T 0428/09 (Proteinreinigung/QIAGEN GmbH) 11-12-2012
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Automatisierte Proteinreinigung im Multiwellformat durch Vakuumfiltration
Macherey, Nagel GmbH & Co. KG
Millipore Corporation
Hauptantrag, Hilfsanträge 1, 2 und 5 - Neuheit (nein)
Hilfsanträge 3 und 4 - Änderungen (nicht zulässig)
Hilfsantrag 6 - Zulässigkeit (nein)
I. Die vorliegende Beschwerde der Patentinhaberin (Beschwerdeführerin) richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit welcher das Europäische Patent EP 1 206 483 widerrufen wurde.
II. Anspruch 1 des Streitpatents in der erteilten Fassung lautet wie folgt:
"1. Verfahren zur Gewinnung von Zellinhaltsstoffe enthaltenden klaren Lösungen aus biologischen Proben im Hochdurchsatzverfahren, umfassend die Schritte: (a) Bereitstellen von mehreren proteinhaltigen Lösungen, die unlösliche Bestandteile enthalten, in separaten Kammern einer Multikammer-Filtrationseinheit, (b) Entfernen von unlöslichen Bestandteilen durch Filtrieren der Lösungen durch die Multikammer-Filtrationseinheit unter Anlegen einer Druckdifferenz, wobei durch Zugabe eines Entschäumers zu den Zelllysaten oder/ und durch Verwendung einer Transfereinheit zwischen Auslassseite der Multikammer-Filtrationseinheit und Einlassseite der Auffangbehälter eine Kreuzkontamination benachbarter Kammern verhindert wird und (c) Auffangen der einzelnen Filtrate jeweils separat in Auffangbehältern."
III. Im Verfahren vor der Einspruchsabteilung war das Streitpatent von den Einsprechenden 1 und 2 (Beschwerdegegnerinnen I und II) in seinem gesamten Umfang wegen mangelnder Neuheit und erfinderischer Tätigkeit (Artikel 100(a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 54 und 56 EPÜ), sowie von der Einsprechenden 2 (Beschwerdegegnerin II) wegen unzulässiger Erweiterung (Artikel 100(c) in Verbindung mit Artikel 123(2) EPÜ) angegriffen worden.
IV. In der angefochtenen Entscheidung entschied die Einspruchsabteilung, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 von insgesamt neun Entgegenhaltungen, darunter Entgegenhaltungen (D1), (D2) und (D14), neuheitsschädlich vorweggenommen wurde (Artikel 100(a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 54 EPÜ) und Anspruch 1 des ihr vorliegenden Hilfsantrags gegen Artikel 123(2) EPÜ verstieß.
V. Anspruch 1 des einzigen Hilfsantrags vor der Einspruchs-abteilung lautete wie folgt:
"1. Verfahren zur Gewinnung von Zellinhaltsstoffe umfassend Polypeptide mit mindestens 50 Aminosäuren enthaltenden klaren Lösungen aus biologischen Proben im Hochdurchsatzverfahren, umfassend die Schritte: (a) Bereitstellen von mehreren proteinhaltigen Lösungen, die unlösliche Bestandteile enthalten, in separaten Kammern einer Multikammer-Filtrationseinheit, (b) Entfernen von unlöslichen Bestandteilen durch Filtrieren der Lösungen durch die Multikammer-Filtrationseinheit unter Anlegen einer Druckdifferenz, wobei durch Zugabe eines Entschäumers zu den Zelllysaten eine Kreuzkontamination benachbarter Kammern verhindert wird und (c) Auffangen der einzelnen Filtrate jeweils separat in Auffangbehältern."
VI. Mit der Beschwerdebegründung vom 7. April 2009 beantragte die Beschwerdeführerin als Hauptantrag, die Entscheidung über den Widerruf aufzuheben und das Patent in der erteilten Fassung aufrechtzuerhalten, hilfsweise das Patent in geänderter Form mit den Ansprüchen gemäß der mit der Beschwerdebegründung eingereichten Hilfsanträgen 1, 2, 3 oder 4 aufrechtzuerhalten. Die Ansprüche der Hilfsanträge 1 und 3 wurden im weiteren Verlauf des Verfahrens mit Schreiben vom 11. Oktober 2012 ersetzt (siehe nachstehend Nr. XII).
VII. Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 lautet wie folgt:
"1. Verfahren zur Gewinnung von Zellinhaltsstoffe enthaltenden klaren Lösungen aus biologischen Proben im Hochdurchsatzverfahren, umfassend die Schritte: (a) Bereitstellen von mehreren proteinhaltigen Lösungen, die unlösliche Bestandteile enthalten, in separaten Kammern einer Multikammer-Filtrationseinheit, (b) Entfernen von unlöslichen Bestandteilen durch Filtrieren der Lösungen durch die Multikammer-Filtrationseinheit unter Anlegen einer Druckdifferenz, wobei durch Zugabe eines Entschäumers zu den Zelllysaten eine Kreuzkontamination benachbarter Kammern verhindert wird und (c) Auffangen der einzelnen Filtrate jeweils separat in Auffangbehältern."
VIII. Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 lautet wie folgt:
"1. Verfahren zur Gewinnung von Zellinhaltsstoffe, umfassend Polypeptide mit mindestens 50 Aminosäuren, enthaltenden klaren Lösungen aus biologischen Proben im Hochdurchsatzverfahren, umfassend die Schritte: (a) Bereitstellen von mehreren proteinhaltigen Lösungen, die unlösliche Bestandteile enthalten, in separaten Kammern einer Multikammer-Filtrationseinheit, (b) Entfernen von unlöslichen Bestandteilen durch Filtrieren der Lösungen durch die Multikammer-Filtrationseinheit unter Anlegen einer Druckdifferenz, wobei durch Zugabe eines Entschäumers zu den Zelllysaten eine Kreuzkontamination benachbarter Kammern verhindert wird und (c) Auffangen der einzelnen Filtrate jeweils separat in Auffangbehältern."
IX. Die Beschwerdegegnerin I erwiderte mit Schreiben vom 3. September 2009 auf die Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerin.
X. Die Beschwerdegegnerin II erwiderte mit Schreiben vom 2. November 2009 auf die Beschwerdebegründung der Beschwerdeführerin.
XI. Mit Schreiben vom 17. Juli 2012 wurden die Parteien zu einer mündlichen Verhandlung geladen.
XII. In Antwort auf die Ladung zur mündlichen Verhandlung reichte die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 11. Oktober 2012 neue Hilfsanträge 1 und 3 ein, welche die am 07. April 2009 eingereichten Hilfsanträge 1 und 3 ersetzen. Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 ist gleichlautend mit Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 (siehe vorstehend Nr. VII) und Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 ist gleichlautend zu Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 (siehe vorstehend Nr. VIII).
XIII. Am 16 November 2012 wies die Kammer in einer Mitteilung gemäß Artikel 15(1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern (VOBK) auf einige Punkte hin, die in der mündlichen Verhandlung geklärt werden sollten.
XIV. Die Beschwerdegegnerin I reagierte mit Schreiben vom 21. November 2012 auf die Mitteilung der Kammer und reichte Entgegenhaltungen (D29) und (D30) ein.
XV. Mit Schreiben vom 6. Dezember 2012 reichte die Beschwerdeführerin Hilfsanträge 5 und 6 ein. Anspruch 1 des Hilfsantrags 5 ist gleichlautend zu Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 (siehe Nr. VII vorstehend). Anspruch 1 des Hilfsantrags 6 lautet wie folgt:
"1. Verfahren zur Gewinnung von Zellinhaltsstoffe enthaltenden klaren Lösungen aus biologischen Proben im Hochdurchsatzverfahren, umfassend die Schritte: (a) Bereitstellen von mehreren proteinhaltigen Lösungen, die unlösliche Bestandteile enthalten, in separaten Kammern einer Multikammer-Filtrationseinheit, (b) Entfernen von unlöslichen Bestandteilen durch Filtrieren der Lösungen durch die Multikammer-Filtrationseinheit unter Anlegen einer Druckdifferenz, wobei durch Überschichten der proteinhaltigen Lösung mit Entschäumer eine Kreuzkontamination benachbarter Kammern verhindert wird und (c) Auffangen der einzelnen Filtrate jeweils separat in Auffangbehältern."
XVI. Die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer fand am 11. Dezember 2012 statt.
XVII. In der Entscheidung erwähnte Entgegenhaltungen:
(D1) EP 0 616 638 B1, 10. April 1996
(D2) QIAamp®96 DNA Blood BioRobot**(TM) Kit Handbook 1999
(D14) WO93/11218, 10. Juni 1993
(D29) QIAGENews Issue No. 3, 1999, Seiten 1, 12, 13, 27
(D30) QIAGENews Issue No. 2, 1999, Seite 27.
XVIII. Die Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Hauptantrag, Hilfsanträge 1, 2 und 5
Neuheit (Artikel 54 EPÜ)
Beispiel 11 gemäß Entgegenhaltung (D14) beschreibe ein Verfahren zur Präparation von genomischer DNA, wobei Lebergewebe zerkleinert und die Zellen durch Zugabe von Proteinase K zwei Stunden bei 50ºC lysiert würden. Die Behandlung mit Proteinase K führe dazu, dass Proteine "komplett verdaut" würden. Somit sei nach der Abfiltration der Zellbruchstücke kein Protein mehr im Filtrat enthalten und die Aussage auf Seite 19, Zeilen 14 bis 15 in (D14) daher fehlerhaft. Beispiel 11 offenbare somit nicht Schritt (a) des Verfahrens gemäß Anspruch 1. Die im Beispiel beschriebene Zugabe von Ethanol diene nicht einer Verwendung als Entschäumer, sondern erfolge zu einem anderen Zweck, nämlich dem Einstellen von Adsorptionsbedingungen für DNA an die Extraktionssäule. Gemäss Entscheidung T 848/93 sei das Verwendungsmerkmal ein funktionelles Verfahrensmerkmal und könne die Neuheit begründen. Die Entgegenhaltung (D14) enthalte überdies keinen Hinweis auf eine klare Lösung und offenbare kein Hochdurchsatzverfahren und keine Bereitstellung von mehreren proteinhaltigen Lösungen, da Beispiel 11 die Verarbeitung einer einzigen Probe offenbare. Die in Beispiel 11 erwähnte Figur 9 existiere nicht.
Hilfsanträge 3 und 4
Änderungen (Artikel 123(2) EPÜ)
In den Ansprüchen 1, 2 und 3 seien die zu gewinnenden Zellinhaltstoffe dahingehend spezifiziert worden, dass die Zellinhaltstoffe Polypeptide mit mindestens 50 Aminosäuren umfassten. Das Merkmal "umfassend Polypeptide mit mindestens 50 Aminosäuren" werde durch die Offenbarung auf Seite 13, Zeilen 25 bis 32 gestützt. Bei der "Gewinnung von Zellinhalsstoffen umfassend Polypeptide mit mindestens 50 Aminosäuren" handle es sich somit um eine unmittelbar und eindeutig aus den ursprünglichen eingereichten Unterlagen hervorgehende bevorzugte Ausführungsform. Der als Voraussetzung für die Gewinnung von Zellinhaltstoffen geforderte Filtrationsschritt sei in allen Ansprüchen durch Schritt (b) verwirklicht. Es sei nicht ersichtlich, warum sich die zitierte Passage nicht auf Schritt (b) der erfindungsgemässen Verfahren beziehen solle.
Hilfsantrag 6
Zulässigkeit Schritt 1(b) des Anspruchs 1 werde durch Aufnahme eines in der Beschreibung auf Seite 6, letzter Absatz, bis Seite 7, Zeile 1 offenbarten Merkmals spezifiziert. Diese Änderung sei geeignet, alle Neuheitsbeanstandungen auszuräumen; sie sei daher prima facie zulässig. Die Entgegenhaltung (D2) sei bisher von der Beschwerdeführerin als nicht relevant angesehen worden. Es habe daher auch keine Veranlassung bestanden diesen Antrag früher einzureichen. Es sei zudem nicht davon auszugehen gewesen, dass die Entgegenhaltung (D2) dem Stand der Technik zugerechnet werden würde. Die von der Beschwerdegegnerin I eingereichten Beweismittel (D29) und (D30) hätten dazu geführt, dass der Stand der Technik erweitert wurde. Das hinzugefügte Merkmal sei nicht komplex, sei eindeutig der Beschreibung zu entnehmen und die Kammer und die Beschwerdegegnerinnen hätten genügend Zeit gehabt, sich damit auseinander zu setzen.
XIX. Die Argumente der Beschwerdegegnerinnen I und II lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Hauptantrag, Hilfsanträge 1, 2 und 5
Neuheit (Artikel 54 EPÜ)
Anspruch 1 sei nicht auf die Isolierung bestimmter Zellinhaltstoffe beschränkt. Als Zellinhaltstoffe kämen deshalb DNA, RNA, Proteine oder deren Bruchstücke in Frage. Gemäß einer der Alternativen von Schritt (b) des Anspruchs 1 solle eine Kreuzkontamination benachbarter Kammern durch Zugabe eines Entschäumers verhindert werden. Als bevorzugten Entschäumer gebe die Patentschrift in Absatz [0021] Ethanol an. Bei der Entschäumerwirkung von Ethanol handle es sich um eine bekannte Stoffeigenschaft, die sich bei Zugabe zu einer wässrigen Lösung unabhängig davon einstelle, ob die Zugabe zu diesem Zweck erfolge oder nicht. Der Fachmann wisse auch, dass die in Beispiel 11 der Entgegenhaltung (D14) im Filtrat anfallenden Proteine bei Durchtritt durch den Filter zur Schaumbildung neigen. Beispiel 11 der Entgegenhaltung (D14) offenbare die Merkmale der Multikammereinheit und des Hochdurchsatzverfahren auf Seite 19, Zeile 3 durch den Verweis auf Figur 9. Die Figur 9 sei in den Abbildungen der Entgegenhaltung (D14) fälschlicherweise als Figur 8 bezeichnet. Diesen Fehler würde der Fachmann sofort erkennen, da es zwei Figuren 8 gebe. Die zweite Figur 8 sei Figur 9, siehe auch Entgegenhaltung (D1), welche inhaltsgleich zur Entgegenhaltung (D14) sei. Auch Seite 3, dritter Absatz und Seite 8, letzter Absatz der Entgegenhaltung (D14) offenbarten ein Hochdurchsatzverfahren. Laut Patent würden die Begriffe "klare Lösung" und "Filtrat" synonym verwendet.
Hilfsanträge 3 und 4
Änderungen (Artikel 123(2) EPÜ)
Das Merkmal "umfassend Polypeptide mit mindestens 50 Aminosäuren" sei der Offenbarung auf Seite 13, Zeilen 25 bis 32 nicht in Alleinstellung zu entnehmen. Zur Gewinnung von Polypeptiden mit mindestens 50 Aminosäuren sei die Abtrennung von anderen Substanzen offenbar zwingend erforderlich, siehe Zeile 27 auf Seite 13. Diese Abtrennung könne alternativ durch Filtration, Präzipitation oder auf chromatographische Weise erfolgen. Die Gleichstellung dieser Trennungsmöglichkeiten verdeutliche, dass die für die Gewinnung der genannten Polypeptide notwendigerweise abzutrennenden Substanzen keinesfalls Feststoffe sein müssten, denn Präzipitation und vor allem chromatographische Trennung setzten voraus, dass sich die abzutrennende Substanzen zuvor in Lösung befänden. Der in dem Anspruch 1 in Merkmal (b) angegebene Filtrationsschritt könne daher nicht der in der zitierten Textpassage angesprochene Abtrennungsvorgang sein. Denn dieser Filtrationsschritt solle offenkundig für die Entfernung von Feststoffen sorgen, um die geforderten klaren Lösungen zu erhalten.
Hilfsantrag 6
Zulässigkeit
Durch die Einführung eines Merkmals aus der Beschreibug entstünde ein Recherchenbedarf. Es sei auch nicht vorhersehbar gewesen, dass genau dieses Merkmal in die Ansprüche aufgenommen werden würde. Bedingt durch die Anreise zur mündlichen Verhandlung hätte nur ein Arbeitstag zur Verfügung gestanden, um sich mit dem Hilfsantrag zu beschäftigen. Dies sei zu kurz, um sich mit dem neuen Merkmal auseinanderzusetzen. Die Beweismittel (D29) und (D30) hätten nicht dazu geführt, dass der Stand der Technik erweitert würde, denn die Entgegenhaltung (D2), auf dessen Publikationsdatum die Beweismittel (D29) und (D30) abzielten, sei als Stand der Technik ja bekannt.
XX. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Aufrechterhaltung des Patents in der erteilten Fassung, hilfsweise im Umfang des Hilfsantrags 1, eingereicht mit Schreiben vom 11. Oktober 2012, des Hilfsantrags 2, eingereicht mit der Beschwerdebegründung, des Hilfsantrags 3, eingereicht mit Schreiben vom 11. Oktober 2012, des Hilfsantrags 4, eingereicht mit der Beschwerdebegründung, oder der Hilfsanträge 5 und 6, beide eingereicht mit Schreiben vom 6. Dezember 2012.
XXI. Die Beschwerdegegnerinnen I und II beantragen die Zurückweisung der Beschwerde.
Hauptantrag (Ansprüche wie erteilt)
Neuheit
1. Anspruch 1 des Hauptantrags richtet sich auf ein Verfahren zur Gewinnung von Zellinhaltsstoffe enthaltenden klaren Lösungen aus biologischen Proben im Hochdurchsatzverfahren, welches die drei Schritte (a), (b) und (c) umfasst (siehe vorstehend Nr. II). Im Schritt (b) sieht Anspruch 1 als eine der drei Alternativen zur Verhinderung der Kreuzkontamination benachbarter Kammern die Zugabe eines Entschäumers vor. Gemäß Anspruch 2 wird der Entschäumer ausgewählt aus primären, sekundären oder tertiären C1 bis C6-Alkoholen. Als bevorzugten Entschäumer gibt die Patentschrift in Absatz [0021] Ethanol an.
2. In der angefochtenen Entscheidung hatte die Einspruchsabteilung entschieden, dass unter anderem das Beispiel 11 der Entgegenhaltung (D14) den Gegenstand des Anspruchs 1 neuheitsschädlich vorweg nimmt (siehe Nr. 2.3.1.2 der Gründe).
3. Die Entgegenhaltung (D14) betrifft ein Verfahren zur Isolierung von Zellinhaltsstoffen, wie Nukleinsäuren aus natürlichen Quellen durch Abtrennung der aufgeschlossenen natürlichen Quellen, wie Zellen oder Zelltrümmer durch Filtration (siehe Seite 1, 1. Absatz). Gemäss dem 3. Absatz auf Seite 3 der Entgegenhaltung (D14) werden in einer bevorzugten Ausführungsform des erfindungsgemässen Verfahrens gleichzeitig mehrere Proben aufgearbeitet und durch entsprechende Vorrichtungen, die in vorteilhafter Weise an Mikrotitrationssysteme adaptiert sind, geführt. Laut Seite 7 (siehe 2. Absatz) zeigt Figur 7 eine bevorzugte Ausführungsform der erfindungsgemässen Einrichtung, die in Form von Mikrotitrationsstreifen vorliegen kann. Entsprechende Konfigurationen sind gemäss Seite 7, 3. Absatz mit jeweils anderen Adsorptionsmaterialien in den Figuren 8 und 9 beschrieben. Seite 8, letzter Absatz schließlich offenbart, dass gleichzeitig bis zu 96 Proben aufgearbeitet werden können, wenn die erfindungsgemässe Filtrationseinrichtung im Microtiter-Format ausgelegt wird.
4. Beispiel 11 der Entgegenhaltung (D14) offenbart (siehe Seite 18, letzter Absatz bis Seite 19, erster Absatz) ein Verfahren zur Gewinnung genomischer DNA aus Lebergewebe, welches in einer Multikammer-Filtrationseinheit (siehe Blatt 8/8 der Abbildungen und nachstehend Nr. 6) durchgeführt wird. Zunächst wird das Lebergewebe zerkleinert und die Zellen durch Zugabe von Proteinase K zwei Stunden bei 50ºC lysiert. Nach Zugabe von Ethanol wird die Filtrationsvorrichtung nach Figur 9 auf eine Vakuumkammer aufgesetzt und das Zell-Lysat durch die Vorrichtung gesaugt. Der Filterkuchen mit den Zellbruchstücken wird verworfen und das Filtrat durch die Silicagelextraktionssäule gesaugt, um eine Adsorption der DNA zu erreichen. Anschließend wird die Extraktionssäule gewaschen, um RNA und Protein zu entfernen. Zum Schluss wird die DNA eluiert und in Röhrchen aufgefangen. Somit offenbart die Entgegenhaltung (D14) nach Ansicht der Kammer ein Verfahren zur Gewinnung einer DNA enthaltenden Lösung aus Lebergewebe im Hochdurchsatzverfahren, welches die drei Verfahrensschritte des Verfahrens gemäss Anspruch 1 des Streitpatents umfasst.
5. Die Beschwerdeführerin macht zunächst geltend, dass die Entgegenhaltung (D14) kein Hochdurchsatzverfahren und keine Bereitstellung von mehreren proteinhaltigen Lösungen offenbare, da Beispiel 11 die Verarbeitung einer einzigen Probe offenbare und es keine der Figur 9 entsprechende Abbildung gäbe.
6. Die Kammer kann sich diesem Argument nicht anschließen. Es trifft zwar zu, dass keine der in den Abbildungen der Entgegenhaltung (D14) dargestellte Vorrichtung als "Figur 9" gekennzeichnet ist. Jedoch ist sowohl die auf Blatt 7/8 als auch die auf Blatt 8/8 der Abbildungen dargestellte Vorrichtung als "Figur 8" gekennzeichnet. Da die auf Blatt 7/8 bzw. auf Blatt 8/8 abgebildeten Vorrichtungen unterschiedlich sind und die Beschreibung der Entgegenhaltung (D14) an mehreren Stellen offenbart, dass es sowohl eine Vorrichtung gemäss Figur 8 als auch eine Vorrichtung gemäss Figur 9 gibt (siehe Seite 7, 3. Absatz; Seite 15, 2. Absatz; Seite 16, 2. Absatz; Seite 17, 2. Absatz), hätte der Fachmann unschwer erkannt, dass es sich bei einer der beiden als Figur 8 gekennzeichneten Vorrichtungen de facto um die Vorrichtung nach Figur 9 handeln müsse. Die in den Figuren 8 und 9 beschriebenen Vorrichtungen unterscheiden sich laut Seite 3, 3. Absatz der Entgegenhaltung (D14) in den Adsorptionsmaterialien. Da laut Seite 18, 1. Absatz die in Figur 9 abgebildete Vorrichtung sowohl eine Anionenaustauscherschicht (10) als auch eine Silicagelschicht (11) aufweist, ergibt sich für den Fachmann weiters zweifelsfrei, dass die auf Blatt 8/8 der Entgegenhaltung (D14) abgebildete Vorrichtung, welche diese beide Schichten enthält, der Figur 9 entspricht. Dieses Verständnis wird durch die der Entgegenhaltung (D14) entsprechenden Europäischen Patentschrift (D1) bestätigt, in welcher die entsprechende Abbildung als Figur 9 gekennzeichnet ist (siehe letzte Seite der Entgegenhaltung (D1)).
7. Die Vorrichtung gemäss Figur 9 der Entgegenhaltung (D14) umfasst 8 Säulen, in welchen die Zelllysate parallel aufgearbeitet werden (siehe Blatt 8/8). Daher offenbart Beispiel 11 nach Ansicht der Kammer sowohl ein Hochdurchsatzverfahren als auch die Bereitstellung mehrerer Lösungen gemäss Schritt (a) des Anspruchs 1.
8. Nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist es nicht gerechtfertigt, bei der Neuheitsprüfung in einen Anspruch Merkmale hineinzulesen, die nur der Beschreibung zu entnehmen sind (Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 6. Auflage 2010, Abschnitt II.B.5). Daher beschränkt die in der Beschreibung des Streitpatents offenbarte parallele Verarbeitung von mindestens 24, bevorzugt mindestens 48 und am meisten bevorzugt 96 Proben und mehr (siehe Paragraph [0019]) Anspruch 1 nicht. Überdies zielt die allgemeine Lehre der Entgegenhaltung (D14) eindeutig auf die parallele Aufarbeitung mehrerer Proben in Vorrichtungen, die an Mikrotitrationssysteme angepasst sind, ab (siehe vorstehend Nr. 3). Nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern kann die technische Lehre von Beispielen mit der an anderer Stelle im selben Dokument - etwa in der Beschreibung einer Patentschrift - offenbarten Lehre kombiniert werden, vorausgesetzt, das betreffende Beispiel ist im Einklang mit der allgemeinen technischen Lehre, die im Dokument offenbart wird (Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 6. Auflage 2010, Abschnitt I.C.2.2). Daher hätte der Fachmann der allgemeinen Beschreibung der Entgegenhaltung (D14) in Verbindung mit dem in Beispiel 11 offenbarte Verfahren und der auf Blatt 8/8 abgebildeten Vorrichtung unmittelbar und eindeutig entnommen, dass das Verfahren auch mit bis zu 96 Filtrationseinheiten parallel ausgeführt werden kann.
9. Anspruch 1 erfordert lediglich die Bereitstellung mehrerer proteinhaltiger Lösungen, ohne zu spezifizieren, dass diese unterschiedlich sein müssen, daher fällt die in der Entgegenhaltung (D14) offenbarte parallele Verarbeitung einer Probe unter Anspruch 1. Die Bearbeitung von Aliquots aus einer identischen Probe ist im Streitpatent im übrigen explizit vorgesehen (siehe Paragraph [0018]).
10. Die Beschwerdeführerin macht weiters geltend, dass Beispiel 11 nicht Schritt (a) des Verfahrens gemäß Anspruch 1 offenbare, da die Behandlung mit Proteinase K dazu führe, dass Proteine "komplett verdaut" würden.
11. Nach Ansicht der Kammer sind die in der Entgegenhaltung (D14) im Beispiel 11 bereitgestellten Lösungen, welche durch die Lyse von Ratten-Lebergewebe gewonnen werden, proteinhältig, nicht zuletzt wegen der Anwesenheit der Proteinase K (ein Protein), welche zur Lyse der Zellen eingesetzt wird. Weiterhin erfordert Anspruch 1 lediglich, dass die in Schritt (a) bereitgestellten Lösungen proteinhaltig sind. Der Abbau der Proteine in einem nachfolgenden Schritt ist im Anspruch 1 nicht ausgeschlossen, da sich der Anspruch auf ein Verfahren bezieht, welches die Schritte (a), (b) und (c) umfasst.
12. Auch das Argument der Beschwerdeführerin, dass die Entgegenhaltung (D14) keinen Hinweis auf eine klare Lösung enthalte, kann nicht überzeugen. Die Kammer stellt fest, dass im Streitpatent die Begriffe "klare Lösung" und "Filtrat" synonym verwendet werden und eine Lösung bezeichnen, die im wesentlichen frei von unlöslichen Bestandteilen, wie z.B. Zelltrümmern ist (siehe Paragraph [0017]). Die Entgegenhaltung (D14) offenbart in Beispiel 11 (siehe Seite 19, Zeilen 7 bis 10) explizit die Abtrennung der Zellbruchstücke durch Filtration und die Gewinnung eines DNA hältigen Filtrats und damit die Gewinnung einer Zellinhaltsstoffe enthaltenden klaren Lösung.
13. Somit verbleibt als einziger Unterschied gegenüber dem Verfahren der Entgegenhaltung (D14), dass gemäss Schritt (b) des Anspruchs 1 die Zugabe von Ethanol den Zweck verfolgt, eine Kreuzkontamination benachbarter Kammern zu verhindern, wohingegen in dem Verfahren gemäss Entgegenhaltung (D14) Ethanol zugegeben wird, um die Probe auf Adsorptionsbedingungen an das Glas einzustellen.
14. Nach gängiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern sind die technischen Merkmale eines Verfahrensanspruchs die physischen Schritte, welche das Verfahren definieren (vgl. Entscheidung G 6/88, Abl. EPA 1990, 114; Nr. 2.5 der Gründe). Der physische Schritt der Ethanolzugabe im Schritt (b) vom Anspruch 1 des Streitpatents ist identisch zu dem physischen Schritt der Ethanolzugabe im Beispiel 11 der Entgegenhaltung (D14). Dabei stellt sich die dem beanspruchten Zweck der Verhinderung einer Kreuzkontamination benachbarter Kammern zugrunde liegende Entschäumerwirkung von Ethanol unabhängig davon ein, ob die Zugabe von Ethanol zu den Zelllysaten zu diesem oder einem anderen Zweck erfolgt. Daher kann nach Auffassung der Kammer der Zweck, zu welchem Ethanol im Schritt (b) des Verfahrens gemäss Anspruch 1 zugegeben wird kein neuheitsbegründendes Merkmal darstellen.
15. Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass gemäss Entscheidung T 848/93 vom 3. Februar 1998 das Verwendungsmerkmal in Schritt (b) des Anspruchs 1 sehr wohl als ein neuheitsbegründendes funktionelles Verfahrensmerkmal zu betrachten sei.
16. In der Entscheidung T 848/93 (supra) war der zu beurteilende Anspruch auf ein Verfahren zum Umschmelzen von galvanischen Schichten auf Leiterplatten gerichtet. Der Unterschied zum Stand der Technik lag in der verschiedenen Verwendung des Verfahrens (Umschmelzen statt Dampfphasenlöten). Die zuständige Kammer kam zu dem Schluss, dass im Einklang mit den Entscheidungen G 2/88 (Abl. EPA 1990, 93) und G 6/88 (supra) der Grossen Beschwerdekammer das Verfahrensmerkmal des Umschmelzens von galvanischen Schichten ein die Neuheit begründendes funktionelles technisches Merkmal war (siehe Nr. 3.1 bis Nr. 3.4 der Gründe).
17. Nach Ansicht der Kammer sind die in der Entscheidung T 848/93 (supra) angestellten Überlegungen jedoch nicht auf den vorliegenden Fall anwendbar, da nicht die Verwendung des Verfahrens, sondern der Zweck eines einzelnen Verfahrensschritts des Verfahrens als ein die Neuheit begründendes Merkmal zur Diskussion steht.
18. Im übrigen stellt laut der jüngeren Rechtsprechung der Beschwerdekammern die Zweckangabe in einem Verfahrensanspruch, welcher sich auf die Herstellung eines Produktes richtet, kein einschränkendes Merkmal im Sinne der Entscheidungen G 2/88 oder G 6/88 (supra) dar (siehe Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts, 6. Auflage 2010, Abschnitte I.C.5.3.e und f; sowie z.B. T 1049/99 vom 9. November 2004, Nr. 8.4.4 bis 8.5 der Gründe; T 1343/04 vom 11. Dezember 2007, Nr. 2 der Gründe; T 1179/07 vom 10. März 2009, Nr. 2.1.3 der Gründe; T 0304/08 vom 26. August 2009, Nr. 3.3.2 und 3.3.3 der Gründe).
19. Aus den oben genannten Gründen kommt die Kammer zu dem Schluss, dass der Anspruch 1 des Hauptantrags die Voraussetzungen des Artikel 54 EPÜ nicht erfüllt. Die angefochtene Entscheidung ist daher insoweit nicht zu beanstanden.
Hilfsanträge 1, 2 und 5
Neuheit
20. Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 entspricht Anspruch 1 des Hauptantrags, wobei Schritt (b) auf die Zugabe des Entschäumers eingeschränkt wurde (siehe vorstehend Nr. XII). Anspruch 1 sowohl des Hilfsantrags 2 als auch des Hilfsantrags 5 ist gleichlautend mit Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 (siehe vorstehend Nr. VII bzw. XII). Für alle diese Ansprüche gilt dieselbe Argumentation wie für Anspruch 1 des Hauptantrags (siehe vorstehend Nr. 3 bis Nr. 19). Daher erfüllen die Hilfsanträge 1, 2 und 5 nicht das Erfordernis von Artikel 54 EPÜ.
Hilfsantrag 3
Änderungen (Artikel 123(2) EPÜ)
21. Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 entspricht Anspruch 1 des Hilfsantrags 2 mit der zusätzlichen Einschränkung, dass das Verfahren die Gewinnung von Zellinhaltstoffe, umfassend Polypeptide mit mindestens 50 Aminosäuren, enthaltenden klaren Lösungen betrifft. Die Beschwerdeführerin gibt die Seite 13, Zeilen 25 bis 32 der ursprünglichen Beschreibung als Stütze an. In der angefochtenen Entscheidung hat die Einspruchsabteilung entschieden, dass eine gleichlautende Änderung in dem ihr vorliegenden Hilfsantrag gegen die Erfordernisse des Artikel 123(2) EPÜ verstößt (siehe Nr. 3.1.2 der Gründe).
22. Die Kammer stellt fest, dass laut Seite 13 der ursprünglichen Beschreibung das erfindungsgemäße Verfahren zur Gewinnung einer Vielzahl von Zellinhaltsstoffen geeignet ist, wobei das Verfahren bevorzugt zur Gewinnung von Peptiden oder Polypeptiden eingesetzt wird, und Polypeptide im allgemeinen mindestens 50 Aminosäuren enthalten. Seite 13 der ursprünglichen Beschreibung offenbart jedoch nicht ein Verfahren zur Gewinnung von Zellinhaltstoffe, umfassend Polypeptide mit mindestens 50 Aminosäuren, enthaltenden klaren Lösungen umfassend die Schritte (a) bis (c) gemäss Anspruch 1. Aus Seite 13, Zeilen 25 bis 32 der ursprünglichen Beschreibung geht überdies eindeutig hervor, dass die Gewinnung der Polypeptide ein geeignetes Protokoll zur Abtrennung anderer Substanzen unter Verwendung eines oder mehrerer Filtrations-, Präzipitations- und/oder chromatographischer Trennschritte voraussetzt.
23. Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass Schritt (b) des Anspruchs 1 die laut Seite 13 der ursprünglichen Beschreibung erforderliche Voraussetzung der Abtrennung von anderen Substanzen verwirkliche.
24. Die Kammer kann sich dieser Auffassung nicht anschließen. Der Schritt (b) des Verfahrens gemäss Anspruch 1 zielt ausschließlich auf die Entfernung unlöslicher Bestandteile ab, wohingegen Seite 13, Zeile 27 bis 30 der ursprünglichen Beschreibung auf die Gewinnung der Zellinhaltsstoffe durch Abtrennung von anderen Substanzen abzielt. Aus den offenbarten Trennungs-möglichkeiten, nämlich Filtration, Präzipitation und/oder Chromatographie hätte der Fachmann unmittelbar und eindeutig erkannt, dass es sich bei diesen abzutrennenden Substanzen in erster Linie um gelöste Substanzen handelt. Dies wird zum Beispiel auch durch die Offenbarung Seite 9, Zeile 28 bis Seite 10, Zeile 2 bestätigt, wonach zur Gewinnung der Zellinhaltsstoffe aus den nach Abtrennung der unlöslichen Bestandteile gewonnen Filtraten weitere Filtrationsschritte, beispielsweise eine Ultrafiltration durchgeführt werden. Auch in den Beispielen werden nach Abtrennung der unlöslichen Bestandteile durch Filtration weitere Schritte unternommen, die darauf abzielen, gelöste Substanzen abzutrennen, bevor schließlich die gereinigten Proteine gewonnen werden. Daher kann Schritt (b) des Verfahrens gemäss Anspruch 1 die auf Seite 13 der ursprünglichen Beschreibung vorgesehene Abtrennung nicht verwirklichen.
25. Aus diesen Gründen kommt die Kammer zu dem Schluss, dass Anspruch 1 neue technische Information enthält, da es der ursprünglichen Anmeldung nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen ist, dass das Verfahren so wie beansprucht, d.h. ohne Schritt zur Abtrennung gelöster Substanzen, zur Gewinnung von Zellinhaltstoffe, umfassend Polypeptide mit mindestens 50 Aminosäuren, enthaltenden klaren Lösungen führt. Anspruch 1 verstößt daher gegen Artikel 123(2) EPÜ.
Hilfsantrag 4
Änderungen (Artikel 123(2) EPÜ)
26. Anspruch 1 des Hilfsantrags 4 ist identisch mit Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 (siehe vorstehend Nr. XII). Für diesen Anspruch gilt dieselbe Argumentation wie für Anspruch 1 des Hilfsantrags 3 (siehe vorstehend Nr. 21 bis Nr. 25). Daher erfüllt der Hilfsantrag 4 nicht das Erfordernis des Artikel 123(2) EPÜ.
Hilfsantrag 6
Zulässigkeit
27. Hilfsantrag 6 wurde mit Schreiben vom 6. Dezember 2012 eingereicht und damit nur zwei Arbeitstage vor der mündlichen Verhandlung. Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass mit dieser Änderung auf die Entgegenhaltung (D2) reagiert würde, welche von ihr bis zu diesem Zeitpunkt als nicht relevant angesehen worden war und welche erst durch die am 21. November 2012 eingereichten Beweismittel (D29) und (D30) dem Stand der Technik zugerechnet werden konnte. Die Beschwerde-gegnerinnen beantragten, diesen Antrag nicht in das Verfahren zuzulassen.
28. Die Kammer hält das Argument, dass die Beschwerde-führerin die Entgegenhaltung (D2) bisher als nicht relevant angesehen habe, nicht für stichhaltig. Die Beweismittel (D29) und (D30) haben nicht dazu geführt, dass der Stand der Technik erweitert wurde, denn die Entgegenhaltung (D2), auf dessen Publikationsdatum sich die Beweismittel (D29) und (D30) beziehen, war als Stand der Technik seit der angefochtenen Entscheidung bekannt. In der angefochtenen Entscheidung war die Entgegenhaltung (D2) nicht nur dem Stand der Technik zugerechnet, sondern auch als neuheitsschädlich betrachtet worden (siehe Nr. 2.3.1.2 der Gründe). Somit hätte die Beschwerdeführerin bereits zum Zeitpunkt der Einreichung ihrer Beschwerdebegründung ihre Rückzugspositionen im Hinblick auf diese Entgegenhaltung durch geeignete Anträge definieren können und müssen. Daher handelt es sich bei dem Hilfsantrag 6 um eine verspätete Änderung des Vorbringens, die weder durch die Mitteilung der Beschwerdekammer noch durch das Verhalten der Beschwerdegegnerinnen bedingt wurde.
29. Aus Artikel 13(1) VOBK geht hervor, dass kein Rechtsanspruch auf eine nachträgliche Änderung des Vorbringens besteht, sondern dass es im Ermessen der Beschwerdekammer steht, Änderungen des Vorbringens eines Beteiligten nach Einreichung seiner Beschwerdebegründung oder Erwiderung zuzulassen und zu berücksichtigen. Bei der Ausübung dieses Ermessens werden insbesondere die Komplexität des neuen Vorbringens, der Stand des Verfahrens und die gebotene Verfahrensökonomie berücksichtigt. Nach Anberaumung der mündlichen Verhandlung werden Änderungen des Vorbringens nicht zugelassen, wenn sie Fragen aufwerfen, deren Behandlung der Kammer oder den anderen Beteiligten ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht zuzumuten ist (Artikel 13(3) VOBK).
30. In Hilfsantrag 6 wurde Schritt (b) des Anspruchs 1 durch Einführung des Merkmals "wobei durch Überschichten der proteinhaltigen Lösung mit Entschäumer eine Kreuzkontamination benachbarter Kammern verhindert wird" spezifiziert. Dieses Merkmal entstammt nicht einem abhängigen Anspruch, sondern wurde der Beschreibung entnommen (siehe Seite 6, letzter Absatz bis Seite 7, Zeile 1 der ursprünglichen Anmeldung) und erstmalig beansprucht. Obwohl das Merkmal einer - von vielen - bevorzugten Ausführungsform entstammt, war es weder für die Kammer noch die Beschwerdegegnerinnen vorhersehbar, dass genau dieses Merkmal als Rückzugsposition dienen sollte. Damit ist diese Änderung sowohl für die Gegenparteien als auch für die Kammer überraschend. Die Kammer ist der Meinung, dass die Einführung dieses neuen Merkmals eine zusätzliche Recherche seitens der Beschwerdegegnerinnen erforderlich machen würde. Die Durchführung dieser Recherche sowie die Bewertung des festgestellten relevanten Stands der Technik ist den Beschwerdegegnerinnen und der Kammer zu einem so späten Zeitpunkt ohne Verlegung der mündlichen Verhandlung nicht zumutbar. Daher hat die Kammer entschieden, diesen Antrag gemäß Artikel 13(1)(3) VOBK nicht zuzulassen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.