J 0021/94 (Berichtigung) 12-04-1995
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Wässriges saures Bad zur galvanischen Abscheidung von glänzenden und rissfreien Kupferüberzügen und Verwendung dieses Bades
I. Die vorliegende Anmeldung wurde am 10. Oktober 1989 eingereicht. Die Akte der Anmeldung enthält einen Erteilungsantrag (Form 1001), in dem in Feld 24 als Bezeichnung der Erfindung "Wässriges saures Bad zur galvanischen Abscheidung von glänzenden und rissfreien Kupferüberzügen und Verwendung dieses Bades" angegeben ist. In der vom Anmelder vorbereiteten und vom EPA abgestempelten sowie paraphierten Empfangsbescheinigung (Bl. 5 des Erteilungsantrags) sind in Feld 48 folgende Anmeldungsunterlagen aufgeführt:
------------------------Stückzahl---------Blattzahl
1. Beschreibung-----------3-------------------14
2. Patentansprüche--------3--------------------3
5. Zusammenfassung--------3--------------------1
Unter Z. 4 "Zeichnungen" sind keine Eintragungen vorhanden.
II. Die in der Akte vorhandenen Anmeldungsunterlagen sind mit "M 10.10.89" perforiert und mit "Vorrichtung zum Galvanisieren oder chemischen Behandeln von metallischen Teilen" bezeichnet. Sie umfassen 12 Blätter Beschreibung, 4. Blätter Ansprüche, 6 Blätter Zeichnungen und eine Zusammenfassung. Am 6. Dezember 1989 wurde die Anmelderin von der Eingangsstelle aufgefordert, für den 11. und jeden weiteren Anspruch Anspruchsgebühren zu entrichten.
III. Am 13. Dezember 1989 reichte die Anmelderin einen Prioritätsbeleg ein, der in Bezeichnung und Blattzahl der Unterlagen den Angaben in Feld 24 und 48 des Erteilungsantrags entspricht. Am 19. Dezember 1989 bat sie dringend um Klärung, ob es sich bei der Mitteilung vom 6. Dezember 1989 um einen Irrtum handle, da die Anmeldung nach ihren Unterlagen lediglich 9. Patentansprüche enthalte. Mit Fernschreiben vom 8. März 1990 erwiderte die Eingangsstelle, daß der Titel der Anmeldung nicht mit dem im Erteilungsantrag genannten Titel übereinstimme und daß eine identische Anmeldung betreffend eine "Vorrichtung zum Galvanisieren ... " am 20. Oktober 1989 eingereicht worden sei, bei der die Anmeldungsunterlagen mit den Angaben im Erteilungsantrag übereinstimmten. Am 19. März 1990 reichte die Anmelderin einen Satz Anmeldungsunterlagen für ein "Wässriges saures Bad ... " ein, der den Angaben im Erteilungsantrag entsprach. Als Beweis dafür, daß diese Unterlagen dem Erteilungsantrag hätten beiliegen müssen, berief sie sich auf den Prioritätsbeleg. Ihr sei unerklärlich, wie es zur Übersendung der offensichtlich falschen Unterlagen gekommen sei, da in ihrer eigenen Akte übereinstimmende Unterlagen vorhanden seien. Sie beantragte, der Anmeldung den ursprünglichen Anmeldetag zuzuerkennen.
IV. Mit Wirkung vom 3. August 1993 wurde die Anmeldung auf die derzeitige Anmelderin umgeschrieben.
V. Mit Entscheidung vom 5. August 1993 wies die Eingangsstelle den Antrag auf Berichtigung durch Austausch der Anmeldungsunterlagen zurück. Zur Begründung stützte sie sich auf die Entscheidung J 21/85 (ABl. 1986, 117), nach der Regel 88 EPÜ nicht auf einen Fall anwendbar sei, in dem durch Berichtigung dem Erteilungsantrag mit Rückwirkung eine völlig andere Erfindung zugeordnet werden solle. Die Entscheidung wurde an die frühere Anmelderin zugestellt. Mit der Mitteilung vom 27. August 1993 über die Eintragung des Rechtsübergangs wurde die Entscheidung der neuen Anmelderin zugestellt.
VI. Diese legte frist- und formgerecht Beschwerde ein. In ihrer Begründung vom 3. Januar 1994 beruft sich die Beschwerdeführerin darauf, dem Amt seien am Anmeldetag die korrekten, mit dem Prioritätsbeleg übereinstimmenden Unterlagen für ein "Wässriges saures Bad ... " zugegangen. Dies ergebe sich aus einer Reihe von Indizien. Insbesondere stimmten die Blattzahl für Beschreibung und Ansprüche in der Empfangsbescheinigung mit den korrekten Unterlagen überein. Ferner weise die Empfangsbescheinigung keine Zeichnungen aus; auch die korrekten Unterlagen enthielten im Gegensatz zu den falschen Unterlagen keine Zeichnungen. Demgemäß habe das Amt der Anmelderin den Zugang der korrekten Anmeldungsunterlagen bescheinigt und sei für den Eingang falscher Unterlagen beweispflichtig.
VII. Alle weiteren Umstände wiesen darauf hin, daß die Unterlagen der vorliegenden Anmeldung bei der Eingangsstelle mit den am 20. Oktober 1989 eingereichten Unterlagen der Anmeldung 89 119 451.6 verwechselt worden seien. Wären tatsächlich die falschen Unterlagen eingereicht worden, so hätte deren Diskrepanz mit dem Erteilungsantrag zumindest bei der fehlenden Angabe der Zeichnungen auffallen müssen. Auch die fehlenden Anspruchsgebühren, die Divergenz im Titel und das Vorliegen einer nicht zu den falschen Unterlagen passenden Zusammenfassung hätten sofort und ohne nähere Prüfung bemerkt werden müssen.
VIII. In einem Zwischenbescheid der Kammer wurde die Beschwerdeführerin zu ihrem Tatsachenvortrag insbesondere darauf hingewiesen, daß nicht ersichtlich sei, wie zwei identische Sätze von Unterlagen in zwei verschiedene Akten gelangt sein können, wenn tatsächlich zwei verschiedene Sätze eingereicht worden seien. Es sei auch keine plausible Erklärung dafür ersichtlich, wie Unterlagen, die erst am 20. Oktober 1989 eingegangen sind, eine Perforation für einen 10 Tage früheren Eingang erhalten konnten.
IX. Die Beschwerdeführerin trug hierauf vor, daß am Anmeldetag neben den tatsächlich eingereichten korrekten Unterlagen offensichtlich auch die falschen Unterlagen eingereicht worden seien. Das Vorhandensein der falschen Unterlagen in den Akten des EPA lasse sich leicht dadurch erklären, daß die korrekten Unterlagen nach einer irrtümlichen Absonderung nicht mehr der vorliegenden Akte zugeordnet worden seien.
X. Selbst wenn die Kammer diesem Vortrag nicht folgen könne, sei ihrem Hauptantrag stattzugeben, weil bereits am Anmeldetag beabsichtigt gewesen sei, die Erfindung "Wässriges saures Bad ... " anzumelden. Dies rechtfertige nach den Entscheidungen der Technischen Beschwerdekammer 3.2.5 vom 1. Juli 1994, T 726/93 (nicht veröffentlicht) und der Juristischen Beschwerdekammer J 21/85 (ABl. 1986, 117) die Berichtigung der Anmeldungsunterlagen auf der Grundlage von Regel 88 Satz 2 EPÜ. Dem stünden auch die Entscheidungen der Großen Beschwerdekammer G 3/89 und G 11/91 (ABl. 1993, 117, 125) nicht entgegen. Eine Änderung der Offenbarung nach Artikel 123 liege nicht vor, weil die am Anmeldetag vorliegenden Unterlagen nicht als Offenbarung dessen anzusehen waren, was mit dem Erteilungsantrag bewirkt werden sollte.
XI. Der Vertreter der Beschwerdeführerin erläuterte seinen Antrag auf mündliche Verhandlung dahin, daß es ausreiche, wenn die Verhandlung vor der Juristischen Beschwerdekammer nach Durchführung eines Vorlageverfahrens stattfinde.
1. Die Kammer kann sich nicht der Auffassung der Beschwerdeführerin anschließen, es sei der Nachweis geführt worden, die am 19. März 1990 nachgereichten Anmeldungsunterlagen hätten dem EPA bereits am Anmeldetag vorgelegen.
1.1. Die ursprüngliche Einreichung dieser Unterlagen ergibt sich nicht aus der Empfangsbescheinigung. Mit dieser ist der Anmelderin bestätigt worden, sie habe am 10. Oktober 1989 Beschreibung, Ansprüche und Zusammenfassung in je drei Stücken eingereicht und diese Unterlagen hätten die Anmeldenummer 89 118 789.0 erhalten. Dies entspricht dem in Regel 24 (2) Satz 2 EPÜ vorgeschriebenen Inhalt der Empfangsbescheinigung. Dagegen wurde der Anmelderin nicht eine bestimmte Blattzahl der eingereichten Unterlagen bestätigt. In der Fußnote zur Empfangsbescheinigung wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Blattzahl bei Eingang der Unterlagen nicht geprüft wird. Die Blattzahl gehört nicht zu den Angaben, die nach Regel 24 (2) EPÜ oder aufgrund von Verwaltungsanweisung (vgl. Richtlinien für die Prüfung im EPA A-II, 3.1) zu bestätigen sind.
1.2. Das Fehlen einer Bestätigung für eingegangene Zeichnungen belegt nicht, daß am Anmeldetag Unterlagen ohne Zeichnungen vorgelegen haben. Wenn die Prüfung ergibt, daß die in der vorbereiteten Empfangsbescheinigung aufgeführten Unterlagen vorliegen, kann dies bestätigt werden. Der zuständige Bedienstete war nicht verpflichtet, nach weiteren, in der Empfangsbescheinigung nicht aufgeführten Unterlagen zu suchen. Dies hätte es erforderlich gemacht, die Anmeldungsunterlagen durchzublättern, ein Aufwand der durch das Unterbleiben der Kontrolle der Blattzahl gerade verhindert werden soll. Wenngleich eine genaue Kontrolle der Unterlagen bei Eingang wünschenswert ist, um Gelegenheit zu geben, denkbare Fehler so früh wie möglich zu bereinigen, kann nicht erwartet werden, daß bei der Erteilung der Empfangsbescheinigung in der Annahmestelle schon eine inhaltliche Prüfung stattfindet, die anderen Organen im Verfahren vorbehalten ist.
1.3. Daher war es auch nicht Sache der Annahmestelle, die Gebühren auf Vollständigkeit zu prüfen, oder festzustellen, daß die Bezeichnung im Erteilungsantrag und am Anfang der Beschreibung nicht übereinstimmten. Dies war vielmehr Aufgabe der Eingangsstelle im Rahmen der Formalprüfung nach Artikel 91 (1) EPÜ, während die Prüfung des Inhalts der Zusammenfassung Aufgabe des Recherchenprüfers war (Regel 47 (1) EPÜ; Richtlinien B- XI, 2). Aus dem Fehlen einer Reaktion der Annahmestelle auf Mängel in den genannten Erfordernissen können daher keine Schlüsse auf den Inhalt der am Anmeldetag vorliegenden Unterlagen gezogen werden.
1.4. Schließlich spricht vor allem der Akteninhalt gegen den von der Beschwerdeführerin angenommenen Sachverhalt. Nach Regel 24 (2) Satz 1 EPÜ ist auf den Anmeldungsunterlagen der Tag des Eingangs zu vermerken. Zu diesem Zweck werden diese bei Eingang, d. h. noch vor jeder sachlichen Bearbeitung, perforiert (vgl. Richtlinien A-II, 3.1). Dadurch wird vermieden, daß bei einer Bearbeitung vor Aktenanlage Unterlagen verwechselt werden oder verlorengehen. Die Perforation dokumentiert den Tag des Eingangs für das weitere Verfahren. Im vorliegenden Fall sind die Unterlagen betreffend eine "Vorrichtung zum Galvanisieren ... " mit dem 10.10.89 perforiert. Dies schließt den von der Anmelderin zunächst vorgetragenen Sachverhalt aus, daß diese Unterlagen aus einer 10 Tage später eingereichten Anmeldung in die vorliegende Anmeldung übernommen worden seien. Der zuletzt vorgetragene Sachverhalt, nach dem am Anmeldetag zwei verschiedene Sätze von Anmeldungsunterlagen eingereicht worden sein sollen, findet keine Bestätigung im Akteninhalt. Es sind keinerlei Anhaltspunkte dafür vorhanden, daß sich ein zweiter Satz von Anmeldungsunterlagen in der Anmeldung befunden hätte. Der von der Anmelderin dargestellte Sachverhalt stellt sich als eine bloße theoretische Möglichkeit dar, die nicht durch feststellbare Tatsachen gestützt ist. Ein solcher Vortrag ist nicht geeignet die Kammer davon zu überzeugen, daß ein Sachverhalt vorliegt, der den aus dem Akteninhalt ableitbaren Feststellungen widersprechen würde.
2. Für die Entscheidung über den Hauptantrag kommt es daher auf die Frage an, ob die Unterlagen betreffend eine "Vorrichtung zum Galvanisieren ... " im Weg der Berichtigung nach Regel 88 EPÜ durch die Unterlagen betreffend ein "Wässriges saures Bad ... " ersetzt werden können.
2.1. Hierzu hat sich die Beschwerdeführerin auf zwei Entscheidungen berufen.
In der Entscheidung T 726/93 wurde der Austausch der Anmeldungsunterlagen im Wege der Berichtigung zugelassen. Dabei wurde ein Unterschied gemacht zwischen der Berichtigung einzelner Merkmale innerhalb der Anmeldungsunterlagen und dem Ersatz der gesamten Anmeldungsunterlagen. Der letztgenannte Fall könne keine Änderung des technischen Inhalts der Anmeldung darstellen, da lediglich die gesamte Anmeldung in den vom Anmelder von Anfang an gewollten ursprünglichen Zustand versetzt werde.
Im Gegensatz dazu ist gemäß der Entscheidung J 21/85 "die Zuordnung einer anderen Erfindung - dargestellt in Beschreibung, Ansprüchen und Zeichnungen - zu einem bereits eingereichten Antrag auf Patenterteilung" durch den Wortlaut von Regel 88 EPÜ ausdrücklich ausgeschlossen (a. a. O., Punkt 3 der Gründe). Entgegen dem Vortrag der Beschwerdeführerin stellt die Entscheidung nicht darauf ab, ob in den ursprünglich eingereichten Unterlagen eine Diskrepanz zwischen Erteilungsantrag einerseits und Beschreibung, Ansprüchen sowie Zeichnungen andererseits besteht. Vielmehr wird die Zulässigkeit des Austauschs der angemeldeten Erfindung als Ganzes grundsätzlich verneint.
Daher haben zwei Beschwerdekammern unterschiedliche Antworten auf die hier einschlägige Rechtsfrage gegeben, ob die kompletten Anmeldungsunterlagen, d. h. Beschreibung, Ansprüche und ggf. Zeichnungen, im Wege der Berichtigung ausgetauscht werden können.
2.2. Angesichts dieser Divergenz hält die Kammer eine Entscheidung der Großen Beschwerdekammer zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsanwendung für geboten. Die Frage, welche Unterlagen für die ursprüngliche Offenbarung der Erfindung herangezogen werden können, ist nicht nur für das Schicksal der zu berichtigenden Anmeldung von ausschlaggebender Bedeutung. Sie kann darüber hinaus auch die Patentierbarkeit kollidierender Anmeldungen entscheidend beeinflussen, da für diese der Inhalt der zu berichtigenden Anmeldung mit Rückwirkung auf den Anmeldetag zum Stand der Technik nach Artikel 54 (3) EPÜ wird. Die Frage ist damit schon aus Gründen der Rechtssicherheit eine zentrale Frage des Patenterteilungsverfahrens.
2.3. Bei der Beantwortung dieser Frage müssen nach Ansicht der Kammer die Wertungen der Großen Beschwerdekammer in den Fällen G 3/89 und G 11/91 (ABl. 1993, 117 und 125) zur Auslegung von Artikel 123 (2) und Regel 88 Satz 2 EPÜ und zum Verhältnis dieser Bestimmungen einbezogen werden. Die Große Beschwerdekammer definiert dort den Begriff "Inhalt der Anmeldung" gemäß Artikel 123 (2) EPÜ als die Beschreibung, Ansprüche und Zeichnungen (a. a. O., Punkt 1.4 der Gründe). Eine Berichtigung dieser auch in Regel 88 EPÜ genannten, die Offenbarung betreffenden Teile komme daher nur im Rahmen dessen in Betracht, was der Fachmann der ursprünglich eingereichten Fassung dieser Unterlagen entnehmen könne (a. a. O., Teil 1 der Antwort auf die Vorlagefrage). Damit soll eine Ergänzung der Offenbarung ausgeschlossen werden.
Ist aber schon eine Ergänzung der Offenbarung nicht zulässig, so greifen Einwände gegen eine Änderung umso mehr, wenn die Offenbarung nicht nur partiell, sondern in toto geändert werden soll. Daher vermag die vorlegende Kammer der Entscheidung T 726/93 nicht zu folgen, wenn diese "eine Berichtigung eines technischen Merkmals innerhalb der Beschreibung, der Zeichnungen oder der Ansprüche" in Übereinstimmung mit G 3/89 und G 11/91 für unzulässig hält, wenn dadurch die Offenbarung erweitert wird, dagegen den "Ersatz der gesamten eingereichten Beschreibung und Ansprüche" für möglich erachtet (vgl. T 726/93, Punkt 7 der Gründe). Eine Berichtigung muß vielmehr immer ausgeschlossen sein, wenn sie zu einer nachträglichen Erweiterung des Inhalts im Vergleich zur Offenbarung am Anmeldetag führen würde. In diesem Sinne erscheint es unlogisch, eine Erweiterung um beispielsweise 10 % für unzulässig, eine Erweiterung um 100 % aber für zulässig zu halten.
2.4. Die Entscheidung T 726/93 kann sich für ihre Auffassung auch nicht auf die Rechtsprechung zur Berichtigung von mangelhaften Benennungen eines Vertragsstaats berufen, weil diese Rechtsprechung davon ausgeht, daß die Berichtigung einer Benennung die Offenbarung der Erfindung nach Artikel 83 EPÜ unberührt läßt. Bei der zitierten Rechtsprechung handelt es sich vielmehr um die Auslegung von prozessualen Handlungen, nämlich der Benennung von Vertragsstaaten im Erteilungsantrag gemäß Artikel 79 EPÜ. Solche Änderungen unterliegen nicht den Schranken von Regel 88 Satz 2 EPÜ, die im Einklang mit Artikel 123 (2) EPÜ eine Ergänzung der Offenbarung nach dem Anmeldetag ausschließen (G 3/89, Punkt 2 ff der Gründe). Die Rechtsprechung zur Berichtigung von Benennungen kann daher zu der hier anstehenden Frage nichts beitragen.
2.5. Für die hier zur Entscheidung stehende Frage macht es keinen Unterschied, daß in der Entscheidung T 726/93 der Prioritätsbeleg am Anmeldetag vorgelegen hat, während er im vorliegenden Fall nachgereicht wurde. Die Große Beschwerdekammer hat es ausdrücklich abgelehnt, den am Anmeldetag vorliegenden Prioritätsbeleg zur Stützung eines Berichtigungsantrags zuzulassen (G 3/89, Punkt 7 der Gründe). In dieser Hinsicht macht die Entscheidung T 726/93 einen Unterschied zwischen der für die Frage der Erweiterung maßgebenden Offenbarung (vgl. Punkt 6 und 7 der Gründe) und der Frage, ob sofort erkennbar war, daß nichts anderes beabsichtigt sein konnte, als das, was als Berichtigung vorgeschlagen wird (vgl. Punkt 10 der Gründe). Im letztgenannten Zusammenhang hält sie den Zeitpunkt des Vorliegens des Prioritätsbelegs für maßgeblich. Für eine solche Differenzierung läßt nach Auffassung der vorlegenden Kammer die Entscheidung G 3/89 keinen Raum.
2.6. Die vorlegende Kammer würde zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, je nachdem ob sie den Grundsätzen der Entscheidung T 726/93 oder denen der Entscheidung J 21/85 folgen würde. Daher hält sie eine Entscheidung der Großen Beschwerdekammer gemäß Artikel 112 (1) EPÜ für erforderlich.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Der Großen Beschwerdekammer wird folgende Rechtsfrage vorgelegt:
Können im Wege der Berichtigung nach Regel 88 EPÜ die vollständigen Unterlagen einer europäischen Patentanmeldung, also Beschreibung, Patentansprüche und Zeichnungen durch andere Unterlagen ersetzt werden, die der Anmelder mit seinem Erteilungsantrag hatte einreichen wollen?