T 1343/04 11-12-2007
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Verfahren zur Behandlung von Rohkaffee
J.J. Darboven GmbH & Co./Coffein Compagnie Dr. Erich Scheele GmbH & Co. KG
NKG Kala Hamburg GmbH
Kraft Foods R & D, Inc.
Mangelnde Neuheit - Hauptantrag, Hilfsanträge 1 bis 3
Mangelnde erfinderische Tätigkeit - Hilfsanträge 4 bis 7
Rückerstattung der Beschwerdegebühr - nein
I. Die Erteilung des Europäischen Patents Nr. 0 848 591 auf die Europäische Patentanmeldung Nr. 96930156.3, angemeldet am 3. September 1996 als Internationale Anmeldung PCT/EP96/03862 im Namen der Firma CR3-KAFFEEVEREDELUNG M.HERMSEN GmbH & Co., wurde am 30. Mai 2001 im Patentblatt 2001/22 bekannt gemacht.
Das Patent mit dem Titel "Verfahren zur Behandlung von Rohkaffee" war mit zwölf Ansprüchen erteilt worden, von denen der Anspruch 1 (auch Anspruch 1 des später eingereichten Hauptantrags im Einspruchs- und Beschwerdeverfahren) wie folgt lautete:
"1. Verfahren zur Behandlung von Rohkaffee zur Beseitigung von nicht sortentypischen, insbesondere beim Reife-, Ernte- oder Aufbereitungsprozess entstandenen Geschmacks- und Aromabeeinträchtigungen,
dadurch gekennzeichnet, dass der Rohkaffee zunächst auf einen Feuchtigkeitsgehalt von wenigstens 15% eingestellt und dann bei einer Temperatur oberhalb 100ºC und bei einem Druck von wenigstens 2 bar mit Wasserdampf behandelt wird, bis die Beeinträchtigung in ausreichendem Maße beseitigt ist."
Die Ansprüche 2 bis 11 waren direkt oder indirekt vom Anspruch 1 abhängig. Anspruch 12 war ein unabhängiger Verwendungsanspruch.
II. Gegen das Patent legten die Firmen:
01 J.J. Darboven GmbH & Co und Coffein Compagnie Dr. Erich Scheele GmbH & Co KG (als gemeinsame Einsprechende)
02 Kaffee-Lagerei N.H.L. Hinsch & Cons. GmbH & Co. (jetzt zu NKG Kala Hamburg GmbH umbenannt)
03 Kraft Foods R&D, Inc.
Einspruch ein und beantragten den vollständigen Widerruf des Patents. Die Einsprüche wurden darauf gestützt, dass der Gegenstand des Patents nicht neu sei oder nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe (Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 a) EPÜ), und dass das europäische Patent die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbare, dass ein Fachmann sie ausführen könne (Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 b) EPÜ).
Zur Stütze ihrer Argumentation zitierten die Einspre chenden unter anderem folgende Dokumente:
D1 DE-A-44 02 989
D3 US-A-3 767 418
D4 EP-A-0 234 712
D5 EP-A-0 425 824
III. Mit ihrer am 28. April 2004 mündlich verkündeten und am 20. August 2004 schriftlich begründeten Entscheidung widerrief die Einspruchsabteilung das Patent. Der Entscheidung lagen folgende Anträge zugrunde:
Hauptantrag, Hilfsantrag 1 und Hilfsantrag 2 (alle mit Schreiben vom 26. Februar 2004 eingereicht). Die während der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsanträge 3 und 4 wurden nicht berücksichtigt.
Der Hauptantrag entsprach den erteilten Ansprüchen 1 bis 11.
Anspruch 1 von Hilfsantrag 1 (Anspruch 1 von Hilfsantrag 2 im Beschwerdeverfahren) lautete wie folgt:
"1. Verfahren zur Behandlung von Rohkaffee zur Beseitigung von nicht sortentypischen, insbesondere beim Reife-, Ernte- oder Aufbereitungsprozess entstandenen Geschmacks- und Aromabeeinträchtigungen,
dadurch gekennzeichnet, dass der Rohkaffee zunächst auf einen Feuchtigkeitsgehalt von wenigstens 15% eingestellt und dann bei einer Temperatur oberhalb 100ºC und bei einem Druck von oberhalb 4 bar mit Wasserdampf behandelt wird, bis die Beeinträchtigung in ausreichendem Maße beseitigt ist."
Anspruch 1 von Hilfsantrag 2 (Anspruch 1 von Hilfsantrag 4 im Beschwerdeverfahren) lautete wie folgt:
"1. Verfahren zur Behandlung von Rohkaffee zur Beseitigung von nicht sortentypischen, insbesondere beim Reife-, Ernte- oder Aufbereitungsprozess entstandenen Geschmacks- und Aromabeeinträchtigungen,
dadurch gekennzeichnet, dass der Rohkaffee zunächst auf einen Feuchtigkeitsgehalt von wenigstens 15% eingestellt und dann bei einer Temperatur oberhalb 100ºC und bei einem Druck von oberhalb 4 bar mit Wasserdampf behandelt wird, bis die Beeinträchtigung in ausreichendem Maße beseitigt ist, wobei die Dampfbehandlung einschließlich der Druckaufbauphase wenigstens 30 Minuten dauert."
Zur Begründung des Widerrufs führte die Einspruchsabteilung aus:
- dass eine klare und zweifelsfreie Unterscheidung zwischen sortentypischen und nicht sortentypischen Geschmacks- und Aromabeeinträchtigungen zumindest in den Endbereichen dieser Bezeichnungen nicht möglich sei, und die Spezifizierung auf die Beseitigung nicht sortentypischer Beeinträchtigungen daher keine Abgrenzung gegenüber dem Stand der Technik ermögliche,
- dass das Verfahren gemäß Anspruch 1 von Haupt- und Hilfsantrag 1 nicht neu sei gegenüber den Offenbarungen von D1, D3, D4 und/oder D5,
- dass das Verfahren gemäß Anspruch 1 von Hilfsantrag 2, das gegenüber dem nächstliegenden Stand der Technik D1 oder D5 bei geringfügig erhöhtem Druck arbeite, für den Fachmann in Abwesendheit eines unerwarteten Effekts nicht erfinderisch sei, und
- dass die in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Hilfsanträge 3 und 4, die eine erneute Prüfung unter Artikel 123 (2) EPÜ erfordert hätten und auch bezüglich Artikel 84 EPÜ zweifelhaft seien, als verspätet nicht in das Verfahren zugelassen würden.
IV. Am 13. Oktober 2004 legte die Patentinhaberin (Beschwer deführerin) Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung ein. Die Beschwerdebegründung wurde am 20. Dezember 2004 eingereicht.
V. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufrechterhaltung des Patents auf Basis des Hauptantrags und hilfsweise auf Basis neuer Hilfsanträge 1 bis 7.
Die neuen Hilfsanträge entsprachen den folgenden früher im Einspruchsverfahren eingereichten Hilfsanträgen:
Neu eingereicht: Früher eingereicht:
Hilfsantrag 1 -
Hilfsantrag 2 Hilfsantrag 1
Hilfsantrag 3 Hilfsantrag 3
Hilfsantrag 4 Hilfsantrag 2
Hilfsantrag 5 Hilfsantrag 4
Hilfsantrag 6 -
Hilfsantrag 7 -
Anspruch 1 von Hilfsantrag 1 lautete wie folgt:
"1. Verfahren zur Behandlung von Rohkaffee zur Beseitigung von nicht sortentypischen, auf unsachgemäßer Behandlung beim Reife-, Ernte- oder Aufbereitungsprozess beruhenden Geschmacks- und Aromabeeinträchtigungen,
dadurch gekennzeichnet, dass der Rohkaffee zunächst auf einen Feuchtigkeitsgehalt von wenigstens 15% eingestellt und dann bei einer Temperatur oberhalb 100ºC und bei einem Druck von wenigstens 2 bar mit Wasserdampf behandelt wird, bis die Beeinträchtigung in ausreichendem Maße beseitigt ist." [Hervorhebung durch die Kammer].
Anspruch 1 von Hilfsantrag 3 lautete wie folgt:
"1. Verfahren zur Behandlung von Rohkaffee zur Beseitigung von nicht sortentypischen, auf unsachgemäßer Behandlung beim Reife-, Ernte- oder Aufbereitungsprozess beruhenden Geschmacks- und Aromabeeinträchtigungen,
dadurch gekennzeichnet, dass der Rohkaffee zunächst auf einen Feuchtigkeitsgehalt von wenigstens 15% eingestellt und dann bei einer Temperatur oberhalb 100ºC und bei einem Druck von oberhalb 4 bar mit Wasserdampf behandelt wird, bis die Beeinträchtigung in ausreichendem Maße beseitigt ist." [Hervorhebung durch die Kammer].
Anspruch 1 von Hilfsantrag 5 lautete wie folgt:
"1. Verfahren zur Behandlung von Rohkaffee zur Beseitigung von nicht sortentypischen, auf unsachgemäßer Behandlung beim Reife-, Ernte- oder Aufbereitungsprozess beruhenden Geschmacks- und Aromabeeinträchtigungen,
dadurch gekennzeichnet, dass der Rohkaffee zunächst auf einen Feuchtigkeitsgehalt von wenigstens 15% eingestellt und dann bei einer Temperatur oberhalb 100ºC und bei einem Druck von oberhalb 4 bar mit Wasserdampf behandelt wird, bis die Beeinträchtigung in ausreichendem Maße beseitigt ist, wobei die Dampfbehandlung einschließlich der Druckaufbauphase wenigstens 30 Minuten dauert." [Hervorhebung durch die Kammer].
Anspruch 1 von Hilfsantrag 6 lautete wie folgt:
"1. Verfahren zur Behandlung von Rohkaffee zur Beseitigung von nicht sortentypischen, insbesondere beim Reife-, Ernte- oder Aufbereitungsprozess entstandenen Geschmacks- und Aromabeeinträchtigungen,
dadurch gekennzeichnet, dass der Rohkaffee zunächst auf eine Feuchte zwischen 16% und 27% eingestellt und dann bei einem Druck zwischen 4,5 und 5,0 bar und einer Temperatur zwischen 147ºC und 153ºC für 90 Minuten bis 150 Minuten mit Sattdampf behandelt wird, bis die Beeinträchtigung in ausreichendem Maße beseitigt ist."
Anspruch 1 von Hilfsantrag 7 lautete wie folgt:
"1. Verfahren zur Behandlung von Rohkaffee zur Beseitigung von nicht sortentypischen, auf unsachgemäßer Behandlung beim Reife-, Ernte- oder Aufbereitungsprozess beruhenden Geschmacks- und Aromabeeinträchtigungen,
dadurch gekennzeichnet, dass der Rohkaffee zunächst auf einen Feuchte zwischen 16% und 27% eingestellt und dann bei einem Druck zwischen 4,5 und 5,0 bar und einer Temperatur zwischen 127ºC und 153ºC für 90 Minuten bis 150 Minuten mit Sattdampf behandelt wird, bis die Beeinträchtigung in ausreichendem Maße beseitigt ist." [Hervorhebung durch die Kammer].
VI. In ihren Schriftsätzen verteidigten die Einsprechenden (Beschwerdegegnerinnen) die in der angefochtenen Entscheidung ausgeführte Begründung der mangelnden Neuheit und erfinderischen Tätigkeit aller Anträge. Darüber hinaus erhoben sie einen Einwand auf Basis von Artikel 123 (2) EPÜ.
VII. Mit dem Bescheid vom 5. Dezember 2007 teilte die Kammer den Parteien ihre vorläufige, unverbindliche Auffassung einerseits bezüglich der Interpretation des Gegenstandes von Anspruch 1 aller Anträge und andererseits hinsichtlich Artikel 123 (2) EPÜ mit. Dieser Auffassung zufolge habe die Zweckbestimmung der beanspruchten Behandlung keinen einschränkenden Charakter für die Verfahrensansprüche, welche allein durch ihre technischen Verfahrenschritte charakterisiert seien.
VIII. Mit Schreiben vom 7. Dezember 2007 nahm die Beschwerdeführerin ihren Antrag auf mündliche Verhandlung zurück, teilte der Kammer mit, dass sie an der anberaumten mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werde und bat um Entscheidung nach Aktenlage.
IX. In der mündlichen Verhandlung vom 10. Dezember 2007, die in Abwesenheit der Beschwerdeführerin durchgeführt wurde, wurden die Neuheit, die erfinderische Tätigkeit und die Stütze des beanspruchten Gegenstands in der ursprünglich eingereichten Anmeldung erörtert.
X. Die für diese Entscheidung wichtigen, schriftlich eingereichten Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:
- Der beanspruchte Gegenstand sei neu gegenüber dem Stand der Technik (D1, D3 bis D5) aufgrund der Zweckbestimmung des beanspruchten Verfahrens zur Beseitigung von nicht-sortentypischen Geschmacks- und Aromabeeinträchtigungen, weil keines der Dokumente D1, D3, D4 oder D5 die Beseitigung solcher Beeinträchtigungen beträfe.
- Die Beseitigung von sortentypischen Geschmacks- und Aromabeeinträchtigungen schließe der beanspruchte Gegenstand ausdrücklich aus.
- Es sei im Stand der Technik bekannt, dass die nicht-sortentypischen Beeinträchtigungen des Rohkaffees unterschiedlich von sortentypischen seien. Der Fachmann könne diese Unterschiede mit Sicherheit erkennen.
- Es sei nicht naheliegend, das Verfahren gemäß Hilfsantrag 4 zu dem Zweck zu betreiben, nicht-sortentypische Geschmacks- und Aromabeeinträchtigungen zu beseitigen. Dieses Verfahren sei daher kein zu den bekannten Verfahren alternatives Verfahren.
- Keine der Entgegenhaltungen offenbare eine so intensive Dampfbehandlung bei so hohen Temperaturen über so lange Zeiträume und insbesondere bei so hohen Druckwerten.
- Die Ausführungsbeispiele des Patentes beträfen die erfolgreiche Beseitigung von nicht-sortentypischen, individuellen Behandlungsfehlern.
- Die Begründung der Einspruchsabteilung sei widersprüchlich und logisch fehlerhaft.
- Indem sie die Hilfsanträge 3 und 4 nicht zugelassen habe, habe die Einspruchsabteilung einen groben Verstoß gegen die prozessuale Fairness begangen. Diese Anträge seien eingereicht worden, um einen zum ersten Mal während der mündlichen Verhandlung geltend gemachten Einwand zu überwinden.
XI. Die für diese Entscheidung wichtigen, von den Beschwerdegegnerinnen schriftlich und mündlich vorgetragenen Argumente können wie folgt zusammengefasst werden:
- Eine Abgrenzung zwischen sortentypischen und nicht-sortentypischen Geschmacksbeeinträchtigungen sei nicht möglich.
- Das Verfahren gemäß Hauptantrag sei nicht neu gegenüber D1 und D3-D5.
- Das Verfahren gemäß Hilfsantrag 2 sei nicht neu gegenüber D3 und D4.
- Das Verfahren gemäß Hilfsantrag 4 sei neu aber nicht erfinderisch.
- D1 stelle den nächstliegenden Stand der Technik dar. Der geringfügig unterschiedliche Druck gemäß Hilfsantrag 4 betreffe eine marginale, für den Fachmann im Rahmen einer Optimierung des Verfahrens naheliegende Variation. Die beanspruchten Druckwerte seien im Rahmen ähnlicher Verfahren aus D3 und D4 bekannt.
- Das Verfahren gemäß Hilfsantrag 6 sei neu, gegenüber D1 als nächstliegendem Stand der Technik aber ebenso wenig erfinderisch.
- Die unterschiedlichen Wassergehalte, Drücke, Temperaturen und Behandlungsdauern seien für den Fachmann naheliegend, weil sie mit keinem besonderen Effekt verbunden seien. Beispiel 1 des angefochtenen Patents überwinde die Kaffeebeeinträchtigungen nicht.
- Folglich entsprächen die unterschiedlichen beanspruchten Werte der Behandlungsbedingungen willkürlichen Abgrenzungen, welche für den Fachmann naheliegen, der ein alternatives, weiteres Verfahren bereit stellen möchte.
- Die Hilfsanträge 1, 3, 5 und 7 seien hinsichtlich der Bestimmungen des Artikels 123(2) EPÜ unzulässig.
- Das Verwendungsmerkmal dieser Hilfsanträge sei von der ursprüngliche Offenbarung nicht gestützt.
- Darüber hinaus sei dieses Merkmal auch unklar.
XII. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte im schriftlichen Verfahren die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf Basis des Hauptantrages, hilfsweise auf Basis eines der Hilfsanträge 1 bis 7. Zusätzlich beantragte sie die Rückerstattung der Beschwerdegebühr.
XIII. Die Beschwerdegegnerinnen (Einsprechenden) beantragten die Zurückweisung der Beschwerde.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Bedeutung der Zweckbestimmung in den Ansprüchen 1 aller Anträge
2.1 Mit dem Bescheid vom 5. Dezember 2007 teilte die Kammer der Beschwerdeführerin ihre Auffassung mit, der zufolge die Zweckbestimmung der Behandlung keinen einschränkenden Charakter für die Verfahrensansprüche hatte. Die Beschwerdeführerin nahm zu dieser Auffassung keine Stellung; sie beantragte nur eine Entscheidung nach Aktenlage.
2.2 Alle Ansprüche 1 betreffen Verfahren zur Behandlung von Rohkaffee mit dem Zweck der Beseitigung von Geschmacks- und Aromabeeinträchtigungen. Es gibt im EPÜ, einschließlich der Verwendungsmerkmale betreffenden Rechtsprechung, keine Basis für die Auffassung, dem Zweck der Durchführung eines Verfahrens die Wirkung eines funktionellen technischen Merkmals zuzugestehen, das dieses Verfahren von mit identischen Verfahrensmerkmalen, zu einem anderen Zweck durchgeführten Verfahren unterscheidbar macht. Das in G 2/88 und G 6/88 (Abl EPA 1990, 93, 114) zugelassene Prinzip der zweiten nichtmedizinischen Indikation gilt ausschließlich für die Verwendung eines Produkts zur Erzielung eines auf seiner Wirkungsweise beruhenden technischen Effekts (cf T 0210/93, Gründe 3.2.3 und T 0684/02, Gründe 5.6, beide nicht im Abl. EPA veröffentlicht).
Die in den Ansprüchen 1 aller Anträge enthaltene Zweckbestimmung bewirkt somit keinen unterscheidenden Charakter und bleibt für die Beurteilung der Neuheit außer Acht.
3. Hauptantrag und Hilfsantrag 1
3.1 Mangelnde Neuheit
D1 (Zusammenfassung; Spalte 1, Zeilen 3-6 und 44-57; Anspruch 1) offenbart ein Verfahren zur Behandlung von Rohkaffee, bei dem der Feuchtigkeitsanteil der rohen Kaffeebohnen zunächst auf 15 bis 20 Gew.% angehoben wird, worauf die vorbehandelten Kaffeebohnen mit Sattdampf einer Temperatur von 135 bis 145ºC bei einem Druck von 2,5 bis 4,0 bar behandelt werden. Folglich offenbart D1 alle Merkmale des im Anspruch 1 beanspruchten Verfahrens.
D3 (Spalte 1, Zeilen 40-45; Spalte 1, Zeile 67 bis Spalte 2, Zeile 29; Spalte 2, Zeilen 49-59; Spalte 3, Zeilen 9-61; Ansprüche 1-3) offenbart ein Verfahren zur Behandlung von Rohkaffee, wobei man zur Einstellung seines Feuchtigkeitsgehalts auf mindestens 15% (als bevorzugter Feuchtigkeitsgrad ist der Bereich zwischen 45-55% offenbart) 1 Teil Rohkaffee mit 0,25 bis 1,5 Teilen Wasser mischt, woran eine Behandlung mit Wasserdampf einer Temperatur zwischen 240-350ºF (115-177ºC) bei einem Druck von 50-140 psi (3,4-9,7 bar) anschließt. Folglich offenbart auch D3 alle Merkmale des beanspruchten Verfahrens.
D4 (Ansprüche 1-4; Seite 3, Zeile 28 bis Seite 4, Zeile 6; Seite 5, Zeilen 1-20) offenbart ein mehrstufiges Verfahren, wobei der Rohkaffee zur Einstellung eines Feuchtigkeitsgrads von 35-45 Gew.% in einem ersten Schritt mit Wasserdampf behandelt und der feuchte Rohkaffee in einem zweiten Schritt einer Temperatur von 258-316ºF (123-158ºC) und einem Druck von 20-70 psig (1,4-4,8 bar) ausgesetzt wird. Folglich offenbart auch D4 alle Merkmale des beanspruchten Verfahrens.
D5 (Zusammenfassung; Spalte 2, Zeilen 6-15; Anspruch 1) offenbart ein Verfahren, wobei der Wassergehalt des Rohkaffees auf 30-45% gebracht und der Rohkaffee danach einer Wasserdampfbehandlung bei 135-140ºC und einem Druck zwischen 3-4 bar unterworfen wird. Auch D5 offenbart somit alle Merkmale des beanspruchten Verfahrens.
Da der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags und des diesem inhaltlich gleichkommenden Hilfsantrags 1 gegenüber dem Stand der Technik D1, D3 bis D5 nicht neu ist, sind diese Anträge nicht gewährbar.
4. Hilfsanträge 2 und 3
4.1 Mangelnde Neuheit
Im Vergleich zum Hauptantrag enthält der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß diesen Hilfsanträgen das zusätzliche Merkmal, dass man die Wasserdampfbehandlung des Rohkaffees bei einem Druck von oberhalb 4 bar durchführt.
Dieses Merkmal ist aber aus D3 bekannt. D3 (Spalte 3, Zeilen 36-39; Ansprüche 1 und 3) offenbart bevorzugte Druckwerte von 70-110 psi (4,8 bis 7,6 bar).
Außerdem ist dieses Merkmal auch aus D4 bekannt. D4 (Seite 3, Zeilen 18-21; Seite 5, Zeilen 2-5; Anspruch 1) offenbart 70 psig (4,8 bar) als maximalen Druckwert.
4.2 Der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 und des diesem inhaltlich gleichkommenden Hilfsantrags 3 ist somit gegenüber D3 und D4 nicht neu, und diese Anträge sind daher nicht gewährbar.
5. Hilfsanträge 4 und 5
5.1 Neuheit
Im Vergleich zum Hauptantrag enthält der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß diesen Hilfsanträgen die folgenden zusätzlichen Merkmale:
i) die Wasserdampfbehandlung des Rohkaffees ist bei einem Druck von oberhalb 4 bar durchzuführen, und
ii) die Dampfbehandlung einschließlich der Druckaufbauphase dauert wenigstens 30 Minuten.
Die Beschwerdegegnerinnen haben anerkannt, dass der Gegenstand dieser Hilfsanträge neu ist, weil keines der vorgebrachten Dokumente diese beiden Merkmale offenbart.
5.2 Erfinderische Tätigkeit
Alle Beschwerdegegnerinnen betrachten D1 als nächstliegenden Stand der Technik. Die Kammer schließt sich dieser Auffassung an, weil D1 (Spalte 1, Zeilen 44-57) ein Verfahren zur Qualitätsverbesserung von Rohkaffee vorschlägt, wobei die Behandlungsbedingungen sehr ähnlich zu den beanspruchten sind, insbesondere auch die Zeitdauer der Behandlung, welche im beanspruchten Bereich liegt.
D1 offenbart eine erste Behandlung der Kaffeebohnen mit Wasserdampf um den Feuchtigkeitsgehalt auf 15 bis 20 Gew.-% anzuheben und eine weitere Behandlung mit Sattdampf bei erhöhtem Druck (2,5 bis 4,0 bar) und erhöhter Temperatur (135º bis 145ºC) während einer Zeitdauer von 160 bis 210 Minuten. Der einzige demgegenüber vorliegende technische Unterschied des beanspruchten Verfahrens liegt im angewandten Druck, welcher oberhalb von 4 bar liegen soll, während D1 einen Druck von maximal 4 bar offenbart.
Die Beurteilung der Bedeutung dieses Unterschieds hängt von der damit zu lösenden technischen Aufgabe ab, die gemäß Absatz [0014] des Streitpatents darin besteht, nicht-sortentypische Geschmacks- und Aromabeeinträchtigungen zu beseitigen, die beim Reife-, Ernte- oder auch Aufbereitungsprozess entstanden sind.
Im Vergleich dazu offenbart jedoch Beispiel 1 des angefochtenen Patents, das bei einem Druck von 4,7 bar arbeitet, dass der nach dem beanspruchten Verfahren behandelte Rohkaffee einen "leicht maggiartigen und deutlich saureren (wenn auch sonst "völlig fehlerfreien sauberen") Geschmack" aufweist, was zum Schluss führt, dass die in Absatz [0014] des Streitpatents gestellte technische Aufgabe de facto nicht zufriedenstellend gelöst wird.
Unter diesen Umständen kann als objektiv vorliegende technische Aufgabe nur die Bereitstellung eines weiteren, alternativen Verfahren zur Behandlung von Rohkaffee zu dessen Qualitätsverbesserung anerkannt werden.
Diese technische Aufgabe wird gelöst durch die geringfügige Erhöhung des in D1 offenbarten Druckes. Diese Maßnahme liegt aber, wie auch aus D3 (Anspruch 3) und D4 (Anspruch 1) bekannt, im Rahmen der für den Fachmann naheliegenden routinemäßigen Verfahrensvariationen. Das beanspruchte Verfahren beruht deswegen nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
5.3 Da der Gegenstand von Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 und des diesem inhaltlich gleichkommenden Hilfsantrags 5 nicht erfinderisch ist, sind diese Anträge nicht gewährbar.
6. Hilfsanträge 6 und 7
Die Ansprüche 1 dieser Hilfsanträge entsprechen einander; in Anspruch 1 des Hilfsantrags 6 ist allerdings ein (durch die ursprüngliche Anmeldung gestütztes: siehe ursprünglicher Anspruch 9) Temperaturintervall von 147 bis 153ºC, in Anspruch 1 des Hilfsantrags 7 ein solches von 127 bis 153ºC angegeben, für dessen unteren Wert 127ºC keine Stütze in der ursprünglichen Anmeldung vorliegt. Soweit sie Hilfsantrag 7 betreffen, gehen die folgenden Ausführungen von der Annahme aus, dass es sich dabei um einen offensichtlichen Irrtum handelt und auch in Anspruch 1 des Hilfsantrags 7 ein Temperaturintervall von 147 bis 153ºC gemeint ist. Andernfalls wäre dieser Hilfsantrag schon wegen Verletzung von Artikel 123(2) EPC nicht gewährbar.
6.1 Neuheit
Vom Hauptantrag unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß diesen Hilfsanträgen durch die folgenden zusätzlichen Merkmale:
i) die Feuchte des Rohkaffees wird zwischen 16% und 27% eingestellt
ii) die Wasserdampfbehandlung des Rohkaffees erfolgt mit Sattdampf
iii) bei einem Druck zwischen 4,5 und 5,0 bar
iv) einer Temperatur zwischen 147ºC und 153ºC
v) für 90 Minuten bis 150 Minuten.
Die Beschwerdegegnerinnen haben anerkannt, dass keines der vorgebrachten Dokumente alle diese Merkmale offenbart, und dass der Gegenstand dieser Hilfsanträge neu ist.
6.2 Mangelnde erfinderische Tätigkeit
D1, welches ein Verfahren zur Qualitätsverbesserung von Rohkaffee vorschlägt, wobei die Behandlungsbedingungen sehr ähnlich zu den beanspruchten sind, wird auch gegenüber diesen Hilfsanträgen als nächstliegender Stand der Technik betrachtet.
Das gemäß Anspruch 1 beanspruchte Verfahren unterscheidet sich von D1 darin, dass der Behandlungsdruck etwas oberhalb von 4 bar liegt, nämlich im Bereich zwischen 4,5 und 5,0 bar, die Behandlungstemperatur etwas höher liegt, 147-153ºC im Vergleich zu den in D1 offenbarten 135-145ºC, die Behandlungsdauer etwas kürzer ist, 90-150 Minuten im Vergleich zu den in D1 offenbarten 160-200 Minuten, währenddessen der beanspruchte Feuchtigkeitsgehalt mit dem in D1 offenbarten überlappt, 16-27 % in Vergleich zu 15-20%.
Da für diese in den Bedingungen etwas intensivere, im Vergleich zu D1 aber kürzer angewandte Behandlung kein besonderer technischer Effekt glaubhaft gemacht wurde (siehe obiger Punkt 5.2; Beispiel 1 des Patentes), kann als objektiv vorliegende technische Aufgabe nur die Bereitstellung eines weiteren, alternativen Verfahrens zur Behandlung von Rohkaffee zu dessen Qualitätsverbesserung anerkannt werden.
Die Anwendung dieser gegenüber D1 intensiveren Behandlungsmaßnahmen liegt aber - in Abwesenheit besonderer, damit verbundener Effekte - im Rahmen der für den Fachmann naheliegenden routinemäßigen Verfahrensvariationen. Das beanspruchte Verfahren beruht deswegen nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
6.3 Die Hilfsanträge 6 und 7 (letzterer unter der oben aufgestellten Prämisse) sind daher wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit nicht gewährbar.
7. Rückerstattung der Beschwerdegebühr
Der Beschwerde wird durch die Beschwerdekammer nicht stattgegeben mit dem Ergebnis dass die Rückerstattung der Beschwerdegebühr unter Regel 67 EPÜ nicht erlaubt ist. Der Antrag der Beschwerdeführerin wird entsprechend zurückgewiesen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Der Antrag auf Rückerstattung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.