumindest unterstellt werden kann, dass das als befangen abgelehnte Kammermitglied als Teil der mit drei Mitgliedern besetzten Ersatzkammer die behauptete, im Begründungsmangel der Zwischenentscheidung liegende vorsätzliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör positiv mitgetragen hat. Die Kammer hat insofern jedoch Zweifel.
a) Tatsächlich ist es nämlich ohne Weiteres denkbar, dass das als befangen abgelehnte Kammermitglied im Rahmen der internen Abstimmung über die zu treffende Entscheidung in der hier relevanten Frage (siehe oben Ziffern 1.1 und 2.3.1, erster Spiegelstrich) eine zu der getroffenen Entscheidung gegensätzliche Auffassung vertreten hat oder zumindest im Rahmen der Abfassung der konkreten Entscheidungsgründe hierfür - unterstellt, es läge tatsächlich eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör vor - eine im Hinblick auf Artikel 113 (1) EPÜ ausreichende Begründung im hier streitigen Punkt befürwortet hat, in beiden Alternativen aber insofern von den anderen beiden Mitgliedern der Ersatzkammer überstimmt wurde. Der die Befangenheit stützende Vorwurf der Voreingenommenheit würde in diesem Fall für das abgelehnte Kammermitglied tatsächlich nicht zutreffen.
b) Die Einsprechende verwies für die gerade genannten Konstellationen auf die Möglichkeit, eine "dissenting opinion" des nicht einverstandenen Kammermitglieds in die Entscheidungsgründe aufzunehmen (siehe oben Ziffer XVIII.b)). Dieses Argument überzeugt die Kammer nicht, da - im Unterschied zu Artikel 18 (2) der Verfahrensordnung der Großen Beschwerdekammer (VOGBK) - die Verfahrensordnung der Beschwerdekammern eine solche Aufnahme von Erwägungen einer Minderheit in Entscheidungen einer technischen Beschwerdekammer gerade nicht vorsieht (argumentum e contrario). Und selbst wenn man gleichwohl diese Möglichkeit bejahte und gegebenenfalls Artikel 18 (2) VOGBK analog heranzöge, dürften gemäß Satz 2 dieser Vorschrift die Namen der die Minderheit bildenden Kammermitglieder nicht angegeben werden. Diese Regelung soll offensichtlich das durch Artikel 16 (1) Satz 2 VOGBK und durch Artikel 19 (1) Satz 3 VOBK 2020 ausdrücklich vorgesehene Beratungsgeheimnis schützen.
c) Aus demselben Grund überzeugt auch nicht das weitere Argument der Einsprechenden, wonach das als befangen abgelehnte Kammermitglied in seiner Stellungnahme zum Ablehnungsantrag gemäß Artikel 3 (2) VOBK 2020 den oben in Punkt a) geschilderten möglichen Sachverhalt hätte offenlegen können: Eine solche Offenlegung würde das für Mitglieder der Beschwerdekammern zwingend gebotene Beratungsgeheimnis verletzen.
d) Der Einsprechenden ist darin zuzustimmen, dass Befangenheitsanträge im Ergebnis nie auf Umstände, die sich aus formalen Entscheidungen oder deren konkreten Begründung ergeben, gestützt werden könnten, wenn man die oben in Punkt a) geschilderten Bedenken durchgreifen ließe. Um dieses Ergebnis zu vermeiden, sei der Einsprechenden zufolge ein ausreichender "Anschein" der Befangenheit bereits dann als gegeben anzunehmen, wenn das für befangen erklärte Kammermitglied lediglich Teil des Spruchkörpers sei, der die fragliche Entscheidung getroffen hat. Die Patentinhaber haben hiergegen zu Recht eingewandt, dass damit letztlich nur ein Verdacht geäußert wird, dass das abgelehnte Kammermitglied das beanstandete Verhalten an den Tag gelegt haben könnte. In der Tat könnte hier der Auffassung der Einsprechenden entgegengehalten werden, dass sich die Frage des Anscheins der Befangenheit erst dann stellt, wenn ein bestimmtes Verhalten des abgelehnten Kammermitglieds positiv feststeht, und dass ohne eine solche Feststellung noch keine "objektiv berechtigte" Besorgnis der Befangenheit vorliegen kann.
e) Vor dem Hintergrund der nachfolgenden Ausführungen muss die Kammer aber letztlich nicht entscheiden, ob der erste Argumentationsstrang der Einsprechenden bereits an den oben in Punkt a) geschilderten Bedenken scheitert.
2.3.3 Die erkennende Kammer kann nämlich jedenfalls keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür erkennen, dass die (Mehrheit der) Mitglieder der Ersatzkammer in der Zwischenentscheidung vom 1. April 2022 eine - hier zu Diskussionszwecken unterstellte - Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör vorsätzlich begangen und hierdurch ihre vermeintliche Voreingenommenheit gegenüber der Einsprechenden zum Ausdruck gebracht haben.
a) In den Ziffern XI. bis XIII. der genannten Entscheidung hat die Ersatzkammer wie folgt den Vortrag der Einsprechenden im Zusammenhang mit der hier maßgeblichen Problemstellung zusammengefasst:
"XI. Zunächst liege keine Entscheidungsbefugnis der Beschwerdekammer in der ursprünglichen Besetzung über die Zulässigkeit vor (Abschnitt A.1).
XII. Artikel 24 (4) EPÜ definiere kein Verfahren, welches durch die ursprüngliche Beschwerdekammer erst eröffnet würde, wenn ein zulässiger Antrag nach Artikel 23 (3) EPÜ vorliege, sondern gebe lediglich an, in welcher Besetzung die Beschwerdekammer über einen solchen Antrag zu entscheiden habe. Diese Regelung des Artikel 24 (4) EPÜ beziehe sich dabei allgemein auf 'Fälle der Absätze 2 und 3' und damit ersichtlich auch auf die Frage der in Artikel 24 (3) EPÜ geregelten Zulässigkeit.
XIII. Des Weiteren wäre eine Prüfung der Zulässigkeit der Ablehnung durch die Kammer in ihrer ursprünglichen Besetzung auch mit der ratio legis des Art. 24 (4) EPÜ ersichtlich nicht vereinbar. Denn Sinn und Zweck dieser Zuständigkeitsregelung sei es gerade, dass ein Mitglied der Beschwerdekammern, welches wegen Befangenheit abgelehnt werde, an der Entscheidung über diesen Ablehnungsantrag nicht beteiligt sein dürfe, da die besorgte Befangenheit auch diese Entscheidung zu Ungunsten des Antragstellers beeinflussen könnte. Die gegenteilige Meinung aus T 1028/96 (vom 15. September 1999, ABl. EPA 2000, 475, siehe Nr. 1) könne nicht überzeugen."
b) Die maßgeblichen Ausführungen der Ersatzkammer hierzu in den Entscheidungsgründen, Ziffer 2.3, lauten wie folgt:
"2.3 Ihr diesbezüglich erstes Argument in Abschnitt A.1 ist, es liege keine Entscheidungsbefugnis der Beschwerdekammer in der ursprünglichen Besetzung über die Zulässigkeit vor. Insbesondere wäre eine solche Prüfung mit der ratio legis des Art. 24 (4) EPÜ nicht vereinbar, wonach ein Mitglied der Beschwerdekammern, welches wegen Befangenheit abgelehnt wird, an der Entscheidung über diesen Ablehnungsantrag nicht beteiligt sein dürfe, da die besorgte Befangenheit auch diese Entscheidung zu Ungunsten des Antragstellers beeinflussen könnte. Die gegenteilige Meinung aus T 1028/96 (siehe Nr. 1) könne nicht überzeugen.
Hierzu ist von Seiten der erkennenden Kammer lediglich auszuführen, dass sie die Begründung in dieser Entscheidung teilt, wonach die Kammer in der ursprünglichen Besetzung über die Zulässigkeit einer Ablehnung wegen Befangenheit entscheidet. Das ist ständige Rechtsprechung. R 9/12 mag es an einer eigenen inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem durch den Antragsteller explizit anerkannten Vorgehen mangeln, worauf die Einsprechende hinweist. Allerdings haben auch spätere Entscheidungen der Großen Beschwerdekammer T 1028/96 in dieser Frage ausdrücklich - wenn auch ebenfalls erneut ohne inhaltliche Auseinandersetzung - bestätigt. Siehe R 2/14, Nr. 10.1, und R 3/16, Nr. 21.
Auch die erkennende Kammer hält eine eigene Auseinandersetzung mit dem Inhalt von Nr. 1 der Entscheidungsgründe von T 1028/96 nicht für veranlasst, da sie die dort vertretene Auffassung teilt. In Artikel 24 EPÜ mag - wie die Einsprechende vorträgt - von der in der Entscheidung angenommenen 'Einleitung eines Verfahrens' vor einer Kammer, in der ein oder mehrere Mitglieder gemäß Artikel 24 (4) EPÜ ausgewechselt wurden, nach positiver Prüfung der Zulässigkeit eines Befangenheitsantrags durch eine Kammer in der ursprünglichen Besetzung nicht ausdrücklich die Rede sein. Allerdings ist die von der Kammer im Fall T 1028/96 gefundene Auslegung von Artikel 24 EPÜ in ihrem Ergebnis nicht zu beanstanden."
c) Den Antrag der Einsprechenden auf Vorlage an die Große Beschwerdekammer gemäß Artikel 112 (1) EPÜ zwecks Klärung der hier diskutierten Rechtsfrage hat die Ersatzkammer in Ziffer 2.8 der Entscheidungsgründe zurückgewiesen und hierzu Folgendes ausgeführt:
"Denn - wie die obige Darstellung belegt - kann die Kammer die Antwort auf alle aufgeworfenen Rechtsfragen ohne Zweifel dem EPÜ entnehmen und hält daher eine Befassung der Großen Beschwerdekammer hiermit nicht für erforderlich."
d) Die erkennende Kammer betont, dass es vorliegend nicht entscheidend ist, ob in der gerade zitierten, aus Sicht der Einsprechenden unzureichenden Begründung durch die Ersatzkammer eine Verletzung des Anspruchs der Einsprechenden auf rechtliches Gehör zu sehen ist. Die Beantwortung dieser Frage obliegt der Großen Beschwerdekammer im Verfahren R 16/22. Für die hier allein interessierende Frage, ob eine vorsätzliche Missachtung der Rechte der Einsprechenden durch die Ersatzkammer gegeben ist, kann das Vorliegen eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör unterstellt werden.
e) Wie nämlich oben in Ziffer 2.2.2 ausgeführt, ist der bloße Umstand, dass der Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör verletzt und damit ein Verfahrensverstoß begangen wurde, nicht ausreichend für die begründete Annahme der Voreingenommenheit eines den Verfahrensverstoß begehenden Kammermitglieds gegenüber einem Beteiligten. Es müssen vielmehr besondere Umstände hinzukommen, aus denen eine vernünftige, objektive und informierte Person mit gutem Grund auf die Voreingenommenheit schließen kann. Ein solcher besonderer Umstand kann darin liegen, dass der Verfahrensverstoß absichtlich oder jedenfalls bedingt vorsätzlich begangen wurde, um die Rechte des betroffenen Beteiligten zu verkürzen.
f) Auf den Umstand, dass ein Verfahrensverstoß wie die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör absichtlich oder vorsätzlich begangen wurde, könnten zum Beispiel explizite Ausführungen der Kammer in den Entscheidungsgründen hindeuten, aus denen eindeutig hervorgeht, dass man die Notwendigkeit einer Auseinandersetzung mit den Argumenten eines Beteiligten zum Zwecke der Wahrung des Anspruchs auf rechtliches Gehör zwar sehe und bejahe, gleichwohl aber hierauf verzichte. Ein Indiz für eine vorsätzliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör und damit für eine Voreingenommenheit könnte gegebenenfalls auch sein, wenn Argumente eines Beteiligten mit einer willkürlichen Begründung abgetan würden. Nicht ausreichend für die Annahme einer Voreingenommenheit wäre demgegenüber, wenn eine fehlende oder unzureichende Auseinandersetzung mit Argumenten eines Beteiligten ebenso gut auf Fahrlässigkeit, auf ein Versehen oder eine (rechtliche) Fehleinschätzung zurückgeführt werden könnte. In all diesen Fällen könnte aus Sicht einer objektiven, vernünftigen und informierten Person die Ursache für den Verstoß gerade nicht mit gutem Grund in der Voreingenommenheit gegenüber dem Beteiligten gesehen werden.
g) Unterstellt man im vorliegenden Fall, dass die in Ziffer 2.3 der Entscheidungsgründe enthaltene Auseinandersetzung der Ersatzkammer mit den Argumenten der Einsprechenden unzureichend im Sinne von Artikel 113 (1) EPÜ gewesen ist, so kann die erkennende Kammer aus den nachfolgend erläuterten Gründen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür erkennen, dass dies bewusst und gewollt geschehen ist.
i) Die Ersatzkammer hat die Argumente der Einsprechenden offensichtlich zur Kenntnis genommen und diese auch ihren Ausführungen in den Entscheidungsgründen zugrunde gelegt (vgl. oben Ziffern 2.3.3 a) und 2.3.3 b), erster Absatz des Zitats). Hierbei hat sie maßgeblich darauf abgestellt, dass die von der Einsprechenden kritisierte Auslegung von Artikel 24 (4) EPÜ gemäß der Ausgangsentscheidung T 1028/96
- von der erkennenden Kammer geteilt werde ("...von Seiten der erkennenden Kammer lediglich auszuführen, dass sie die Begründung in dieser Entscheidung teilt"; "Auch die erkennende Kammer hält eine eigene Auseinandersetzung mit dem Inhalt von Nr. 1 der Entscheidungsgründe von T 1028/96 nicht für veranlasst, da sie die dort vertretene Auffassung teilt"; "Allerdings ist die von der Kammer im Fall T 1028/96 gefundene Auslegung von Artikel 24 EPÜ in ihrem Ergebnis nicht zu beanstanden"),
- ständige Rechtsprechung der Beschwerdekammern darstelle ("Das ist ständige Rechtsprechung"), und
- auch seitens der Großen Beschwerdekammer mehrfach und ausdrücklich bestätigt worden sei ("Allerdings haben auch spätere Entscheidungen der Großen Beschwerdekammer T 1028/96 in dieser Frage ausdrücklich - wenn auch ebenfalls erneut ohne inhaltliche Auseinandersetzung - bestätigt").
ii) Es ist daher zwar zutreffend, dass sich die Ersatzkammer nicht im Einzelnen mit den von der Einsprechenden vorgebrachten Argumenten gegen die Ausführungen in T 1028/96 auseinandergesetzt hat. Sie hat die Gegenargumente aber offensichtlich nicht einfach bewusst ignoriert, sondern ist ihnen dadurch begegnet, dass sie es für ausreichend gehalten hat, sich pauschal der kritisierten Entscheidung inhaltlich anzuschließen und im Übrigen darauf zu verweisen, dass die Grundsätze gemäß dieser Entscheidung ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern entsprächen sowie von der Großen Beschwerdekammer bestätigt worden seien.
iii) Eine solche Argumentation - insbesondere der Verweis auf die Rechtsprechung der Großen Beschwerdekammer, die eine grundsätzlich bindende Instanz ist, vgl. Artikel 21 VOBK 2020 - erscheint auch nicht willkürlich, sondern steht im sachlichen Zusammenhang mit der diskutierten Problematik und ist jedenfalls als denkbare Begründung nicht schlechthin inakzeptabel.
iv) Die Kammer kann entgegen der in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung der Einsprechenden auch nicht als mögliches Indiz für eine Voreingenommenheit einen eklatanten Widerspruch zwischen der Begründung für die Ablehnung der Vorlage an die Große Beschwerdekammer (die Antwort auf alle Rechtsfragen ließe sich dem EPÜ entnehmen; siehe oben Ziffer 2.3.3 c)) und der Aussage im Rahmen der Ausführungen, dass die Entscheidung T 1028/96 zutreffe (Artikel 24 EPÜ enthalte keine ausdrückliche Regelung zu der Frage, ob die abgelehnte Kammer die Zulässigkeitsprüfung selbst vornehmen dürfe; siehe oben Ziffer 2.3.3 b), letzter Absatz des Zitats), erkennen: Die Ersatzkammer folgte nämlich der "im Fall T 1028/96 gefundene[n] Auslegung von Artikel 24 EPÜ" und entnahm daher die Antwort auf die diskutierte Rechtsfrage tatsächlich dem EPÜ. Eine Antwort dem EPÜ zu entnehmen schließt nicht aus, dass dies im Wege der Auslegung erfolgt. Im Übrigen würde selbst ein zu Diskussionszwecken unterstellter Widerspruch dieser Aussagen der Ersatzkammer kein ausreichendes Indiz für eine Voreingenommenheit der Kammer darstellen, da sie gerade nicht im diametralen Gegensatz zueinander stehen und als miteinander unvereinbar ins Auge springen; vielmehr könnte die von der Einsprechenden behauptete Inkongruenz der Begründungen ohne Weiteres auch darauf beruhen, dass sie im Rahmen der Entscheidungsabfassung übersehen wurde. Dass diese Aussagen ein "Hohnlachen" darstellten, wie von der Einsprechenden vorgetragen, ist daher ihr rein subjektiver Eindruck.
v) Die Kammer kann daher keine objektiven und damit hinreichenden Anhaltspunkte dafür finden, dass die Art und Weise der Begründung durch die Ersatzkammer Ausdruck ihrer Voreingenommenheit gegenüber der Einsprechenden gewesen wäre. Letzteres bleibt vielmehr Spekulation der Einsprechenden.
2.3.4 Die zweite Argumentationslinie, warum die Einsprechende das abgelehnte Kammermitglied für befangen hält (siehe oben Ziffer XVIII.c)), beruht auf dem von ihr ins Feld geführten Erfahrungssatz, wonach niemand unbefangen über sein eigenes Verhalten entscheiden könne. In genau einer solchen Situation befinde sich aber das als befangen abgelehnte Kammermitglied:
- Als Mitglied der Ersatzkammer, welche über den dritten Befangenheitsantrag der Einsprechenden zu entscheiden hat, müsse es darüber befinden, ob die Kammer in ihrer ursprünglichen Besetzung in ihrer Mitteilung vom 29. September 2022 den Anspruch der Einsprechenden auf rechtliches Gehör "eklatant verletzt" habe, indem sie in der Mitteilung deutlich gemacht habe, dass sie nicht gewillt sei, sich mit den rechtlichen Argumenten der Einsprechenden zu der Frage der Entscheidungsbefugnis der abgelehnten Mitglieder über die Zulässigkeit des ersten Befangenheitsantrags auseinanderzusetzen (siehe oben Ziffer XI.).
- Genau dieses Verhalten könne aber dem als befangen abgelehnten Kammermitglied aufgrund seiner Mitwirkung an der Zwischenentscheidung vom 1. April 2022 selbst vorgeworfen werden, in welcher der Anspruch der Einsprechenden auf rechtliches Gehör im besagten Punkt bewusst und gewollt versagt worden sei.
- Das als befangen abgelehnte Kammermitglied müsste also de facto oder mittelbar über sein eigenes, identisches Verhalten und die Frage, inwieweit dieses Verhalten eine schwere Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör darstellte, entscheiden.
2.3.5 Die Kammer ist bereits nicht davon überzeugt, dass der von der Einsprechenden behauptete Erfahrungssatz, wonach niemand unbefangen über sein eigenes Verhalten entscheiden könne, tatsächlich vorliegend einschlägig ist.
a) Unstreitig ist es ein Grundprinzip des Rechtsstaats, dass niemand in eigener Sache Richter sein kann. Dieser Grundsatz betrifft jedoch nur solche Fälle, in denen der Richter selbst unmittelbar an der zu überprüfenden Entscheidung mitgewirkt hat. Ein Ausfluss dieses Grundsatzes ist die Regelung in Artikel 24 (1) EPÜ, wonach Mitglieder der Beschwerdekammern und der Großen Beschwerdekammer nicht an der Erledigung einer Sache mitwirken dürfen, an deren abschließender Entscheidung sie in der Vorinstanz mitgewirkt haben. Übertragen auf den hiesigen Fall bedeutet dies zum Beispiel, dass keines der Kammermitglieder, die die Zwischenentscheidung vom 1. April 2022 getroffen haben, im von der Einsprechenden angestrengten Überprüfungsverfahren R XX/YY vor der Großen Beschwerdekammer mitwirken dürfte.
b) Vorliegend würde aber das als befangen abgelehnte Kammermitglied nicht über sich selbst unmittelbar zu Gericht sitzen, da es an der beanstandeten Mitteilung der ursprünglichen Kammer vom 29. September 2022 nicht mitgewirkt hat. Dies räumt auch die Einsprechende ein, indem sie vorträgt, dass das als befangen abgelehnte Kammermitglied lediglich "de facto" beziehungsweise "mittelbar" ein eigenes Verhalten beurteilen müsste.
c) Es ist nicht ohne Weiteres ersichtlich, warum eine solche "mittelbare" Beurteilung ausgeschlossen werden sollte. Wie die Patentinhaber zu Recht hervorgehoben haben (siehe oben Ziffer XIX.c)), sehen sich nämlich Richter in vielen Verfahren immer wieder Fragen ausgesetzt, die sie in vorangegangenen Verfahren bereits beurteilt haben und nun erneut bewerten müssen. Es liegt auf der Hand, dass die Rechtspflege über kurz oder lang zum Erliegen käme oder jedenfalls deutlich gestört werden würde, wenn eine solche "mittelbare" Beurteilung bereits zur Befangenheit eines Richters führen würde.
d) Die Einsprechende hat hiergegen zum einen eingewandt, dass das als befangen abgelehnte Kammermitglied vorliegend mit der identischen Fragestellung nicht in unterschiedlichen Verfahren, sondern in demselben Verfahren befasst wäre, in dem es bereits das beanstandete Verhalten gezeigt habe. Dieser Umstand ändert jedoch nichts daran, dass das abgelehnte Kammermitglied nicht unmittelbar ein eigenes Verhalten zu beurteilen hat. Aus Sicht der Kammer besteht hier außerdem kein substantieller Unterschied zu der gerade in Abschnitt c) geschilderten Konstellation, sondern lediglich eine größere zeitliche Nähe zwischen den beiden maßgeblichen Zeitpunkten.
e) Zum anderen hat die Einsprechende vorgebracht, dass ein erheblicher Unterschied bestünde zwischen bloßen Sachentscheidungen, die aufgrund besserer Argumente ohne Weiteres überdacht und dann anders als in Vorverfahren getroffen werden könnten, und Vorwürfen von Fehlverhalten wie die bewusste Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (siehe oben Ziffer XVIII.d)). Die Kammer bezweifelt aber, ob dieser Unterschied tatsächlich bei Vorliegen der zweiten Alternative die Annahme eines objektiven Anscheins der Befangenheit rechtfertigt, da auch das vorangegangene vorsätzliche Begehen eines schwerwiegenden Verfahrensfehlers aufgrund überzeugender Argumente oder aufgrund besserer Einsicht von der handelnden Person später als Fehlverhalten erkannt werden kann. Mit anderen Worten scheint es der Kammer nicht gesichert, dass eine zur Entscheidung berufene Person zwar keine nennenswerten Schwierigkeiten haben solle, eine vorangegangene sachliche Fehlentscheidung einzuräumen, andererseits aber nur bei "menschlicher Größe" ausnahmsweise in der Lage sein solle, das Vorliegen eines vorangegangenen Fehlverhaltens anzuerkennen.
f) Da die zweite Argumentationslinie der Einsprechenden aber aus anderen Gründen nicht durchgreift (siehe sogleich), kann die Kammer die gerade diskutierte Frage offen lassen.
2.3.6 Jedenfalls setzt nämlich der von der Einsprechenden behauptete Erfahrungssatz in der vorliegenden Konstellation voraus, dass dem als befangen abgelehnten Kammermitglied tatsächlich selbst eine vorsätzliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör vorgeworfen werden kann. In diesem Fall müsse - so die Argumentation der Einsprechenden - objektiv befürchtet werden, dass dieses Mitglied das der Kammer in ihrer ursprünglichen Besetzung vorgeworfene, im Inhalt der Mitteilung vom 29. September 2022 begründete Fehlverhalten nicht unbefangen beurteilen könne, da das abgelehnte Kammermitglied bei Bejahung eines Fehlverhaltens de facto gleichzeitig sein eigenes, identisches Fehlverhalten einräumen müsste. Wie aber oben in Ziffer 2.3.3 gezeigt, kann ein solcher Vorwurf vorliegend dem als befangen abgelehnten Kammermitglied gerade nicht gemacht werden, da keine objektiven Anhaltspunkte für eine vorsätzliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör bestehen. Bereits aus diesem Grund kann die zweite Argumentationslinie der Einsprechenden keinen Erfolg haben.
2.3.7 Die zweite Argumentationslinie der Einsprechenden scheitert aber auch aus einem weiteren Grund.
a) Sie setzt nämlich weiterhin voraus, dass das als befangen abgelehnte Kammermitglied zuvor selbst ein identisches Verhalten wie die mit dem dritten Befangenheitsantrag abgelehnten Mitglieder der Kammer in ihrer ursprünglichen Besetzung an den Tag gelegt hat. Dies wiederum setzt voraus, dass sich das als befangen abgelehnte Kammermitglied in derselben Situation befunden hat wie die Mitglieder der Kammer in ihrer ursprünglichen Besetzung und damit ein vergleichbarer Sachverhalt besteht.
b) Eine solche identische Situation und damit ein vergleichbarer Sachverhalt liegt aber gerade nicht vor, worauf die Patentinhaber zutreffend hingewiesen haben (siehe oben Ziffer XIX.d)). Während nämlich im Rahmen des dritten Befangenheitsantrags zu prüfen ist, ob sich aus dem Inhalt des Ladungsbescheids der Kammer ein Befangenheitsgrund ergibt, soll sich das Fehlverhalten des als befangen abgelehnten Kammermitglieds aus den Entscheidungsgründen der Zwischenentscheidung vom 1. April 2022 ergeben. Dies sind zwei unterschiedliche Sachverhalte, deren Beurteilung sich nach jeweils unterschiedlichen Kriterien richtet. Das als befangen abgelehnte Mitglied muss also gerade nicht faktisch über sein eigenes Verhalten urteilen.
c) Ohne Erfolg bringt demgegenüber die Einsprechende vor, dass das als befangen abgelehnte Kammermitglied in jedem Fall als notwendige Vorfrage zu klären habe, ob in dem Verhalten der Kammer in ihrer ursprünglichen Besetzung eine bewusste Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör zu sehen sei (siehe oben Ziffer XVIII.e)). Dies trifft nicht zu, da eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch den Inhalt eines Ladungsbescheids, der eine vorläufige Meinung der Kammer enthält, von vornherein nicht begangen werden kann. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut von Artikel 113 (1) EPÜ, wonach "Entscheidungen des Europäischen Patentsamts [...] nur auf Gründe gestützt werden [dürfen], zu denen die Beteiligten sich äußern konnten" (Hervorhebung durch die Kammer). Eine Mitteilung mit der vorläufigen Meinung der Kammer soll vielmehr (unter anderem) auch und gerade die Wahrung des rechtlichen Gehörs der Beteiligten sichern. Entgegen der Auffassung der Einsprechenden genügt es auch nicht, dass die Kammer in ihrem Ladungsbescheid - so die Behauptung der Einsprechenden - bereits angekündigt habe, den Anspruch der Einsprechenden auf rechtliches Gehör durch Ignorieren ihrer Argumente zu verletzen. Ob nämlich tatsächlich später in der zu treffenden Entscheidung eine Verletzung dieses Anspruchs begangen wird, steht in keiner Weise fest, und die Einsprechende wird während der mündlichen Verhandlung ausreichend Gelegenheit haben, erneut ihre Argumente vorzubringen sowie insbesondere auf die aus ihrer Sicht drohende Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör hinzuweisen. Sie ist daher in der Tat gehalten, die mündliche Verhandlung sowie die Entscheidungsgründe abzuwarten.
2.4 Die Kammer kommt daher zu dem Ergebnis, dass keine der beiden von der Einsprechenden vorgebrachten Argumentationslinien überzeugt und daher der fünfte Befangenheitsantrag unbegründet ist.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Der Antrag, X wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wird zurückgewiesen.